Jeru the Damaja

Vor fast zwei Jahren redeten wir mit dem New Yorker Rapper Jeru the Damaja. "Findet eure Gemeinsamkeiten!" wurde das Interview damals zusammenfassend genannt. Warum dieses jetzt "Kämpft um eure Individualtität" heißt, wie diese Titel zusammenpassen und dass sie sich ganz und gar nicht widersprechen, da alles aber auch alles zum "Weg" gehört, auch scheinbare Widersprüche, darüber und noch viel mehr könnt ihr im folgenden Interview lesen, das wir am 18. Juli mit Jeru vor seinem Konzert in Berlin führten.

rap.de: Jeru the Damaja, was zerstörst du, was willst du zerstören?

Jeru: Ich will Unwissenheit zerstören. Aber beim Damaja geht es nicht allein um das Zerstören, sondern vielmehr ums Aufbauen. Du hast sicher schon bemerkt: wenn ein Gebäude oder irgendetwas anderes aufgebaut wird, müssen Dinge zerstört werden, der Boden muss geebnet werden. Und das ist, was ich mache. Den Boden erst ebnen, um dann neues darauf zu bauen.
rap.de: Was hasst du noch abgesehen von Unwissenheit?

Jeru: Ich hasse eigentlich nichts auf der Welt. Es ist halt so, dass es Unwissenheit den Leuten schwer macht, klar zu kommen, zu leben. Es ist der Grund, weshalb wir Kriege haben, weshalb wir Völkermorde haben, weshalb wir dieses ganze negative System haben, in dem wir hier leben. Der Grund ist Unwissenheit.
rap.de: Und das beste Mittel gegen Unwissenheit ist Bildung.

Jeru: Natürlich. Denn nicht jeder ist unwissend. Diejenigen, die die Fäden ziehen, die das System kontrollieren, wissen, was abgeht. Es sind diejenigen, die nicht wissen, der normale Mensch, du und ich, die unwissend sind, die nicht wissen, was abgeht. Also akzeptieren wir die Dinge, die wir in den Medien sehen, wir akzeptieren die Dinge, die wir hören. Darum geht es.

         
rap.de: Du liebst Bücher, nicht wahr?

Jeru: Ja, ich liebe Bücher.
rap.de: Ich habe heute etwas lustiges – oder auch weniger lustiges – im Internet gelesen. 50 Cent soll in einem Interview gesagt haben, dass wer Bücher liest arm bleibt.

Jeru: Das ist auf jeden Fall lustig.
rap.de: Was meinst du zu der Aussage?

Jeru: Ich stimme ihm absolut nicht zu. Wie lernt man, Geld zu machen? Indem man Bücher liest. Wie lernt man irgendetwas im Leben? Durch Bücher. Meine Mutter sagte mir, wenn man lesen kann, kann man alles andere auch tun. Und daran glaube ich.
rap.de: Aber 50 Cent ist kommerziell sehr erfolgreich.

Jeru: Es passiert. Manchmal kann man halt auch erfolgreich sein, ohne zu lesen. Aber das gilt nicht für alle. Manche kriegen eben den Lottogewinn, habe ich recht? (Lacht) Nicht jeder gewinnt ihn. Das ist halt eine Sache der Wahrscheinlichkeit. Die Chance, reich zu werden, ohne zu lesen, ist … nun ja, in den USA ist sie ziemlich groß. (Lacht)
rap.de: Das glaube ich nämlich auch. Es herrscht, finde ich, sogar der Trend, dass Bildung immer unbeliebter wird. Die Menschen scheinen irgendwie Angst vor Bildung zu haben.

Jeru: Ich denke nicht, dass sie Angst davor haben. Ich glaube, dass Bildung nicht gleichmäßig innerhalb der Gemeinschaft verteilt ist. Wenn du in arme Viertel gehst, haben sie eine schlechte Bildung, in den reicheren haben sie eine bessere. Und die Kinder mit der schlechten Bildung, werden wahrscheinlich arm bleiben und die Kinder mit der guten Bildung werden wahrscheinlich reich. Natürlich gibt es auch gebildete Leute, die arm sind. Es ist also deine Sache! Es liegt an dir, da ein Gleichgewicht rein zu bringen. Du musst dich bilden und gleichzeitig ein bisschen Kohle machen.
rap.de: Hier in Deutschland gibt es negative Begriffe für "gebildeten" Rap, wie „Zeigefinger-Rap“ oder „Studenten-Rap“.

Jeru: Es ist nicht gut, wenn jemand predigt. Daher versuche ich, meine Erfahrungen zu bündlen und diese Erfahrungen weiter zu geben, damit man daraus lernen kann. Ich versuche, nicht zu predigen. Manchmal tu ich es, es passiert halt, aber ich versuche mein bestes.

rap.de: Es gibt grob gesehen zwei Arten von Rappern, die zwei verschiedene Wege zeigen, aus dem Ghetto heraus zu kommen. Einerseits gibt es da die "Gangsta", die es durch Drogen und Kriminaltität versuchen, andererseits die „Conscious-Rapper“, die es durch Bücher und Bildung versuchen. Was ist dein Weg?

Jeru: Weißt du, du musst ein Gleichgewicht finden. Ich sage nicht, dass du Drogen verkaufen musst. Du sollst niemals Drogen verkaufen! Wissen ist die Grundlage für alles auf dem Planeten Erde. Ohne Wissen wäre ich nicht hier, ohne Wissen gäbe es keine Flugzeuge, die in am Himmel fliegen. Du brauchst Wissen, du brauchst Weisheit, du brauchst Verständnis. Aber wenn das alles ist, was du hast und du es nicht anwendest, dann musst du ein Mönch werden. Und ich will nicht so ein Mönch sein. Ich bin zwar ein Mönch, aber ein "Perverted Monch".
rap.de: Du bist außerdem Daoist. „Dao“ heißt Weg, nicht wahr? Kannst du diesen Weg erklären?

Jeru: Der Weg ist der Weg. Das ist die Sache am „Dao“, die die Menschen nicht verstehen. Alles ist Teil dieses Weges. Ich und du, die hier sitzen und sprechen, sind ein Teil des Weges, am Morgen aufzuwachen ist ein Teil des Weges. Was du tun musst, ist dein Gleichgewicht zu finden. Denn sobald du den Weg kennst, sobald du weißt, dass alles ein Teil von allem Existierenden ist, dann kannst du herausfinden, dann kannst du dein Gleichgewicht finden und deinen Weg durchs Leben. Es ist nicht für irgend jemanden anderes, es ist für dich selber. Ich kann dir nicht sagen, was du tun musst, ich kann dich nirgendwohin führen, denn was für mich gut sein mag, ist für dich vielleicht schrecklich. Das ist der Weg. Dem Weg zu folgen bedeutet: Das Leben ist der Weg. Atmen, Luft, Bäume, das ist alles Teil des Weges. Christentum ist Teil des Weges. Hass ist Teil des Weges…

          
rap.de: Ja, ich verstehe… Ich habe den Eindruck, dass viele amerikanische Rapper – wie du auch – sich für asiatische Kulturen und Traditionen interessieren, was zum Beispiel auch an der Beliebtheit von Kung-Fu-Filmen sichtbar wird.

Jeru: Wir sind alle mit Kung-Fu-Filmen aufgewachsen, das ist schon ein Teil unserer Kultur geworden. Schau dir allein die Lieder in den Siebzigern an, Lieder wie „Kung-Fu Fighting“
rap.de: Mir ist aber immer noch unklar, wie diese Kulturen zusammenpassen.

Jeru: Also, ursprünglich hieß die ganze Welt Asien. Indien, China und Afrika, damals war alles Asien. Und wir handelten miteinander, daher gibt es in Afrika einige ähnliche Dinge wie in China und ähnliche Dinge wie in Indien. Daher, denke ich, ist ihre Kultur uns vielleicht näher als die europäische. Europa ist auf der anderen Globushälfte. Und zu Martial Arts: Jeder liebt Kung-Fu-Filme! (Lacht)

rap.de: Hat der Titel deines ersten Albums „The Sun rises in the East“ etwas mit Asien zu tun?

Jeru:The Sun Rises In The East“ hat etwas mit mir zu tun. Viele Menschen verstanden den Titel auf einem metaphorischen oder übernatürlichen Level. Ich sehe ihn auf einem persönlichen Level, denn ich bin die Sonne und ich komme von einem Ort in Brooklyn, der East New York genannt wird. Und daher der Titel.
rap.de: Dein neues Album hast du jetzt „Still Rising“ genannt.

Jeru: Ja, das ist eine Fortsetzung, denn nach all diesen Jahren, all dem was ich durch gemacht habe, steige ich immer noch auf, ich höre nie auf. Denn wenn du aufhörst, ist der Zeitpunkt gekommen, dass es kein Leben mehr auf dem Planeten Erde gibt.

rap.de: Kannst du irgend etwas über das Album erzählen? Irgendeine Hauptbotschaft?

Jeru: Die Botschaft ist das Leben und die Liebe. Man muss es wirklich hören, denn viele Lieder sind sehr persönliche Stücke, viele gesellschaftliche Themen…  And it is popping shit, a little bit, you know what I mean! Es dreht sich um alles. Das ist das Leben, Leben ist alles. Leben ist scheiße zu labern, Leben ist cool zu sein, Leben ist dein soziales Umfeld zu betrachten, es ist ausgewogen.
rap.de: Verstehe. Wer hat das Album produziert?

Jeru: Mein Mann Sabor und ich, wir beide haben das ganze Album hauptsächlich produziert, aber das ist nicht wirklich der Punkt, weißt du. Der Punkt ist, ob es dope ist.
rap.de: Ist es dope?

Jeru: Es ist dope! (Lacht) It’s mad dope! It’s dope as the dopest dopest dope you get!

rap.de: Ich werde es mir anhören.
Jeru: Das solltest du! Es wird wirklich verrückt!

        

rap.de: In deinem letzten Interview mit rap.de hast du etwas von deinen Film-Plänen erzählt.

Jeru: Ja, ich mache es immer noch. Arbeite an Drehbüchern, halte es versteckt, aber das Rappen zahlt die Rechnungen. (Lacht)
rap.de: Würdest du dich dann eher als Rapper oder als Künstler bezeichnen?

Jeru: Beides.
rap.de: Cool, dann bedanke ich mich für das Interview…

Jeru: Ich möchte noch was sagen, wie ich es immer mach, wie ich es in jedem Interview mache. Für jeden der das hier auf rap.de liest: Erkenne, dich selbst, sei, du selbst! Kämpf um Individualität! Denn wenn du nicht für Individualität kämpfst, wirst du ein Klon und wenn du ein Klon wirst, heißt das, du hast keinen eigenen Style und wenn du keinen eigenen Style hast, kannst du nichts zur Welt beitragen. Du wirst ein Teil der Matrix, nur noch ein anderer kleiner Punkt. Sei der Störfaktor! Das ist alles, was ich sagen wollte … Und mein neues Album „Still Rising“ kommt am 2. Oktober. Wenn du zu iTunes gehst, kannst du die erste im voraus veröffentlichte Single bekommen. Sie heißt „The Crack“, denn meine Reime sind wie Crack. One hit and you’re feeling down! (Lacht) One Love! Hold it up! Keep the faith! Peace!