rap.de: Wieso dauerte es so lange bis was von Optik Russia rauskam, denn der Name existiert ja jetzt schon länger?
Igor: Das eigentliche Projekt hat erst vor 18 Monaten begonnen, obwohl es den Namen Optik Russia schon über zwei Jahre gibt. Ich habe mich halt damals gefragt, ob ich jetzt ein Album machen soll, denn Vitamin B war ja genug vorhanden, oder helfe ich der Szene, obwohl ich da wiederum sagen muss, dass ich gar nicht zu dieser russischen Szene in Russland gehören will. Die wird von Themen wie Junkies und hartes Leben und so was regiert. Richtig harten und versauten Battle-Rap gibt es dort so gut wie gar nicht. Ich rappe zwar selbst nicht über solche Themen, aber auf dem Optik Russia Album gibt es Leute, die so Sachen rappen wie Savas vor einigen Jahren noch, so mit Sperma aus der Nase und so.
rap.de: Aber ich dachte immer, dass Russen total gerne fluchen.
Igor: Ja, aber nicht mit Mutter ficken und so. Es ist wirklich schwer zu erklären, diese russischen Szene. Ich bin anders, auch was das Verständnis für Musik angeht, also will ich nicht dazu gehören. Irgendwann habe ich es dann probiert und Leute angeschrieben und die Jungs, haben sich auch alle gefreut, denn Optik war ja ein Name für jeden.
rap.de: Sind auf dem Album jetzt nur Exil-Russen drauf oder auch Russen aus Russland?
Igor: Kein einziger. Nur Russen aus Westeuropa. Mehr oder weniger deutsche Russen. Man hört ja auch raus, wo der Maßstab liegt. Wenn du jetzt die Jungs mit denen aus Russland vergleichst, dann hörst du die Unterschiede sofort raus.
rap.de: Du hast eben erzählt wovon die Rapper aus Russland rappen, aber wovon rappst du denn?
Igor: In letzter Zeit mache ich so düstere bis sozial-kritische Sachen, aber nicht allgemein sondern nur was mich angeht. Was ich halt so von der Gesellschaft erwarte. Ein bisschen Battle-Rap. Straßenrap ohne Gangsterism.
rap.de: Was erwartest du denn von der Gesellschaft?
Igor: Dass sie mal klarkommt. Wir haben unendlich viele Zugänge zu Informationen, wer kann, soll sich informieren. Früher ging das nicht, da musste man glauben, was man erzählt bekam. Wir leben in einer Welt, die uns mehr Möglichkeiten denn je beschert, jeder kann sich informieren, man muss sich nicht verarschen lassen und das gilt nicht nur für andere Länder sondern auch für Deutschland, denn bei aller Liebe, gibt es hier auch genügend Dinge, die nicht klargehen.
rap.de: Was denn?
Igor: Die Aufteilung in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zum Beispiel. Eine Seite lebt von Hartz IV, die andere schmeißt das Geld zum Fenster raus. Meine Gedanken sind grad nicht geordnet, deshalb kommt das jetzt alles ein bisschen wirr, aber mich regt Hartz IV unglaublich auf. Ich hab auch ab und zu mal Hartz IV bekommen, aber Leute, die Hartz IV eiskalt durchziehen, die sind echt krass. Ich habe Kollegen, die chillen den ganzen Tag und haben am Ende des Monats etwas weniger Geld als ich. Ist doch klar, dass manch einer sich dann fragt, bin ich behindert? Wozu sitze ich denn 180 Stunden im Monat im Büro?
Andere Sache. Es hört sich jetzt rassistisch an, aber jeder der keinen deutschen Pass hat, aber Hartz IV kriegt, soll ab nach Hause. Was machen diese Leute noch hier? Jeder, der sich nicht anpassen kann, jeder der irgendwas politisch oder religiös extremistisches betreibt, soll das in seinem eigenen Land machen. Was haben die hier verloren?
rap.de: Wäre es etwas ungemütlich für dich und einige deiner Kollegen geworden, wenn früher solche Gesetze gegolten hätten?
Igor: Ja. Aber jetzt bin ich älter.
rap.de: Die Toleranz dieser Gesellschaft hat dich also aufgefangen.
Igor: Klar, und ich sage es trotzdem ganz bewusst. Ich habe auf der anderen Seite aber auch nie etwas ganz Schlimmes gemacht, bei dem ich verstanden hätte, dass sie mich ausweisen. Es ist halt auch die Natur des Menschen, dass er faul ist und es sich bequem macht. Natürlich gibt es auch Menschen, die ehrgeizig sind und finden, dass sie ohne Job kein Teil des Ganzen sind, aber Hartz IV unterstützt keinen Ehrgeiz!
rap.de: Aber vielleicht ist der Mensch von Natur aus kreativ und wird teilweise nur daran gehindert, dass alles auszuleben.
Igor: Ja, ich würde auch sehr gerne nur zu hause sitzen, daliegen und kreativ sein. Mein Album in einem Monat produzieren, statt in 18 weil ich die Zeit dann habe, aber ich brauche doch Prioritäten in meinem Leben.
rap.de: Na gut, das gilt dann für dich, aber du kannst doch anderen Menschen nicht vorschreiben, wie sie ihr Leben leben sollen.
Igor: Vorschreiben kann ich ihnen sowieso nichts, aber ich kann ihnen sagen, was richtig und was falsch ist. Wenn ich als arbeitsfähiger Mensch zu hause sitze und mir denke, ich chille und kriege das gleiche Geld, dann kann ich das vielleicht nachvollziehen, aber es ist deshalb noch lange nicht richtig. Ich kann das nicht. Ich muss vorankommen.
rap.de: Da bist du anderen voraus. Ich sage nur, die Toleranz der Gesellschaft ist keine Schwäche, sondern eine Stärke und du, so wie viele deiner Kollegen, haben zu einem bestimmten Zeitpunkt davon profitiert und ihr habt die Kurve gekriegt. Da ist es gut, dass wir keine radikale Politik haben. Ich halte nichts von dieser Ab-Nach-Hause-Mentalität. Da möchte ich mich mal für Deutschland stark machen.
Igor: Ich bin kein Deutscher und gerade deshalb regt es mich unglaublich auf, wenn ich Leute höre mit ihrem "Deutschland ist so scheiße“- Gelaber. Das sind für mich alles Spasten. Ich weiß, dass die Generation meiner Mutter, sich den Arsch aufgerissen hat, um nach Deutschland zu kommen, um der nächsten Generation, sprich uns, ein besseres Leben zu ermöglichen. Wer sich dann dahin stellt und sagt alles ist scheiße, der hat keinen Respekt vor seinen Eltern, die Gefahren und Risiken auf sich genommen haben, um hierher zu kommen.