Dra Q

"Hoffnung" heißt das Album des 30 Jährigen Berliners Dra Q. Ältere HipHop Heads dürften ihn vielleicht durch Crews wie Pflegerlounge, Krisenstab oder Ostblokk kennen, Fastfoodliebhaber durch einen heiß diskutierten Mac Donalds Spot, den "Q" mit seinen Lyrics untermalte und  Filmfreunde könnten ihn in "Status Yo!" gesehen haben. Dazu kommen unzählige Features, Single-und Albenveröffentlichungen und eine riesige Liste an Liveauftritten, unter anderem auf dem splash!.

Dra Q lebt, liebt und zelebriert HipHop wie heutzutage kaum jemand mehr. Letzte Woche traf ich mich mit dem Urberliner in seiner Stammkneipe im Prenzlauer Berg. Bei ein, zwei Bier, blickten wir auf sein mittlerweile 15 Jähriges Dasein als Rapper zurück und sprachen über den Osten, Namensvetter und die Zukunft des HipHops.

rap.de: So, da wir ja gerade Ostern hatten, würde ich, “zum warm werden“ gerne wissen, wie ein Rapper wie Dra Q denn Ostern gefeiert hat?

Dra Q: Ganz chillig. Mit der Familie, der “First-Lady“, im Harz.
rap.de (grinst): Und hast du auch Ostereier gesammelt?

Dra Q: Da ich gerade extrem viel Arbeit um die Ohren habe, sprich täglich zwölf Stunden im Büro sitzen, nebenbei um das Album kümmern und diverse andere Geschichten die so anstehen, war es sehr schön einfach mal gar nichts zu machen. Ich glaube, das hatte ich seit Monaten nicht, einfach mal ein Wochenende an dem ich nur schlafen konnte.
rap.de: Na dann gönn‘ ich dir das ja. Kommen wir gleich zu etwas ganz Elementarem. Ich dachte ja eigentlich das der Name Dra Q von deinem ehemaligen Spitznamen “Dracula“ kommt…

Dra Q: Ja, so ist es auch…
rap.de: Ich habe aber in mehreren Zeitungsartikeln und bei Wikipedia gelesen, Dra Q steht für “Dialog, Rhymes, Aussage und Qualität“…

Dra Q: Das habe ich irgendwann, in irgendeinem Interview mal gesagt, ich glaube, dass war für die Süddeutsche Zeitung. Das war vor vier oder fünf Jahren. Ich hatte dem Journalisten eigentlich gesagt, woher der Name wirklich kommt, nämlich, dass mein Kumpel Gunnar mir diesen Namen “Dracula“ gegeben hat, weil ich immer die Schule verpennt habe, tagsüber geschlafen habe und nachts unterwegs war und irgendwelche Lyrics geschrieben habe. Das “la“ von “Dracula“ ist dann irgendwann weggefallen, und Dra Q ist einfach seine Schreibweise gewesen, statt “Dracu“. Diesem Journalisten war diese Geschichte aber anscheinend zu lang und wollte irgendetwas anderes hören. Ich habe dann mehr aus Spaß, freestylemäßig gesagt, das der Name für “Dialog, Rhymes, Aussage und Qualität“ steht. Das hat dann offensichtlich für Wikipedia und andere Redakteure als Quelle hergehalten.
         

rap.de:
Wie kommt es denn, dass du seit fast 15 Jahren im Rap-Geschäft bist, und erst jetzt dein erstes richtiges Soloalbum veröffentlichst?

Dra Q: Das liegt daran, dass ich zwar Solo angefangen habe, aber relativ schnell mit dem ersten Bandprojekt angefangen habe. `91 habe ich die ersten Texte geschrieben, `93 war mein erster Auftritt und `94/`95 war ich schon in der ersten Band. Damals war noch überhaupt nicht dran zu denken, irgendwas aufzunehmen, wir hatten all unsere Texte nur im Kopf. Ich war echt von da an immer in irgendwelchen Gruppen, ob es die erste Band war, Exentrix, dann kam K-Reim mit Schicht und O.B.S.T., dann gab es noch Krisenstab…(Pause)
rap.de: Pflegerlounge

Dra Q: Genau, wodurch ja auch Status Yo! entstanden ist. Dann ging es von Pflegerlounge ja eigentlich nahtlos in Ostblokk über. Jetzt, nach dem das mit Ostblokk so ein bisschen auf Eis gelegt wurde, wurde es einfach mal Zeit für `ne Soloplatte.

 
rap.de: Kannst du rückblickend betrachtet sagen, ob es besser ist, Solo zu arbeiten, oder besteht vielleicht auch die Möglichkeit, dass es eine Ostblokk-Wiedervereinigung gibt?

Dra Q: Das mit Ostblokk kann passieren, muss aber auch nicht. Letzen Endes gibt es in Gruppen natürlich Vor- und Nachteile. Auf der einen Seite liegt in einer Gruppe nicht die ganze Verantwortung nur auf dir selbst und du hast viel mehr Output, weil wenn du mit einer Gruppe einen Track aufnimmst, dann ist es so, als würdest du die ganze Zeit Featureparts machen und das geht halt sehr schnell. Komplette Solotracks aufzunehmen ist natürlich viel komplizierter und zeitaufwendiger. Mir persönlich gefällt aber auch einfach das Arbeiten an `nem Track, wenn man zu zweit ist. Deswegen sind auf meinem Album auch ziemlich viele Features, nicht gewollt, aber wahrscheinlich einfach unterbewusst, weil ich es mag, mit anderen Leuten zusammenzuarbeiten. Trotzdem ist es momentan das Beste für mich, solo zu sein. Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig und kann mir selbst einteilen, wann ein Verse fertig sein soll und wann ich aufnehme.

          
rap.de: Wie kommst du mit der Entwicklung früherer Wegbegleiter klar, also zum Beispiel Joe Rilla, der vom damaligen Ostblokk-Rapper, zum PlattenbauAggro Typ wurde?

Dra Q: Ich kenne Joe Rilla seit vielen Jahren und mag ihn einfach total. Auch wenn wir gerade nicht jeden Tag telefonieren, weil er sein Ding durchzieht und ich meins, haben wir einfach einen Draht zueinander. Wir haben uns auch schon wieder verabredet um in Zukunft vielleicht noch das ein oder andere Musikstück zusammen zu machen. Klar ist das auch irgendwie strange. Ich muss ehrlich zugeben, als ich das erste mal neue Sachen gesehen habe, dachte ich so, "Huh, ist schon ganz schön radikal was er da macht.“ Aber auf der anderen Seite, sehe ich mich selbst als Ostler dieser Generation. Ich kenne das Gefühl, wenn du Stefan Raab anmachst und das erste was du hörst ist ein Ostler-Witz. Immer wenn Ostler das Gesprächsthema sind, heißt es: "Ostler sind dumm, Ostler sind Hartz 4 Empfänger, Ostler sind Nazis…“ Deswegen verstehe ich die Radikalität und find`s auch ehrlich gesagt ziemlich geil und kann`s irgendwie feiern. Ich hoffe nur, dass er ein bisschen mehr Vielfalt annimmt für die nächsten Sachen, weil er momentan nur eine Facette zeigt, von dem was er kann. Ich weiß aber, dass Joe Rilla einfach ein unfassbar geiler Rapper ist!

rap.de: Bei dir ist es ja so, dass du einen ziemlich vielversprechenden Karrierestart hattest, aber dann für eine gewisse Zeit von der Bildfläche verschwunden warst.

Dra Q: Naja, das gab`s immer wieder. Ich hatte ja damals so eine kleine Untergrundbekanntschaft, Mitte, Ende der Neunziger. In dem ganzen Royal Bunker Umfeld war ich eigentlich überall ein bisschen mit dabei. Es gab schon relativ viele Leute, die meinen Style sehr nice fanden. Ich habe dann auch nicht aufgehört Musik zu machen, aber ich habe einfach versucht andere Prioritäten zu setzen. Das hat dann so für zwei, drei Jahre funktioniert und zwei Jahre reichen im Musikbusiness ja schon aus, um wieder komplett von vorne anfangen zu müssen. Ich glaube, ich habe alleine durch mein Studium diesen ganzen Deutschraphype verschlafen.

rap.de: Ist es denn jetzt manchmal frustrierend zu sehen, dass Leute mit denen du angefangen hast, z.B. beim Royal Bunker, den Durchbruch geschafft haben?

Dra Q: Ach ne, frustrierend nicht. Ich meine, Durchbruch ist auch immer relativ. Der Musikmarkt ist so kaputt, dass ich nicht glaube, dass alle schon ihr Häuschen in Italien stehen haben. Vor allen Dingen, was Leute wie Sido oder Savas angeht, die kenne ich von ganz früher und gönne denen das über alle Maßen, dass die Erfolg haben. Ich habe mich vor ein paar Jahren richtig gefreut, als Sidos Kampagne mit der Maske los ging. Ich fand das übernice und bei Savas genau das selbe.

  rap.de: Bevor wir gleich konkret über dein Album sprechen, möchte ich dir noch was von mir erzählen…

Dra Q (grinst): Aha?!
rap.de (grinst): Ich war heute in meiner Mittagspause bei Mac Donalds essen…

Dra Q (lacht laut): Das hast du dir doch jetzt ausgedacht!
rap.de (lacht): Na irgendwie musste ich ja eine Überleitung zu dem Thema finden. Du würdest ja sicherlich nicht von alleine darüber reden.

Dra Q: Ich finde es halt einfach nicht mehr so relevant, aber klar es gibt immer noch Hater, die das immer sofort anschneiden und sagen: "Ah ,das ist doch dieser Mc Donalds Rapper!“ Es gibt aber in meiner Biographie wesentlich mehr als Mc Donalds. Ich komme damit von selbst nicht, weil ich es einfach unsinnig finde, mich damit zu profilieren. Das war einfach nur ein Job. Wenn ein Sprüher gefragt wird, ob er für ein paar Hundert Euro die Ladenfassade malt, dann macht er es auch, egal was für ein Laden das ist. Das war für mich eine Chance, ich habe einfach nur ein paar Lyrics zu Bildern geschrieben. Das waren natürlich keine super krassen Lyrics, ich musste mich natürlich dem Kunden anpassen, aber ich finde es nicht schlimm und ich würde es jeden Tag wieder tun.

       

rap.de: Als man dir das damals angeboten hat, hast du da gezögert, oder hattest du Angst, dass das deinem Ruf als Rapper schaden könnte?

Dra Q: Nein, eigentlich nicht. Es hat ja keiner gesagt: "Mach mal einen auf Olli P. und wir bauen dir ein Image auf und verkaufen das.“ Es ging einfach nur darum einen Text zu schreiben, den aufzunehmen und dann dafür eine entsprechende, (lacht) oder eher eine unverhältnismäßige hohe Summe zu bekommen. Da musste ich nicht überlegen, wenn du an einem Punkt bist, an dem man abends hungrig einschläft, dann überlegt man nicht zweimal. Dazu kommt, dass es ein deutschlandweites Casting gab. Als ich da war, habe ich gesehen, dass eh fast ganz Berlin anwesend ist, war ganz lustig, wie ein kleines Familientreffen. Mich haben sie dann ausgewählt, weil ihnen irgendetwas daran gefallen hat, wie ich ihnen den Text präsentiert habe.
rap.de: Ich will keine konkrete Summe wissen, aber konntest du von dem was du bekommen hast erst mal eine Weile leben?

Dra Q (grinst): Joah. Ich konnte davon eine Weile sehr gut leben. Der Staat zieht einem ja fast 50 % ab, sonst wäre es wahrscheinlich noch viel länger gewesen. Ich hab‘ mir davon auch Equipment gekauft, ich bin nämlich auch ein begeisterter Hobby-DJ. Ich konnte mir endlich richtige Turntables kaufen, dann einen Mixer und ein Mikrophon.
rap.de: Ich habe in dem Zusammenhang noch etwas gefunden, was dich als Urberliner sicherlich schockiert, in einem Artikel heißt es: "Der Unterhachinger Rapper Dra Q“ (grinst) Gibt es da etwas was wir nicht wissen?

Dra Q (lacht): Das liegt sicherlich daran, dass die Produktion und die Aufnahmen in Unterhaching waren, so ein Stadtteil von München. Aber die haben ja alles mögliche gedacht und geschrieben. Es wurde ja auch erst vermutet, Ju von den Massiven Tönen hätte den Track gemacht. Auf MTV gab es eine ganze Sendung darüber, da wurden alle Rapper Deutschlands angerufen, insofern waren das ja schon Probs für mich. (lacht) Aber um es noch mal festzuhalten: Ich bin ein gebbürtiger Ost-Urberliner P-Berger!

rap.de: Dein Album heißt “Hoffnung“, steht das für deine persönliche Hoffnung, oder symbolisiert es, die Hoffnung für deutschen Rap.

Dra Q: Jein. Ich würde jetzt nicht behaupten, dass mein Album die Hoffnung für deutschen Rap ist. Aber im gesamten Musikkontext würde ich mein Album einfach mal wieder als ein richtiges HipHop-Album bezeichnen. Ich komme halt einfach aus einer anderen Generation und lebe den HipHop Gedanken ganz anders als die 16 Jährigen heutzutage. Es ist einfach ein Album mit Inhalt und sehr vielen persönlichen Geschichten. Jeder kennt es Hoffnung zu haben, sie zu verlieren oder sie sogar schon verloren zu haben. In Bezug auf die Musik spiele ich ein bisschen mit der aktuellen Situation. Auf dem Cover sieht man ja wie ich mir eine Pistole an den Kopf halte und da sehe ich Rap gerade so ein bisschen. Momentan geht es im Rap nur um Gewalt und darum, wer der größte Hasser ist. Jeder nutzt das Internet um Meinungen und Unwahrheiten über andere Leute zu verbreiten, oder irgendjemanden zu haten. Keiner scheint mehr so richtig Spaß an Rap zu haben, keiner hat mehr Hoffnung, dass Rap vielleicht auch mal was Positives hervorbringen kann. In den deutschen Medien ist der HipHopper der stupide Vollidiot, der Schuld an der schlechten Pisa Studie ist. Ich mache auch bei weitem keinen Studentenrap, aber ich versuche einfach etwas zu vermitteln. Man muss sich einfach bewusst sein, dass man eine gewisse Macht hat, wenn man eine CD im Laden stehen hat. Mir ist es viel wichtiger, jemandem mit einem Track Hoffnung zu geben, als zu erzählen, ich bin voll cool und erschieße alle!
rap.de: Wer hat denn deiner Meinung nach Schuld, an dieser Entwicklung?

Dra Q: Ich bin Gegner davon, sofort mit dem Finger auf Sido und Bushido zu zeigen und zu sagen: "Die sind Schuld, dass Rap so ist wie er ist“! Die machen ja einfach auch nur ihr Ding. Ich glaube, die Gesellschaft an sich verändert sich. Diese ganzen sozialen Brennpunkte verschlechtern sich. Rap war ja schon immer eine Reflexion von dem was in der Gesellschaft passiert. Somit ist nicht Rap dran Schuld, dass irgendwas so ist wie es ist, sondern Rap ist einfach der Spiegel der sich verändernden Gesellschaft. Klar gibt`s vielleicht auch Kids, die irgendeinen Möchtegern Gangsterrapper hören und sich dann eine Gasknarre kaufen, aber das ist, glaube ich, die Minderheit. Wir haben uns `93 auch “Menace 2 Society“ angesehen und fanden das alles ganz toll und haben mit Knarren rumgespielt. (grinst) Aber das ist ja auch schon 15 Jahre her.

rap.de: Es gibt bald eine neue Version von “Menace 2 Society“ mit Rick Ross und Birdman. Solltest du dir vielleicht ansehen. (grinst)

Dra Q: Echt? Meinste wird gut? Ich glaube eher nicht. (lacht) Ich will nicht meinen “Menace 2 Society“-Mythos zerstören!

       
 rap.de: Ja stimmt, dann solltest du das lieber lassen…! In dem Intro “Q is…“ hört man ja was Dra Q so alles ist. Wer oder was ist "Q" denn nun und hat "Q" eigentlich ein Image?

Dra Q: Ich habe kein Image in dem Sinne, aber Sera hat mal was über mich gesagt, was ich sehr nice finde. Sera meinte, dass ich einer der wenigen bin, der dieses HipHop Ding wirklich unfassbar zelebrieren. So sehe ich mich auch. Ich kann mich stundenlang einfach nur an meine Turntables stellen und Platten auflegen. Ich kann auch diesen ganzen New York Untergrundscheiß so feiern wie kaum ein anderer. Und guck mich an, ich gehe auch so jeden Tag ins Büro. Auch wenn ich damit auf verlorenem Posten stehe, aber ich glaube mein Image ist einfach meine Liebe zu diesem ganzen HipHop-Ding. Ich bin "Der letzte Backpacker im Jiggy-Outfit.“.

rap.de: Eine Art Hassliebe verspürst du ja zu deinen Heimatbezirk Prenzlauer Berg, das habe ich zumindest aus dem Track “PBerg“ rausgehört.

Dra Q: Ich habe bis auf zwei Jahre mein ganzes Leben hier verbracht. Das ist mein zu Hause. Aber was mich am P-Berg nervt, ist, dass es so viele Leute gibt, die hierher ziehen und behaupten sie wären Prenzelberger, zum Beispiel die ganzen… (Pause)
rap.de (lacht): Stuttgarter?

Dra Q (lacht): Ja zum Beispiel, aber darüber äußere ich mich lieber nicht. Das letzte mal als ich zu dem Thema gesprochen habe, ist viel passiert…
rap.de: Das “Max Herre/ Afrob-Ding“!?

Dra Q (lacht): Genau.
rap.de: Dann kommen wir lieber schnell zu einem anderem Thema. In dem Track “Fashion Victim“ hört man, dass du ein “Klamotten-Nerd“ bist. Willst du mit deiner Kleidung etwas ausdrücken?

Dra Q: Ich mach mir darüber ehrlich gesagt nicht so viele Gedanken. Man muss sich natürlich nicht so anziehen um HipHop zu sein, aber für mich persönlich hat es schon immer dazu gehört. – Ist jetzt nur eine wage Theorie, aber vielleicht ist es auch so ein bisschen dieses Ost-Ding, dass man immer nach Amerika geguckt hat und gerne die Sachen gehabt hätte, die da abgehen, aber man hat sie nie bekommen. Sieh dir zum Beispiel mal die Chemnitzer an, aus dem Phlatlinecamp. Ich glaube manchmal, dass die Ostler noch Fashion-Nerdmäßiger rumrennen, als manche West-Kids, die hatten es halt immer alle… Für mich ist es wahrscheinlich aber auch einfach die alte KRS One Philosophie: "The way we dress, the way we talk.“ Ich will auch, dass andere Leute mich mit “HipHop“ identifizieren.

rap.de: Dieser Style mit den 4XL-T-Shirts und den Aufklebern auf dem New Era Cap, wird ja von vielen Leuten belächelt…

Dra Q: Da stehe ich komplett drüber. Ist mir eigentlich scheiß egal. Es gibt auch so viele Kids die Metal hören, und sich komplett Heavy-Metal-Nerdmäßig anziehen, aber der Meinung sind, über HipHop-Heads lächeln zu dürfen…das ist ja komplett bescheuert, weil ein Autonormalverbraucher lächelt auch über die Heavy-Metal Kids.

        

rap.de: Sprechen wir über etwas tiefgründigeres. Du hast ja mal angefangen Theologie zu studieren. In “Mein Glaube“ geht es um verschiedene Religionen. Bist du selbst gläubig?

Dra Q: Der Track war mir wichtig, weil Taleb, ein sehr enger Freund von mir ist. Er ist Araber und wir haben lange über das Thema gesprochen. Mich persönlich kotzt das übelst an, dass der Islam so schlecht dargestellt wird, weil jeder der sich ein bisschen mit der Religion auseinandersetzt, weiß, dass der Islam nicht schlecht oder böse ist. Ich selbst sehe mich als Protestant, ich bin ein gläubiger Mensch, aber kein Fundamentalist oder Christenfanatiker. Es trifft sich natürlich, diesen Track mit einem Moslem zusammen zu machen, die Hook ist auch in Arabisch und Deutsch. “Glauben“ spiegelt natürlich nur eine ganz kleine Facette dieser Problematik wieder, aber er soll die Leute einfach anregen, sich damit auseinanderzusetzen und sich vielleicht ein bisschen weiter zu bilden.

 rap.de: Kommen wir noch mal zu deinen Anfängen.

Dra Q: Haben wir noch Platz? (Guckt auf das Diktiergerät, lacht) Wie kriegsten da die Kasette rin, in dit kleene Ding?
rap.de (grinst): Da gibt es einen Geheimeingang, den sieht man nicht.

Dra Q (lacht): Aber apropos Kassette. Ich mochte Tapes. Ich hatte sogar meine ersten VÖ`s auf Tape.

                 
rap.de: Aber dieser Bandsalat hat immer genervt… So, jetzt aber zurück zum Thema. Ich habe von zuverlässigen Quellen gehört, dass du früher den Anspruch an dich selbst hattest, Untergrund und Oldschool zu sein, aber trotzdem kommerziell erfolgreiche Musik zu machen.

Dra Q (lacht): Wo hast du das her?…Wer erzählt denn so was? Ich hatte das Ziel Untergrund zu sein?… Oldschool ist in dem Zusammenhang auch der falsche Begriff. Ich bin da ein bisschen HipHop-Lehrermäßig unterwegs. Weil alle Leute immer zu mir sagen: "Du hörst ja nur Oldschool.“ Was ich höre, ist Newschool. Weil Oldschool ist alles was vor `89 war, `89/ `90 fing das dann mit der Newschool an. Wir können auch den Begriff Trueschool einbringen. Auf meinem Album bezeichne ich mich selbst als ein Trueschooler. Wenn du meine Plattenkisten durchsuchst, wirst du fast nur Platten aus dem Zeitraum von `93-`98 finden. Es sei denn, es handelt sich um Non Phixion oder Jedi Mind Tricks…Was die Frage betrifft, da hat mich bestimmt mal jemand vor 12 Jahren gefragt, vielleicht habe ich das da wirklich gesagt. Also ganz unwahr ist es nicht, aber heute sehe ich das anders. Ich rechne mir jetzt keinen großen kommerziellen Erfolg mehr aus. So, aber wer hat das nun gesagt? Jetzt schreibst du bitte, "Klammer auf lacht, Klammer auf zu“! (lacht)
rap.de (lacht): So, da das Bier anscheinend schon wirkt, bleiben wir bei was Lustigem. Mir ist aufgefallen, dass du einen Namensvetter unter deinen Rapkollegen hast. Weißt du wen ich meine?

Dra Q: Echt? Ähm?… Ach so. Du meinst Felix Blume, Kollegah.
rap.de (grinst): Wäre das nicht die perfekte Vorraussetzung für eine Kollabo? Ich meine, zwei Rapper die Blume heißen auf einem Track?

Dra Q: Stimmt, wir haben ja sogar die gleichen Initialen. (lacht laut) Das ist übrigens eine sehr geile Frage für ein Interview. Probs dafür, find ich sehr cool… Ich hab‘ das schon mal gehört, in dem Disstrack von Seperate gegen Kollegah, dass er Felix Blume heißt. Da musste ich schon lachen. Ich kenne Kollegah nicht persönlich und ich glaube, würde man ihn fragen, ob er Dra Q kennt, würde er mich wahrscheinlich nicht mal einordnen können. Die Zeit, wo ich in Rapperkreisen bekannt war, liegt ja etwas länger zurück. Sein Style finde ich aber sehr innovativ, ich meine, sein Image ist jetzt nicht so mein Fall… Aber keinen Beef, ja! (lacht) Aber die Idee ist doch lustig.
rap.de: Ich kann mir das schon bildlich vorstellen, “Die Blume`s“ mit….

Dra Q (lacht laut): Es wäre auf jeden Fall mal eine ganz neue Grundlage für einen gemeinsamen Track. Und ich muss sagen, Kollegah hat zwar nicht das Rad neu erfunden, aber diese innovative Art zu rappen, hat er einfach hervorgebracht. Und ganz ehrlich, "Ich bring‘ dich zur Strecke wie ein Navigerät“, und viele andere Punchlines, sind einfach unglaublich feierbar. Ich hab‘ ja auf meinem Album auch einen Punchlinetrack mit Kobra. Aber wenn ich irgendwann noch mal einen mache, dann mit Kollegah. (lacht) Aber wir sind nicht verwandt, das ist nur Zufall, das wollte ich noch mal klarstellen.

 
rap.de: Vielleicht sieht er das ja auch so, dass sich die Blume`s vereinen sollten. Also ich würde das wirklich toll finden: Zwei Rapper, die überhaupt nicht so aussehen, aber Blume heißen, machen einen Track zusammen…

Dra Q: Ja, das wäre wirklich witzig. Aber die Frage ist wirklich herrlich, mal ne richtig geile Interviewfrage.

rap.de (grinst): Danke, dass du`s sportlich aufgenommen hast. Kommen wir mal wieder zu deinem Album. In dem Pressetext steht, das dein Album beweist, dass Rap auch erwachsen klingen kann. Meinst du nicht, dass das für potentielle, jüngere Raphörer zu erwachsen sein könnte?

Dra Q: Ich glaube, zu erwachsen klingt es nicht. Es gibt sicherlich auch Tracks, die ein 13 Jähriger versteht. Mich nervt irgendwie, dass ich mich immer dafür rechtfertigen muss, dass ich mit 30 so rumlaufe wie ich rumlaufe, dass ich so spreche wie ich spreche und dass ich solche Musik mache…Das Problem ist doch, das HipHop in Deutschland nie so richtig erwachsen geworden ist und immer dieses Kinderimage hat. In den USA oder Frankreich laufen auch 50 Jährige so rum wie ich, da ist das ganz normal (aufgebracht). Wieviele Leute kenne ich, die in meinem Alter plötzlich anfangen Elektro zu hören. Da dreh‘ ich durch! Oder wenn ein 16 Jähriger mir allen ernstes erzählt: "Früher habe ich Rap gehört, aber jetzt ist das nichts mehr für mich.“ Der ist halb so alt wie ich, wollt ihr mich alle verarschen? Ich höre diese Musik seit 1986, da war der noch gar nicht auf der Welt.
         

rap.de: Hörst du auch noch irgendetwas anderes oder hast du sogar ein Problem mit Elektro?

Dra Q: Jetzt mal ganz ehrlich, ich bin ein HipHop-Nazi! Das kannste auch ruhig so aufschreiben.
rap.de (lacht): Ich glaube, dass wird die Überschrift: Dra Q ist ein HipHop-Nazi!

Dra Q (lacht): Es ist aber wirklich so. Ich kann das einfach nicht fühlen. Alles was in Richtung Techno geht, dieses ganze rein Elektronische, hat für mich keine Seele. Ich weiß, ich stoße damit vielleicht vielen vor`n Kopf, aber für mich ist diese Musik einfach schrecklich. Ich kann nichts dafür, dass war schon immer so, und ich kann auch nichts dagegen tun.
rap.de: Könntest du denn auf Elektropartys feiern?

Dra Q (energisch): Nein. Ich ärgere mich manchmal sogar darüber, dass ich es nicht kann, weil mir Leute erzählen, wie sie auf solchen Partys feiern können und Spaß haben, aber ich kann es einfach nicht. Ich bin mal in einer Art Großraumdisko aufgetreten, da gab es mehrere Floors. Um in den HipHop-Floor zu kommen, musste ich durch so einen Technofloor. Ich krieg da Herzrhythmusstörungen, ich dreh` da durch, das ist nicht meins, ich find das wiederlich…!

rap.de: Aber viel schlimmer an Elektropartys finde ich…

Dra Q: … Ecstasy und Koks… Ich bin ja ein großer Gegner von chemischen Drogen. Eigentlich selbst von Alkohol, obwohl ich zu viel Bier trinke. Und eine wichtige Nachricht für alle: Nehmt keine Drogen. Ich habe ja zehn Jahre lang gar nicht gekifft, bis ich mit Anja auf Planet Asia Tour war. Früher konnte man mal ruhigen Gewissens sagen, Weed rauchen ist ok. Aber heute ist das alles so überzüchtet. Es macht jetzt keinen Spaß mehr, weil das Gras nur noch Dreck ist. Ich bin ein Genussmensch, und so was kann man beim besten Willen nicht mehr genießen. (Pause) Mit dem Gras verhält es sich wie mit Rap, es wird immer schlechter.
rap.de (grinst): Ich finde, das wäre ein perfekter Schlusssatz! Aber mich würde abschließend noch interessieren, wie es jetzt mit dir weitergeht, bleibst du bei New Def?

Dra Q (lacht): Sonst ist das immer die erste Frage… Ich fühl‘ mich wohl bei New Def. New Def ist von der Philosophie einfach ein richtiges HipHop-Label. Kein Standard-Raplabel was sich sagt: "Wir bringen irgendwelche Gangsterrapper raus und freuen uns.“ Wenn der Musikmarkt in Zukunft nicht völlig kaputt geht, würde ich auch alle anderen Alben die ich noch mache, über New Def veröffentlichen. Ich war schon zwei mal bei Majorlabels, aber die betreiben meiner Meinung nach einfach Augenwischerei. Majors sind mit daran Schuld, dass der Musikmarkt so am Ende ist. Die haben nicht kapiert, dass die Fans einfach keine Chance haben, eine echte Verbindung zu einem Künstler aufzubauen, wenn man fünf verschiedene Singles in der Woche veröffentlicht. Wenn die Musik nicht bald neue Wege geht, dann wird das in ein paar Jahren nur noch ein Hobby-Ding sein. Guck dir die deutschen Charts doch mal an, “Schnuffel“ ist auf Platz eins, mehr muss man zum Musikmarkt nicht sagen.

       

rap.de: Also wenn der Musikmarkt weiterhin existiert, was für Projekte können wir noch von dir erwarten?

Dra Q: Ich werde dieses Jahr noch ein Kollabo-Album rausbringen und ein paar Mixtapes produzieren. Die Arbeit steht bei mir natürlich auch im Vordergrund. Aber Musik ist trotzdem mein Leben. Und ich werde New Def unterstützen und hoffe, dass es das wird, was es verdient hat zu werden. Ich will selbst, ohne darauf angewiesen zu sein, dass ich kommerziellen Erfolg habe, einfach weiter Musik machen und ich hoffe, dass es ein paar Leute da draußen gibt, die das cool finden was ich mache und vielleicht auch der Meinung sind, dass diese Art von Rap, der eigentliche HipHop ist. Es gibt einfach zu viele Rapper, die mit dem eigentlichen HipHop-Ding nichts mehr zu tun haben, die belächeln mich dafür, dass ich so aussehe wie ich aussehe. Rap hat sich momentan so sehr vom HipHop entfernt. Das ist doch furchtbar.

rap.de: Ich danke dir schon mal für das lustige und informative Interview. Du kannst ja abschließend gerne noch ein paar Worte an die Leser richten.

Dra Q: Was mir wichtig ist, dass die Leute wieder anfangen, HipHop zu lieben. Weg von dieser ganzen Internert-Hater-Kultur. Es geht den Kids doch schon fast mehr darum, wen sie hassen und nicht wen sie hören. Damit hat HipHop nichts zu tun, damit hab‘ ich nichts zu tun. Was mein Album betrifft, ich habe mit Leuten zusammen gearbeitet, die mir sehr am Herzen liegen, sowohl was die Produzenten, als auch die Features betrifft. Leute die ich schon ewig kenne, wie V-Mann, Damion. Auch die Tracks mit Kobra, Pyranja, Tatjana, Sera oder Rilla, waren mir sehr wichtig. Ich bin zum Beispiel auch ein riesiger Fan von den Snowgoons-Produktionen und DJ Illegal ist einer der nettesten Menschen, die ich je kennen gelernt habe. Oder Falgas, dass ist eine Art Seelenbruder aus Frankreich, der mich eigentlich als Fan angeschrieben hat. Und das Feature mit Rugged Man war natürlich ein kleiner Traum von mir… Ich glaube, man merkt auf dem Album, das es einfach eine persönliche und gute Zusammenarbeit war, deswegen bin ich auch mit dem Ergebnis wirklich zufrieden. Ich will damit nicht reich werden, ich will damit nur ein paar Menschen erreichen… Und ich glaube und hoffe, dass der alte HipHop Spirit wieder zurückkommt. Es ist Zeit, dass alle mal wieder ein bisschen runterkommen und HipHop wieder als Kultur wahrnehmen, die uns alle Möglichkeiten bietet.

        

rap.de: Alles klar, ich wünsche dir auf jeden Fall viel Erfolg mit “Hoffnung“ und wir treffen uns dann spätestens wieder, wenn du den “Blume Track“ mit Kollegah aufgenommen hast, ja?

Dra Q (lacht laut): Der hat ja auch mal einen Track mit Tarek von K.I.Z. aufgenommen und da Tarek ja jahrelang fast mein Nachbar war, könnten wir da vielleicht eine Brücke schlagen. (lacht) Mal schauen, witzig wär`s.