Edo Maajka

Es ist Sonntag und ich bin im Frankfurter Club „Gago’s“. Ich warte und auch, wenn kroatische Discos nicht zu den Örtlichkeiten gehören, an denen ich mich ständig aufhalte, gibt es heute keinen passenderen Ort für mich. Zum einen will ich in meinen Geburtstag hineinfeiern, zum anderen ist Edo Maajka in der Stadt! Der bosnische Rapper, der seit dem Jugoslawien-Krieg Anfang der 90er Jahre in der kroatischen Hauptstadt Zagreb zu Hause ist, gilt als bester MC des Balkans. Darüber hinaus, ist dieser Mann aber auch ein echter Superstar und in einem Atemzug mit den Popstars und –sternchen der omnipräsenten Volksmusik zu nennen, die üblicherweise in den bosnischen, serbischen und kroatischen Clubs gespielt wird.
Auch wenn Hip Hop auf dem Balkan nach wie vor eine Randerscheinung ist, wissen Edos politische, zynische und witzige Texte sogar die Ü40er zu begeistern. So ist es auch nicht verwunderlich, dass beinahe alle Altersklassen beim Konzert in Frankfurt anzutreffen sind. Bei seiner energischen Show spielt er die Tracks seines vierten Albums “Balkansko, a nase“ (zu Deutsch: “Balkanisch, doch Unseres“).
Ein großer Teil des vornehmen Publikums beobachtet Sekt schlürfend, in Ledersesseln sitzend, die Show und sieht so aus, als würde es das Ganze nicht wirklich einzuschätzen wissen.
Vor der Show hatte ich mich schon mit Edo Maajka zu einem Interview getroffen, bei dem sich ein Gespräch entwickelte, das nicht nur für die Menschen vom Balkan interessant sein dürfte. Wir sprachen über Politik, Hunger in Bosnien, Nationalismus, Rap-Musik und über all die vielen Kroaten, Serben und Bosnier, die im Ausland leben. Ein Gespräch mit Edo Maajka, einem Rapper, der sein Airplay nie verschwendet hat.


rap.de: Auf dem Balkan genießt Du eine Popularität, von der Deine deutschen Rapkollegen nur träumen können. Wie erklärst Du Dir, dass Deine Musik sowohl von Jugendlichen als auch von deren Eltern gehört wird?

Edo: Ich habe Texte, in denen sich Menschen wiederfinden. Ich rappe nicht über Bitches, Autos und solche Dinge. Ich liebe Rap und arbeite sehr hart. Ich bin sehr glücklich deswegen, dass meine Raps sowohl von Hip Hoppern als auch von Punkern, von jungen und älteren Menschen gehört werden.

rap.de: Vor einigen Jahren hattest Du im Rahmen einer Tournee bereits einen Auftritt in Berlin. Wie hat es Dir gefallen, in Deutschland, Österreich und der Schweiz aufzutreten?

Edo: Ich hatte einen Auftritt im wunderschönen, kleinen MUD Club in Berlin und war noch in einigen anderen Clubs in Deutschland mit durchschnittlich 300 Besuchern pro Konzert. Damit bin ich sehr zufrieden. Aber ich komme sehr selten hier her, denn meistens werden wir von Volksmusikclubs eingeladen, in denen die Besucher gerne ihre Nationalität zum Ausdruck bringen und sehr, sehr schlechte Musik hören. Auf so etwas habe ich dann meistens keine Lust. Es kommen aber auch Deutsche zu meinen Konzerten und in der Regel gefällt es ihnen, wie wir das hier machen.

 

rap.de: Es scheint, als hättest Du nicht die allerbeste Meinung von Deinen Landsleuten, die im Ausland leben. Wie ist es möglich, dass Nationalismus teilweise auch in der dritten Generation der Gastarbeiter noch so stark verbreitet ist?
Edo: Ein Mensch, der vom Balkan nach Deutschland gekommen ist, vermisst in den meisten Fällen seine Heimat. Diese Bindung, die er zu seiner Heimat halten möchte, geht dann vom Patriotismus schnell in Nationalismus über. Das ist wie, wenn sich ein schüchterner Junge, der sich über seine Wurzeln im Unklaren ist, Skinheads anschließt. Der will sich dann beweisen und wird zum Schlimmsten in der Gruppe. Der Großteil, der vom Balkan stammenden Menschen in der Diaspora misst sich darin, wer der stolzeste Kroate, Serbe oder Bosnier ist. Außerdem sind 80% der Discos ausschließlich für eine Volksgruppe gedacht. Doch der Hauptgrund liegt darin, dass die Diaspora vom Balkan keinen Rap hört, sondern auf Volksmusik hängen geblieben ist, die keiner von denen je gehört hat, bevor sie nach Deutschland kamen. Erst in letzter Zeit entdecken die Jugendlichen, die im Ausland geboren und aufgewachsen sind, ihr Interesse für die HipHop-Kultur.

 
 

rap.de: Kommen wir auf Themen zu sprechen, die den Balkan direkt betreffen. Die Staaten präsentierten sich zuletzt relativ optimistisch, so dass sich im Westen die Meinung festgesetzt hat, es ginge voran im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien. Die, aus dem Krieg stammenden, Probleme sollten so langsam gelöst sein. Kroatien hat sich als beliebtes Urlaubsziel etabliert und die dortigen Politiker diskutieren fast ausschließlich darüber, wie man möglichst schnell der EU beitreten kann. Entspricht dieses Bild tatsächlich der Wahrheit und entwickelt sich wirklich alles auf dem Balkan zum Positiven?

Edo: Nein, dies ist nicht einmal annährend das wahre Bild der Situation. Kroatien ist noch in der besten Position, hat seinen Tourismus und zumindest ein wenig Stabilität. Doch Bosnien und Herzegowina ist ein Land voller hungriger und verängstigter Menschen, von denen der Großteil Parteien wählt, die ihnen diesen Hunger erst gebracht haben. Niemand wird es jemals verstehen können, wieso Leute aus dem serbischen Verwaltungsbezirk “Republika Srpska“ Milorad Dodik zum Ministerpräsidenten wählen können! Das Wahlprogramm der nationalen und stärksten Parteien des Balkans ist dasselbe: “Erschrecke das Volk, töte seinen Willen, beschuldige andere Nationen!“ Das war`s. Die EU darf sich nicht erlauben, mit Politikern Aufnahmegespräche zu führen, die Hasspredigten halten oder gehalten haben. In Serbien ist die serbisch-radikale Partei eine der einflussreichsten Parteien überhaupt. Ihr Vorsitzender sitzt in den Haag, weil ihm Völkermord vorgeworfen wird. Das sagt schon alles.
In Bosnien sollte letzten Monat das “Queer Fest“ abgehalten werden mit Ausstellungen, Performances und ähnlichem, also keine große Schwulenparade. Viele Besucher wurden deswegen verprügelt von den Vehabije (sehr konservative Moslems) und von Leuten, die Sarajewo irgendwelche islamischen Gesetze aufzwingen wollen. Das passiert nicht oft, aber es bereitet mir Sorgen, vor allem weil die Frauen in Sarajewo sehr sexy aussehen in Mini-Röcken. In Bosnien herrschte früher eine ähnliche Toleranz wie in der Schweiz, nur waren in Bosnien die Nationalitäten noch viel durchmischter und offener. Diese Offenheit und Toleranz wird es sehr, sehr, sehr lange nicht mehr geben.

rap.de: Du hast mir vor dem Interview gesagt,  für Dich sei nicht das nationalistische Drittel der Bevölkerung verantwortlich für die Lage, sondern die anderen zwei Drittel, die nicht in Opposition gehen. Wieso erheben sich diese Menschen nicht?

Edo: Obama hat die Wahl in den USA dadurch gewonnen, dass er die Menschen erreicht hat, die normalerweise politisch desinteressiert sind oder den Glauben daran aufgegeben haben. Es braucht einen Mann mit Visionen, um diese schlafende Mehrheit zu wecken. Wenn sich dieser Trend auf einige andere große, wichtige Länder auf der Welt ausweitet, kommt es zu einem sehr schönen Zeitalter für uns alle.
Bosnien kann nur ein Mann retten, der das Interesse der drei Völker erregt. Momentan vereint nur das “Queer Fest“ alle drei Völker, wo leider nur gegenseitiger Hass gezeigt wird.

 
 

rap.de: Du kämpfst in Deinen Texten gegen den Hass an. Wieso ist es Dir so wichtig, mit politischen Texten eine Art Opposition darzustellen und was erhoffst Du dadurch zu erreichen?
Edo: Das ist mir wichtig, denn ich möchte meinem Kind in die Augen schauen können. Ich sehe in Mostar Kroaten und auch Bosnier, die gemeinsam zu Rapmusik feiern, wenn auch nur für diese eineinhalb Stunden. Dadurch bildet man aber keine Opposition, dadurch festigt man grundlegende, gesellschaftliche Werte wie Frieden, Liebe und Toleranz. Daraus ist auch Rap entstanden.

 

rap.de: Befürchtest du, es könnte erneut ein Krieg ausbrechen?
Edo: Auf dem Balkan wird es lange keinen Krieg mehr geben, denn es gibt nichts mehr, was man stehlen könnte. Aber die Menschen sterben dort auch ohne Krieg. Konflikte zwischen den Nationalitäten wird es immer geben, denn sie wurden auf die Kinder übertragen, die den Krieg selbst nicht erlebt haben. Jetzt ist es an uns, sie davon zu überzeugen, dass ihre Eltern lügen.

rap.de: Haben sich die Menschen, die in dieser Balkandiaspora leben, vor allem die aus Bosnien und Herzegowina, abgewandt von dem Leid ihrer Heimat? Kriegen sie im Ausland überhaupt mit, dass die Menschen dort hungern?

Edo: Die Leute sind zwar hungrig, aber sie überleben durch das Geld, das ihnen hier und da von der Familie aus dem Ausland geschickt wird. Die wären wiederum am glücklichsten, wenn sie im Urlaub die Heimat besuchen dürften und sie dort ein Lammbraten erwarten würde und ihnen Hähnchenschenkel nachgeworfen würden, aber das gibt es einfach nicht. Es ist auch nicht einfach, nach Unten zu kommen und alle denken, du wärst ein Bonze. Weil du nämlich in Wahrheit von morgens bis abends in Frankfurt am Main Fenster putzt und Kredite abbezahlst, weil die Kinder im Westen die Formulierung “Es ist nicht möglich“ nicht kennen.
Ich denke, die Diaspora wird konstant in den Balkan investieren und damit muss erreicht werden, dass dort letztendlich Fabriken entstehen. Denn mangelnde Arbeitsplätze sind das größte Defizit des Balkans.
rap.de: Was würdest Du einem jungen Bosnier aus Deutschland raten, der Dir jedes Wort glaubt und über die Situation bescheid weiß, aber sich dennoch wünscht, in seine Heimat zurückzukehren?

Edo: Junge, als erstes musst du dir einen festen Arbeitsplatz sichern. Dort sind dein Wissen und die Qualifikation unwichtig, für alles brauchst du Verbindungen zu den richtigen Leuten. Am ehesten trifft es ein Satz, der nicht von mir stammt, aber die pure Wahrheit ist: “Ein Fremder wird dir nicht helfen, aber auch nicht schaden!“ 

rap.de: Wir haben jetzt nur über die traurigen Sachen geredet, doch welche schönen Seiten hat der Balkan zu bieten? Für Deinen Freund Mirza aus Pittsburgh rappst du in einem Lied vom Meer, dem Fluß Sava, den Freunden und wie Janica Kostelic Ski-Slalom fährt.

Edo: Natürlich, die Natur ist sehr schön, wir sind immerhin ein olympisches Land. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Die Frauen sehen gut aus, das Essen ist genial, es ist alles günstig und die Ski-Gebiete sind schön. Die Leute wissen, wie man Spaß hat und besuchen sich gegenseitig – obwohl, das gibt es in letzter Zeit auch kaum noch. Eine sehr schwere Frage.

 

rap.de: Lass uns über Dein letztes Album “Balkansko, a nase“ sprechen. Wie kommt es, dass Deine vierte CD so viel optimistischer und fröhlicher wirkt, als Deine bisherigen Veröffentlichungen?
Edo: Dieses Album ist mein Dank an Rap und es ist auch mein Lieblingsalbum. Aber es trifft auch zu, dass ich mich super fühle. Und darum wollte ich den Hörer nicht runterziehen mit zu vielen sozialen Themen, auch wenn trotzdem in jedem Song noch etwas darüber vorkommt. Gerade mache ich das Album von Trnokop fertig. Das ist eine Hardcore-Band, in der ich MC bin und für dieses Projekt habe ich manche kritischen Texte zurückgehalten.

 

rap.de: Wie sind die Reaktionen auf die CD? Wie wurde das Album von den Fans und den Kritikern angenommen?

Edo: Jeder lobt es. Das Publikum liebt es, auch wenn ich bisher nur einen Videoclip habe, um es zu promoten. Der zweite folgt aber bald. Ich habe das Gefühl, dieses Album wird in den nächsten Jahren erst richtig aufleben. Momentan promoten wir es auf dem Balkan und rappen hier und da in Europa auf Konzerten.

rap.de: Stell uns doch bitte die HipHop-Szene vom Balkan vor.

Edo: Kroatien hat geniale Produzenten wie Dash, Baby Dooks oder Koolade und eine Menge guter Rapper wie Tram 11, Bolesna Braca, TBF, Nered, Sinestet und viele weitere. Serbien hat momentan die vielleicht aktivste Szene, aus der ich Bad Copy, Marchello und Sindikat hervorheben würde. Bosniens Szene ist die jüngste, noch klein und lebt vor allem in den Großstädten, wie Tuzla. Den größten Anteil am Wachstum von HipHop in Bosnien hat die Radioshow FMJAM und deren Internet-Portal www.fmjam.com. Der Gründer der Sendung, der sich auch heute noch darum kümmert, ist DJ Soul, der auch mein DJ ist. In der FMJAM-Crew sind ich, Frenkie HZA und noch genug andere Rapper. Weitere Rapper aus der Szene von Bosnien und Herzegowina sind Maca, Mayer, Sani, Mucenicka Grupa, Infuzija, Fatalista und noch viele mehr. Jeden Sommer laden wir zum FMJAM Unity HipHop-Festival ein, auf dem die Rapper von hier und aus ganz Europa auftreten. Wir zahlen nur die Reisekosten und die Leute sind wild drauf und dankbar für das Festival. Graffitis sind ein sehr wichtiger Bestandteil des HipHops von hier, es gibt sehr viele Silber-Pieces und der Nachwuchs ist sehr flink, auch wenn Spray und Farbe hier Luxus sind.

rap.de: Hörst Du auch deutschen Rap und wie denkst Du über ihn? Die Sprache verstehst Du ja nicht.

Edo: Natürlich, mein Freund Frenkie ist in Deutschland aufgewachsen, so dass er mein Übersetzer ist. Ich höre deutschen Rap nach dem Feeling und liebe die Musik von Afrob, Samy, Torch, Azad und auch Seeed ist eine fucking gute Band. Befreundet bin ich mit der Crew von Selfmade Records. Viele Jugendliche aus Bosnien sind als Flüchtlinge in Deutschland aufgewachsen und von daher Fans. Bei euch ist etwas passiert in den letzten fünf Jahren: Alle fahren plötzlich einen Gangster-Stil, jeder disst nur noch und sehr viele Beats gleichen sich mit Orchestern und Trance-Synthies. Es gibt nicht mehr diesen guten,  gewöhnlichen Rap. Gestern habe ich das Album von Peter Fox gehört. Ich verstehe den Mann nicht, aber das ist verdammt gutes Material.

rap.de: So, nun wären wir am Ende des Interviews angelangt. Ich bedanke mich bei Dir Edo und überlasse Dir, was Du Deutschland und seinen Rappern zum Schluss sagen möchtest.

Edo: Ich freue mich, dass ihr Euch die Zeit für jemanden genommen habt, den ihr nicht einmal versteht und ich bin euch dankbar dafür. Ich hoffe, dass euch dieses Interview nicht sehr trifft und wünsche euch nur das Beste für das nächste Jahr. Und auch den Rappern wünsche ich nur das Beste für das nächste Jahr. Gruß, euer Edo!