Deutschlands Vergessene Kinder

rap.de: Habt Ihr mittlerweile emotionalen Kontakt zu den Kindern? Verbringt Ihr dort intensiv Zeit?

Ben: In der Phase, als wir jetzt den zweiten Teil gemacht haben, waren wir nicht mehr dort. Als wir nach längerer Zeit wieder da waren, hat man schon gemerkt, dass die wieder auf Abstand gingen. Sobald die Kinder wieder länger verlassen werden, wollen sie nicht verletzt werden und gehen eben auf Abstand.

Natürlich versuchen wir dann Vertrauen aufzubauen. Wir gehen ja nicht bei den Workshops einfach hin und sagen ihnen, was sie tun sollen, sondern machen ihnen bewusst, dass es dabei um sie geht und sie Ideen mitbringen sollen.

Wir haben zum Beispiel gemeinsam die Flyer für den Workshop entworfen und sie haben ihn designt. Es soll ihr Ding sein. Die sollen lernen zu planen, lernen wie man etwas organisiert, lernen wie man etwas erreicht.

Hip Hop ist hier nur ein Lockmittel. Wir bringen ihnen Werte und Taktiken bei, die sie auch im Leben nutzen können. 

Pasu: Es geht uns nicht darum, hier jemanden zum nächsten Rapstar zu erziehen oder zum Breakdanceprofi zu machen. Du fängst bei den Kids quasi ganz unten an und musst denen erst mal die einfachsten Dinge beibringen. Viele sehen Gewalt als ein ganz normales Mittel der Durchsetzung. Nach dem Motto: “Wozu miteinander reden? Ich schlag Dich, trete Dich.“ und so boxen die sich buchstäblich durch. 

rap.de: Das kostet ja alles sehr viel Zeit. Wie vereinbart ihr das mit Euren anderen Tätigkeiten?

Ben: Das war nicht zu vereinbaren. Wir haben uns nur um den Sampler gekümmert und haben unsere anderen Tätigkeiten vernachlässigt, muss ich leider sagen. Wir hatten keine Zeit für andere Jobs und Geld verdienen.

Ich muss ein großes Lob an meine Leute aussprechen, weil die alle unbezahlte Arbeit machen.

rap.de: Also vereinnahmt euch dieses Projekt nicht nur in der Öffentlichkeit, so dass nichts anderes mehr wahrgenommen wird, sondern auch intern? 

Ben: Ja. Wir haben schon ein paar andere Sachen gemacht, aber das hier liegt uns schon am Herzen. Das ist schon Kamikaze, was wir machen.

rap.de: Bei einem der Workshops, war ja auch Sleepwalker da. Wir hatten da den Eindruck, dass es ihm doch durchaus auch darum ging, als  Hip Hop Künstler in den Vordergrund zu stellen. Zumindest hat er sich sehr aufgeregt, dass keine Promo gemacht wurde. Wie steht ihr zu so etwas?

Pasu: Ich kann nicht sagen wie Sleepwalker persönlich ist, ich kenne ich nicht so gut. Wenn Du sagst es wurde keine Promo gemacht – es hängen immer Flyer in der Arche aus und die Kinder wissen Bescheid und um die geht es da auch. Es geht ja nicht darum, dass da Promo gemacht wird und Leute aus den westlichen Bezirken kommen, die durch die ganze Stadt fahren müssten. Da kommen die Kinder direkt aus der Arche, aber die Teilnehmerzahl schwankt sehr stark. 

Ben: Wenn man über die Kids in der Arche redet, muss man wissen, dass die keine Ahnung von Hip Hop haben. Die beziehen ihre Infos aus der Hip Hop Bravo. Die kennen nicht die Juice, nicht die Backspin. Sie kennen nicht einmal Samy Deluxe.

Wenn Künstler das Projekt als Promo nutzen, ist das für mich kein Problem. Hauptsache es ist ein gutes Event für die Kids und sie haben Spaß.

Man muss nur sehen, bei solchen Charity Veranstaltungen wäscht eine Hand die andere. Wenn die Leute nichts davon hätten, würde es solche Veranstaltungen nicht geben. Sie würden auch keine großen Spendengelder bezahlen, wenn sie davon nichts hätten. Eine gute PR ist für ein Projekt immer wichtig, dann sind die Leute auch gewillt Gutes zu tun.

Es gibt in der Medienbranche ein Slogan: “Tue Gutes und sprich darüber“. Das ist auch in Ordnung. Die Ambitionen, warum sie uns oder die Arche unterstützen, ist mir, auf gut Deutsch gesagt, scheißegal. Hauptsache sie tun es und wir können das Projekt groß machen. Unsere Ambitionen sind klar. Wir nehmen das sehr ernst und freuen uns über jede Unterstützung.

Wenn jemand ne Promo braucht und für uns einen Workshop machen will, ist er herzlich willkommen. Die Erwartungen sollten nur nicht zu hoch sein. Sie sollten nicht erwarten, dass die Kids beim Workshops jubelnd dastehen oder etwa das Album kaufen.

Die haben nicht mal Geld, um sich ein Brötchen zu kaufen. Deswegen gehen sie in die Arche, da bekommen sie das Essen umsonst.

Es geht nicht darum, was zu verkaufen oder die nächste Generation zu schaffen, die unsere Produkte kauft, sondern ihnen eine Perspektive zu geben. Ihnen zu zeigen, dass das Leben viel mehr zu bieten hat, als darauf stolz zu sein, dass man nichts hat und nichts ist.