Prinz Pi

Es gab einen gewaltigen Aufschrei aus den Reihen der eingefleischten Prinz Pi Fans, als der Rapper im vergangenen Jahr "Neopunk" veröffentlichte. Nicht nur, dass der Major-Riese Universal an der Veröffentlichung des Tonträgers beteiligt war, auch der stark elektronisch angehauchte Sound war so gar nicht mit vergangenen Releases des Prinzen vereinbar. Ein Jahr später scheint der studierte Grafikdesigner nicht nur musikalisch zu seinen Wurzeln zurück gekehrt zu sein, zumindest "Elfenbeinturm (Du Hure 2009)", die erste Veröffentlichung aus dem am 4. September erschienenen Album "Teenage Mutant Horror Show 2", lässt das nämlich vermuten. Auch der Ausflug ins Plattenriesen-Geschäft ist abgehakt und The Artist formerly known as Prinz Porno schlägt mit seinem ersten eigenen Label Keine Liebe Records wirtschaftlich neue Wege ein. Warum die Episode "Neopunk" so an ihm genagt hat und wieviel Einfluss gutes Marketing auf ein Release haben kann, erklärt uns der frischgebackene Vater im großen und ehrlichen Interview mit rap.de.


rap.de: Du wirkst so entspannt. Bist du entspannt?

Prinz Pi: Ich bin eigentlich nie entspannt. Ich kann mich auch nicht entspannen und bin nicht der Typ, der irgendwie rumhängt oder so. Aber es ist gerade ein Zeitpunkt in meiner Arbeit, an dem Dinge fertig werden und das ist geil. Wir haben vor einem halben Jahr mit einer neuen Website, einem neuen Forum und einem neuen E-Shop angefangen und haben das Album aufgenommen und abgemischt. Videos und so weiter machen auch wahnsinnig viel Arbeit, besonders wenn das jetzt statt 20 Leuten nur noch zwei machen. Da hat man das Gefühl, man würde mit zehn Bällen gleichzeitig jonglieren, die sich alle in der Luft befinden und man sich anstrengen muss, dass keiner runterfällt. Jetzt fliegen sie gerade von alleine in der Luft und alles ist fertig. Deshalb sehe ich entspannt aus, aber ich bin eigentlich nicht entspannt. Das ist auch so ein Zustand, in dem man abgeschaltet ist und an nichts denkt. Ich denke immer an irgendwas und hasse auch Urlaub! Ich würde zum Beispiel voll ungern irgendwo hinfahren, wo man am Strand rumliegt. Lieber in irgendeine andere Stadt und da dann was machen.

rap.de: Du hast es gerade erwähnt. Neue Internetseite. Neuer E-Shop. Neues Label. Wie funktionieren Labels heutzutage?

Prinz Pi: Wenn man als Independent unterwegs ist, sei es als Bunker oder No Peanuts, da sagt man dann: “Wir konnten das und das marketingmäßig nicht machen, man konnte keine Anzeige schalten, man konnte kein Video drehen, man konnte keine Plakate machen“ oder was auch immer. Bei Universal haben wir das ja alles quasi mal gemacht, haben aber trotzdem nicht mehr verkauft. Heutzutage ist beim Marketing wahrscheinlich am wichtigsten, dass du im Internet für Gesprächstoff sorgst und dass du halt gute Musik machst, die sich darüber, dass die Leute drüber reden, selber vermarktet.

rap.de: War das so ein persönlicher Traum von dir, mal all das machen zu dürfen??

Prinz Pi: Nö. Bei meinem allerersten Album, das nie raus gekommen ist, da habe ich ja auch alles selber gemacht, nur mit einem viel kleineren Maßstab und eben nicht der Absicht, dass alles zu verkaufen. Aber die Arbeitsweise, dass man an seiner Platte alles selber macht, die kennt jeder Rapper.

rap.de: Ich meine eher die Sachen wie Video, Plakate. Das große Marketingbudget. Dass man das mal bei einem großen Label ausprobieren darf.

Prinz Pi: Klar, jeder Musiker will mal für sich sehen, wie das ist, wenn man das alles durchführt. Als visionärer Typ, sag ich mal, denkt man dann schon daran, mal ein richtig krasses Video zu drehen, aber es geht nicht, weil ich keinen Typen habe, der mir den Kontakt zu dem Regisseur klarmacht und ich habe kein Geld und wenn du das dann natürlich alles da hast, dann ist das gut.

rap.de: Was hältst du von dem Spruch, der ja ziemlich häufig verwendet wird: “Mit genug Marketingpower kann man alles verkaufen“? Glaubst du daran?

Prinz Pi: Hm… Also ich glaube, dass du auf jeden Fall durch Marketing den Bedarf für ein Produkt wecken kannst, das keiner braucht, was die Leute dann aber doch kaufen. Wenn du den Leuten erzählst, dass es jetzt einen Rasierer gibt, der fünf Klingen hat und marginal besser rasiert, als der Rasierer den du schon hast, dann ist das ein Produkt, dass kein Mensch braucht, aber es wird halt so viel Marketing gemacht und es wird den Leuten so prominent an der Supermarktkasse präsentiert, dass es dann doch Leute gibt, die den zwei Euro teureren Fünfklingen-Rasierer kaufen, obwohl rein rational den niemand braucht und niemand danach gefragt hat. Aber ich glaube nicht, dass man das ohne weiteres auf Musik übertragen kann.

rap.de: Aber ist es nicht dann so, dass die ihre alten Dreiklingen-Rasierer gar nicht mehr im Handel platzieren, sondern nur die neuen Fünfklingen-Rasierer?

Prinz Pi: Nein das machen sie nicht. Es gibt nach wie vor alle Rasierer und die werden auch alle gekauft, weil es für jeden Rasierer anscheinend einen Typen gibt, der sich den kauft. Aber bei Musik ist es was anderes, du kannst die Leute krass mit irgendwas zubomben. Wenn die neue Seal CD ganz prominent in der Germany’s Next Topmodel Sendung gefeatured wird, dann wird man damit so krass zugeschallt, dass man die CD viel mehr auf dem Schirm hat, als wenn das nicht gemacht wird und die Leute kaufen das halt. Wenn ein GZSZ Schauspieler eine CD rausbringt, dann findet die auch Absatz. Das liegt daran, dass die Leute den halt kennen. Du kannst mit Marketing schon eine Menge erreichen, aber du kannst dir nicht Fans kaufen, die an deine Musik und an das, was du vertrittst, glauben.

rap.de: Jetzt hast du ja im Juice Interview gesagt, dass sich die Situation nach "Neopunk“ zu einer richtigen Depression ausgewachsen hat…

Prinz Pi: Hast du nur diesen einen Satz gelesen? Du bist irgendwie wie meine Eltern, die meine Sachen hören und einen Satz daraus hören mit einem Schimpfwort drin und dann nur das raushören. Aber ja klar, natürlich hat sich das nach dem Album zu einer Depression entwickelt.

rap.de: Wie bist du da raus gekommen?

Prinz Pi: (lacht) Tja… Hättest du das Interview mal doch weiter gelesen, das steht nämlich zwei Sätze weiter. Aber vor allen Dingen durch viel Arbeit. Wenn man Musiker ist, dann verarbeitet man sein Leben durch die Musik, genau das habe ich dann dort gemacht. Ich habe ja auch einige sehr traurige und depressive Lieder auf dem neuen Album, womit ich diese Depression abgehandelt habe. Danach hatte ich es dann halt für mich durchgestanden, aufgeschrieben, eingerappt und rausgelassen.

rap.de: Gab es denn deiner Meinung nach falsche Entscheidungen, die bei deinem letzten Release getroffen wurden?

Prinz Pi: Ja. Ich sag mal so, es gab auf jeden Fall falsche Entscheidungen, aber es gab auch falsche Einschätzungen. Ich hätte zum Beispiel nie gedacht, dass es für so viele Menschen wichtig ist, was da unten klein für ein Label steht, oder ob da halt nur ein kleines Urban Music Logo drauf ist. Dann gibt es auch andere Entscheidungen, wo man sagt, man hätte diesen einen Song nicht so prominent benutzen sollen, weil das Album dann nur an diesem Song festgemacht wird. Natürlich zerbricht man sich im Nachhinein den Kopf und fragt sich, warum man das so gemacht hat. Da kriegt man dann schon krasse Selbstzweifel. Ich glaube, die "normalen“ Hip Hop Fans fanden es vielleicht nicht so cool, weil sie vielleicht diese Affen Single gehört haben und dann dachten, das ganze Album wäre so wie diese Single. Ich glaube aber, dass viele andere Songs auf dem Album den Leuten gefallen hätten. Die Songs hatten aber gar keine Chance, weil die Leute nur diese Single im Kopf hatten und dachten, der Rest sei auch so und man müsse sich das eh nicht anhören. Natürlich zerbricht man sich im Nachhinein den Kopf und fragt sich: “Warum hat man das gemacht?“.

rap.de: Okay, aber was hat dich dazu bewogen, das "Neopunk“-Album so zu machen, wie du es gemacht hast?

Prinz Pi: Es war auf jeden Fall eine Veränderung, aber jetzt nicht um 180 Grad, weil nicht alle Songs so waren. Ich glaube, die Hälfte der Songs hätten auch auf dem "Donnerwetter!“-Album drauf sein können. Gerade so ein Track wie "Aschenbecher" ist ein klassischer HipHop-Track. Oder der "2030“-Song. Eigentlich waren ganz viele Tracks so und es gab nur ein paar Veränderungen. Das ist so, wie wenn du dir einen Anzug anziehst, nur für einen Tag. Und plötzlich sagen alle, dass du ein Banker und Bonze bist, dass du jetzt immer einen Anzug trägst.

rap.de: Nimmst du es den Leute eigentlich übel, dass sie so engstirnig sind?

Prinz Pi: Auf gar keinen Fall, das kannst du denen nicht übel nehmen. Es gibt so ein mathematisches Gleichnis, dass wenn ein Computer eine Schafherde betrachtet, in der hundert weiße Schafe sind und zwei schwarze Schafe sind, und der Computer sieht durch seinen Sensor diese zwei schwarzen Schafe, dass er dann daraus schließt, alle in der Herde wären schwarz. Und dieser Mechanismus setzt halt bei den Fans auch ein. Wenn ich jetzt irgendeine Single von irgendeiner Band höre und die Single geht in eine bestimmte Richtung, dann denke ich auch, "Okay, das Album wird auch so!“ und wenn es mir nicht gefällt, was die in dem Video anhaben, dann gefällt mir auch der Künstler in dem Augenblick nicht so.

rap.de: Was treibt dich an, weiter zu machen? Gab es für dich den Gedanken aufzuhören?

Prinz Pi: Nö. Für mich ist das kein Antrieb, wenn Leute meine Musik cool finden, ich mache das nicht aus dieser Motivation heraus. Ich höre auch nicht auf, Musik zu machen, nur weil niemand meine Musik mag. Wenn du anfängst Musik zu machen, dann mag ja auch niemand deine Musik, weil niemand sie kennt. Und du machst diese Musik ja trotzdem.

rap.de: Ja, weil man Anfang dieses "Ich-gegen-das-Establishment“-Gefühl hat. Man muss sich durchsetzen, sich durchbeißen.

Prinz Pi: Ja, aber dieses Gefühl kann man sich ja auch beibehalten und ich habe mir das Gefühl auch bewahrt. Ich mache diese Musik, weil ich sie so machen will. In mir ist etwas drin, dass mich dazu bringt, meine Musik so zu machen, wie ich sie mache. In dem neuen Album sind ja auch sehr viele Gefühle verpackt, sei es jetzt eine Depression, weil es nicht so gelaufen ist, wie ich es mir erhofft hatte, oder Beziehungsstreits oder Zukunftsängste, die ich habe. Gerade jetzt, wo ich eine Tochter habe, mache ich mir ja auch viel mehr Gedanken über die Zukunft. Und da habe ich mir mal ausgemalt, wie die Welt in 20 Jahren aussehen könnte. Das macht ja auch einen Künstler aus, dass er, in der Disziplin die er ausübt, sich Sachen von der Seele arbeitet und ob ihm dabei jetzt zwei, zwanzig oder zweitausend Leute zugucken, ist da völlig nebensächlich.

rap.de: Spürst du Häme oder hämische Kommentare? Oder, besser gesagt: Empfindest du das als Scheitern?

Prinz Pi: (kauend) Mhmhmja, in gewisser Art und Weise schon. Es ist halt nicht so aufgegangen, wie man sich das erhofft hätte. Aber auf der anderen Seite darf man nicht aufhören, wenn irgendwas nicht klappt. Ich mache schon so lange Musik und ich hatte bisher immer das Glück, dass ich meistens positive Reaktionen für meine Musik bekommen habe und auch von Leuten, die mit so einer Musik gar nichts zu tun haben. Wenn man sich mal so die Kommentare der Fans anguckt oder hört, was die auf Konzerten sagen, dann ist das meistens so was wie "Ich finde Rap eigentlich überhaupt nicht gut, aber deine Musik ist echt voll geil!“ Und wenn die Leute das nicht so geil finden, dann muss man halt auch damit leben. Man darf sich nicht vom Erfolg verwöhnen lassen. Man muss sich auch nicht entmutigen lassen. Wenn ich jetzt wollen würde, dass alles gut läuft und dass alle meine Musik mögen, dann würde ich was total Einfaches und Dummes machen, irgendwas, wo der gemeinsame Nenner so klein ist, dass es jeden trifft. Dann würde ich halt Popmusik machen.

rap.de: Wie bewertest du es im Nachhinein, dass es im HipHop immer wichtiger wurde, wie viel die Leute verkaufen?

Prinz Pi: So was ist für mich aber kein Qualitätsmerkmal. Die Zeitungen, die am meisten verkaufen und am dümmsten sind, wie zum Beispiel die BZ sind ja trotzdem im Vergleich mit einem eher auflageschwachen Blatt wie der FAZ die schlechteren Zeitungen. Und so ist bei der Musik auch. Wenn Musik komplizierter wird, dann wird sie halt von weniger Leuten verstanden. Man sagt ja auch, dass umso besser Jazz ist, ihn umso weniger Leute hören und verstehen.

rap.de: Ja gut, aber so was nimmt dann schnell überhand. Dann gefällt es nur noch dem Lieblingstrompeter meines Lieblingstrompeters. Musik für Fachleute.

Prinz Pi: Das stimmt schon.  Aber Verkaufszahlen, das ist doch was Wirtschaftliches,

rap.de: Ja, aber wie bewertest du das denn jetzt, dass die Verkaufszahlen in der HipHop-Szene so wahnsinnig wichtig wurden?

Prinz Pi: Das spiegelt doch nur unsere Gesellschaft. Die wird immer materialistischer und dadurch werden natürlich auch die HipHop-Heads immer materialistischer. Das sieht man doch schon daran, dass sie diese Äußerlichkeiten und Statussymbole pflegen. Dass man die und die Jeans an hat, oder das und das Cap oder Shirt. Das ist doch genauso bescheuert. Und wenn man einen Rapper danach bewertet, wie viel er verkauft, dann hat es doch nichts mit der Musik zu tun. Wenn der "Schnappi“-Song 200 Millionen mal heruntergeladen wird, dann ist es doch jetzt kein Gütesiegel, dass es gute Musik ist. Natürlich ist der Umkehrschluss auch nicht richtig, dass Musik nur dann gut ist, wenn sie wenig verkauft wird. Aber für mich sind das auch einfach zwei Variablen, die nichts miteinander zu tun haben. Es könnte ja sein, dass irgendwer ein komplett bescheuertes Album macht, aber durch irgendwas verkauft es sich total gut. Zum Beispiel, dass er ein bekannter Fußballspieler ist und die Leute kaufen das Album, obwohl es scheiße ist, weil sie den Typen mögen. Auf der anderen Seite kann ein wahnsinnig begnadeter Musiker ein Superalbum machen, aber dann verkauft er trotzdem wenig, weil er sich nicht ums Marketing kümmert, weil es ihn ankotzt.

rap.de.: Denkst du gerne über Image nach?

Prinz Pi: Nö. Ich finde ein Image ist ja nur eine Schublade, die man braucht, um jemanden in seinem Kopf einzuordnen. Ein Image ist nur dann gut, wenn du jemanden in einem Satz beschreiben willst, von wegen "Das ist der Typ, der das und das macht.“ oder "Das ist der Typ, der sieht aus wie der“ oder "Das ist der böse/gute Junge“, "Das ist die Frau mit der schwierigen Kindheit“ – was weiß ich. Aber wenn man jemanden auf einen Satz reduzieren kann, ist der ja in der Regel auch nicht so die krass interessante Persönlichkeit. Also wenn ich jetzt zum Beispiel Marcus Staiger beschreiben wollen würde, bräuchte ich dafür ja mehr als einen Satz. Und ich hoffe, dass wenn meine Leute mich beschreiben wollen, die nicht einfach nur sagen "Er ist der Studentenrapper mit der Brille.“ Wenn mich Leute so beschreiben, dann kann ich auch echt auf die pfeifen, die sind mir dann auch egal.

rap.de: Na ja, also Neopunk hat schon so gewirkt, als würdest du dir Gedanken ums Image machen. Hast du dir überlegt, dieses Image zurückzuschrauben?

Prinz Pi: Ne, also wir haben uns natürlich Gedanken um das Artwork gemacht und wie man die Sache gut und schlüssig präsentieren kann, aber nicht darüber, wie man Prinz Pi in einem Satz beschreiben kann. Ich steh auch nach wie vor hinter dem "Neopunk“-Projekt. Ich hab noch nie so viel Arbeit und Zeit und Motivation und Herzblut in irgendwas rein gesteckt und ich werde das jetzt nicht verleugnen und sagen, dass das totale Kacke war, sondern ich sage, ich finde es cool und ich finde es nach wie vor cool. Ich hab das halt damals so gemacht und jetzt steht es eben so für sich.

rap.de: Zu deinem neuen Album hast du gesagt, dass du darauf ganz viele persönliche Songs hast. Was hat dich dazu bewogen, das so anzugehen? Also nicht, dass du jetzt nur unpersönliche Sachen auf deinen alten Alben hast, aber wie hat man sich das jetzt vorzustellen?

Prinz Pi: Es gibt in jedem Leben Zeiten, wo man Persönlichkeitsveränderungen durchmacht und ich glaube ein Künstler ist nur dann gut, wenn er sich öffnen kann und den Leuten zeigt, was so in ihm vorgeht. Das war halt eine Zeit, in der es viele Umwälzungen in meinem Leben gab. Da kam so viel aufeinander. Ich hatte diese Anstrengung, dass "Neopunk“ nicht so geklappt hat, das war schon sehr negativ. Dann war ich gerade fertig mit dem Studium und hab endlich mein Diplom bekommen, hab also auch dieses Lebenskapitel abgeschlossen und dann die Nachricht, dass ich Vater werde. Da stellt sich die Weltsicht schon krass um. Ich bin glaube ich ein Mensch, der gern als unerwachsen beschrieben wird, aber in der Situation bist du halt gezwungen schnell etwas älter im Kopf zu werden. Außerdem waren der Universal und No Peanuts-Vertrag vorbei und man musste alles wieder neu ordnen und sich Dinge fragen wie "Wie macht man das jetzt und mit wem und wo und in welchem Maß?“, das war schon eine krasse Umbruchphase. Da musste ich mir eine Menge emotionalen Ballast und andere Sachen, die man so mit sich rumgeschleppt hat, von der Seele reden.

rap.de: Befreit dich die Musik dann auch richtig?

Prinz Pi: Ja, auf jeden Fall. Es ist doch so, dass wenn du was hast und das schon nur aufschreibst, befreit dich das schon ein wenig von der Last. Aber wenn du einen Song, in dem du deine Emotionen aufnehmen und hörbar machen kannst, also vorausgesetzt du kannst das in dem Moment, wo du den Track aufnimmst, dann befreit dich das total. Danach ist man wieder gemittet, wenn man das so sagen kann, egal ob es was krass Überschwängliches oder Trauriges war. Aber es sind auf jeden Fall starke Emotionen.

rap.de: Du hast ja angesprochen, dass du Vater geworden bist und dass sich dadurch die Weltsicht verändert. Inwiefern hat sich deine Weltsicht verändert?

Prinz Pi: Na ja, man ist ja gebunden. Da ist auf einmal eine Person, für die man bis man tot ist Verantwortung empfindet und natürlich auch zugehörig. Natürlich war es vorher auch eine starke Bindung zu meiner Freundin, aber ich meine wir sind beides erwachsene Menschen und da kann man halt zusammen sagen "Wir gehen jetzt da hin“ oder "Wir ziehen jetzt da hin“ oder "Wir machen jetzt das“, aber das ist jetzt alles ein wenig anders. Jetzt hast du halt einen nach dem Gesetz "Schutzbefohlenen“, für den du da sein musst, für den du sorgen musst und für den du ja auch da sein willst und das ist schon eine krasse Erfahrung, wenn du dein Kind im Arm hältst und weißt "Ey, das haben wir jetzt zusammen erschaffen, das entwickelt sich jetzt jeden Tag und wird von dir geprägt und gibt deine Gene weiter“. Das ist echt schon eine großartige Erfahrung.

rap.de: Ist das denn ein Widerspruch zum Rapper-Dasein?

Prinz Pi: Du meinst, weil man viel auf Achse ist?

rap.de: Ja, aber viele halten das ja auch nicht durch.

Prinz Pi: Meinst du das Rapper-Dasein oder das Vatersein?

rap.de: Dass sie eben entweder mit dem Rappen aufhören und Bankkaufmann werden oder das mit der Vaterschaft nicht aushalten, weil sie ja Rapper sind.

Prinz Pi: So viel kann ich dazu noch nicht sagen. Ich meine, meine Tochter ist ja erst zwei Monate alt, da gab es noch keine richtige Situation in der es zu Konflikten zwischen dem Familienleben und dem Rapperleben kam, aber bestimmt gibt es das auch irgendwann wie in jedem anderen Beruf ja auch.

rap.de.: Ich habe neulich im Stern einen Artikel über den Mythos der neuen Väter gelesen und dass sie doch lieber im Büro statt zu Hause seien und dass doch alles gar nicht stimmt.

Prinz Pi: Ich bin jetzt nicht der krasse Prenzelberg-Papa, der den ganzen Tag über Babybrei redet. Ich find das auch gar nicht so cool, wenn Leute, die Kinder haben, dann auch nur noch über Kinder reden, denn dann vergessen die irgendwie den Rest im Leben. Ich meine, ich bin auch sehr begeistert davon und ich glaube auch, dass ich alles tue um ein guter Vater zu sein, aber ich mach jetzt daraus keine Berufung oder so. Es ist ja bei einigen Eltern hier, zum Beispiel im Graefekiez oder den Müttern vom Kollwitzplatz, schon so, dass die nur noch über Kirschkernkissen und Biowindeln reden und das ist mir dann doch auch zu viel.

rap.de: Du hast dich jetzt nicht nur räumliche verändert von Schöneberg nach Kreuzberg, sondern es gab auch eine Labelveränderung. Was gibt es dazu zu sagen?

Prinz Pi: Ja, ich habe halt mit Wassif ein neues Label gegründet.

rap.de: Warum ging es nicht mehr mit dem Alten?

Prinz Pi: Na ja, Universal hat uns rausgeschmissen oder eben unseren Vertrag nicht verlängert. Wie man eben will. Muss man das jetzt den rap.de Lesern erklären, wie das mit Optionen und so läuft?

rap.de: Also, Universal hat die Option nicht gezogen, aber was ist mit dem Label No Peanuts, das du ja auch mitgegründet hast?

Prinz Pi: Da war ich ja schon länger nicht mehr und der Vertrag lief auch parallel zu dem Universal Vertrag aus. Ich wollte aber auch ganz frisch anfangen und mal was Eigenes machen. In Amerika nennt man das "Fresh Start“’ und ich glaube, dass das manchmal ganz gut ist, wenn man so was macht, denn dann kommt neue Energie rein, frischer Wind und das haben wir jetzt gemacht.

rap.de: Wie heißt die Firma jetzt eigentlich?

Prinz Pi: Unser Label heißt offiziell Keine Liebe Records. Wir machen nebenher aber auch noch so Grafiksachen.

rap.de: Bist du nach über zehn Jahren, die du jetzt dabei bist, auch persönlich enttäuscht von Leuten?

Prinz Pi: Meinst du von Fans oder von Leuten, mit denen ich zusammenarbeite beziehungsweise mal zusammen gearbeitet habe?

rap.de: Wir können es ja auch allgemeiner halten: Gibt es menschliche Enttäuschungen in dieser Branche?

Prinz Pi: Na klar, die gibt’s sogar ziemlich oft in der Musikbranche. In der Musikszene trifft man halt echt komische Leute, die nicht immer unbedingt rational sind und stattdessen Leute, die total irre und verrückt sind, was ja viele Künstler auch sein müssen und natürlich trifft man dann da öfter mal jemanden, wo du denkst "Der nervt aber jetzt“ oder "Der hat mich jetzt abgefuckt“, wo er dann aber denkt, du hättest ihn viel mehr abgefuckt. Das gibt es öfter. Es gibt zum Beispiel so einen voll krass schmierigen Labelboss von Royalbunker (lacht). Nein, es gibt schon eine lange Liste von Leuten, die einen auf die eine oder andere Art und Weise – ey, du hast ja ne richtig coole Kamera, cool.  Soll ich jetzt die Liste aufzählen oder wie?

rap.de: Nein, hätte ja nur sein können, dass du da jetzt noch was richtig Schönes und Bedeutendes sagen möchtest.

Prinz Pi: Weißt du, warum deine Fotos manchmal so krass komisch aussehen? Du musst weiter weg mit dem Objektiv.

rap.de: Lach nicht und guck mich einfach an!

Prinz Pi: Soll ich mal ein Foto von dir aus der Entfernung machen? Das sieht bescheuert aus Staiger. Guck doch mal, das ist nicht das Objektiv dafür! Du musst damit mindestens so weit weg gehen.

rap.de: Ist doch ein super Foto!

Prinz Pi: (leicht eingeschnappt) Egal…

rap.de: Guck mal, ich geh so weit weg! Was mich aber trotzdem noch interessieren würde: Warum machst du dir immer noch den Stress von physischer Tonträgerveröffentlichung? Lohnt sich das überhaupt noch?

Prinz Pi: Da ist ja dann die Frage, warum man überhaupt Musik macht.

rap.de: Musik machen und die im Internet veröffentlichen ist ja die eine Sache, aber sich den ganzen Businessstress auch noch zu geben eine Andere.

Prinz Pi: Aber für mich ist ein Album mehr als nur die Daten, die auch im Internet rumfleuchen und kriechen und die man kopieren kann. Es ist halt immer noch was, das man in die Hand nehmen kann und wo man das Cover ansehen kann und es wurde alles mit Liebe gestaltet. Gut, vielleicht komme ich auch einfach noch aus einer Generation, in der man Vinyl und Kassetten hatte oder eben CDs, auch wenn ich die schon wieder nicht so cool fand wie Vinyl, weil die Cover nicht so groß waren… Na ja, ich gebe mir immer viel Mühe mit den Booklets und der Gestaltung und ich würde es schade finden, wenn die Leute dann nicht auch was in die Hand nehmen könnten. Ich hab mir neulich mal wieder das Justus-Cover angeguckt und finde es nach wie vor geil. Ich wollte es mir auch anhören, aber ich hab es nur auf Platte und mein Spieler ist kaputt.