Hip Hop Open

Vor acht Jahren erblickte im sonnigen Baden-Württemberg ein kleines aber feines Festival das Licht der Welt. Jetzt schreiben wir das Jahr 2008 und die Hip Hop Open haben sich neben dem Splash als DER Open Air-Pflichttermin in Deutschland etabliert. Grund genug also, mal mit den Organisatoren des Ganzen zu sprechen: Schowi und Strachi, der uns per Telefon zugeschaltet wurde. Dabei heraus kamen interessante Geschichten über abstruse Festnahmen, ein Augenzeugenbericht der Schlägerei zwischen Azad und Sido und wie das damals eigentlich alles anfing mit den Hip Hop Open.

rap.de: Im Jahr 2000 die ersten Hip Hop Open – wie ist das damals mit dem Festival überhaupt zustande gekommen?

Strachi: Wir wurden in dem Fall komischerweise von der Stadt angesprochen. Die wollten am Stuttgarter Schlossplatz so ein Festival machen. Für umsonst und draußen. Dann haben die sich mit uns, Four Artists und Four Music zusammengesetzt und dabei kam halt heraus, dass da auch noch der SWR dabei sein sollte. Dann haben wir uns mit denen auch getroffen und festgestellt, dass uns das viel zu blöd ist, weil wir nicht irgendwelche Typen dabei haben wollten, die von Hip Hop gar keine Ahnung haben und uns dann da reinlabern und wir haben das ganze Ding dann abgeblasen. Dann haben wir aber irgendwann festgestellt, dass das eigentlich schade ist, weil es schön wäre, so ein Festival in Stuttgart zu haben. Kurzfristig haben wir uns dann entschieden, das trotzdem zu machen. Das war maximal drei Monate vor dem eigentlichen Event. Und dann war das auch noch ein Riesenerfolg, obwohl das alles so kurzfristig organisiert wurde. Das war dann praktisch die Geburtsstunde vom ersten Hip Hop Open.

rap.de: Du hattest den Erfolg ja eben angesprochen, das war direkt ausverkauft. Wie habt ihr euch das erklärt?

Strachi: Damals war das echt krass.

Schowi: Wir haben uns das so erklärt, dass die Acts die da gespielt haben gerade so hot waren und gerade deutscher Hip Hop war auf einem ziemlichen Höhepunkt in diesem Jahr… Da haben die Beginner gespielt, Freundeskreis, die Massiven und noch ein paar Andere und da war anderthalb Wochen vorher ausverkauft. Und dann hat uns die Stadt in der letzten Sekunde bei den Tickets noch die Kapazität runtergesetzt hat.

Strachi: Das war ja wirklich so, dass wir irgendwann an die tausend Tickets am Tag verkauft haben und dann bei 15.000 dicht machen mussten. Bei der Location gab es nämlich so ein paar Schlaglöcher und wie es halt so ist, wurde da rumgeheult, dass jemand mit dem Fuß umknicken könnte… Letztendlich war es aber sehr erfolgreich und alles sehr cool, bis auf den Regen am Schluss. Ein rundum gelungenes Festival und praktisch der Startschuss.

rap.de: Was war denn die Idee damals hinter dem Festival? Habt ihr euch gesagt „Wir wollen in unserer Gegend auch etwas haben, was vielleicht so dem Splash-Charakter enstpricht“?

Schowi: Nein, die Idee war eigentlich nicht, ein Festival zu machen, was dem Splash-Charakter entspricht, obwohl es natürlich insofern dem entspricht, dass wir beide Hip Hop Festivals sind. Aber das MTV Hip Hop Open ist ein Festival mit einem urbanen Charakter und unterscheidet sich allein durch die Gegebenheiten von anderen Festivals wie dem Splash oder einem Festival, das am See oder draußen mit Campingplätzen stattfindet. Weil es in der Stadt, in der Innenstadt, einer Großstadt ist und auch nur einen einzigen Tag geht. Man kann da nicht wirklich zelten, dafür hat man aber das komplette Nightlife am Abend, also es gibt da `zig Parties drum rum, dieses Jahr gibt es alleine drei offizielle Aftershow- und Pre-Parties.  Es gibt Walls, nicht nur auf dem Festival-Gelände, es gibt einfach mal die gesamte Stadt als Spielwiese. Es ist einfach näher an der Straße, das macht auch den besonderen Charakter aus. Und es ist einfach konzentrierter und vielleicht auch intensiver dadurch. Dieser Tag ist ziemlich heftig. Der fängt für viele am Freitagabend mit Feiern im Club an, man schläft nicht lang. Das Hip Hop Open Festival unterscheidet sich auch insofern von Anderen, dass die Leute wirklich um zehn Uhr morgens vor der Bühne stehen. Das kann jeder Act, der da auch mal früh gespielt hat bestätigen, dass da schon morgens `zigtausend Leute vor der Bühne stehen, weil sie sich diesen Tag komplett geben und nicht, wie auf anderen Festivals, sich vielleicht ein paar Rosinen rauspickt und sich sagt „Ok, ich krieche jetzt mal verkatert aus meinem Zelt, weil jetzt mein aktueller Lieblingsartist um 13 Uhr spielt, leg mich danach aber wieder hin und gehe abends zu Redman“. Es gibt kein Zelt, du bist halt da und du bleibst da und guckst dir alle Acts an und das ist glaube ich für alle irgendwie gut. Im Hip Hop gibt es da ja dieses extreme Fantum, aber auch Ablehnung gegenüber anderen Acts. Und hier ist es halt so, dass man sich zwangsweise alle Acts gibt. Wir versuchen dem auch so ein bisschen Rechnung zu tragen, beziehungsweise das auch auszunutzen, in dem wir eine Bandbreite an Acts bieten, die vielleicht nicht ganz so homogen ist.

rap.de: Also ist es schwieriger, ein Line-Up für die Hip Hop Open zusammenzustellen, weil die Leute eigentlich den ganzen Tag vor der Bühne stehen?

Strachi: Vor allem sind wir bemüht, den Leuten Abwechslung zu bieten. Wir haben uns am Anfang oft wiederholt, jetzt probieren wir immer mindestens ein Jahr Pause zwischen den Bookings zu haben, dass da nicht jedes Jahr die selben Acts zu sehen sind. Und dann ist natürlich das andere Ding, dass wir probieren, oben an der Spitze einen Künstler zu bekommen, der im besten Fall noch nicht in Deutschland zu sehen war. Das war dieses Jahr auch noch mal die totale Herausforderung. und jetzt sind wir natürlich überglücklich, dass es mit Ludacris geklappt hat. Es ist halt wirklich utopisch, wenn die Leute Dr. Dre sehen wollen, abgesehen davon, dass ich nicht glaube, dass der so der große Live-Typ ist. Aber Ludacris war wirklich einer, den viele wollten. Selbst viele Rapper, die die Jahre über bei uns aufgetreten sind, meinten „Ja, Ludacris wäre richtig super“. Aber es hat wirklich gedauert.

Schowi: Aber Booking an sich ist schwierig, nicht nur wegen dem Headliner. Wir haben einfach nur eine begrenzte Anzahl an Slots und was halt manchmal Probleme bringt, wie es im Hip Hop eben so ist, tausend Egos treffen aufeinander und dann geht es ab: „Ich spiel nicht vor dem und dem, ich spiel nicht mit dem an einem Tag auf einer Bühne, ich spiel nicht vor 13 Uhr, ich spiel nicht zwischen zwei Amis, ich spiel nicht vor dem Ami, ich bin größer als der Ami…“. Das gibt’s von ganz vorne bis zum Headliner. Da hat jeder so sein Ego, das er da gut platziert haben möchte und dann ist das für uns ein wahnsinniges Diplomatie-Tetris.

rap.de: Aber wenn ich mir jetzt vorstelle, ein Festival zu planen, dann ist doch die Ausgangslage eigentlich Trauer. Es gibt die alten Leute, die jeder schon tausendmal gesehen hat, die jetzt aber nicht unbedingt neue Platten veröffentlicht haben. Es gibt ganz wenig Neue und es gibt ganz Viele, die von verschiedenen Leuten gehypt werden, und wenn man es sich mal genau überlegt , ziehen die vielleicht 200 Leute und werden vom Rest gehasst. „Warum überhaupt noch ein Hip Hop Festival?“ ist eigentlich die entscheidende Frage.

Schowi: Grundsätzlich sind wir Hip Hop Fans. Aber noch mal kurz zu den alten, etablierten Bands. Die braucht man, weil die wirklich Fanbases haben im Gegensatz zu Anderen, die nur ein paar Hardcore-Internetposse-Aktivisten haben, was dann manchmal den Eindruck erweckt, dass irgendein junger Act riesengroß ist. Obwohl der eben eigentlich nichts zieht und live auch nichts kann. Ich habe welche gesehen, die was können, aber ich habe auch ganz viele gesehen, die nichts können. Es ist schwierig, man muss da echt `ne Mischung finden. Die Toten Hosen oder Metallica spielen gefühlt auch jedes Jahr bei Rock Am Ring und es ist immer voll und es ist immer eine gute Party. Und es ist auch so, dass wir Fan von dem Festival als solchem sind, das ja eben auch einen eigenen Charakter hat. Ich bin auch nicht Fan von jeder Band, die jemals auf dem Hip Hop Open gespielt hat, aber von ganz vielen, und die Atmosphäre, die an einem solchen Tag entsteht, trägt auch mal einen schwächeren Act.

rap.de: Freund-Feind-Geschichten sind ja auch immer interessant. Wie habt ihr damals das empfunden, die große, medienwirksame AzadSido-Auseinandersetzung?

Strachi: Ich stand mehr oder weniger fünf Meter daneben. Ich bin gerade aus dem Backstage, dem Catering-Zelt gekommen und sehe, wie Azad plus Frankfurter Homeboys unten am Bühnenaufgang stehen und Sido kommt gerade runter und ich sehe das mehr oder weniger in Zeitlupe und denke mir noch „Oh, das sieht aber nicht gut aus“. Und dann ging’s los. Viel konnte man da nicht machen, weil das eigentlich schnell ausgeartet ist. Jeder hatte ja da seine Posse dabei. Und das war halt schade, dass es gerade auf unserem Festival passieren musste. Letztendlich haben die Jungs jetzt aber einen Song zusammen gemacht und es wäre schön gewesen, wenn sie beide den Song auch zusammen performt hätten. Vielleicht haben sie es auch noch vor, das wäre natürlich ein Traum, dann auf dem Hip Hop Open, wo alles losgegangen ist. Aber das war natürlich krass.

            
Schowi: Mit so was hat man natürlich auch nicht gerechnet, weil das Festival eigentlich schon immer einen familiären Charakter hat, der auch wirklich gut ist, weil unser Backstage-Raum aufgrund des Platzes beschränkt ist. Wir mussten schmerzhaft lernen, dass man ein Festival und Backstage-Räume und VIP-Areas nicht beliebig vergrößern kann und auch nicht sollte, weil darunter vielleicht die Atmosphäre leidet. Bei uns ist es zwangsweise immer gleich groß und deshalb auch gleich cool gewesen und das war dann natürlich auch ein bisschen Schock, dass in unserer heimeligen Atmosphäre so rein rauer Ton Einzug hält.

Strachi: Das Ding war, beim Festival selber waren 12 000, 13 000 Leute und es gab, zumindest nicht, dass es mir bekannt wäre, Schlägereien oder Stress im Publikum und dann passiert halt genau hinten bei den Künstlern so was. Aber es hat natürlich für eine Menge Aufsehen gesorgt und ist eine der berühmtesten Hip Hop Open Anekdoten.

Schowi: Also ich glaube, wir sind eine relativ friedliche Gemeinde.

Strachi: Ja, das würde ich auch sagen. Das ist definitiv ein Punkt, den die meisten Leute nicht beachten. Ich meine, es ist ja auch kein kleines Festival und wir haben da in acht Jahren 100.000 Leute durchgeschleust, mit nur einer mir bekannten Schlägerei und die hat dann auch noch abgeschirmt vom Publikum stattgefunden. Das ist eigentlich eine ganz gute Leistung und spricht auch für ein Hip Hop Festival.

rap.de: Hip Hop ist eigentlich die friedlichste Kultur der Welt, willst du damit sagen?

Strachi: Ja genau, die logische Fortführung von dem Flower Power-Ding. Hip Hop wurde 1968 in San Francisco gegründet und Jimi Hendrix war auf jeden Fall der erste MC, mehr oder weniger.

rap.de: Gab es jemals Versuche, Auftritte bestimmter Künstler zu verbieten?

Strachi: Nein, wir lassen uns da auch nicht reinsprechen. Ich weiß nur, dass es einmal ein bisschen Aufregung gab, als Snoop Dogg auf die Bühne kam und sich ein Bühnenbild mit jeder Menge schöner Plastik-Marihuana-Pflanzen dekoriert hatte. Und allen Ernstes zwei Cops, die wohl zugeguckt hatten, zur Bühne durchgelassen werden wollten, um die Hanfpflanzen auf der Bühne zu konfiszieren. Die kamen aber erst gar nicht hoch und haben sich noch nicht mal in den Backstage-Bereich reinkämpfen können.

Schowi: Ich kann die Geschichte weiterführen. Ein Bühnenmanager ist zu dieser Deko, während Snoop gespielt hat, hat ein Stück von der Hanfpflanze abgeschnitten und das den Bullen gebracht, um ihnen zu zeigen, dass das Plastik-Pflanzen sind. Und dann sind die erst abgehauen.

Strachi: Da sind die natürlich unentspannt, aber ansonsten haben die nie versucht, uns irgendwie reinzureden. Könnten sie wahrscheinlich auch gar nicht. Ich weiß nicht, wie die Lage ist, wenn da irgendein Künstler auftritt, der indiziert ist.

Schowi: Was mir noch eingefallen ist, eine lustige Anekdote. So eine Bullen-Geschichte. Das ist zwar ein Schwaben- und Süddeutschen-Klischee, aber sie wollten „diesen Samy Deluxe, diesen Kiffer da“ eincashen und sind dann tatsächlich Backstage und haben den auch verhaftet. Der hat sich dann irgendwie gewehrt und sie haben ihn mit auf die Wache genommen. Er hat auch immer gesagt „Ich bin nicht Samy Deluxe, lasst mich gehen!“ und so. Dann haben sie die Personalien gecheckt und es war tatsächlich nicht Samy Deluxe, es war irgendein Typ, der bei Sureshot damals in Hamburg gearbeitet hat. Derweil war Samy zumindest über die Spitzheit der Ordnungshüter informiert und alles war gut. Es gab auch noch so ein paar andere Geschichten, die in die Richtung gehen, aber wir nehmen es eigentlich mit Humor und die Leute wissen auch, dass man mit so was rechnen muss.

rap.de: Was ist in Zukunft geplant? Ihr habt ja seit letztem Jahr diesen MySpace-Contest, wo rap.de auch in der Jury ist.

Schowi: Vielen Dank, rap.de, das finde ich gut. Das ist auch mein voller Ernst und keine Schleimerei. Das ist so eine schwierige Scheiße. Man kann nicht gerecht sein, das ist schon mal nicht möglich. Wir wollen auch nicht gerecht sein, aber wir wollen das zumindest nicht nur auf unseren Schultern haben.

Strachi: Wir hatten da so ein geiles Antwort-Video von Lady Bitch Ray, was ich ganz lustig fand. Letztes Jahr, da hatte sie ja auch bei dem MySpace-Contest mitgemacht. Unter den Bewerbungen wurden halt zehn Leute ausgesucht, die dann vom Publikum gevotet wurden. Wenn Lady Bitch Ray es da reingeschafft hätte, hätte sie bestimmt super Karten gehabt, denn zumindest auf MySpace hat die eine Riesenfanbase. Manche in der Jury fanden sie supergeil und haben ihr eine ziemlich hohe Punktzahl gegeben und ein paar fanden die endscheiße und haben ihr 0 Punkte gegeben. Da hatte sie dann im Schnitt weniger als die Bands, die alle so mittel fanden. Auf jeden Fall war sie gar nicht damit einverstanden und hat so ein krasses Video gemacht. Da bin ich irgendwie durch Zufall mal drüber gestolpert. Sie beleidigt uns und sagt „Esst meinen Fotzenschleim!“, aber nur auf französisch.

Schowi: Echt, kann die Französisch? Sie kann dieses Mal ein Lied für rap.de schreiben, vielleicht klappt’s.

Strachi: Aber deine Fragen haben wir jetzt nur so halb beantwortet, oder?

Schowi: Also, was die Zukunft bringt… Die Zukunft bringt jetzt erstmal Ludacris, von dem ich auch ein großer Fan bin. Das ist einer der wenigen Typen, die ich einfach wirklich sehen will. Flo Rida oder so interessiert mich zum Beispiel gar nicht, den will ich nicht sehen. Rick Ross würde ich gerne sehen, der ist auch so ein Character. Selbst wenn Ludacris nur relativ kurz auftritt, wäre es nicht schlimm. Ich habe mich mal schlau gemacht und man kann da einiges erwarten von diesem nicht mehr ganz so jungen Mann.