Jeyz

Egal ob "Assassin", das Mixtape der 439-Jungs oder das langerwartete Debütalbum von Jeyz, "Blut, Schweiß Und Tränen" – es passiert aktuell viel bei Bozz Music. Das es allerdings in der Musikindustrie im Allgemeinen und bei dem Frankfurter Label im Besonderen wirtschaftlich alles andere als rosig aussieht, thematisierte Labelboss Azad auf im Rapbusiness ungewohnt ehrliche und realistische Art und Weise in einem kürzlich erschienenen Interview mit der JUICE. Über genau das und viel mehr wollten wir natürlich mit den Hessen sprechen, deshalb nutzten wir deren Anwesenheit beim Berliner Kiss FM Cup und haben uns mit Jeyz, Solo und nicht zuletzt natürlich auch der Faust des Nordwestens selbst zu einem Interview getroffen.


rap.de: Endlich ist das Album draußen, hat ja lange gedauert. Warum so viele Mixtapes zwischendurch?

Jeyz: Jedes Mal, wenn ich ein Album veröffentlichen wollte, gab es bei Bozz  irgendwelche Probleme und zu so einem Zeitpunkt wollte ich kein Album releasen. Wenn man das macht, musst du auch mit dem Herz dahinter stehen und darfst kein Kopfkrisen-Ding oder irgendwelche anderen Probleme haben. Eigentlich sollte es nach der "Chronologie Part II“ kommen, so wie es geplant war, aber dann hat sich Bozz von Heute auf Morgen vom kompletten Management getrennt. Ich hatte für mein Album 30,40, 50 Songs gemacht oder so, also dachte ich mir, bevor ich gar nichts mache, mach ich die "Chronologie III“, hake diese Reihe ab und dann kommt mein Album auf jeden Fall. Ein Jahr später gab es dann wieder Action bei Bozz Music, das war alles noch nicht gefestigt, und unter diesen Umständen wollte ich mein Debütalbum auch nicht veröffentlichen. Wie gesagt, ich bin froh dass es endlich draußen ist und ich bin sehr zufrieden mit dem Album und der Resonanz darauf. Die Verkaufszahlen liegen leider nicht in meiner Hand, aber die Leute, die es sich gekauft oder gedownloadet haben, feiern es auf jeden Fall. Ich hab vorhin mit meinem Management telefoniert und die haben gemeint wir sind bei 350 illegalen Downloads, aber wir lassen die Zahlen immer wieder löschen. Wir kommen auf circa 240.000, wenn wir alle Downloads zusammenzählen. Wenn ich nur 10% davon verkauft hätte, wäre ich schon top. (lacht)

rap.de: Das ist so richtig Download-Platin.

Jeyz: Kann man so sagen, aber ich bin trotzdem immer noch sehr motiviert. Ich werde sehr oft gebucht und habe jetzt fast jedes Wochenende einen Auftritt
 

rap.de: Solo, ihr bringt jetzt über Bozz Music euer Mixtape heraus. Wie ist denn die Verbindung zustande gekommen?

Solo: Ich wollte damals von Hannybal für mein Mixtape einen Track haben, aber nach dem dritten, vierten Song den wir aufgenommen haben, dachten wir uns, das passt so gut, lass uns doch zusammen ein Mixtape machen. Irgendwann nach dem sechsten, siebten Song sind wir zu Azad ins Studio nach Rödelheim gegangen und haben ihm die Songs gezeigt und er meinte, wir sollten noch mehr machen und ihm da dann zeigen. Dann hieß es "Nehmt doch bei uns auf und wenn ihr Beats braucht, sagt Bescheid“. Irgendwann waren wir bei Bozz. Ich habe früher einfach nur Musik gemacht, jetzt mache sie, weil ich dazu gezwungen werde. (lacht) Vorher war ich bei keinem Label.

rap.de: Azad, was hat dich an 439 beeindruckt?

Azad: Man muss sich das nur einmal anhören, dann wird sich die Frage beantworten. Das Ding ist, die machen Streetrap und das ist der Rap, der mir am besten gefällt. Es gibt zwar viele, die sich diesen Stempel geben, nur machen das nicht alle auf höchstem Niveau und gleichzeitig authentisch, was bei den Jungs aber der Fall ist. 439 machen ganz pure und echte Musik und haben gleichzeitig diesen Straßenvibe, der mir sehr gut gefällt.

rap.de: Hörst du privat auch nur Sachen, die härter sind?

Azad: Nur, eigentlich höre ich nur solche Sachen. Entweder ganz hart oder wirklich richtig soft. Manchmal höre ich klassische Musik, wenn ich nicht mehr kann und mir alles zu laut ist, manchmal auch alte Soullieder, aber das macht vielleicht 5% aus. Zu 95% höre ich wirklich harten Rap.

rap.de: Gibt es irgendeinen Rapper, der dir zu hart war, der deiner Meinung nach eine Grenze überschritten hat?

Azad: Nein eigentlich nicht. Im musikalischen Sinn gibt es kein zu hart, es gibt nur zu dumm. Texte in denen es nur darum geht, möglichst primitiv zu sein und zu schockieren, sind mir manchmal schlicht zu dumm, aber Musik kann ruhig hart sein. Wobei, hart klingt auch immer so komisch. Wenn jemand sagt, dass er harte Musik macht, dann bekommen die Leute gleich Angst, von wegen "Harte Musik? Was ist das für ein Typ? Der ist doch Banane.“ Eigentlich ist das Musik, die Energie in dir breit macht, bei der du dich stark fühlst und denkst "Jetzt gehe ich Joggen oder ins Fitnessstudio pumpen, weil ich einfach soviel Energie in mir habe.“ Das hat aber auf keinen Fall etwas mit Gewaltbereitschaft zu tun, auch wenn das gerne angenommen wird.

rap.de: Das mag sein. Hättest du 439 gesignt, wenn sie weichere Musik gemacht hätten?

Azad: Wenn sie gut ist, dann ja. Bozz Music heißt nicht, dass wir nur harte Musik machen. Ich habe vor, gute Musik zu machen, egal was das ist. Viele denken, um bei Bozz Music als Künstler gesignt zu werden, muss man zum einen aus Frankfurt kommen und zum anderen ganz fiesen Straßenrap machen, was aber überhaupt nicht der Fall ist. Du kannst aus dem letzten Loch von irgendwoher kommen, du musst einfach nur Musik machen und menschlich in Ordnung sein, dann habe ich keine Probleme damit, das bei mit rauszubringen.
rap.de: Wenn das Label jetzt größere Schwierigkeiten hätte, wäre es eine Option für dich zu wechseln?

Jeyz: Ich hab mir auf jeden Fall schon mal Gedanken darüber gemacht und mich mit Azad über die ganze Sache unterhalten, aber ich hab das ganze Album mit Bozz aufgebaut und sage ziemlich oft "Bozz“ in meinen Texten, also wär es komisch gewesen, wenn ich es über ein anderes Label veröffentlicht hätte. Was jetzt auch nicht so das Problem gewesen wäre. Doch noch bevor ich dazu kam mit Leuten zu verhandeln, kam Azad auf mich zu und hat gesagt: “Hör zu, wir sind wieder gefestigt und wir können wieder durchstarten, wenn du Bock hast. Wir wollen auf jeden Fall was machen“.

rap.de. Ist Bozz so etwas wie eine Familie für dich?

Jeyz: Wir sind ein Label, wo die Freundschaft vor der Musik da war. Ich kannte alle Jungs von Bozz Music noch bevor wir überhaupt davon geträumt haben ein Label zu gründen und ich denke, das ist auch ein großer Unterschied zu den anderen Labels. Bei uns ist die Freundschaft die Hauptsache. Bei anderen habe ich mitbekommen, dass die eigentlich privat nicht viel miteinander zu tun haben und nur dadurch Freunde geworden sind, weil sie beim selben Label sind. Wenn nach zwei Jahren der Erfolg vorbei ist, ist es mit der Freundschaft auch vorbei, das wird bei uns niemals passieren. Wenn ich und Azad irgendwann mal Stress hätten, würden wir das nicht in der Öffentlichkeit austragen. Auch wenn wir uns trennen würden – Jeder geht seinen Weg. Wir würden das niemals öffentlich austragen, weil uns immer noch eine lange Freundschaft verbindet. Aber es gibt Momente, wo das ganze Business ein bisschen an der Freundschaft nagt.
 

 

rap.de: Du bist auf Sizilien geboren? Hier steht "gebürtiger Sizilianer“.

Jeyz: Nein, ich bin hier in Deutschland geboren, aber ich bin nach der Geburt… Na ja, meine Geburt war eh ein bisschen komisch… Aber steht das da drinnen? Ja okay, dann kann man es eigentlich so stehen lassen. (lacht) Ich bin nach der Geburt beinahe gestorben, deshalb heiße ich Jesus mit Zweitnamen. ich war erstmal zwei Wochen im Krankenhaus, mit Schläuchen und allem. Als ich zwei, drei Monate alt war, bin ich sofort nach Sizilien und war da so die ersten drei Jahre meines Lebens. Als mein Vater in Sizilien verstarb, sind wir mit der kompletten Familie nach Deutschland gereist und haben uns hier unser Leben aufgebaut. Mein Vater hat immer die Kontakte nach Deutschland gehalten und sich nach einer Wohnung umgeschaut. Hat dann auch eine gefunden und an dem Tag, an dem wir losfahren wollten, ist er drei Stunden vorher mit dem Motorrad verunglückt. Das war für meine Mutter übertrieben schwer. Allein mit sechs kleinen Kindern und dann auch noch in Sizilien, denn da gibt es keine Sozialhilfe. Wenn du arbeiten gehst hast, du Geld, wenn du nicht arbeiten gehst, hast du kein Geld. Wir sind dann doch nach Deutschland, denn meine Mutter hat sich gedacht “Ich bin jetzt 25 Jahre und habe sechs Kinder. Was mache ich mit denen in Sizilien, was für Aussichten haben sie hier?“ Dann ist sie halt mit sechs kleinen Kindern nach Deutschland gereist und hat uns hier in den Kindergarten und die Schule geschickt, weil sie wusste, dass wir hier viel bessere Perspektiven haben.

rap.de: Jetzt sagst du aber in einem Track “Ich bin hier nicht willkommen“. Ist das so?

Jeyz: Ich sage es ganz ehrlich: Als Ausländer in Deutschland bist du irgendwie heimatlos. Wenn ich nach Sizilien komme, heißt es “Ah, die Deutschen machen Urlaub“ und wenn ich wieder nach Deutschland komme, heißt es: “Die Kanaken sind wieder da“. Wenn man hier durch die Straßen läuft und sieht die Blicke, besonders die der älteren Menschen, bekommt man das Gefühl, man sollte einfach gehen. Und dadurch bin ich auf diesen Satz gekommen.

rap.de: Wie ist dein persönliches Verhältnis zu Deutschland?

Jeyz: Ich fühl mich hier zuhause. Ich bin hier geboren worden, habe mehr als ein Dreiviertel meines Lebens hier verbracht und habe meine ganzen Freunde hier gefunden. Ich könnte auch immer wieder Urlaub in Sizilien machen, aber für immer leben könnte ich da nicht. Außerdem habe ich einen neuen Song, der auf mein neues Album kommt, geschrieben und da sage ich "Ich bin deutscher Sizilianer und ich bleibe hier“.
 

rap.de: Ihr habt mit Jeyz einen Track namens "Heimatloses Volk“ gemacht, auf dem ihr vom Schicksal eurer Eltern erzählt und mit der Gesellschaft in Deutschland abrechnet. Gleichzeitig repräsentiert ihr Frankfurt mit einem gewissen Stolz. Fühlt Ihr euch wohl in Franfurt, obwohl euch Deutschland manchmal abfuckt?

Solo: In meinem Part erzähle ich ja die Geschichte meiner Mutter, die aus Eritrea wegen all der Krisen hierher gekommen ist. Es geht darum, was Deutschland alles für uns getan hat und was es eben nicht getan hat und was unsere Eltern für einen Kopffick hatten. Aber im Endeffekt bin ich Frankfurter.

Azad: Unsere Eltern hatten ja auch ein ganz anderes Los als wir, deren Kinder, die wir hier aufgewachsen sind. Die mussten viel härter kämpfen, um in der Gesellschaft anerkannt zu werden.

rap.de: Ihr fühlt euch aber soweit wohl und angekommen in der Gesellschaft.

Azad: Auf jeden Fall. Ganz klar. Wir hatten das Thema sogar vorhin beim Essen. Wenn zum Beispiel ein Engländer gegen Klitschko boxt, dann mögen wir zwar Klitschko nicht unbedingt, aber der boxt für Deutschland und dann sind wir trotzdem auf seiner Seite. Damit können wir uns eher identifizieren, als mit sonst irgendwas.

rap.de: Stört euch die antideutsche Haltung, die viele aus der zweiten Generation der Einwanderer an den Tag legen?

Azad: Das kommt immer darauf an, was für Erfahrungen die gesammelt haben. Wenn die ihr ganzes Leben nur auf den Kopf gekriegt haben, weil sie keine Deutschen sind, dann kann man schwer erwarten, dass die sich angenommen fühlen. Jeder hat seine Geschichte. Ich für meinen Teil fühle mich hier wohl und auch zu Hause, aber ich weiß auch wo meine Wurzeln sind und welches Blut in mir fließt und darauf bin ich stolz.

Solo: Aber ich glaube, dass auch die Leute, die immer auf den Kopf bekommen haben, wissen, dass es ihnen hier besser geht, als in ihrem Heimatland. Wenn man sagt "Scheiß Deutschland", dann heißt das ja nicht, dass jeder Deutsche scheiße ist. In dem Moment, wo ich den Track geschrieben habe, hat mich Deutschland gerade abgefuckt, beziehungsweise haben mich die Leute abgefuckt, die mit dieser ganze Bürokratie Scheiße ankamen. Aber ich weiß, dass es mir in meinem Land schlechter gehen würde als hier. Es sagen ja auch viele Deutsche "Scheiß Deutschland“, aber wenn das ein Afrikaner sagt, dann heißt es gleich "Geh doch zurück dahin, wo du hergekommen bist!

rap.de: Wie sieht die Zukunft von Leuten, denen es genauso geht wie dir, aus?

Jeyz: Es gibt viele, die haben gar keine Perspektive und geben sich das volle Programm auf der Straße immer noch, obwohl die jetzt schon fast 36 oder 37 Jahre sind. Also ältere Leute aus der Nordweststadt, die dealen oder was weiß ich. Dann gibt es wieder andere, die sich langsam Gedanken über ihre Zukunft machen und die, die eine Familie haben. Jeder muss seinen eigenen Weg finden, man muss es nur raus schaffen. Mit 34 Jahren mit dem Arbeiten anzufangen ist auch schwieriger, als schon mit 18 eine Ausbildung zu machen.

rap.de: Hast du eine Ausbildung gemacht?   

Jeyz: Gezwungenermaßen. Ich hab viel Stress mit der Polizei gehabt und als ich 18 war, hat mich meine Mutter vor die Wahl gestellt. Entweder ich mache eine Ausbildung, oder sie schickt mich für immer nach Sizilien. Ich hab zwar immer Musik gemacht, aber die Ausbildung hab ich durchgezogen. Man soll an seine Träume glauben, aber wenn man merkt, das man jahrelang gegen eine Wand läuft, sollte man sich auf jeden Fall ein zweites Standbein aufbauen. Wenn du arbeiten gehst, hast du deine Kohle monatlich und du hast Aufstiegschancen.

rap.de: Du sprichst von vielen Krisen und Bildern, die dir im Kopf hängen geblieben sind. Was sind das für Bilder?

Jeyz: Das sind Sachen, die ich in meinem Leben einfach erlebt habe. Ich war fünf oder sechs und musste mit ansehen, wie sich meine Eltern die Köpfe eingeschlagen haben und das ganze Wohnzimmer voller Scherben liegt. Mit so was bin ich halt aufgewachsen. Eins kam zum anderen, die Straßensache, dann das mit der Bullerei und so weiter. Man muss halt aus diesen negativen Energien das Beste rausholen und sie zum Positiven wandeln. Ich hatte vor ein paar Monaten oder vor ein paar Jahren eine richtig depressive Phase, in der mir die Familie jeden Tag zur Seite stand, mich jeden Tag angerufen hat und mich zum Essen eingeladen hat. Das kam auch durch die Musik, denn du reißt dir jeden Tag den Arsch auf und der Verdienst reicht einfach nicht. Jetzt ist aber alles besser. Ich mache einfach meine Musik und habe nebenbei noch Sachen laufen, mit denen ich Geld mache. Aber Musik machen, macht mir ja auch Spaß. Der erste Song, den ich je in meinem Leben geschrieben habe, hieß “Der Tag“, damals noch mit Jonesmann zusammen, und es ging um meinen verstorbenen Vater. In dem Moment habe ich einfach gemerkt, dass das zwar immer noch ein Problem ist, mich das Schreiben aber einfach befreit. Vielleicht ist das der Grund, warum ich so viele Krisensongs habe, weil ich meine Krisen alle in den Songs verarbeite. Manchmal denke ich mir aber auch einfach, fick dieses Hip Hop Ding. Ich habe mir meinen Arsch dafür aufgerissen und bekomme einfach nicht das, was ich verdiene. An anderen Tagen denke ich mir dann wieder, dass ich unbedingt was schreiben muss, weil das einfach meine Leidenschaft ist. Mit diesem ganzen Hip Hop Glitzer, Glamour, Sehen und Gesehen werden-Ding, möchte ich aber ehrlich gesagt nichts zu tun haben. Ich würde das natürlich auch genießen, aber ich müsste mich jetzt nicht auf jeder Comet Aftershowparty ins Rampenlicht stellen.
 

 

rap.de: Du hast deiner Hassliebe "Marihuana“ einen eigenen Song gewidmet. Warum ist Kiffen so ein großes Problem?

Jeyz: Es gab ein Zeit, da bin ich morgens wach geworden und bevor ich irgendwas gemacht habe, habe ich den halben Joint vom Vorabend geraucht. So benebelt, wie ich eingeschlafen bin, bin ich morgens aus dem Haus gegangen. Alles was ich zu erledigen hatte, sprich Arbeitsamt, Sozialamt oder sonstige Ämter, ist liegen geblieben. Ich bin einfach in die Nordi gefahren, habe mir was zu Essen geholt und mit den Jungs gechillt. Das Leben ist einfach an mir vorbeigezogen und irgendwann dachte ich mir, dass das nicht mehr so weitergehen kann. Ich wollte eigentlich nur noch schreiben, aber wenn du dadurch nicht deinen Lebensunterhalt verdienen kannst, musst du ja auch andere Sachen machen und um die habe ich mich nie gekümmert. Ich hatte immer diesen Traum vor Augen, dass ich es bald geschafft habe und der Durchbruch kommt. Irgendwann habe ich gemerkt, dass das eine Traumwelt ist und ich das mit der Musik zwar weiter machen kann, mir aber ein zweites Standbein aufbauen muss. Ich habe aufgehört zu rauchen und gemerkt, wie viel Energie ich plötzlich hatte. Als wir das "Warheit“-Album gemacht haben, hatten wir allerdings unfassbaren Druck und musste jeden Tag 16 Takte oder so schreiben. Da habe ich dann angefangen, nur noch beim Schreiben zu Kiffen und so ist es auch bis heute geblieben.

rap.de: Du bist römisch-katholisch und auf deinem Album stellst du auch den ein oder anderen Bezug zu Gott her. Bedeutet dir Glaube etwas?

Jeyz: Ich glaube an Gott und das gibt mir auch sehr viel Kraft, aber ich bin jetzt nicht so gläubig, dass ich jeden Tag in die Kirche gehe oder den Leuten predige, was sie tun sollten und was nicht. Auch wenn das alles nur in meinem Kopf passiert, baut mich das auf, wenn ich mal down bin. An Weihnachten und Ostern gehe ich aber zum Beispiel in die Kirche, auch wegen meinen Eltern.
 

rap.de: Azad, du hast ein sehr offenes Interview gegenüber der Juice gegeben und ich glaube, das hat auch viele geschockt, weil es oft doch den Eindruck erweckt hat…

Azad: Dass wir alle reich sind? Rap ist eine Kunstform, viel wird auch zum Schein aufrechterhalten, um den Leuten etwas vor zu gaukeln. Du kannst aber auch nicht ewig lügen, irgendwann kommen die Leute dann doch mit der Wahrheit raus. Da bin ich lieber gleich ehrlich, dann habe ich später nicht das Problem, irgendwas gestehen zu müssen. Ich sag von vornherein "So ist es, komm damit klar oder nicht.

rap.de: Du warst ja in deinen Texten noch nie für Protzereien bekannt, aber auch du sagst ja Sachen wie “Früher musste ich essen klauen, jetzt überleg ich ,welchen Mercedes ich mir kaufe."

Azad: Ich glaube, im Rap ist so wie in vielen Berufen. So ne Achterbahnfahrt. Es gibt Höhen und Tiefen. In den Höhen denkst du "Welchen Mercedes soll ich kaufen?“ und in den Tiefen überlegst du “Alter, wie überleb ich, was esse ich?“ Es gab schon Momente, wo ich mir dachte “Jetzt geht’s dir gut“. Aber das sind halt Zeiten, die kommen und gehen. Die bleiben nicht immer.

rap.de: Bereust du es dann an solchen Tiefpunkten, dass du dich für die Musik entscheiden hast?

Azad: Das kommt auch vor. Es gibt Momente, wo du dir dann denkst: “Warum habe ich nur angefangen mit dem Scheiß?“ Das sind nur Kopf-Ficks und jeder lädt mein Album runter und beklaut mich, kommt dann aber noch an und will ein Foto und sonst was von mir und du kannst ihn noch nicht mal fragen, warum er dich beklaut. Aber im Endeffekt kann ich mich trotzdem glücklich schätzen. Ich kann leben, kann essen und das was ich mache ist immer noch ein bisschen spaßig. Ich könnt auch auf dem Bau arbeiten oder den ganzen Tag Toiletten putzen.

rap.de: Du hast in "Phoenix“ vor ein paar Jahren gesagt, dass du deine Eltern aus dem Plattenbau holen möchtest. Im Juice Interview wiederum meintest du, sie würden da jetzt immer noch leben. Hast du den Glauben an diese "Von unten nach oben und ich schaff es jetzt“-Mentalität verloren?

Azad: Wenn ich ehrlich bin schon. Ich habe momentan das Gefühl, dass ich gescheitert bin. Aber ich hab auch schon sehr lange gedacht, dass ich es geschafft und mich aus eigener Kraft aus dem Sumpf gezogen habe. Das ist wie die Achterbahn, wenn wir unten sind, denken wir so, wenn wir oben sind, denken wir so. Im Moment ist es auf jeden Fall mehr ein Abturn-Gefühl.

rap.de: Du hast gesagt, dass du oft überlegt hast, Bozz Muzik zu schließen. Warum hast du dich dagegen entschieden und was wäre ein Grund, um wirklich mit der Musik aufzuhören?

Azad: Würden meine Eltern oder meine Tochter kommen und sagen "Hör mit der Musik auf, das macht uns unglücklich“, dann hör ich sofort auf. Meine Familie steht für mich auf jeden Fall über der Musik und was sie sagen ist Gesetz. Wenn das Glück meiner Familie davon abhängt, ist Rap uninteressant. Das wäre ein Punkt. Und wenn ich sehe, ich lauf und lauf und komm nirgendwo an und ich kann niemanden helfen, dann macht es auf Dauer keinen Sinn. Dann würde ich irgendwann die Notbremse ziehen und einen anderen Weg gehen. Ich bin ein sehr optimistischer Mensch und wenn ich so rede, kannst du dir schon ungefähr denken was Sache ist. Ich bin ein Kämpfer-Typ und auch ein Trotzkopf und ich lass mich jetzt nicht von der ersten oder der zweiten oder der zwanzigsten Hürde aufhalten, aber irgendwann kommt man immer an seine Grenzen.

 

rap.de: Außerdem sprichst du von Ehre und Familie. Was bedeutet das?

Jeyz: Bei uns Sizilianern steht das auf jeden Fall an erster Stelle und wurde mir von Kindesalter an auch richtig in den Schädel gepumpt. In erster Linie geht es aber darum, dass wir in der Familie zusammen halten. Dass alle für einen da sind, wenn man mal ein Problem hat.

rap.de: Hast du dich eigentlich jemals bei deiner Mutter für ihren Einsatz bedankt, dich vor schlechten Einflüssen beschützen zu wollen?

Jeyz: Ja, ich bedanke mich eigentlich an jedem Tag, an dem ich sie sehe, dafür. Ich habe ihr auf meinem Album auch einen Song gewidmet und als sie das gehört hat, war sie sehr stolz und hat geweint. Wir waren früher vielleicht auch mal zickig zueinander, aber da war nie Hass im Spiel. Ganz im Gegenteil, das hat uns alle noch viel fester zusammengeschweißt. Meine Mutter würde ihr Leben für mich geben und genau dasselbe würde ich auch tun – auch wenn sie das nicht gutheißen würde.