Finyl Lesson

Wenn die Pioniere früherer Tage über HipHop sprechen, klingt immer so eine leichte Verbittertheit mit durch. Damals, ja, damals. Man traf sich noch in verrauchten Kellern, kiffte und trank ein bisschen, fing an zu Rappen und machte sich keine Vorstellung davon, wohin das alles mal führen sollte. Man hatte einfach Spaß am Musik machen, am zwanglosen Miteinander. Damals schwang der floskelhaften Freundesbezeichnung "Bruder“ noch kein unterschwellig bedrohliches Großfamilientum mit, man fühlte sich einander einfach nur nahe und verbunden. Wer glaubt, dass es mit dieser Harmonie und Heiterkeit für allemal vorbei ist, irrt jedoch gewaltig. In Deutschland gibt es sie immer noch, diese Keller, in denen sich junge, hungrige Rapper zum gemeinsamen jammen und freestylen treffen. Wir haben uns aus unserer Haterbastion an die One Love-Front gewagt und der Finyl Lesson in Friedrichshain einen Besuch abgestattet. Die Bilder stammen vom offiziellen End Of The Weak Deutschland Fotografen PhyrePhox.

 

Wenn man das Lauschangriff in der Rigaer Straße betritt, lässt nur wenig auf HipHop schließen. Viel mehr erinnert der kompakte Raum mit den mehr wie moderne Kunstgegenstände denn wie Sitzgelegenheiten wirkenden Sesseln und Sofas an eine dieser kleinen, aber feinen Kneipen. Mindestens ein Getränk gibt es zum unschlagbar günstigen Haustarif, das Publikum besteht größtenteils aus Stammklientel und die Musik schwankt im Einvernehmen aller Anwesenden irgendwo zwischen gemäßigtem Metal und kantigem Jazz. Jede Menge Veranstaltungsplakate und die obligatorischen Tags in den Toilettenräumen lassen zwar erahnen, dass die Lokalität sich im Szenebezirk Friedrichshain befindet, von angestrengtem Arty-Fartyismus fehlt aber jede Spur. Man könnte sich gut vorstellen, einfach mal ein Stündchen an einem der dunklen Holztische Platz zu nehmen und durch die großen Glasscheiben die Passanten zu beobachten. Wäre da nicht dieser stampfende Beat, der einen aus seinen Gedanken reißt und den Blick auf die Wendeltreppe an der rechten Seite der Bar lenkt.

 

Sie führt nach unten. Schon beim Hinabsteigen ändern sich die Lichtverhältnisse, fast kommt es einem vor, als würde man sich gerade in ein gigantisches Herz begeben. Irgendwo im Bereich zwischen 70 und 120dpm pumpt sein Rhythmus Menschen durch das Kellergewölbe. Die Meisten sind gekommen, um zu Rappen, einige Wenige hat es als reine Zuschauer in den Osten Berlins getrieben. HipHop aus dem Keller, ohne jeglichen kommerziellen Hintergedanken, einfach nur aus Spaß an der Freude –  das gibt es also auch im Jahre 2010 noch. Mit der Finyl Lesson hat Berlin einen wöchentlichen Freestyle-Termin, der von seiner Konzeption her durchaus ungewöhnlich ist, und den ein oder anderen regelmäßigen Teilnehmer sogar aus dem anderen Ende der Stadt für ein paar Stunden ans Mikro lockt.

 

"Die Idee ist vor circa  zwei Jahren entstanden, als P-Yeah, David Devilist und ich zusammen saßen. Jeder von uns hatte bereits seine eigene Open Mic Veranstaltung gemacht, und wir wollten eine neue Art von Session einführen, die sich von anderen Open Mics unterscheidet. Eine Session an der wir alle Spaß haben und die auch noch interessant für Zuhörer ist.“, erzählt DJ Bulet. Der Familienvater und Vollblut-Musiker steht fast jeden Dienstag im Lauschangriff an den Decks und fungiert für den ein oder anderen Jung-Rapper sicherlich auch als eine Art Vaterfigur. Was seine Veranstaltung von anderen Cyphers unterscheidet? Es wird darauf geachtet, wer wie lange das Mic hat und was gesagt wird. Für Außenstehende mag zwar der Battle-Gedanke im HipHop unterhaltsamer sein, die eng mit der End Of The Weak Rap-Challenge verwachsene Finyl Lesson möchte aber gar keine spektakuläre Show für Außenstehende bieten.