D-Flame

Ein nur spärlich beleuchtetes Zimmer in einem Hotel, irgendwo an der namentstechnisch leicht verschwimmenden und je nach Anlass unterschiedlich betitelten Region Berlins, wo Mitte eigentlich schon aufgehört hat und der Stadtteil Wedding anfängt. Wir treffen uns mit D-Flame, dem sympathischen Mann mit der charakteristischen Stimme, der in seinem aktuellen Video "Solution" beinahe hellseherische Fähigkeiten bewiesen hat, als er Barack Obama noch vor dessen tatsächlicher Wahl zum neuen Präsidenten der USA als Weg aus der amerikanischen Krise präsentierte. Genau das war dann auch Thema in unserem Gespräch, des Weiteren äußerte sich der Frankfurter zum Erscheinungsdatum des nächsten Tone-Albums, Rassismus bei den Brothers Keepers und liefert zudem noch eine der schönsten Liebeserklärungen an Hip Hop ab, die wir seit langem gehört haben.

rap.de: Dein aktuelles Album heißt "Stress“. Was stresst dich denn?

D-Flame: Der Titel von dem Album ist nicht unbedingt so, weil mich irgendetwas stresst. Eigentlich eher das Gegenteil, Musik ist für mich eine der besten Möglichkeiten, Stress zu bewältigen. Wenn ich Stress habe, schmeiße ich meistens eine CD ein, die vielleicht genau zu der Stimmung passt, und dann gibt’s oft in der Musik Lösungsvorschläge. Ich hatte einen Song namens "Zu Viel Stress“ und ich wollte generell, dass man bei den Liedtiteln nicht sofort merkt, worum es geht. Man soll immer erstmal reinhören und deshalb habe ich das Ding eigentlich "Stress“ genannt.

rap.de: Musiker ist ein sehr stressiger Job, oder?

D-Flame: Sagen wir es mal so: Wenn es nicht stressig ist, dann ist es nur ein Hobby, aber wenn du wirklich Musiker bist und immer wieder versuchst in diesem Business Anschlüsse zu finden, dann ist es auf jeden Fall stressig. Vor allen Dingen im Bereich Beziehung. Man braucht auf jeden Fall einen Partner, der da sehr viel Verständnis hat. Du hast sehr wenig Zeit und die "Hauptfrau“ ist halt Musik.

rap.de: Glaubst du, dass der Beruf des Musikers vom Arbeitsaufwand her unterschätzt wird? Vor allem auch von Teilnehmern bei Castingshows.

D-Flame: Auf jeden Fall und das nicht nur von Leuten bei "Popstars“, sondern auch bei denen, die neu ins Rapgame kommen. Die glauben gleich, es gibt Bling Bling und Groupies. Alle Leute, die in diesem Business sind, können bestätigen, dass das harte Arbeit ist und man eben nicht mal nur locker im Studio rumhängt oder ein bisschen cool auf der Bühne ist. Die ganzen Gescheiterten bei "Popstars“ können dir sicherlich auch bestätigen, dass es noch stressiger ist, wenn man mal seine 15 Minuten Ruhm hatte und dann nichts mehr. Die sind wahrscheinlich richtig gestresst.

rap.de: Machen Ruhm und Medienaufmerksamkeit süchtig?

D-Flame: Das kann schon süchtig machen, es kommt darauf an, wie man damit umgeht. Ich habe von meiner Seite aus sehr schnell gelernt, dass Ruhm nicht wichtig ist, ich bin aber auch in einer ganz anderen Zeit zu Hip Hop gekommen. Mir wurde Hip Hop in der Bronx präsentiert: Jugendliche ohne Geld, die schwarz irgendwelche Züge besprühen und da gab es kein Bling Bling und keine Groupies. Dieses ganze Zeug, was jetzt erst dazu gekommen ist.

rap.de: Vermisst du diese Zeit?

D-Flame: Viele sagen jetzt "Ah, du Hängengebliebener“, aber manchmal vermisse ich sie schon. Das war auch einfach eine wunderschöne Zeit. Hip Hop war damals eine Frau, in die du dich verliebt hattest und bei der du dich noch nicht mal getraut hast, ihr an die Brust zu fassen. Der hast du jeden Tag eine Rose an die Tür gebracht und hast von ihr geschwärmt und hattest ein Kribbeln im Bauch, wenn du an sie gedacht hast. Heutzutage ist Hip Hop leider fast nur noch eine Bitch. Aber ich werde sie immer als diese Frau sehen, auch wenn sie von vielen als eine Bitch gesehen wird.

rap.de: Wie könnte man versuchen, diesen Jam-Charakter wieder ein bisschen mehr zurück zu bringen? Da gibt es ja vereinzelte Versuche.

D-Flame: Ich glaube generell, dass dieses "zurück bringen“ ein natürlicher Prozess sein sollte. Alles dreht sich in Kreisen und irgendwann wirst du an einer Stelle sein, wo du dir sagst "Krass, hier war ich vor zehn Jahren schon mal. Wer hätte gedacht, dass ich hier wieder bin“ oder verschiedene Situationen, egal ob bei einer Beziehung oder der Arbeit, die einfach wiederkommen. Ich glaube, dass das auch bei der Musik so ist und gerade im Hip Hop gibt es ja immer wieder Höhen. Ich höre Hip Hop seit 27, 28 Jahren und habe immer wieder viele Höhenkurven gesehen, deshalb sollte man einfach so weitermachen wie bisher. Es gibt ja jetzt auch wieder viele Freestyle-Battles, deutsche Meisterschaften im Beatboxing und viele Jams fangen jetzt auch wieder an, Graffiti-Sprüher einzuladen. Da sollte man einfach weitermachen und nicht aufhören, das ist ganz wichtig. Dann wird sich das in einem natürlichen Prozess auch wieder zurück bewegen, dass die Leute eben wieder mehr Wert darauf legen, dass in einem Text ein bisschen mehr Aussage ist und dass der gesamte Style einfach wieder mehr nach vorne kommt.

rap.de: Aber wird dann nicht auch eine Art Abspaltung in der Hip Hop Szene stattfinden? Auf der einen Seite die, die mehr in Richtung Popmusik gehen, sich dann da auch anpassen müssen und für die es eben schwieriger wird, vor 200 Leuten in einem kleinen Club zu spielen. Und auf der anderen Seite dann die, die die anderen Elemente von Hip Hop mit einbeziehen und sagen "Ok, für die gute Sache trete ich jetzt auch mal in der Location auf, wo vielleicht nur hundert Leute reinpassen.

D-Flame: Ich glaube schon, dass da eine Art Abspaltung passieren wird, aber das wird dann eben auch nur hier passieren. In Amerika ist das nicht so. Ein 50 Cent, der Multimillionär ist, kann noch jederzeit auf die Bühne gehen und einen Freestyle kicken. Der kommt auch einfach aus dieser Schule. Wenn diese Abspaltung hier passiert, dann trennt sich meiner Meinung nach einfach die Spreu vom Weizen. Da sieht man dann einfach, wer auch den längeren Atem hat. Generell glaube ich aber schon, dass das passiert und es muss auch passieren. Du kannst nicht eine Sache annehmen und dann die Wurzeln total verachten. Du kannst für dich sagen, dass du kein Breakdancer oder kein Freestyler bist, aber du bist ein Teil von etwas Großem. Wenn du aber versuchst, dich von diesem Großen noch abzugrenzen, wird es bestimmt auch nur eine kurze Zeit geben, in der du ein Popstar sein darfst.

rap.de: Gibt es zu viele Leute in der deutschen Hip Hop Kultur, die eigentlich gar nicht Hip Hop sind?

D-Flame: Was mich schon früher bei zum Beispiel Wordcup genervt hat, war, dass dir die Leute immer vorgeschrieben haben, was Hip Hop ist und was nicht. Wir haben früher in einem sozialen Brennpunkt in Frankfurt gewohnt und da hieß es "So lange du nicht Graffiti sprühst und kein Breakdance machst, bist du nicht Hip Hop“ oder "Wenn du nicht Oldschool bist, bist du kein Hip Hop.“ Ich finde, dass auch die Leute, die von sich selbst behaupten kein Hip Hop zu sein, Hip Hop sind. Hip Hop ist ein großer Jugendclub und da sollten alle reinkommen können. Kanacken, Deutsche, Freestyler, Leute, die Straßenrap machen… So bald du anfängst, Sprechgesang auf einen Beat zu machen, bist du für mich Hip Hop. Die Leute, die dann immer sagen "Das ist nicht Hip Hop“, sind meistens kein Hip Hop. Hip Hop ist eigentlich etwas sehr freies und sollte nicht so viele Grenzen haben. Es sollte kein goldenes Regelbuch geben, in dem steht, was Hip Hop ist und was nicht. Das wäre mir dann ein bisschen zu Deutsch.

rap.de: Wie würdest du die Frankfurter Hip Hop Szene beschreiben?

D-Flame: Geil. (lacht) Auf jeden Fall prägend für die gesamte Szene. Man darf nicht vergessen, dass wir eine der ersten waren, da war in Berlin und Hamburg noch gar nicht daran zu denken. Ich bin sehr froh, in Frankfurt groß geworden zu sein, dadurch dass wir eben diese amerikanische Stationierung hatten und sich deutsche und türkische Jugendliche früh zusammen getan haben mit denen aus Amerika, die eben auch aus der Bronx oder New York kamen. Da war dann eben bei uns auch gleich die Grundessenz da und du konntest das, was du bei "Wildstyle“ gesehen hattest, ein halbes, dreiviertel Jahr später bei uns auf der B-Ebene sehen. Wir sind ja jetzt alle auch schon fast 20 Jahre am Start und es ist einfach geil zu sehen, was daraus entstanden ist oder was immer noch entsteht.

rap.de: Glaubst du, Frankfurt hat auf die Szene immer noch einen ähnlich starken Einfluss wie früher oder wurde man da vielleicht ein bisschen von Berlin abgelöst?

D-Flame: Ich glaube, Frankfurt wurde generell immer so ein bisschen beiseite gelassen, obwohl es immer einen sehr großen Einfluss auf die Gesamtszene hatte. Da waren immer Hamburg, dann Stuttgart, jetzt ist es Berlin, aber Frankfurt wurde immer außen vor gelassen. Die Zeit von Frankfurt kommt erst noch! (lacht)

rap.de: Mit dir an der Spitze?

D-Flame: Nein, nicht nur mit mir. Azad ist Frankfurter, Jonesmann ist Frankfurter, wir drei haben alle eigene Labels, und dann gibt es noch einen Tone. Wenn du heute mal einen Curse fragst, einen Azad fragst, mich fragst: Tone hat sehr viele inspiriert, überhaupt mit dem Rappen auf Deutsch anzufangen. Wir haben auf jeden Fall sehr viele Talente bei uns und coole Labels, deswegen sind wir eigentlich alle die Speerspitze. Bei uns ist das glaube ich auch so ein Umdenken, weil wir alle reifer und erwachsener geworden sind. No one stands alone und keiner ist ein Island, keiner ist eine Insel. Gemeinsam sind wir stärker! (lacht)

rap.de: Wollte Tone nicht eigentlich auch mal wieder ein Album raus bringen?

D-Flame: Erstens versucht man natürlich, wenn man ein Album raus bringt, immer das erste damit zu toppen. Zweitens ist die Studiosituation bei uns in Frankfurt nicht so einfach. Tone musste auch erst mal gucken, mit wem er als Produzent zusammenarbeitet und in was für einem Studio er aufnimmt. Wir hoffen alle, dass das noch dieses Jahr passiert, aber spätestens im nächsten Frühjahr wird sein nächstes Album "Phantom“ auf jeden Fall kommen.

rap.de: Du sagtest, ihr seid alle eine Einheit in Frankfurt, aber ich glaube, es gab Spannungen zwischen dir und Blaze, den du damals wohl nach Frankfurt geholt hattest.

D-Flame: Nee, eigentlich nicht wirklich. Man hat sich halt in beiderseitigem Einvernehmen getrennt. Bei jungen Künstlern ist es so, dass man ihnen erst einmal jede Menge Tipps geben kann, aber wenn er sich eben in eine andere Richtung entwickelt, dann sagt man halt "Probier es erst mal alleine, sammel deine Erfahrungen“. Wirkliche Spannungen im Sinne von Hass oder so gibt es da keine. Ich sehe die Beziehung zu Blaze wie ein brüderliches Verhältnis und wünsche ihm auf jeden Fall viel Erfolg, aber irgendwann muss man als großer Bruder halt mal loslassen. Wenn man immer sagt "Mach dies nicht, mach das nicht“ und er nicht hört, dann muss er den kleinen Bruder seine Erfahrungen alleine machen lassen, wovon wiederum der Große dann vielleicht später lernen kann.

rap.de: …und wenn er dann wieder kommt, sagt man "Ich habs dir doch gesagt“?

D-Flame: Nee, so bin ich nicht, damit würde ich nicht so wohl fühlen. Ich bin auch nicht so drauf, dass ich das dann sagen würde. Ich denke von seiner Seite wäre es dann auch nicht so.

rap.de: Von deiner anderen Einheit, den Brothers Keepers, hat man in letzter Zeit auch nicht mehr viel gehört, oder?

D-Flame: Ja, die Brothers Keepers sind eben nicht mehr nur ein musikalisches Projekt, sondern auch ein Verein und es sind leider nicht viele Leute übrig geblieben, die gesagt haben "Wir kümmern uns um diese Vereinsarbeit“. Ich glaube auch, viele haben bei dem Musikding mitgemacht, um ihr Image aufzubessern oder dachten "Oh, ich bin schwarz, da muss ich auch ein Teil von sein“, aber die waren dann nicht mit dem Herzen dabei, sondern nur performermäßig. Das hast du ja auch beim zweiten Release gesehen, wie die Energie dahinter auf einmal zurückgegangen ist. Das fand ich echt schade, dass jetzt, wo kein Schwarzer umgebracht worden ist, auf einmal die Energie fehlt.

rap.de: Das ist jetzt natürlich eine sehr kontroverse Aussage…

D-Flame: Wieso kontrovers?

rap.de: Das klingt, als müsste erst irgendwas passieren, damit das Projekt wieder an Stärke gewinnt.

D-Flame: Genau das meine ich ja und das finde ich schade. Das Ding ist, als ein Schwarzer in Deutschland umgebracht wurde, waren alle am Start und haben die Fahne hochgehalten und jetzt, wo vielleicht immer noch Dinge passieren, diese aber in den Medien nicht mehr so breitgetreten werden und kein Todesopfer dabei ist, muss man auf einmal nichts mehr machen. Man hat das auch bei der Entwicklung vom ersten zum zweiten Album gesehen. Beim zweiten Release ist dann irgendwie die Luft raus gewesen, keiner wollte mehr so richtig die Fahne hochhalten und wir wurden von ein paar sehr ignoranten Menschen als Rassisten bezeichnet, obwohl 98 Prozent von uns weiße Mütter haben, wo man dann einfach sagen muss, dass das Schwachsinn ist. Wo meine Mutter sagt: "Ihr müsst dieses Projekt machen. Es hätte dein Vater sein können, der da umgebracht wurde, oder du hättest es sein können und deine Kinder hätten an deinem Grab stehen müssen.“ Ich habe dann irgendwann einfach gemerkt, dass viele da einfach nur mitgemacht haben, um ihre Weste weiß zu halten, aber es kam nicht wirklich vom Herzen. Denn wenn es wirklich von Herzen gewesen wäre, dann wär beim zweiten Album dann noch mehr Energie dahinter gewesen, einfach um ein Zeichen zu setzen, damit so etwas einfach nicht noch einmal passiert. Aber da haben sich dann alle auf einmal davon abgewendet und ihre eigenen Projekte als wichtiger erachtet. Das fand ich schade, aber schlussendlich haben dann auch viele von uns gesagt "Wir kümmern uns wenigstens um den Verein oder machen einen Film und versuchen damit, die Brothers Keepers am Leben zu halten“. Auch aktiv und nicht nur mit irgendwelchen Spenden, die du musikalisch sammelst und an andere weitergibst, sondern etwas für den Verein direkt tun. Man kann bei dem Verein auch anrufen und direkt mit den Leuten sprechen, wenn man ein Problem hat. Man kann auch vorbeikommen. Es gibt da wirklich Leute, die Ahnung von der Sache haben, egal ob es um Asylbewerberrecht oder was auch immer geht.

rap.de: Da deckt sich deine Aussage aber auch sehr mit der von B-Tight, der uns im Interview sagte, dass er glaubt, viele haben da mitgemacht, um sich selbst bekannter zu machen und etwas von der Medienaufmerksamkeit abgreifen zu können.

D-Flame: Generell zum Thema B-Tight und Brothers Keepers muss ich sagen, dass er sich als so genannter "Neger“ in Deutschland am besten erst mal selbst finden sollte, bevor er irgendwas über Brothers Keepers sagt. Ich weiß nicht, was das soll und ich glaube er weiß es selber nicht, dass er meint, sich als Schwarzer zwischen Weißen die ganze Zeit Neger nennen zu müssen, wofür sich meine Kinder schämen würden.
 
rap.de: Er meinte auch, ihr hättet bei Harris für das Projekt angefragt. Der hatte ein paar arabische Freunde, die auch gerne mitwirken wollten, was aber abgelehnt wurde aufgrund der Tatsache, dass sie nicht schwarz sind.

D-Flame: Genau.

rap.de: Ist das nicht auch eine Form von Rassismus?

D-Flame: Nein, eben nicht. Das erste Projekt war für Adriano. Das war ein schwarzer Afrikaner, der eine weiße Frau hatte und der wurde hier ermordet, okay? Ich habe arabische Brüder, türkische Brüder, jugoslawische Brüder, italienische Brüder. Das können die nicht so nachvollziehen, wie jemand der selbst in dieser Situation ist oder ein schwarzer Deutscher ist. Genau wenig könnte ich es in diesem Maße nachvollziehen, wenn ein arabischer Bruder umgebracht wird. Mich würde es natürlich auch genauso abfucken, aber diese anderen Leute haben noch einmal einen ganz anderen Bezug dazu. Ob das jetzt ein Türke ist, ein Araber, ein Italiener oder ein Spanier. Früher, als es spanische Nächte bei uns im Jugendhaus gab, durfte keiner rein, der kein Spanier war. Das war für mich okay, weißt du? Damals bei der Jazzkantine oder bei den Fantastischen Vier hat sich auch keiner beschwert, weil da kein Schwarzer drin ist. Damals war es für uns einfach wichtig, dass wir als schwarze Deutsche ein Statement abgeben und unseren Standpunkt klarmachen. Beim zweiten Projekt hat man gesehen, dass dann auch andere dabei waren. Ich bin von den Asiatic Warriors, da waren auch Türken dabei. Gerade die haben gesagt "Mach da mit, scheiß auf andere, die irgendwelche Scheiße labern.“ Diesen Hintergrund haben wenige Leute kapiert, ein paar schwarze Deutsche haben es halt auch falsch verstanden und meinten "Ich habe doch aber auch ein paar arabische Homies, die auch mitmachen wollen.“ Aber es ging in dem Moment eben nicht darum, seine Homies mitzunehmen, sondern darum, ein Statement als schwarze Deutsche abzugeben und das ist der Punkt.

rap.de: Aber wäre es nicht für das Gemeinschaftsgefühl auch viel besser, wenn man sagt "Wir sprechen uns allgemein gegen Rassismus aus, wir bilden nicht diese Grüppchen, die ja immer existieren“? Auch um diese "Rassengrenzen“ zu überwinden, wäre es da nicht gut, ein allgemeines Projekt in Gang zu setzen?

D-Flame: Generell kann das jeder machen, wenn er Bock drauf hat. Brothers Keepers ist ja wie gesagt auch ein allgemeines Projekt. Beim ersten Mal war es halt wichtig, dass man sich als ein Grüppchen bildet und sagt: "Wir als schwarze Deutsche geben ein Statement zu dieser Sache ab.“ Es ist für uns auch wichtig gewesen und ich glaube das wäre in diesem Moment, in dieser Lage, in der wir uns gerade befanden, wäre das ansonsten verwässert gewesen. Und generell ist es immer einfacher für Leute, die nicht in der Minderheit leben, zu sagen, dass es doch viel einfacher ist, wenn wir uns alle zusammentun. Auch wenn ich viele türkische und arabische Brüder hab, kenne ich genug Araber, die Schwarze hassen. Wenn du in ein Asylantenheim gehst, siehst du selbst dort, dass sich Gruppen bilden. Das ist wie eine Hierarchie und unten sind komischerweise immer die Afrikaner. Wir wollten damals die Menschen in dem Moment einfach den Mut geben, die den Mut gebraucht haben. Es gibt eben genauso auch eine große türkische Community, eine arabische Community. Am allerbesten ist sowieso das, was ich jetzt bei den amerikanischen Wahlen gesehen habe, wo einfach alle zusammen für eine Sache einstehen, nämlich für eine bessere Welt. Ganz ehrlich, ich gehe nach dem One Blood-Gedanken, deswegen muss man bei mir auch nicht so auf der Frage rumbohren, ob wir uns alle zusammentun müssen. Ich bin einer, der sagt, dass wir uns alle zusammentun müssen, aber man muss bestimmte Statements auch mal einfach so stehen lassen, damit sie Wirkung haben und wie man sieht hat "Adriano“ eine Wirkung gehabt.

rap.de: Das sollte jetzt auch kein Vorwurf sein, ich wollte einfach da noch mal nachhaken.

D-Flame: Ja klar, ich versteh das. Aber auch das B-Tight-Ding generell, da kann man sich ja stundenlang drüber unterhalten, aber die Leute können ja dann selber entscheiden, ob sie lieber jemanden haben wollen, der sagt, dass er stolz auf das ist, was er ist, ohne Leute auszugrenzen, oder jemanden, der das, was er ist, lächerlich macht. Das kann jeder für sich selber entscheiden und ein Urteil darüber fällen, was er cool findet und was nicht. Aber dass Leute, die noch keinen Anschluss gefunden haben oder sich selbst noch nicht einmal gefunden haben, Sachen schlecht reden, das finde ich nicht gut. Ich habe Harris’ Entscheidung respektiert, aber das ist sieben oder acht Jahre her und ich habe in der Zwischenzeit mit ihm darüber geredet und im Nachhinein hat er das auch verstanden. Auch wenn er dann für sich entschieden hatte, nicht dabei sein zu wollen, hat er den Standpunkt verstanden, dass wir ein solches Statement machen wollten.

rap.de: Kommen wir zurück zu deinem Album. Es gibt zwei Videos von dir und Scola von Dru Hill, die aber thematisch sehr unterschiedlich sind. Wie kam es dazu, dass man da zwei so  starke Extreme gewählt hat?

D-Flame: Wir haben die Songs im Studio ausgewählt. Bei "It’s On“ hat Scola der Beat gleich gefallen, da hat er direkt darauf gesungen und wir haben das fertig gemacht. Dann war ja zu dieser Zeit der Irakkrieg, und Bush hat mich angekotzt, kann ich ja jetzt sagen, ne? Wichser, Arschloch, tschüüüss! (lacht) Wir hatten uns dann einen ganzen Abend lang über die Lage damals unterhalten, er hat mir von seinen Freunden erzählt, die im Irakkrieg sind und wir haben uns beide einfach nur gefragt, für was das alles gut sein soll. Und dann hat man gerade in Ami-Land natürlich Leute, die in irgendwelchen Gangs waren, das toll fanden und dann abgeschossen wurden, die man dann natürlich auch vermisst. Ich meinte dann am nächsten Tag: "Lass uns doch noch einen Song über das machen, worüber wir uns gestern Abend unterhalten haben“ und er gleich "Stimmt, ist ne geile Idee!“ Wir kamen dann auch schnell auf dieses "What are we fighting for?“ Dann haben wir an einem Tag zwei Songs eingesungen. Dass wir zwei Videos gemacht haben, kam durch ein paar Kollegen von mir zustande, die auch Partys veranstalten. Die haben mich angerufen und erzählt, dass Scola nach Deutschland kommt. Ich habe mir dann ein paar Videoleute klargemacht und gedacht: "Lass uns doch gleich zwei Dinger machen.“ Ein Vorabvideo eben und das andere ein bisschen "auf die Fresse“-mäßig.

rap.de: Was sollte sich denn deiner Meinung nach konkret ändern. In solchen Songs bleibt das ja meistens recht oberflächlich. Was konkret wären Lösungsansätze?

D-Flame: Mein Lösungsansatz ist zum Beispiel eben, dass man weniger Geld in die Waffenindustrie steckt und das Geld einfach gerechter verteilt wird. Ich habe auch vor drei Jahren oder so von einer Marssonde gehört, die ins All geschossen wurde, auf dem Mars gelandet ist und direkt kaputt gegangen ist und da waren ungefähr 25 Millionen US-Dollar weg. Für was? Keine Ahnung, ob wir auf dem Mars leben sollten oder so, aber man sieht halt, wie ungerecht das Geld verteilt wird. Du kannst zum Beispiel für 20.000 Euro ein afrikanisches Dorf ein ganzes Jahr ernähren, kannst die Infrastruktur ein bisschen aufbauen, Samen bereitzustellen, Felder kultivieren und Sachen anzubauen. Auf der anderen Seite werden 300 Milliarden Dollar für Waffen, Krieg und sonstiges Zeug ausgegeben. Oder wir in Deutschland leben im Überfluss und woanders hungern die Menschen. Man könnte doch einfach mal versuchen, es gerechter aufzuteilen. Mein Vorschlag wäre, das Geld einfach mal da hin zu stecken, wo es gerade fehlt, statt in die neueste Missile-Rakete. Ich sitze da nicht am Hebel, ich kann nur durch die Musik meinen Unmut darüber zum Ausdruck bringen und sagen, wie ätzend das alles gerade aufgeteilt ist. Die Grundlösung kann ich nicht benennen, deswegen haben wir auch ganz bewusst gesagt: "WHAT ist the solution?“ Wir wissen es auch nicht hundertprozentig, aber zeigen eben, wie ungerecht die Verteilung ist. Könnte das nicht ein Teil der Lösung sein, das zu beheben? Genau deshalb habe ich ein Bild von Obama in das Video rein gehauen, zwei Wochen bevor er überhaupt gewählt worden ist. Da hat auch der Cutter dann gefragt, was ist, wenn er nicht gewinnt. Dann hätte ich allen gesagt, dass es für mich Teil der Lösung gewesen wäre, egal ob er gewonnen hat oder nicht.

rap.de: Mit Obama wird alles besser und anders?

D-Flame: Ich weiß nicht, ob alles besser wird, aber ein kleiner Teil wird auf jeden Fall besser werden, da bin ich fest von überzeugt. Alleine schon das Denken von den Menschen. Auf der ganzen Welt hat Klick gemacht, alleine schon die Berichterstattung im deutschen Fernsehen, die eigentlich politisch korrekt sein sollte und in der dann erstmal gesagt wird: "Schade, dass seine Großmutter nicht dabei sein kann, seine weiße Großmutter, von der er so viel gelernt hat. Komisch, er redet gar nicht wie ein Schwarzer, er benimmt sich nicht so.“ Da frage ich mich doch, wie benimmt sich denn ein Schwarzer? "Ugah, ugah“ und so? Oder "Yo, Yo, ich schieß dich ab, Bling Bling Bitches"?

rap.de: Gegen das österreichische Fernsehen wurde Klage eingereicht, weil ein Moderator irgendwas deutlich Rassistisches gesagt haben soll.

D-Flame: Das Ding ist halt, dass viele Leute mit diesem subtilen Rassismus groß geworden sind und viele kapieren gar nicht, dass sie gerade jemanden rassistisch behandeln oder behandelt werden. Jetzt wollen alle wieder politisch korrekt sein, kein Hahn hätte danach gekräht, wenn Berlusconi seine Aussage vor zwei Jahren gemacht hätte. Da hätten alle noch gesagt: "Haha, guter Witz.“ Aber im Moment ist der mächtigste Mann der Welt schwarz und dann wird natürlich nach politischer Korrektheit gesucht. Aber das meine ich. Immerhin wird der Österreicher inzwischen angeklagt und die Leute überlegen: "Stimmt, ich darf meinen Kollegen gar nicht Schoko oder Neger nennen, der ist ein Mensch wie ich.“ Das ist wichtig für mich und für mich ist schön, dass ich ein Teil dieser Geschichte bin.

rap.de: Hat dich der Obama Hype in Deutschland eigentlich überrascht?

D-Flame: Nee, die ganze Welt hat nach Amerika geguckt und gedacht: "Kann dieser Wichser endlich weg von seinem Stuhl? Der macht die ganze Welt kaputt." Die Deutschen haben doch auch gesehen, dass ihre Truppen jetzt nicht in Afghanistan sein müssten, wenn der Bush nicht scheiße gebaut hätte. Der grundböse Typ war doch Osama, den haben sie nicht gefunden, sondern nur Saddam Hussein und sie haben auch keine chemischen Waffen gefunden. Da hat die Welt doch gesehen: Das war alles eine Lüge. Dann gibt es viele Leute die auch mal was von Michael Moore gehört haben und verstanden haben, dass das alles Dreck ist. Deswegen haben sich alle so gefreut, dass Bush jetzt weg ist und deswegen haben sich alle so über Obama gefreut.

rap.de: Eine Wahnsinnsinszenierung dieser Wahlkampf. Hier trugen alle Obama Shirts, aber wenn Bundestagswahl ist, geht wieder keiner hin.

D-Flame: Na gut, aber im Bundestag sieht man ja auch, wer da zu wählen ist. Auf der einen Seite ist es ein Hype und viele springen natürlich mit auf diesen Hype Zug auf, auf der anderen Seite fangen viele tatsächlich an jetzt umzudenken. Obama for President.

rap.de: Jetzt wo Obama der erste schwarze Präsident der USA ist, wärst du gerne der erste schwarze Bundeskanzler?

D-Flame: Auf gar keinen Fall, das ist überhaupt nicht mein Ding. Ich enthalte mich bei Politik und so, es reicht mir, wenn ich einen politischen Text mache und einsinge und ich mir tagelang Gedanken drüber machen muss. Nein, ich hätte nicht gerne diese Last, deutscher Kanzler zu sein. Ich glaube auch nicht, dass ich der Richtige dafür wäre.

rap.de: Abschließende Worte an alle jungen Wähler da draußen?

D-Flame: Wenn sich irgendwas ändern soll, dann geht wählen und dann wählt die Leute, von denen ihr denkt, dass sie eine Veränderung bringen. Aber nicht die ganze Zeit da sitzen, sich über das Land beschweren und dann wählen dürfen, aber nicht wählen gehen, weil es ja Sonntag Vormittag ist und man hat keinen Bock aus dem Bett zu gehen. Wenn ihr etwas ändern wollt, dann könnt ihr das mit eurer Stimme tun. Also wählt mich: D-Flame! (lacht)