Auf dem Splash! konnten die beiden neuen Chimperator-Mitglieder Marlon und Budget aka Beat ‚Em Up an die 500 Exemplare ihres ersten Produzentenalbums verkaufen, womit innerhalb von drei Tagen fast die Hälfte der ersten Auflage den Weg in die Taschen der Deutschrap-Konsumenten fand. Nun wird der Rest veröffentlicht und die Aktien stehen nicht schlecht für das Produzententeam, dass die Scheibe noch einmal nachgepresst wird. Mit den beiden unterhielt ich mich nun, wie eins zum anderen kommt, was Klänge bedeuten, wie man sie erzeugt, wie man sie an den Mann bringt und wer dabei so alles im Boot sitzt.
rap.de: Seid ihr beides eigentlich Ur-Stuttgarter und seid auch mit Stuttgarter Rapmusik groß geworden?
Marlon: Ja, ich bin hier aufgewachsen, kann aber zu diesem Stuttgarter Rapding von früher gar nicht viel sagen.
Budget: Also ich komme ursprünglich aus Aschaffenburg, wo auch der gute Olli Banjo herkommt. Ich lebe erst seit zwei Jahren hier, aber die Sachen aus Stuttgart habe ich immer gefeiert. Ich war ein riesiger Fan von Freundeskreis, und später dann auch von Afrob. Das war das, was ich am meisten gehört habe, und das war eigentlich auch der Grund, warum ich nach Stuttgart gegangen bin. Wäre es nicht so gewesen, wäre ich woanders hingegangen.
rap.de: Hast du auch wegen des Freundeskreis-Sounds angefangen zu produzieren? Oder gab es da irgendwelche andere wichtigen Initiatoren und Vorbilder.
Budget: Also bei mir war nicht unbedingt Freundeskreis der Auslöser. Als ich das gehört habe, war ich noch DJ und habe mich fürs produzieren noch gar nicht so interessiert. Diese ganze Produzentenkultur ging bei mir dann eigentlich mit Roc-A-Fella, Just Blaze und Kanye und so weiter los. Also so seit dem Blueprint, seit fünf bis sechs Jahren produziere ich.
Marlon: Ich bin auch seit ungefähr sechs Jahren dabei.
rap.de: Und du Marlon, irgendwelche Vorbilder?
Marlon: Nee, ich hab keine Vorbilder.
Budget: Marlon ist so unique, der orientiert sich nur an Marlon. (Gelächter)
rap.de: In den letzten sechs Jahren hat die Rapmusik ja einen ungeheuren Wandel durchgemacht und in solch turbulenten künstlerischen Zeiten kann man sich doch auch als Produzent enorm entwickeln, oder?
Budget: Ich würde sogar sagen, dass HipHop in den letzten Jahren die krasseste Entwicklung seiner Historie durchgemacht hat. Das Spannendste waren aber wirklich vor allem die völlig verschiedenen Entwicklungen der Beats. Mitte bis Ende der Neunziger war der Sound ja immer sehr geradlinig, auch hier in Deutschland. Und danach ist das alles krass explodiert.
rap.de: Erzählt doch mal, für wen ihr schon produziert habt, damit die Leser einen Eindruck bekommen, wie ihr euch in der Zeit entwickelt habt.
Marlon: Also ich habe zu Beginn viel mit den Jungs gemacht, mit denen ich angefangen hatte Musik zu machen und ich war bei Auftritten im Umkreis dann deren DJ. Dann ist ziemlich schnell Maeckes auf mich zugekommen, mit dem ich jetzt schon seit fünf Jahren arbeite, und nun eben Maeckes und Plan B. Ach ja und wir haben mal mit Maeckes, Saul Williams und Black Tiger aus der Schweiz was aufgenommen. Deutschlandweit habe ich jetzt aber erst für den Sampler produziert.
Budget: Also wir arbeiten ja auch erst seit Beginn des Jahres so richtig zusammen. Vorher habe ich in Aschaffenburg für so Leute wie Biski, M! oder auch Rockstah produziert und hier in Stuttgart habe ich dann für einige Leute Beats geschraubt. Zwischendurch habe ich dann immer mal für irgendwen in Deutschland einen gebaut, aber ich will hier nicht jeden einzeln aufzählen. Und über Kodimey habe ich dann Marlon kennengelernt und den Rest der Chimperator-Crew.
rap.de: Und dann wurdet ihr als Team direkt gesignt, weil Kodimey, der A&R, derbe geflasht war, oder wie kam das zustande?
Marlon: Also ich arbeite ja schon länger mit Maeckes zusammen.
Budget: Und es bot sich halt an, dass ich da immer mehr mit reinrutsche. Als wir dann zu zweit dieses Beat ‚Em Up gegründet haben, habe die gesagt, dass sie noch zwei heiße, hungrige Produzenten brauchen und haben uns gesignt.
rap.de: Und wie läuft das jetzt ab? Haben die Chimperator-Rapper immer Vorrang bei der Beatwahl, oder entscheidet ihr selbst, wer welchen Beat bekommt, auch außerhalb von Chimperator.
Marlon: Also die haben auf jeden Fall Vorrang. Da die aber einen sehr speziellen Geschmack haben, bleibt da ziemlich viel übrig. Wir haben also auf jeden Fall noch genügend Beats für andere Rapper.
rap.de: Wieviel produziert ihr denn so im Monat?
Marlon: Also bei mir sind es nicht so viele Beats wie bei Budget. Ich mache vielleicht so 15 und er liegt so bei 30.
rap.de: Aber alleine 15 ist doch schon derbe viel, oder?
Budget: Naja, wir leben halt für den Scheiß. (lacht) Also wenn einem das ganze Ding Spaß macht, dann bringt es ja auch nix, wenn man nur einen Beat im Monat abliefert. Sonst entwickelt man sich ja auch nicht.
rap.de: Also auf eurem Album kann man schon hören, dass ihr sehr abwechlungsreich seid und jeder Beat etwas Spezielles oder Markantes enthält, doch wenn tatsächlich 30 Beats im Monat entstehen, also einer am Tag, dann klingt das schon ziemlich nach Fließbandarbeit. Wie geht ihr denn an die Beats ran?
Marlon: Also ich arbeite sehr viel mit Samples und lasse mich von denen leiten, oftmals dann sogar soweit, dass das Sample komplett wieder rausfliegt. Budget dagegen spielt ja sehr gut Klavier und deswegen fällt es ihm recht leicht Melodien und so zu finden. Und dadurch, dass wir jetzt zusammenarbeiten spiele ich auch mehr ein und wir ergänzen uns gegenseitig und helfen uns auch mit Ideen gegenseitig auf die Sprünge.
Budget: Also wenn wir zusammen Beats bauen, dann kommt meist eine grobe Idee von Marlon in Form eines Samples. Wenn er das dann geschnitten hat, dann setze ich mich dazu und spiele was ein. Irgendwann nehmen wir das Sample dann raus oder lassen es drin. Wir bauen die Beats immer als Gerüst um die Idee, aber die kommt meistens von einem allein. Wenn wir zusammen auf Ideenfang gehen würden, würde es, glaube ich, viel zu viele kleine Streitereien geben. Wenn es aber erst einmal läuft, dann läuft es und der eine macht da noch etwas dran und der andere da, bis der Beat fertig ist.
rap.de: Lasst uns über das Album reden. Es wirkt ja sehr persönlich. Wart ihr eigentlich mit allen Rappern eures Albums selbst im Studio, oder habt ihr euch auch Parts zuschicken lassen?
Marlon: Bis auf Mike Crush, Gregpipe und die Münchener waren alle hier bei uns im Studio.
rap.de: Und waren die Beats da alle vorher schon festgelegt, oder habt ihr die in einer Studiosession mit den Rappern produziert?
Marlon: Durch den Sponsor DeinDesign, mit dem Chimperator einen gemeinsamen Stand auf dem Splash! hatte, und an dem wir etwas von uns präsentieren wollten, hatten wir plötzlich enormen Druck und haben das in zwei Monaten durchgezogen.
Budget: Also haben wir auch auf alte Beats zurückgegriffen, bis wir einen Pool an Beats hatten. Ein paar Neue sind aber in der Zeit auch noch dazu gekommen. Dann haben wir überlegt, wer überhaupt da drauf soll und bei wem das am längsten dauert und haben denen dann immer so zwei drei Beats zugeschickt, von denen wir dachten, dass sie da gut drauf passen würden. Also Bastian Fleig hätte jetzt niemals den Beat von Gregpipe gekriegt, wir haben da schon sehr ausgewählt. Und wir haben auch nichts gemacht, wo wir Geld bezahlen mussten. Wir haben nur auf Sympathiebasis mit den Rappern zusammen gearbeitet.
rap.de: Und wohin geht es in der nächsten Zeit, was steht jetzt bei euch an?
Budget: Also bei mir wird demnächst die Bachelor EP erscheinen, die ich mit M! zusammen gemacht habe. Dabei entwerfen wir ein völlig neues Genre zwischen Lovesongs und Pornorap, was es mit so einer Art von Wortwitz vorher auch noch nicht gab. Die wird über myspace erscheinen. Ansonsten steht jetzt auch die Chimperator-Tour an und es wird Ende des Jahres neues Zeug von Maeckes & Plan B und von uns geben. Anfang des nächsten Jahres erscheint das Kodimey-Album, wo wir alle notwendigen Beats bereits abgeliefert haben. Dann macht Voodoo noch ein Mixtape und mit Cesur haben wir was gemacht.
Marlon: Und auf dem neuen KMH-Album wird auch was von uns drauf sein.
rap.de: Welches Equipment benutzt ihr?
Marlon: Also ich wohne ja quasi in meinem Studio. Das war früher schon eins und ich bin da jetzt reingezogen. Wir haben hier eine große Gesangskabine mit großer Scheibe. Wir benutzen hier folgende Sachen hauptsächlich: Power Mac G5, Logic 7 Pro, RME Hammerfall Multiface, Mackie Big Knob, Avalon VT 737SP Preamp, Brauner Phanthom, Genelec 1029, Prodipe Pro8, Akai MPD24, Korg Triton, Korg MS-20.
Budget: Ich habe in meinem Studio mehr so die ganzen Klaviersachen. Also bei mir entsteht dann eine Idee am Klavier und bei Marlon spielen wir das dann ein. Ich benutze meist Cubase und Reason und Marlon Logic. Wir exportieren dann immer die Spuren und schicken uns das hin und her. Wir machen vor allem auch ziemlich viel experimentelle Sachen. Wir waren vor kurzem hier in Stuttgart in der Lederhalle und haben dort einen sonst 90.000 Euro teuren Steinway-Flügel eingespielt und mit Mikrofonen aufgenommen. Und wir machen auch alle möglichen Percussion-Sounds selber. Mit richtig guten Mikros nehmen wir auf, wie wir auf irgendwelche Dinge schlagen, die einen krassen Sound machen.
rap.de: Also ist es euch sehr wichtig organisch zu klingen?
Marlon: Ja, das ist sehr wichtig. Ich finde, das kann man auch ganz gut hören.
Budget: Ja, das ist uns wirklich wichtig. Wenn wir Klavier- oder Geigensounds verwenden, dann müssen die absolut authentisch klingen. Ich meine, wir sind sehr klassisch veranlagt. Ich habe 14 Jahre Klavier gespielt und Marlon hat Geige gespielt. Und da geht es für uns gar nicht klar, wenn ein Klavier wie aus einer Blechbüchse klingt oder eine Geige sich nach einem Synthie anhört.
rap.de: Und wie wird man vom halbprofessionellen Musiker mit vielleicht einem Keyboard, einem Program und einem Standard-Mikro zu einem Produzenten, der solch eine Auswahl an Möglichkeiten hat? Das Geld dafür ist euch doch sicher nicht zugeflogen.
Marlon: Nee, natürlich nicht. Während der Ausbildung einfach sparen und manchmal auch nichts essen und dann einfach kaufen.
Budget: Also niemals Klamotten kaufen ist ein guter Tipp. Dafür lieber ein neues Keyboard. Man muss schon ein bißchen verrückt sein dafür und sich auch opfern wollen, ansonsten wird das nix, denn die ganze Scheiße kostet sehr sehr viel Kohle, alleine schon sich vernünftige Boxen zu besorgen. Also über die Jahre ist das soweit gewachsen. Alle Ferienjobs und so gingen halt dafür drauf.
rap.de: Rentiert sich das für euch jetzt finanziell denn wenigstens ein bißchen? Könnt ihr von eurer Musik halbwegs leben, oder geht ihr nebenbei noch arbeiten.
Marlon: Also ich lasse mich gerade noch zum Tontechniker ausbilden und Budget studiert nebenbei.
Budget: So wirklich leben können wir davon nicht. Es gibt Zeiten, in denen verkauft man richtig gut, und die Kohle ist drin und dann gibt es aber auch wieder Durststrecken, in denen fast nichts reinkommt. Insgesamt ist das also alles zu unsicher, um sich darauf wirklich zu verlassen.
rap.de: Ist es denn euer Traum, mit den Beats irgendwann mal ordentlich Kohle zu machen?
Marlon: Och, das müssen gar nicht nur Beats sein, wir machen auch Filmmusik und Jingles.
Budget: Ja, wir sind da breit gefächert. Wir machen das zwar momentan noch alles auf Freundschaftsbasis, aber irgendwann bekommen wir auch für so etwas Geld. Wir sehen das alles musikalisch komplexer. Aber wenn es abgeht, dann sagt auch keiner von uns nein.
rap.de: Und könntet ihr euch vorstellen für eure Miete zum Beispiel Auftragsproduktionen für Klingeltöne oder auch Volksmusiker zu machen? Das ist ja in einigen Tonstudios schon üblich, um die eigene Musik zu finanzieren.
Marlon: Also für die Schlagerparade?
Budget: Das muss schon irgendwas sein, was uns flasht. Wir haben da auch einen gewissen Anspruch an uns. So Filmmusik und Werbejingles sind eine sehr interessante Geschichte. Es ist immer die Frage, ob man das jetzt nur als Job sehen will und die ganze Leidenschaft dahinter vergessen, oder ob man sich treu bleiben will. Nur für HipHop sind wir aber auch zu musikalisch.
rap.de: Und was habt ihr den Nachwuchs-Produzenten da draußen noch zu sagen?
Budget: Geht auf unsere myspace-Seite und schreibt uns Kommentare mit schönen bunten Bildern. Ihr könnt uns auch Beats schicken, zu denen wir dann unsere Meinung äußern können. Das machen wir ungeheuer gerne, da wir durch so etwas immer einen enorm kreativen Input bekommen. Wir schreiben auf jeden Fall zurück. Doch meldet euch bitte nur, wenn ihr hundertprozentig von euren Beats überzeugt seid, ansonsten hat keiner von uns was davon.