Snaga und Fard

Es ist immer so eine Sache mit sozialkritischen Inhalten in Rapmusik. Auch als Snaga und… Nein, nicht Pillath, sondern Fard auf der ersten Single "Sehnsucht Nach Mehr" ihres Kollaboalbums "Talion" Vater Staat, Frau Merkel und die rein materiellen Wünsche der Gesellschaft anklagten, wusste man nicht so recht, ob dies nicht einfach nur eine Masche im Kampf um die Aufmerksamkeit der launischen Rap-Hörer ist. Nicht nur, aber auch deshalb haben wir uns mit den beiden Jungs aus dem Pott in Hamburg getroffen und festgestellt: da hat sich jemand wirklich Gedanken gemacht. Auch zum Status Quo der deutschen Hip Hop Kultur und der universellen Relevanz von Geschlechtsverkehr hatten Snaga und Fard einiges zu sagen. In diesem Sinne: Viel Spaß mit dem Interview.

rap.de: Euer Kollaboalbum heißt "Talion“. Warum dieser Titel?

Fard: Der Titel repräsentiert das, was wir in unserer Musik wiedergeben. Im Endeffekt heißt es nichts anderes als "Auge um Auge, Zahn um Zahn“, so eine alte Rechtssprechung, nach der dem Täter das zugefügt wird, was dem Opfer zugefügt wurde. Gleiches mit Gleichem vergelten, Aktion Reaktion, Auge um Auge, Zahn um Zahn – das passiert bei unserer Musik, das passiert auf unserem Album. Das war also der beste Titel, den wir uns dafür vorstellen konnten.

rap.de: Würdet ihr es befürworten, wenn man dieses "Auge um Auge“-Ding praktisch umsetzen würde? Im Iran oder so hat ein Mann zum Beispiel einer Frau mit Säure die Augen verätzt, weil sie ihn nicht heiraten wollte. Sie ist für den Rest ihres Lebens blind und hat lange Zeit dafür gekämpft, ihm ebenfalls beide Augen blenden zu dürfen, was anscheinend auch erlaubt wurde.

Fard: Ja, ist das nicht fair?

rap.de:  An sich natürlich schon, aber wenn man dasselbe tut, stellt man sich dann nicht mit dem Angeklagten auf eine Stufe?

Fard: Ja gut, die Frau könnte jetzt sozialpolitisch korrekt sagen, der soll jetzt eine Gefängnisstrafe von vier Jahren absitzen und dann war’s das und er kann wieder durch die Welt laufen und kann alles in bunten Farben sehen, während sie blind und für ihr Leben entstellt ist? Er hat da in etwas eingegriffen, wozu er kein Recht hat. Vielleicht trifft das nicht auf alle Fälle zu, aber in dem Fall bin ich dafür, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Was hat denn diese arme Frau getan, außer dass sie ihn nicht heiraten wollte?

rap.de: Dass das eine schreckliche und nicht entschuldbare Tat war, steht ja außer Frage.

Fard: Ok, dann schreib bitte "Wer einer Frau Säure ins Gesicht kippt, weil sie ihn nicht heiraten will, dem sollte genau soviel Säure ins Gesicht gekippt werden, wenn nicht sogar noch mehr.

rap.de: Auf dem Album ist euer Gegner der viel zitierte "Vater Staat“. Was genau prangert ihr an, was sollte sich ändern?

Fard: Wir prangern die Umstände an, in denen wir leben, das System, das ohne uns ausgehandelt wird und korrupt ist. Dass Politiker über unsere Köpfe hinweg entscheiden und Marionetten sind. Die sozial kritischen Umstände, in denen wir leben und aus denen viele Menschen auch gar nicht mehr raus kommen. Die Umstände, die dazu führen, dass die deutsche Mittelschicht gerade weg bricht.

Snaga: Uns wird vorgespielt, wir hätten ein bestimmtes Mitspracherecht, aber meiner Meinung nach ist das eine Illusion. Am Ende des Tages sitzen irgendwelche Politiker in irgendwelchen Gremien, wo irgendwelche Lobbyisten ihnen sagen, welche Politik für sie am besten wäre. Dann werden die Politiker geschmiert oder mal hier und da hin geflogen, ihnen wird dies und das versprochen und Parteispenden werden gemacht. Im Endeffekt ist diese Politik nicht für den normalen Steuerzahler gemacht, der diesen Staat eigentlich ernährt und ausmacht. Auf den wird geschissen! Da werden irgendwelche Interessen von reichen Menschen vertreten. Von Unternehmern, die Macht und Einfluss haben und genau so etwas prangern wir an. Die normalen Leute haben hier einen Scheißdreck zu sagen. Wir können zwar ein bisschen die Fresse aufmachen, weil uns gesagt wird, dass wir ein Recht auf freie Meinung hätten, aber wenn es darum geht, irgendetwas zu bewegen, wird man schnell feststellen, dass der kleine Mann nichts zu sagen hat und auch nichts bewegen wird – so klischeemäßig sich das anhört. Wir leben hier in einer gelenkten Illusion, es ist einfach so. Das können mir die Leute jetzt glauben oder nicht. Wer sich ein bisschen damit beschäftigt und Bücher liest, der wird das schnell merken.

rap.de: Wie könnte man dieses System aufbrechen?

Snaga: Man sollte dieses Geldsystem abschaffen, ganz einfach. Wenn ich dir das jetzt so sage, dann sagen alle, dass ich ein Spinner bin, aber das ist einfach die einzige Möglichkeit. Das ist jetzt ein dummer Spruch, aber der hat durchaus seine Richtigkeit: Geld regiert die Welt und wenn du kein Geld hast, dann hast du keinen Einfluss. Ohne Einfluss kannst du auch nichts verändern und es funktioniert einfach mal so, dass wir als Steuerzahler den Staat ausmachen, Deutschland aber noch nicht einmal eine eigene Währung herstellen darf. Deutschland darf vielleicht Münzgeld herstellen, aber Scheine werden nur von der europäischen Zentralbank hergestellt. Alleine daran, dass ein Staat nicht mal seine eigene Währung herstellen darf, sieht man doch, dass wir, du, ich und Fard sind ja der Staat, nichts zu melden haben. Wir sind alle verschuldet bei der europäischen Zentralbank, die wiederum Teil einer anderen Weltbank ist. Wir sind mit 1,6 Billionen Euro verschuldet, wir alle, und wenn ich irgendwo verschuldet bin, bin ich auch dazu gezwungen, das zu machen, was dieser Typ mir sagt. Wenn die Banken wollen, können sie das gesamte Kapital einfrieren und uns mundtot und nicht mehr handlungsfähig machen. Wir sind Marionetten einer Bankengesellschaft, das ist einfach so.

rap.de: In einem Interview habt ihr gesagt, dass es egal ist, wen man wählt.

Fard: Es ist insofern egal, wen du wählst, weil hinter jedem verschiedene Interessensgruppen stecken, die ihre Interessen durchsetzen werden. Guck mal, seit Obama gewählt wurde, hat er keins seiner Versprechen eingehalten, geschweige denn nur annährend erfüllt. Er hat gesagt, dass er sofort die Truppen aus dem Irak abzieht, wenn er an die Macht kommt. Dann hat er gesagt, nach sechs Monaten, dann dreizehn, jetzt sind es 23. Keiner hält sein Wort, guck dir doch mal unseren ehemaligen Bundeskanzler an! Gerhard Schröder ist jetzt Vorsitzender bei einem Gaslieferanten und vertritt deren Interessen auf der ganzen Welt. Warum? Weil er ein Vorzeige-Jemand ist und jeder denkt, dass er seriös ist. Oder Peter Hartz, der einfach dieses Hartz IV durchsetzt, wobei er nach der Einführung selber eingestehen musste, dass es ein Fehler war, weil es einfach ein Betrug an den Menschen ist, die jahrelang in diese Arbeitslosenkasse eingezahlt haben. Stell dir jetzt als Beispiel mal vor, du bist mit 20 ganz normal arbeiten gegangen, bist dann irgendwann 50 Jahre alt und hast dein Leben lang geschuftet. Dann wirst du aus irgendwelchen Gründen arbeitslos, das kann ja jeden treffen, und dann kriegst du nur Hartz IV. Wofür hast du denn dann 30 Jahre lang deine Versicherungsbeiträge bezahlt? Die Interessen, die unsere Probleme betreffen, wirkliche menschliche Probleme, machen nicht mal 0,1 Prozent von den Anliegen der Politiker aus. Ich bin definitiv der Überzeugung, dass SPD, CDU, FDP, PDS und wie die alle heißen ganz andere Interessen vertreten, als deine, meine, seine und ihre. Es gibt doch auch wirklich keine Partei mehr heutzutage, die noch außerhalb eines Wahlkampfs eine Ideologie vertritt. Dann holen sie wieder die alten Sprüche raus, dann appelliert die SPD wieder an die Arbeiterklasse und die fühlen sich in ihrem Arbeiterstolz dann vielleicht bestätigt und wählen die SPD. Am Ende des Tages sitzen die aber trotzdem alle zusammen und drücken irgendwelche Agendas durch, die einen Scheißdreck damit zu tun haben, was wir brauchen oder nicht. Otto Schily zum Beispiel hat früher linksradikale Terroristen verteidigt und zwanzig Jahre später ist der Typ einer der rechtesten Politiker und setzt sich für die krassesten Überwachungsmaßnahmen ein. Wen soll ich denn da ernst nehmen? Ein Typ wie Obama ist ein Schauspieler. Der hat ein schönes Gesicht, aber in seinem Kabinett sitzen nur Leute, die vorher auch schon das sagen hatten.

Snaga: Das ist alles eine Illusion. Tut mir Leid, aber das ist so.

rap.de: Konntet ihr diesen Obama-Hype nachvollziehen?

Fard: Nachvollziehen konnte ich den auf jeden Fall. Ist doch klar, dass viele Leute etwas Neues wollten. Davor war George Bush, der sowieso der Über-Buhmann war und nur eine Scheiße nach der anderen gebaut hat, und dann kommt urplötzlich ein Farbiger, der jung ist, gut aussieht und ein cooler Typ ist und der hämmert den Leuten dann in einem Riesenwahlkampf dieses "Yes we can!“ ein. Die Leute suchen doch nach Hoffnung und wer war die Alternative? John McCain? Der Typ ist 200 Jahre alt und stand dafür, dass Programm von George Bush weiter zu machen, natürlich hat den niemand gewählt. Aber man muss sehen, dass Obama diese Versprechen, die er gemacht hat, gar nicht halten kann. Obama ist ein Gesicht, mehr ist der nicht.

rap.de: Im Rahmen dieses ganzen Obama-Wahlkampfes wurde auch immer wieder die Hip Hop Kultur miteinbezogen. Zum einen natürlich, weil Obama schwarz ist, und zum anderen, weil sich wahnsinnig viele Rapper mit ihm solidarisiert haben. Wie politisch kann Rap denn sein? Wie viel Einfluss kann Rap auf so politische Dinge nehmen?

Fard: Rap kann insofern politisch sein, dass du den Leuten als Rapper eine Stimme gibst. Dass du für die Leute stehst, die die gleiche Meinung haben, die die gleichen Dinge erkennen und das gleiche empfinden wie du. Es kann soweit gehen, dass Rapper, die diesen Aspekt wie wir jetzt haben und den es in Deutschland bisher so noch nicht gab, in Shows eingeladen werden und da dann ein Mitspracherecht kriegen. Man kann diese Leute repräsentieren, man kann ein Sprachrohr werden aber man kann eine Generation nicht führen, aber ihnen eine Stimme geben. Dass sie sich wiedererkennen in der Musik, dass sie merken dass da jemand ist, der Wert darauf legt, dass sie repräsentiert werden. Das gibt den Leuten glaube ich tausendmal mehr, als wenn du in deinem neuen Video deine Kette drehen lässt, oder irgendein G-Unit Affe einen Ureinwohnerschrei macht oder so. Daher kommt doch Rap, Rap kommt doch von der Straße und aus den Umständen heraus, dass die Leute unzufrieden waren. Rap muss wieder dahin gehen, dass es eine Aussage hat und dass die Leute stolz sagen "Wir sind Rapper, wir haben was zu sagen!“. Auf einen Electrobeat was machen und sich dann so schöne nackte Weiber ins Video holen, das kann doch jeder.

rap.de. Auf der anderen Seite habt ihr auf dem Album auch Aussagen wie: “Die Nutten trinken Sekt, wir trinken Champagner. Ich bin nicht romantisch, ich ficke dich von hinten

Fard: Das gehört doch auch irgendwie zum Leben dazu… Ficken! Okay. Und wenn du fickst, dann manchmal von vorne und eben manchmal auch von hinten.

rap.de: Aber ich finde, das sticht von der Thematik her schon sehr raus auf dem Album.

Fard: Aber das ist doch nicht herabwertend gemeint.

Snaga: Wir sitzen ja jetzt auch nicht den ganzen Tag zu Hause und machen uns nur Gedanken. Wir wollen ja auch unsere Leute widerspiegeln, das ist halt auch Teil unseres Lebens.

Fard: Du kannst mit mir überall auf der Welt, sogar in das kleinste Dörfchen dieser Erde, hingehen und da wird Sex auch ein Thema sein, egal auf welche Art und Weise. Sex ist nun mal etwas, was uns Menschen ausmacht. Da kann sich Alice Schwarzer auf den Kopf stellen und sich dreimal im Kreis drehen und das wird nichts daran ändern. Ich weiß, dass es ein Phänomen überall auf der Welt ist, dass wenn einen Frau viele Männer hat, sie als Schlampe gilt und dass das bei einem Mann nicht passiert. Aber Snaga und ich sind jetzt nicht die Philosophen, um dieses Phänomen zu erklären. Ich verstehe, worauf du hinaus willst. Ich will dir nur zu verstehen geben, dass Sex, Politik, Probleme, all dies in unserer Welt ist. Wir lassen den Hörer in unsere Welt hinein, dann können wir uns in diesem Moment nicht verstellen und sagen, dass wir damit nie etwas zu tun gehabt haben. Wir sind keine Heuchler, wir sind ehrlich zu uns selbst und zu den Leuten, die unsere Musik diggen und dann auch nachvollziehen können.

rap.de: Ich habe es nur auf die Aussage “ein Elektrobeat und ein paar nackt Ollen, das kann doch jeder“ bezogen. Es klang so, als würdest du es ablehnen, und das würde jetzt nicht zu den eben genannten Zeilen auf eurem Album passen.

Fard: Was ich damit sagen wollte ist, dass viele Rapper jedem Trend nachrennen. Es ist ja gerade sehr in, auf Elektrobeats zu rappen und ein schickes Video zu haben, das möglichst wenig nach Rap aussieht und für die Masse getrimmt ist. Einer hat es erfolgreich gemacht und Tausende adaptieren das jetzt wieder. Weil keiner hingeht und sagt "Ich rappe in Deutschland, also rappe ich auch über das, was hier passiert“ und das ist eben nicht einfach nur eine Kette bis zum Pillermann tragen. Das ist nicht unser Lebensgefühl, unser Lebensgefühl, ist das, was wir auf der Platte “Talion“ wiedergeben. Du hast schöne Augen Lisa!

rap.de: Dankeschön Fard.

Snaga: (Lacht laut)

Fard: Nichts zu danken.

rap.de: Hat Deutschland vielleicht ein Identitätsproblem und deshalb wird so gerne bei Anderen kopiert?

Snaga: Es geht in Deutschland weniger darum, dass wir den Amis alles nachmachen. Das ist Schwachsinn. Ich glaube das Problem ist eher: In Deutschland ist einer mit etwas erfolgreich und schon wollen es alle nachmachen. Das sind keine eigenständig kreativen Künstler. Es gibt diesen Krampf, ein Patent kopieren zu müssen. Einer macht eine Kaffeemaschine und alle anderen machen auch eine Kaffeemaschine, anstatt bei sich selber anzufangen und zu gucken, was es noch nicht gibt oder der Rapwelt was bringen könnte. Bei Deutschland fehlt mir ein wenig die Liebe zur Musik. Musik kann soviel bewegen und auslösen, auch an Gefühlen. Die seh’n Pillath und ich machen Punchlines und sind erfolgreich und dann guck ich mich um und dann sind da tausend Rapper, die dieselbe Scheiße machen, dieselben Schemata benutzen und dieselben Sprüche bringen, aber das irgendwie ohne Seele.

rap.de: Ich finde, man hat auch irgendwie das Gefühl, dass keiner in der Szene so wirklich etwas mit Deutschrap zu tun haben möchte.

Fard: Das ist das Problem! Die erfolgreichen Rapper übernehmen keine Verantwortung. Der eine rappt über Rap die ganze Zeit, der andere hätte die Möglichkeit dazu, distanziert sich aber von der Szene, weil die Szene ihn nie akzeptiert hat und der andere ist in den Medien der Clown. Welcher von denen soll in den Medien jetzt für Rap gerade stehen? Sobald es darum geht “Sie haben doch damals das und das gesagt…“, distanzieren sie sich davon: “Nee, früher war ich 18 Jahre lang auf Kokain gewesen…. Dann hab ich vier Jahre in Kuba gelebt und Unterhosen zusammen genäht“, irgend so etwas (lacht). Hier gibt es einfach niemanden mehr mit einer eigenen Meinung und einem Gefühl dafür, was hier draußen los ist. Anstatt darüber zu rappen, dass ich jetzt wieder mit einem Messer losziehe, um Einen kalt zu machen, rappe ich doch lieber über die Umstände, wie es dazu kommen kann, dass jemand raus geht und Leute mit einem Messer bedroht, um dessen Handy zu bekommen. Darüber muss gesprochen werden, erst dann fangen die Leute, die nichts mit Rap zu tun zu haben, an uns erst zunehmen.

rap.de: Worauf ich auch hinaus wollte, ist, dass es ja irgendwie uncool zu sein scheint, als Rapper ein Fan von Hip Hop zu sein. So nach dem Motto "Ich mache zwar Rap, höre aber Elektro und Herbert Grönemeyer.

Fard: Ja, da brauchen die sich alle nicht zu wundern, wenn am Ende des Tages die Kinder sagen: “Nee den höre ich jetzt nicht mehr, der macht Gangsterrap, mein Lieblingsrapper macht Funny Rap.“ – klischeehaft meine ich das. Die erziehen die Kids ja mit, sodass die jüngere Generation sagt, die Gangsterrapper seien scheiße. Jeder urteilt über den anderen, anstatt sich einfach locker zu machen. Kein anderer hat so viel Möglichkeiten etwas in Musik auszusagen wie Rapper. Das muss man sich mal bewusst machen. Es gibt keine Musik, in der so viele Wörter in eine Strophe passen, wie bei Rapmusik. Deshalb haben wir die besten Möglichkeiten diejenigen zu sein, zu denen die Anderen aufschauen und sagen: “Man, guck dir diese Leute an, die haben was zu sagen, die haben was im Köpfchen, Respekt.“ Erst wenn wir es schaffen auf uns selbst stolz zu sein, dann werden uns die anderen respektieren.

rap.de: Es bilden sich ja auch immer solche Camps.

Fard: Hier ist echt Dschungelcamp. Deutschland ist wie das Dschungelcamp. Ist doch so. Der eine kann nicht mit dem anderen cool sein, weil er ein Spitter ist und der andere kann nicht mit dem cool sein, weil er über Clownnutten rappt. Das ist alles Schwachsinn, alles Schubladenscheiße

rap.de: Auch so ein typisches Rap-Ding ist das Representen der eigenen Gegend, was ja in der Form in der Musiklandschaft ziemlich einzigartig ist.

Snaga: Das glaube ich gar nicht. Guck dir doch mal Blues an, da ist ja auch diese Südstaatenmentalität, die das ausmacht.

Fard: Vielleicht hat es ja auch etwas damit zu tun, dass die Leute einfach stolz auf ihre Gegend sind und das einfach noch nicht anders ausdrücken können, als den Namen ihrer Stadt oder ihres Viertels zu schreien. Aber man sieht ja, wo die Richtung hingeht. Dieses Namedropping von Städten und Vierteln hat etwas damit zu tun, dass sich die Menschen, damit identifizieren können und sich darin wieder erkennen. Die sagen dann "Ey, der kommt aus meiner Stadt, der hat bestimmt dasselbe erlebt wie ich!“ Klar, das ist ein Rap-Phänomen, aber das hat Rap schon immer gehabt. Das ist so, wie Rap auf einen Beat zu sein hat.

Snaga: Ich glaube das kommt ursprünglich daher, dass Rap aus einer Ecke kommt, in der sozial benachteiligte Menschen an den Rand einer Gesellschaft gedrückt werden und dadurch auch territorial an den Rand von Städten in Ghettos gedrängt wurden. Um die an die Seite zu packen und den Mantel darüber zu legen, um gar nicht mitzukriegen, was alles scheiße läuft und deshalb schweigen wir das tot. Und irgendwann haben Rapper angefangen zu sagen "Nein, mich schweigt ihr nicht tot!“ und dann haben die immer weiter ihre Straße, ihr Ghetto, ihren Stadtteil representet. Und das ist eine feste Tradition. Ich glaube, das hat extrem etwas mit sozialer Benachteiligung zu tun. Ich habe festgestellt, dass Bonzen aus Bonzenvierteln gar nicht representen wo sie herkommen, sondern eher denken "Muss ja gar keiner wissen, woher ich komm, nachher kommt das Dreckspack noch zu uns!“ Das ist einfach ein soziales Phänomen, dass Leute, die von der Mainstreamgesellschaft an den Rand gekehrt wurden, aufgestanden sind und gesagt haben "Ich bin der und der und komm von da und wenn euch nicht gefällt, wie’s da aussieht, dann habt ihr Pech gehabt! Ich mach meine Fresse auf!“ Um auf dieses Bluesding zurückzukommen, das ist da ja genauso. Die Leute da waren auch arm, hatten nichts zu fressen und haben auch ihre Gegend durch ihre Musik stark representet. Ich sage ja auch in meinem Intro "Ich beiße mich fest, damit ihr diese Welt nicht vergesst. Ich fotografier meine Welt in `nem Text. Halt euch das Bild vor’s Gesicht, geb euch Schellen bis ihr’s fresst.“ Die Leute wollen das alles nicht sehen. Das ist ja auch das, was Fard schon gesagt hat: Die Leute wollen nackte Weiber auf Elektrobeats sehen. Party! Alle wollen vergessen wie’s hier aussieht, aber dadurch, dass man es verdrängt, wird es nicht besser. Ich sag weiterhin, wie es hier aussieht, wie es meinen Leuten geht und ich bin stolz darauf, weil es bei uns einfach verdammt noch mal so viele korrekte Leute gibt. In meinem Freundeskreis gibt es so viele gute Menschen, die es einfach verdient haben, representet zu werden. Viel weiter denk ich da jetzt auch nicht. In erster Linie ist es einfach "Da komm ich her, die Probleme haben wir und ich spreche es aus. Fertig.

rap.de: Du hast in einem Juice-Interview mal gesagt, dass Rapper auch ein Lehrberuf ist…

Snaga: Sagen wir mal so, in letzter Zeit ist es nicht mehr so. Ich komm noch aus einer Phase, in der man, bevor man ins Studio gegangen ist um aufzunehmen, erstmal 2-3 Jahre rappen musste. Du musstest dich beweisen, auf die Bühne gehen und die Leute überzeugen. Damals hatte nicht jeder einen PC für 200 Euro und ein 50 Euro-Mikro. Die Leute glauben, sie können jetzt aufnehmen, das irgendwie abmischen und auf Myspace stellen und schon sind sie der nächste Star. So ist die Denke heutzutage und das ist einfach nur scheiße. Früher hast du erstmal bei deinen Kollegen was gemacht und wenn die gesagt haben "Das ist gar nicht mal schlecht, was du machst“ – erst dann hast du dich rausgetraut, um aufzutreten. Wenn du da gut warst, dann hast du vielleicht mal jemanden kennen gelernt, der ein Studio hatte und gesagt hat "Ey, du hast Talent, komm doch mal rum“. Und bis du endlich mal im Studio warst und da hoffentlich nicht verkackt hast, bis dahin sind Monate, wenn nicht Jahre vergangen. In der Zeit hast du deine Fertigkeiten einfach geschliffen. Wie rappe ich, wie find ich den Takt, wie überzeug ich Leute auf der Bühne? Das musste man sich früher alles selber beibringen, vielleicht hatte man noch ein paar Kumpels, die selber rappen und länger dabei sind. Und so hat man sich damals zum Rapper ausgebildet. Heutzutage rappt jeder und nimmt irgendeine Scheiße auf, darunter leidet dann die Qualität. Ich nenne das einfach Inflation. Alles was leicht und massenhaft herzustellen ist, wie zum Beispiel Rapmusik, das verliert seinen Wert. Und das ist  Rap in Deutschland zurzeit nun mal. Wegwerfscheiße ohne Qualität. Macht jeder, keiner kann’s richtig, aber du wirst damit zugeschissen.

rap.de: Also tötet das Internet diese natürliche Auslese?

Snaga: Ach, nicht unbedingt, Gutes setzt sich immer durch. Das Problem ist aber: Wenn jemand wirklich an Rap interessiert ist und erstmal 1000 beschissene Rapper hört, wird der Rap einfach keine Chance mehr geben. Die Gesamtqualität von Rap geht einfach den Bach runter. Alle laden runter, da steckt einfach kein Geld mehr drin. Das sind ja nicht nur die Rapper, die nicht mehr so viel verdienen. Studios können nicht mehr bezahlt werden, du kannst keine Leute mehr bezahlen, die richtig mischen und mastern, die geile Videos drehen, geile Fotos schießen. Dadurch dass Rap so eine Wegwerfscheiße ist, wird die Qualität immer schlechter, ist Inflation, es ist nichts mehr wert. Und wenn du dir die Alben heute mal anhörst, da kannst du jeden fragen, frag Busy, ein Typ der seit 15 Jahren mischt, der ein Genie ist auf  seinem Gebiet. Leg dem ein Album von Heute auf den Tisch und dann eins, das vor 15 Jahren gemischt wurde, mit wahrscheinlich viel schlechteren technischen Mitteln, das alte ist einfach geiler. Aaaaaaaaaaaaaaah. (schreit) Rapmusik! Ich rede viel zuviel über Rapmusik. Wahnsinn, Rap beschäftigt sich wahrscheinlich ein bisschen zuviel mit sich selbst. Man sollte gar nicht über Musik reden, man sollte die Musik sprechen lassen.

rap.de: Okay, dann kommen wir zur Abschlussfrage. Von wem würdet ihr gerne ein Kollabo-Album hören?

Fard: Ich würde gerne Stevie Wonder zusammen mit Frank Sinatra als Kollabo hören. (überlegt) Vielleicht produziert von Dr. Dre. Das wäre ein Superalbum, Co-Producer Eminem. Aber ich glaube, das wird leider nie entstehen.

rap.de: Das kommt dann wahrscheinlich kurz nach "Detox“ raus.

Fard: Genau…Und zwar 2078.

Snaga: Tut mir Leid, ich weiß keins.

rap.de: Irgendwelche abschließenden Worte an unsere Leser?

Fard: Also, liebe Leser. Mit "Talion“ erwartet euch etwas Neues. Lasst euch darauf ein, am 03.04. ist der Releasetermin. Snaga und Fard… sind am Start…und Lisa hat kein Bart! (Müdes Gelächter)

Snaga: Okay, am 03.04 könnt ihr endlich mal wieder gute Musik kaufen, die nicht dumm und trotzdem Straße ist, die etwas zu sagen hat. Und das könnt ihr dann representen!