SWISS

In Hamburg ist er schon längst ein dauerhaftes Gesprächsthema. Jugendliche feiern ihn für seine provokanten Texte, Elterninitiativen und Medien hetzen aus selbigem Grund gegen ihn. Der 24 Jährige Rapper SWISS hat den Titel "Skandalrapper" mittlerweile gepachtet. Sei es wegen der öffentlichen Bekenntnis Tablettenabhängig zu sein, einem Rechtstreit mit Heimwerkerkönigin Tine Wittler, mit dem sich sogar die Bild Zeitung beschäftigte, oder einem Track der den Amoklauf eines Schülers beschreibt. Dass der Hamburger aber noch wesentlich mehr kann, als nur  medienwirksam zu  provozieren, beweist sein kürzlich erschienendes Album “Es Kann Nur Einer Befehlen".

Wir trafen uns letzte Woche mit SWISS  in einem Kreuzberger Cafe und führten ein offenes und interessantes Gespräch über seine Musik, dass Verhältnis zu Rapkollegen und die Leichen in seinem Keller.

rap.de: Schön, dass du nach Berlin gekommen bist. Hattest du denn schon Zeit, dir ein bisschen die Stadt anzusehen?

SWISS: Leider nicht wirklich. Wir sind gestern mit dem Auto ein bisschen rumgefahren, aber ansonsten war gar keine Zeit dafür. Wir hatten Termine beim Radio und im Fernsehen und fahren auch schon nachher zurück nach Hamburg.
rap.de: Du bist aber nicht das erste mal hier, oder?

SWISS: Ne, ich war früher echt öfter hier und hab mit meinem Kumpel Ayman gechillt. Kennst du Ayman?
rap.de: Ähm?

SWISS: Der hatte vor längerer Zeit diesen Hit “Du Bist Mein Stern“.  Ihn habe ich schon öfter hier besucht.
rap.de: Ah, alles klar, kenn ich…Aber kommen wir zu dir. Du hast gerade das Album "Es Kann Nur Einer Befehlen" herausgebracht. Mit älteren Tracks hast du in Internetcharts ja schon erste Plätze belegt und bis zu 150.000 Downloads verzeichnen können. Kannst du denn jetzt schon einschätzen wie sich das Album bislang verkauft hat?

SWISS: Bis jetzt habe ich nur gehört, dass wir laut GFK von den Newcomern die released haben, die absolute Nummer Eins sind. Genaue Zahlen haben wir noch nicht. Ich merke aber natürlich, dass einem die Downloads auch zu schaffen machen. Gleich am ersten Releasetag gab es 12 Downloadlinks. Da kann man nicht wirklich was gegen machen, aber ich bin trotzdem sehr zufrieden mit der bisherigen Resonanz.

                           
rap.de: Das Album sollte ja eigentlich bereits im November veröffentlicht werden, wieso hat sich das ganze denn um fast 5 Monate verzögert?

SWISS: Ehrlich gesagt ist das für unser Label Strassendeal das erste richtige Release. Wir haben das Ganze ein bisschen unterschätzt. Das Album war eigentlich schon letzten Sommer fertig und sollte im November rauskommen, aber dann kamen die ganzen Promo-Sachen, die Zeitschriften und auch das mit dem Vertrieb, war komplizierter als wir gedacht haben. Wir haben die Verträge sehr spät festgemacht, alles hat sich total verschoben und deswegen haben wir gemerkt, dass es viel mehr Sinn macht, es erst im Februar zu releasen.

rap.de: Man hört in deinen Tracks und liest in Pressetexten, dass du in Hamburg schon ein "Star" bist. Wie kann man sich das vorstellen, erkennen dich die Leute auf der Straße, oder wirst du nach Autogrammen gefragt?

SWISS (grinst): Auf jeden Fall, also in Hamburg ist das echt krass. Wenn ich raus gehe wollen Kiddies oft Fotos machen. Das ist aber auch mehr so die "Zahnspangenfraktion", die kleineren Kids, die eben Bilder mit mir machen, oder Autogramme wollen. Oder wenn ich feiern gehe, werde ich auch ab und zu angesprochen. Aber natürlich gibt’s auch viele die gar keinen Turn auf mich schieben. In Hamburg gibt`s halt sehr, sehr viele Fans, aber so wie es auch gesund ist, viele Leute die was zu meckern haben.
rap.de: Hattest du schon mal Stress mit jemanden der an deiner Musik "was zu meckern“ hat?

SWISS: Bis jetzt hatte ich so eine Situation noch nicht, ich bin aber auch selten alleine draußen. Viele Leute sehen mich, gucken mich doof an, aber keiner kommt direkt zu mir. Es ist dann eher so, dass ich danach im Forum lesen kann, „Ey du Spast, ich habe dich grade in der Stadt gesehen." Aber wirkliche Auseinandersetzungen hatte ich deswegen nicht, noch nicht.
rap.de: Bevor wir präzise über das Album sprechen, möchte ich noch kurz über deine persönliche Freundin Tine Wittler reden. Was ist denn da genau passiert?

SWISS: 2005 haben wir dieses "Deutschlandvideo" gedreht. Da gibt es eine Line „Deutsche Frauen sind schöner…", wo ich Angela Merkel als Beispiel genannt habe. Und zu dieser Stelle hatten wir so einen dicken Dönerspieß im Bild. Wir haben Kamikazemäßig in Altona gedreht und plötzlich ist Tine Wittler da mit ihrem Freund lang gelaufen und dann haben wir sie einfach nach diesem Dönerspieß ins Bild genommen.
rap.de: Und sie hat das nicht gemerkt?

SWISS: Ne, und sie war echt super arrogant, hat voll einen auf V.I.P. geschoben und ist extra außen rum gelaufen, aber wir haben sie trotzdem gefilmt. Das Video ist dann im Netz auf einmal total abgegangen. Danach haben die uns ganz mies hoch genommen. Die haben mir erzählt, Energy Köln will ein Interview mit mir machen. Die meinten, „wir wollen dir schon mal die Interviewfragen schicken, wo müssen wir die denn hinschicken?" (lacht) Ich Idiot hab denen gleich meine Adresse gegeben und plötzlich kam statt Interviewfragen ein sechsseitiges Anwaltsschreiben. Kennst du Dr. Höcker?
rap.de: Ne, sagt mir jetzt nichts.

SWISS: Das ist der über krasseste Medienanwalt aus Köln. Der hat mir halt geschrieben. Da wurde genau aufgezählt, wie viele Sekunden sie zu sehen war, und wo, alle Einzelheiten. Und dass sie 20.000 Euro von uns haben wollen. Das ging überhaupt nicht, wir waren zu der Zeit extrem broke. Dann mussten wir das irgendwie regeln.

        

                        rap.de: Und wie habt ihr das dann geregelt?

SWISS: Wir haben sie angerufen und dadurch dass sie auch in Altona wohnt, sind wir einfach hingegangen und haben dass mit ihr geklärt. Sie war dann auch echt cool, wir mussten das Video natürlich umschneiden und die alte Version aus allen Downloadportalen rausnehmen, weil, für jeden Download hätten wir 1000 Euro zahlen müssen. Aber sie war echt nicht nachtragend.
rap.de: Wie ist das Verhältnis jetzt, 3 Jahre später zwischen euch?

SWISS: Das ist echt cool, sie mag auch meine Musik. Sie war sogar mit ihrem Freund auf meinem Konzert. Wenn man sie so im Fernsehen sieht, dann denkt man ja sie wäre voll die nervige Kuh, aber sie ist wirklich korrekt. Gar nicht arrogant, echt `ne Gute.

rap.de: Kommen wir zu deinem Album. Ein Wort taucht immer wieder auf deiner Platte auf: "Tablettenrap". Jemand der deine persönliche Geschichte nicht kennt, kann damit sicherlich wenig anfangen. Wie definierst du denn diese Art von Rap? Was beinhaltet sie?

SWISS: Irgendwie hatten die Leute immer Probleme mich einzuordnen. Die meinten immer: „Du machst keinen Gangsterrap, aber auch keinen Spaßrap. Was machst du?" Meine Musik steht so ein bisschen für die ganzen schizophrenen Großstadtkids, die die in zwei verschiedenen Welten groß werden. Natürlich betrifft mich dieser Begriff aber auch persönlich. Ich hatte die letzten zwei Jahre privat sehr hart zu kämpfen und habe Beruhigungsmittel und Antidepresiva genommen. Das spiegelt sich natürlich auf meinem Album wieder, weil ich die letzten Jahre damit auch verarbeitet habe. Diese Beschreibung trifft meine Art von Rap, meinen Sound einfach am besten.

                           

rap.de: Du möchtest damit aber keinen neuen Rapstil etablieren, oder?

SWISS: Ich will einfach, dass Leute, wenn sie meine Musik hören nicht sagen „der klingt wie…", sondern dass sie sagen, „Ah das ist SWISS!". Es ist mir wichtig, dass die Texte und die Themen diesen Wiedererkennungswert haben. Ich würde niemandem verbieten, mit auf diesen Zug aufzuspringen, aber das mit dem "Tablettenrap" ist natürlich ein sehr persönliches Ding. Wenn jemand eine ähnliche Biographie hat und auch diese Richtung von Musik machen möchte, dann kann ich dagegen nichts sagen, aber das ist nicht mein Ziel.
rap.de: Da du ja sehr offen mit dem Thema umgehst, frage ich dich auch direkt: Gab es in deinem Leben einen Auslöser, der für deine Angstzustände und den daraus resultierenden Tablettenkonsum verantwortlich ist?

SWISS: Vor zwei Jahren ist was in meinem Leben passiert. Ich war schon immer ein bisschen schizophren und dieses Ereignis hat mich dazu extrem geprägt. Damit ging das alles los, das war wie ein Strudel. Anfangs kam ich noch ein bisschen klar und dann habe ich mich immer mehr darin verloren. Ich habe teilweise Nächte lang nicht mehr geschlafen und bin nicht mehr raus gegangen. Irgendwann bin ich ins Krankenhaus gegangen, in die psychiatrische Abteilung und habe gesagt: „Ey, ich weiß nicht mehr weiter!". Die wollten mich zuerst in eine feste Institution einweisen, worauf ich aber überhaupt keinen Bock hatte, weil, wenn man selber eine Klatsche hat, ist es nicht sonderlich förderlich, wenn du dann auch noch mit Leuten auf engsten Raum zusammen bist, die auch eine Klatsche haben. Dann habe ich halt angefangen diese Tabletten zu nehmen, einfach um erstmal runter zu kommen. Das hat mir damals wirklich geholfen. Ich war nicht durchgehend auf den Tabletten, aber in Situationen in denen das wieder in mir hoch kam, wusste ich, dass ich darauf zurückkommen kann. Ich bin einfach nicht der Typ, der sich zum Yoga setzt, oder stundenlang mit einem Psychologen über die Leichen in meinem Keller reden kann.
rap.de: Was war das, was damals in deinem Leben passiert ist?

SWISS: Darüber will ich ehrlich gesagt nicht sprechen.
rap.de: Klar, das aktzeptiere ich natürlich. In dem Track “Plan B“ sagst du, du hättest deine Sucht immer noch nicht überwunden…

SWISS: Naja, ich nehme sie nicht mehr permanent, aber ich kann nicht sagen, dass ich von den Dingern los bin. Ich habe in manchen Situationen einfach nicht die Kraft Probleme selber zu verarbeiten und zu sagen: „ Beruhige dich, komm klar, krieg dein Leben in den Griff!" Es kommt immer mal wieder hoch und dann nehme ich über eine gewisse Zeitspanne Beruhigungstabletten, aber man darf das nicht dauerhaft nehmen. Wenn es mir besser geht, dann setzte ich sie wieder ab.
rap.de: Glaubst du nicht, dass dieser Begriff “Tablettenrap“ eine Gewisse Gefahr mit sich bringt, weil die Kids denken, dieser SWISS ist ein cooler, lustiger Rapper und assoziieren dann, dass die Tabletten dich zu dem coolen Typ machen, der du bist.

SWISS: Glaube ich nicht. Ich glorifiziere das ja nicht. Ich sage niemandem: „Gib dir Beruhigungsmittel und alles ist schön." Die Tracks zeigen ja eher das Gegenteil: Auf Antidepressiva ist die Welt auch nicht rosa. Gerade in “Plan B“ sage ich, dass es für mich nichts Gutes ist. Ich bin wirklich durch die Hölle gegangen, auch wenn man mir das nicht ansieht. Ich will nicht, dass die Leute denken, dass es cool ist Tabletten zu nehmen. Ich glaube eher, dass sie sich durch meine Texte einfach in diese gespaltene Welt hineinversetzen können.

                     rap.de: Tracks wie “Hassliebe“ thematisieren unterschwellig ja auch, deine, wie es heißt kaputte und durche Persönlichkeit und deine gestörte Beziehung. Gilt das nur für die “Kunstfigur“ SWISS, oder läuft ein Streit mit dir in der Realität wirklich so heftig ab, wie er da beschrieben ist?

SWISS: Es ist die absolute Wahrheit. Ich kenne viele die in einer kranken Beziehung leben, die immer mehr aus den Rudern gerät. Da stürzen immer mehr Brücken ein, immer mehr Dämme brechen und irgendwann ist null Respekt mehr voreinander da. Man macht auf einmal Sachen, die man seinem schlimmsten Feind nicht antun würde und trotzdem gehört man irgendwie zusammen.

rap.de: Kommen wir zu einem anderen Thema. In "Es Kann Nur Einer Befehlen, nennst du auffällig viele Rapperkollegen in einem negativen Zusammenhang, z.B. sagst du: Kollegah ist ein Stricherkind", ist das Berechnung bzw. der Versuch sich zu hypen?

SWISS: Gaz ehrlich, was auch dieses SidoBushido Ding angeht, ich habe überhaupt kein persönliches Problem mit denen. Der Track geht ja so ein bisschen um die Hamburger Identität, gerade die letzte Generation von Hamburger Rappern musste einfach immer einstecken. Gerade solche Leute waren immer die, die gegen ganz Hamburg gehetzt haben. Für mich ist das so eine Respektsache. Ich würde mich nie hinstellen und sagen: „Ich ficke ganz Berlin in den Arsch." Das ist erstens total unrealistisch und zweitens respektlos. Deswegen habe ich diese beiden Namen genannt, um zu sagen: „das könnt ihr vielleicht in Wuppertal oder so machen, aber Hamburg ist auch eine Großstadt, da laufen auch genug Verrückte rum." Was Kollegah angeht, der ist bestimmt ein netter Kerl, ich würde auch niemals sagen, dass er nicht rappen kann. Ich kann mir seine Musik anhören und lache mich schlapp, aber dann sehe ich den Typen und der sieht aus, wie der Junge von der Zwiebackpackung. Das kann doch nicht sein ernst sein. Wie weit ist deutscher Rap gekommen, dass da so ein kleiner Junge erzählt, er wäre ein Zuhälter. (grinst) Ich kann ihn ja mal mit nach Hamburg nehmen und da kann er sich mit ein zwei Jungs über`s Geschäft unterhalten, da bin ich wirklich gespannt, was dabei raus kommt. Ich find`s aber echt schade, mir haben viele im Nachhinein vorgeworfen, ich würde die Namen nur raushauen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Mal ganz ehrlich, in Hamburg kennt kein Kanacke Kollegah, außerdem ist der Track lange vor Kollegah`s Hype entstanden, ich habe das also bestimmt nicht gesagt, um mich damit ins Gespräch zu bringen. Es hat mich einfach beschäftigt, ich habe es rausgelassen und jetzt haben das einige missverstanden.

                         

rap.de: Gibt es denn deutsche Rapper, besonders aus der Berliner Szene, deren Musik du feierst, oder vielleicht auch jemand zu dem du aufschaust?

SWISS: Also ich höre sogar Sido, seine Sachen finde ich echt lustig. Auch Bushido hat ein zwei gute Tracks. Mit den meisten Leuten setzte ich mich aber gar nicht so auseinander, allgemein mit deutschem Rap. Das inspiriert mich einfach nicht. Ich höre lieber Amy Winehouse. Aber was ich zum Beispiel übelst gefeiert habe, war dieser „Du Opfer was willst du machen, überall sind Kanacken…" von K.I.Z. Die haben auch so einen schönen, dreckigen Humor.
rap.de (lacht): Das ist echt lustig, dieser Track scheint viele Leute nachhaltig beeindruckt zu haben. Massiv hat neulich im Interview auch erzählt, dass er “Was Willst Du Machen“ total gefeiert hat.

SWISS (lacht): Echt? Der geht bei uns in Hamburg wirklich seit Jahren rum. Die neuen Singleauskopplungen fand ich jetzt nicht so gut, (grinst) aber dieser Track hat es echt auf den Punkt gebracht.
rap.de: Bleiben wir mal bei anderen Rappern, ich habe in einem Zeitungsbericht gelesen, dass du als “Hamburgs Bushido“ bezeichnet wurdest, was sagst du zu diesem Vergleich?

SWISS: Ich mache provokante Musik, aber auf einer ganz anderen Ebene als er. Irgendwelche Eltern und die bekanntesten Hamburger Zeitungen sind letzten Sommer gegen mich Sturm gelaufen und haben Propaganda gegen mich gemacht, wegen dem Track "Der Letzte Schultag". Dann wurde ich über eins zwei Wochen extrem durch den Kakao gezogen und zu diesem Thema brauchten sie einfach eine wirksame Schlagzeile wie „Swiss der Hamburger Bushido". Aber das ist ein ganz anderer Film den ich fahre, zwischen mir und Bushido liegen Welten!

 
rap.de: Das “Deutschlandvideo“, Tine Wittler, “Der Letzte Schultag", das sind ja schon relativ viele Skandale, setzt du bewusst auf diese Provokation, ist das eine Art Image?

SWISS: Es wäre dumm, wenn ich sagen würde, ich habe mir dabei nichts gedacht. Grundsätzlich will ich einfach keine Musik machen, die den Leuten am Arsch vorbei geht, meine Tracks sollen hängen bleiben. Was "Der Letzte Schultag" betrifft, ich sehe einfach immer diese ganzen Reportagen, in denen auf den Jungen in den schwarzen Klamotten gezeigt wird und alle sagen: „Haltet euch von dem fern, irgendwann dreht der durch". Wenn du jemanden immer in diese Ecke drängst, dann dreht er irgendwann wirklich durch. Ich weiß das von mir selber. Ich wollte so eine Situation aus dieser Sicht erzählen, nicht aus der Sicht des Lehrers, oder von dem der sagt, verbietet Computerspiele. Das ist in meinen Augen scheinheilig.
rap.de:
Zu diesem Thema habe ich übrigens in einem Forum gelesen, du hättest den Text dazu im Internet geklaut. Hast du diesem Vorwurf schon mal gehört?

SWISS (überrascht): Ne, habe ich noch nie gehört. (lacht) Ich habe aber auch schon in irgendwelchen Hamburger Foren gelesen, „Swiss hat einen Ghostwriter". Das ist der aller größte Schwachsinn. Ich könnte niemals mit mir vereinbaren, etwas zu rappen, was ich nicht selbst geschrieben habe.
rap.de: Apropos Provokation, der Titel “Mein Kampf“, wirkt ja auf den ersten Blick auch ziemlich zweideutig.

SWISS: Ich will mich einfach losmachen von diesen Zwängen, „du darfst dies nicht sagen, du darfst das nicht sagen“. Ich bin nicht der Typ, der ständig englische Wörter benutzt, sowas wie mein "struggle", mein "beef"…! Ich bin Deutscher und ich rappe auf Deutsch. Wenn ich mit etwas zu kämpfen habe, dann ist das "Mein Kampf". Sollen sich die Leute drüber aufregen, aber man kann dem Track wirklich nichts vorwerfen.
rap.de: Tracks wie "Der Junge aus der Nachbarschaft", oder "Weg In Die Hölle", gehen von den Geschichten her ziemlich an die Substanz, sind das rein fiktive Stories oder gab es echte Erlebnisse, die dich inspiriert haben?

SWISS (ernst): "Weg In Die Hölle" ist eins zu eins.
rap.de (leicht irritiert): Wirklich?

SWISS: Ich weiß, du hast in der Review geschrieben, dass die Geschichten hoffentlicht fiktiv sind. (lacht) Ich hatte auch schon Angst, dass du mich danach fragst.
rap.de (lacht): Aber ich find`s gut wenn du trotzdem ehrlich dazu stehst.

SWISS: Ja, weißt du es ist einfach so. Ich bin überhaupt nicht der Gangster-Typ, aber ich habe früher einfach viele Sachen gemacht, bei denen ich mich heute frage: „Was zur Hölle hat dich damals geritten?“.

           
rap.de: Wie alt warst du zu dieser Zeit?

SWISS: Das ging bestimmt bis ich 20 war. (lacht) Ich hatte schon echt komische Zeiten.

rap.de: Ich muss jetzt aber noch mal nachhaken, in dem Track erzählst du, dass sich mehrere Menschen wegen dir umgebracht haben…

SWISS ( erschrocken): Nein, Nein, nicht in dem Sinne eins zu eins! Die Story ist ja so aufgebaut, dass ich auf einem Friedhof bin und überall liegen die Leichen der Menschen, deren Tod ich verursacht habe. Natürlich hat sich niemand wirklich wegen mir umgebracht. Dieser Friedhof ist stellvertretend und am Ende ziehen mich diese ganzen Leichen, diese Menschen, denen ich geschadet habe, denen ich wehgetan habe, die ziehen mich runter in die Hölle. Das ist die Metapher, für all das was ich gemacht habe. Ich habe wirklich viel Schlimmes getan, Leute gemobbt, geschlagen…aber wie gesagt, es hat sich niemand wegen mir umgebracht.

rap.de: Gut, dass wir das noch mal geklärt haben. Kommen wir zu einem etwas netteren Thema. Stichwort: "Büffel", quasi das Synonym für mollige Frau. Neben "Tablettenrap" klingt das auch so nach deiner ganz eigenen Philosophie, darf man dass so verstehen, dass SWISS auf dicke Frauen steht?

SWISS (lacht): Auf jeden Fall, also ich stehe überhaupt nicht auf so knochige Frauen. Ich stehe auf Frauen, wo was zum anfassen ist. Einfach weiblich. Heutzutage ist der Trend bei den ganzen Mädels anders. Wenn ich mir Heidi Klum`s Models ansehe, dann kriege ich echt das Kotzen. Dieses Schönheitsideal hat für mich nichts mehr mit Weiblichkeit zu tun. Deshalb sage ich: „Frauen, Mut zum Speck!"
rap.de: Aber in einem anderen Track rappst du über die fette, eklige Freundin deines Kumpels.

SWISS: Es gibt auf jeden Fall Grenzen. Aber in dem Track geht es hauptsächlich um den Charakter dieser Frau. Dieses Lied ist eigentlich auch einer bestimmten Frau gewidmet. (lacht) Da fühlt sich eventuell schon jemand angesprochen, der mich kennt, aber ich habe bisher noch keine Resonanz bekommen.
rap.de (lacht): Die Arme…! Woher kommt eigentlich dieses "Büffel"-Ding? Ist das Hamburger Slang, oder hast du dir das selbst ausgedacht?

SWISS: Mittlerweile ist es in Hamburg ein bekanntes Wort. Ehrlich gesagt, war ich vor ein paar Jahren hier in Berlin, wieder mal bei Ayman. Dann war da so eine mopsige Frau im Fernsehen und ein Kumpel von Ayman meinte: „Boah, guck mal den Büffel!". Ich hab das zum ersten Mal gehört und habe sooo krass gelacht. Zwei Tage später habe ich den ersten “Büffeljagd“-Track aufgenommen. Der ist krass rumgegangen, mittlerweile sagen das in Hamburg echt viele. Es etabliert sich immer mehr, dass die Leute sagen: „Komm lass mal heute Büffel jagen gehen!" (lacht)
rap.de: In einem Track sagst du, du brauchst kein Majorlabel, stellen wir uns aber mal vor, du bekommst einen Majordeal angeboten, würdest du Strassendeal den Rücken kehren?

SWISS: Auf keinen Fall. Ich bin ja selbst quasi einer der Chefs von Strassendeal. Ich glaube heutzutage brauchst du gar nicht unbedingt ein Major, du siehst ja, dass die Majors endlos Geld in irgendwelche Künstler stecken und dann verkaufen die trotzdem nur mit Mühe und Not ihre 2000 Alben. Wenn ein Major Strassendeal als Ganzes unterstützen möchte, mit einem guten Plan, dann bekommen die auch ihr Stück vom Kuchen, aber ich würde mir in mein eigenes Fleisch schneiden, wenn ich Strassendeal verlassen würde.
          

rap.de: Kommen wir mal zu deinem Namen. Du bist in Hamburg groß geworden, dein Vater ist Schweizer, wieso nennst du dich SWISS? Hast du einen besonderen Bezug zur Schweiz?
 
SWISS: Die Schweiz ist sicherlich das Land, in das ich später mal ziehen werde, aber hauptsächlich kommt das eigentlich daher, dass mich schon in der Schule immer alle den "Schweizer" genannt haben. Aber ich trage keine Lederhosen und esse auch nicht jeden Abend Raclette. Von meiner Mentalität bin ich ein echter Norddeutscher. Den Namen muss man eher mit einem Augenzwickern sehen.
rap.de: Bleiben wir bei Hamburg, du hast mit PMA den Track "Hamburg Reloaded" aufgenommen, wie ist die Kollabo zustande gekommen?

SWISS: Den Produzenten von PMA kenne ich schon seit Jahren. Als PMA vor ein paar Jahren schon mal richtig in den Startlöchern stand, da kannte mich noch kein Schwein und ich hab ihn gefragt, ob er mit mir ein Feature machen würde. Er meinte dann so: „Nö, eher nicht." (lacht) Aber in den letzten zwei Jahren bin ich einfach besonders in Hamburg mit das Non Plus Ultra geworden und dann habe ich ihn einfach noch mal gefragt, weil PMA für mich einfach ein King ist. Er hatte dann auch derbe Bock drauf.

rap.de: Was mich noch interessieren würde, du erwähnst in mindestens drei Tracks immer wieder einen gewissen DJ Static und disst ihn. Meinst du damit den DJ S.T.A.T.I.C. von Vibekingz?

SWISS ( grinst): Yeahh!
rap.de (lacht): Hast du "Beef" mit ihm? Ich konnte in "Ich Bin Weiss" nur raushören, dass er der personifizierte Beweis für jemanden ist, der weiss ist, aber gerne schwarz wäre.

SWISS (lacht): Alle Hamburger wissen das. Der hat damals doch diesen Track "She`s Like The Wind" rausgebraucht. In Zusammenhang damit, hat er mit `nem Bekannten von uns einen ziemlich üblen Bitchmove abgezogen. Außerdem ist er einfach eine fernsehgeile Nutte, der seine Fresse überall bei Viva sehen musste, obwohl er nur dieses (macht ihn nach) „Vibekingz gone rock with ya" bringt. Das haben wir auch verarscht mit „Swissgin gone rock with ya". Aber eigentlich ist es auch egal, der Typ ist gar nicht der Rede wert. ( lacht) Ja, aber  er ist auch auf jeden Fall der Prototyp des “Whiggers“.
rap.de: Jetzt werden wir noch mal ein bisschen persönlicher, bist denn jetzt "hauptberuflich" Rapper, oder hast du einen normalen Job, eine Ausbildung …?

SWISS: Ich habe natürlich Abitur gemacht…
rap.de (grinst): Was für`n Schnitt?

SWISS: Ich habe ein gutes Abitur gemacht. So im zweier Bereich. Ich war auch nie dumm. So dass man sagen könnte „die Bratze", aber viele Leute, die mich zum ersten mal sehen fragen: „Hauptschule?". Das ist völlig falsch, aber ich merke auch, dass dieses Lern– und Büroding trotzdem nicht meine Welt ist. Ich war auch an der Uni eingeschrieben, hab angefangen Medienkultur zu studieren, aber ich habe irgendwie lieber hinter der Fleischtheke gestanden und Schweine aufgeschnitten. Ich bin einfach zu hibbelig um den ganzen Tag irgendwo rumzusitzen und dazu habe ich auch ein krasses Autoritätsproblem. Ich bin schon oft irgendwo rausgeflogen, weil ich mit dieser Bürohierarchie nicht klar kam. Das einzige was ich wirklich will und was ich auch wirklich kann, ist das mit der Musik. Alles andere liegt in meinem Leben ehrlich gesagt auch brach. Mein Leben ist eigentlich eine riesige Baustelle! Deswegen kommt für mich momentan auch nichts anderes in Frage, als Musik zu machen.
rap.de: Was steht jetzt an, wie geht’s weiter mit deiner Musikkarriere? Besteht die Hoffnung, dass man deine Videos demnächst auf MTV sehen kann?

SWISS: Man kann das nie genau berechnen, aber ich will auf jeden Fall im Sommer auf Tour gehen und fange auch schon an für das nächste Ding Ideen zu sammeln. Dann muss ich natürlich noch für das Album in einige Städte fahren und Promo machen. Was MTV betrifft, sorry, aber leider Gottes ist das so ein "Inszesthaufen". Klar, wenn die meine Videos spielen wollen, dann dürfen sie das gerne tun, aber ich stelle mich jetzt nicht vor`s MTV- Gebäude und sammle Unterschriften. Ich glaube, man muss einen Schritt vor den nächsten setzen und dann kommt der Rest schon irgendwie. (Pause) Oder eben auch nicht.
         

rap.de: Na dann viel Erfolg mit dem Album und vielen Dank für das nette und offene Interview.

SWISS: Danke dir, dass sich endlich mal jemand richtig mit dem beschäftigt hat, was ich tue. Die meisten hören eins, zwei Tracks und bilden sich dann sofort `ne Meinung. (lacht) Und danke für die Review.
rap.de (lacht): Die habe ich sogar zufällig dabei, also wenn sie dir gefallen hat, kannst du sie gerne haben.

SWISS: Ja gerne. Die rahme ich mir ein und häng sie mir an die Wand. (lacht) Und die Leute sollen auf jeden Fall mein Album kaufen und ich will alle nächsten Sommer auf meiner Tour sehen!