Finyl Lesson

 
Zwischen den Rappern, hauptsächlich Männern, die sich alterstechnisch zum Großteil wohl irgendwo zwischen 18 und 28 einordnen lassen, herrscht ein lockerer, freundschaftlicher Umgangston. Fällt jemandem nichts mehr ein, reicht er das Mikro einfach weiter. Gelingt ein Part besonders gut, wird geklatscht und gejohlt. Man kennt sich, respektiert sich. Neue erkennt man daran, dass sie zunächst am Rand sitzen und die Gruppe der Rappenden aufmerksam beobachten. Die wenigsten bleiben bis zum Schluss außerhalb. Zu herzlich, zu familiär ist die Stimmung. Man bekommt eine ungefähre Ahnung davon, was Vertreter der älteren Schule am heutigen, größtenteils auf Wettbewerb ausgelegten Rap immer so bemängeln. Furious, der aktuelle End Of The Weak Champion, umschreibt das friedliche Miteinander als den “Spirit von 1994 mit den Skillz von 2015“, andere MCees wie das Edit-Signing Chefket oder Ali Be schätzen ebenfalls die angenehme Atmosphäre. DJ Bulet bringt das Grundprinzip noch einmal auf den Punkt: "Wir wollen da miteinander jammen und das mit möglich viel positiver Energie. Wer Kräfte messen möchte, ist bei dieser Session falsch.

 

Stress ist im Friedrichshainer Keller zutiefst verpönt, für die meisten regelmäßigen Cypher-Teilnehmer ist ihr HipHop lastiger Dienstag nämlich eine gelungene Abwechslung zum anstrengenden Arbeitsalltag. Während die Jungen, Hungrigen die Abende im Lauschangriff nutzen, um an ihren Texten und Flows zu feilen oder wichtige Kontakte für ihre weitere Musik-Karriere zu knüpfen, nutzen etablierte Künstler wie der ausgewiesene Battle-Experte Liquit Walker oder das Mannheimer Rap-Original Sprachtot die Abende, um entspannt die ein oder andere Line zu kicken.

 

Damit sich in die allgemeine Harmonie jedoch keine Tristesse einschleicht, verlassen sich die Organisatoren nicht ausschließlich auf die Freestyle-Qualitäten der Berliner. Durch die enge Verflechtung von der Finyl Lesson und der internationalen End Of The Week Wettbewerbsreihe, in der sich die Künstler in verschiedenen Rap-Disziplinen messen müssen, mischen sich das ein oder andere mal auch Künstler aus anderen Ländern unter die Freestyler. HipHop als nationenübergreifende, universale Sprache. Torch hätte Tränen des Glücks in den Augen.

 

Man mag sich als Außenstehender spätestens nach zwei Stunden wünschen, dass Taktloss den Keller stürmt, mindestens zwei Rapper ausknockt, sich das Mikro schnappt und hysterisch "Hurensohn! Hurensohn! Hurensohn!“ reinbrüllt. Man denkt nach dem zehnten "Yoyoyo, wir sind hier im Haus und hey Leute, wie sieht das denn hier aus?“ womöglich sogar darüber nach, dass es zur Abwechslung auch mal ganz schön wäre, wenn zumindest einer in der Cypher es als seine gottgegebene Aufgabe ansehen würde, Wack-MCees zu töten.

Aber vielleicht sind Veranstaltungen wie die Finyl Lesson einer der wenigen Bereiche im HipHop geblieben, in denen nicht um die Aufmerksamkeit der Massen gekämpft wird, sondern wo es einfach nur ums Mitmachen geht. Jeder darf mal, keiner wird ausgeschlossen und selbst der talentierteste Rapper musste schon das Tal der Wackness durchwandern. Spaß am Rap an sich zu haben, scheint heutzutage nicht mehr selbstverständlich zu sein. Deshalb finden wir solche Freestyle-Abende und Aktionen gut. Der Community Gedanke lebt also doch – und wenn es nur in einem kleinen verrauchten Keller in Berlin Friedrichshain ist.