Kidz In The Hall

Wie heißt es doch so schön – totgesagte leben länger. So geschehen im Hause „RAWKUS“. Nachdem sie Anfang 2004 durch den Verlust des Vertriebsdeals ihre Tore schließen mussten, sind sie nun zurück im großen Spiel namens Hip Hop.Der erwartete Paukenschlag DES Indi-Labels der 90er blieb bisher jedoch aus.Stück für Stück erarbeiten sie sich nun wieder eine neue Basis, mit einem komplett neuen Artist-Roster, welches sich bei weitem nicht verstecken muss.Ein Teil davon sind Kidz In The Hall, die mit ihrem aktuellen Album „School Was My Hustle“ für frischen Wind in den Hallen des neuen/alten Labels sorgen.
Wir sprachen mit Naledge und Double-O über alte Zeiten, Realityrap und Flyness…

 


Rap.de: Was sind eure Erwartungen für das Album und die Zeit nach der Tour?

Naledge: Dieses Album ist erst der Anfang für unser Movement und Kidz in the Hall als Formation. Wir entwickeln unseren Sound und die Leute lernen uns kennen. Wir sehen jetzt gerade, dass für uns tatsächlich die Möglichkeit besteht, um damit nach Berlin zu kommen, nach Tokio, London, Paris und die Musik dorthin zu bringen. Schließlich ist das Album ja hier gerade erst erschienen, während es in den USA bereits seit letztem Jahr draußen ist. D.h. wir werden das Ding vielleicht noch drei oder vier Monate drüben pushen und uns dann auf hier konzentrieren und anfangen mit dem Naledge Solo und dem nächsten Kidz in the Hall Projekt.

            

Rap.de: Das Album erscheint ja nun auf Rawkus. Gab es andere Labels, die interessiert waren und wie seid ihr letztendlich zu Rawkus gekommen, obwohl ihr aus Chicago seid und Rawkus in New York sitzt?

Double O:Es hat Sinn gemacht und viele Dinge sind einfach irgendwie passiert, bis wir an diesem Punkt waren. Nenn es Schicksal oder Glück, aber die richtigen Dinge sind zur richtigen Zeit passiert. Wir hatten uns mit einigen der großen Labels getroffen und es war auf jeden Fall Interessen da, aber Rawkus kam schnell auf uns zu und es hat eben Sinn gemacht, denn der Name ist ein Synonym für großartigen HipHop und das ist was wir machen wollen.

Rap.de: Werdet ihr mehr als „die neuen Rawkus Künstler“ oder als Gruppe „Kidz in the Hall“ wahrgenommen?

Naledge: Wir sind, wer wir sind und wir gehören auch zu Rawkus. Wir werden schon als die Comeback Gruppe von Rawkus angesehen. Es gibt auch andere die rauskommen werden, aber wir sind jetzt an vorderster Front. Kidz in the Hall ist die Platte die Rawkus offiziell wieder auf den Plan bringt. D.h. es ist ganz natürlich, dass wir direkt mit Rawkus in Verbindung gebracht werden, aber wir haben auch unseren eigenen Stand. Wir kriegen mehr Sachen zu hören, wie – ihr erinnert uns an die „Golden Era“, an Native Tounges, an Gang Starr, an Pete Rock usw. – das kriegen wir mehr zu hören, als alles andere. Trotzdem haftet uns die Marke Rawkus an und wir tragen diesen Stempel.

Rap.de: Reden wir über diesen „Rawkus-Stempel“. Seht ihr euch in der Tradition von früheren Rawkus Künstlern oder seid ihr die neue Era?

Double O: Beides. Ich meine der Name ist ja da und wird auch weiterhin mit seiner Geschichte in Verbindung gebracht. Aber auf der anderen Seite ist das jetzt auch schon eine Weile her und die jüngeren Fans haben nicht unbedingt eine Beziehung zu den alten Rawkus Sachen. Wir müssen also auf jeden Fall etwas Neues beginnen, um die neue Generation von HipHop Fans zu erreichen.


Rap.de: Wo seht ihr eure Position im Game, euren Style?

Double O: On top!!

Naledge: Natürlich wollen wir Platten verkaufen, berühmt und erfolgreich sein, denn so werden ja die Punkte gezählt in diesem Spiel. Auf der persönlichen Ebene geht es aber darum kreativ zu sein und Grenzen zu übertreten. Man will neue Styles kreieren und als Künstler wachsen. Ich will verschiedene Sachen ausprobieren, lyrisch und inhaltlich und einfach vorankommen. Ich will nicht, dass die Leute mich für voraussagbar halten. Es soll nicht von vornherein klar sein, was es bedeutet, wenn Naledge auf einem Track ist. In dem Moment, wenn Leute den Style biten, den ich mache, muss ich etwas Neues bringen. Unterm Strich möchte ich für das respektiert werden, was ich tue und das ist zeitlose Musik. Letztendlich wird uns das helfen eine Fanbase aufzubauen, auf Tour zu gehen und Platten rauszubringen.

Double O: Unsere Nische ist definitiv der Untergrund würde ich sagen. Aber wir wollen den Untergrund an die vorderste Front bringen. Wir versuchen die Brücke zu bauen zwischen Mainstream und Untergrund. Ich glaube, dass ist es was uns ausmacht. Sowas wie Jay-Z mit Pete Rock vermischt, oder Common mit Kanye, Just Blaze mit Talib Kweli – wir versuchen von beiden Seiten was zu haben. Du kannst Naledge auf einem Song mit Clipse hören, genauso wie du ihn auf einem Song mit Lupe Fiasco hören kannst und es wird immer noch cool sein.


         


Rap.de: Journalisten reden immer gern von Gangsterrap vs. Consciousrap. Inwieweit ist diese Unterscheidung für euch bedeutsam?

Naledge: Was ich mache ist Realityrap. Was auch immer meine Realität ist, werde ich dem Hörer geben. Ich glaube viele Leute verstehen nicht, dass Realität nicht eindimensional ist. Meine Realität ist Rassismus und Politik und meine Realität ist auch Trinken und ist auch Ficken. Meine Realität sind viele verschiedene Sachen. Ich wache nicht morgens auf und lese Bücher. Leute bringen das gern durcheinander. Nur weil ich ein ganz gutes Vokabular habe und zur Schule gegangen bin. Es gibt Dinge die passieren, wenn die Schule aus ist und das ist auch ein Teil von meinem Leben. Mein gesellschaftliches Leben ist nicht mit meinem akademischen Werdegang gleichzusetzen. Mancheiner begreift nicht, dass ich darüber dann auch Tracks machen kann, dass ich einen Track machen kann über den Club und im nächsten Track vielleicht versuche die Welt zu verändern. Gleichzeitig möchte ich etwas über mich erzählen und was in meinem Leben passiert. Unterm Strich kann ich nicht Gangsterrap machen, denn ich bin kein Gangster, aber das bedeutet nicht, dass das was ich mache nicht real ist. Andere können das machen und sich damit identifizieren, weil sie das leben. Ich kann mir Rick Ross anhören und ich glaube was er erzählt, weil er wahrscheinlich das tut was er erzählt. Aber ich kann nicht dieselben Sachen erzählen, weil ich das nicht lebe. Deswegen sind meine Sachen aber nicht weniger relevant, nur weil ich nicht über diese Dinge rede bzw. wenn ich darüber rede nicht in der ersten Person. Ich kann über Cousins von mir erzählen, die Weed oder Crack verkaufen, die im Knast waren und ich kann über Freunde von mir erzählen, die angeschossen oder getötet wurden, aber mir ist das nicht passiert und deshalb rede ich auch nicht so als ob. Das heißt für mich die Lücke schließen zwischen Gangster und Conscious, indem man das macht was man als Individuum machen möchte und nicht jemand anderes zu kopieren, nur um Geld zu machen. Das ist unser Punkt.

Rap.de: Findet ihr, dass die erfolgreichen Künstler in den Staaten zum Großteil eindimensional sind, vor allem im Bezug auf Gangsterimages?

Double O: Ich finde nicht, dass alle Künstler unbedingt eindimensional sind, aber das nimmt schon zu. Es gibt einige, die ein bestimmtes Konzept kopieren. Auf der anderen Seite drücken die Medien einen auch teilweise in eine Ecke, wenn man etwas rausbringt. Wenn es dann funktioniert, bleibt man schnell darauf hängen und variiert in Zukunft dasselbe nur wenig, weil es sich verkauft. Insgesamt ist die Industrie in den Staaten nicht so vielschichtig, wie sie mal war. Zumindest die kommerzielle Musik ist nicht mehr so vielseitig. Es ist sehr darauf abgestimmt, was die Leute denken, das sich verkaufen wird.

Rap.de: Durch das „HipHop Is Dead“ Album von Nas ist eine große Diskussion entstanden, in der jeder sich positioniert. Was ist euer Standpunkt?

Naledge: Ich glaube nicht, dass HipHop tot ist. Ich glaube Nas wollte genau diese Diskussion provozieren. Er wollte, dass Leute wie du Leute wie mich fragen, was ich darüber denke, um ein Forum zu schaffen, in dem man darüber redet, was mit unserer Kunstform los ist. Ich denke er hat das Gefühl, die Kunst ist irgendwie dabei Rückschritte zu machen in den letzten Jahren und es gibt nicht mehr so viele Künstler, die es aus Liebe zur Kunst machen. Ich habe dasselbe beobachtet, auch wenn ich noch jünger bin, ist mir klar, dass das was ich auf MTV und BET sehe, wenn ich in den Staaten bin, ganz anders ist als das, was ich gesehen habe als ich klein war. Es gab Gangsterrap, Westcoastrap, South, NewYork, es gab das HipHop Zeug und das flossy und grimy Zeug und alle hatten die gleiche Aufmerksamkeit, gleiche Airplay. Die waren alle bei Majorlabels. Du konntest Wu Tang hören und die Gheto Boys und Dr. Dre und Public Enemy und KRS und Common und das waren alles Majorlabel Künstler, die ein Video draussen hatten und ein Budget hatten. Jetzt ist das nicht mehr so. Die Labels haben nicht mehr soviel Geld und müssen Schnitte machen. D.h. sie müssen sich auf das beschränken, was gerade angesagt ist. Es ist eine schwierige Situation. Aber HipHop ist nicht tot. Ich denke die Industrie ist tot. Der Business Aspekt bedroht die Kreativität. Was wir jetzt brauchen, sind Künstler, die wirklich das lieben was sie machen.

Double O: Die Zeit der Unschuld im HipHop ist tot. Die Zeit, dass es nur aus der Liebe zur Musik heraus entsteht, um Spaß im Park zu haben, oder ein paar 12“ für deine Leute zu pressen und einen Club zu füllen, denn HipHop als Geschäft verdient jetzt sehr viel Geld. Auf der anderen Seite kann man mehr Leute erreichen. HipHop ist jetzt international auf einem fast schon absurden Level. Es ist die Musik der Jugend für so viele Menschen in so vielen Ländern geworden. D.h. auch wenn es teilweise „überbelichtet“ ist, hat das ganze auch viele Vorteile. Man kann nie wissen. Vielleicht kommt der nächste große HipHop Act aus einem anderen Land und wird weltweit groß. Das ist wohl der nächste logische Schritt, denn schließlich gibt es nur eine begrenzte Anzahl von Großstädten in den USA die blowen können, bis der Punkt erreicht ist, wo man sagt: Okay, jetzt haben wir alles gehört. Was kommt als nächstes?


 

Rap.de: Gibt es eine übergeordnete Message in eurer Arbeit?

Double O: Party on!

Naledge: Es gibt nicht eine spezifische Message, die wir als Gruppe transportieren möchten. Es geht mehr um ein Gefühl, dass die Leute haben sollen, jedes Mal wenn sie einen Song von uns hören. Wir wollen, dass sie sagen: Wow, they on that next stuff! This is what is new, this is what is fresh! Wir wollen, dass die Leute neugierig sind, was als nächstes von uns kommt. Ich versuche nicht ein extra politischer Rapper zu sein und dir die ganze Zeit meine Ideale und Meinungen ins Gesicht zu drücken. Ich will nur, dass du über bestimmte Dinge nachdenkst und zwar nicht so oberflächlich. Ich rede auch darüber in den Club zu gehen, aber selbst dann mach ich das mit einer gewissen deepness. Ich rede auch über chicks, aber ich werde nicht nur sagen: Ich mach die klar und das wars. Du wirst die Kleine kennen, wenn ich fertig bin mit meinem Rap. Wenn ich ficke, wirst du wissen wie gut es war. Ich krieg dich dazu, zu sagen: Mann, ich will die kennen lernen! So lebendig ist mein Rap. Wenn ich über etwas schreibe, dann bin ich leidenschaftlich bei der Sache. Sogar wenn ich darüber erzähle, wie fly ich bin, werde ich es so machen, dass du nicht sagst: Hm, das habe ich schon mal gehört – sondern so, dass du sagst: Damn, that is kind of fly!


          


Rap.de: Was würdet ihr am liebsten über eure CD lesen und was würde euch am meisten ärgern?

Naledge: Ich finde es gut, dass wir mit Gruppen verglichen werden, die ich mochte, als ich aufgewachsen bin. Das fühlt sich gut an, wenn Leute sagen: HipHop is back, oder der Rawkusvibe ist wieder da. Ich hasse es aber, wenn gesagt wird, wir imitieren diese Gruppen. Es sind zwei Seiten derselben Medaille, denn wir imitieren diese Gruppen nicht. Wir geben dir vielleicht dasselbe Gefühl, aber wir sind nicht die.

Double O: Ich hasse es, wenn ich bei Reviews das Gefühl habe, die Leute haben sich das Album nicht wirklich angehört. Sie haben nur die ersten zehn Sekunden eines Songs gehört und schreiben: er hat sich wie Kanye angehört. Oder sie hören ein oldschool sample und sagen: Das ist so Anfang Neunziger Sound. Das ist nervig, wenn Leute darüber reden, die sich nicht die Zeit nehmen, sich den Sound und Lyrics wirklich anzuhören.

Rap.de: Mit wem ihr am liebsten mal zusammenarbeiten?

Naledge: Ich würde gern ein Track mit Raphael Saadique machen. Der ist dope. Ich würde gern mit D`Angelo was machen. Wenn er klarkommt, ist auf jeden Fall krass. Common ist wahrscheinlich mein Lieblingsrapper, der mich auch sehr inspiriert hat, also wäre es großartig mal einen Song mit ihm zu machen. Wenn Kanye von seinem hohen Ross kommt, können wir was zusammen machen.

Double O: Ich würde gern mal mit Dre im Studio sein. Jay-Z ist ein großer Einfluss für mich aus der NewYork Richtung. Andre 3000 wäre jemand mit dem ich was Verrücktes machen könnte. Und Björk ist auch jemand mit dem ich gern mal arbeiten würde.


Rap.de: Letzte Frage: Wie wichtig ist der europäische Markt für euch und für Untergrund Künstler aus den Staaten im Allgemeinen?

Naledge: Es gibt hier auf jeden Fall eine eigene Kultur. Die Menschen mit denen ich gesprochen habe, verstehen definitiv was wir machen. Die Leute sind interessiert und das nicht, weil ein großes Label hinter uns steht oder weil es ein tolles Video gibt oder wir in den Charts sind, sondern einfach weil die Musik gut ist. Das finde ich toll. Wir sind irgendwie auf einer Stufe mit den anderen. Das unterscheidet diesen Markt von den USA, denn wie viele Dollar du hast, ist nicht gleichzusetzen mit wie viel Skills du hast.

Double O: Auf dem europäischen Markt gibt es eine Art Qualitätskontrolle, denn es kommt nicht alles raus, was in den Staaten rauskommt. Ich glaube man nimmt sich hier etwas mehr Zeit, um zu entscheiden, ob ein Artist eine Rolle spielt oder nicht. Deshalb mag ich es nach Deutschland zu kommen bzw. nach Europa zu kommen, denn wenn sie dich holen, dann weißt du sie holen dich, weil sie dich wollen. Die können dann meistens Platten zitieren, kennen die Samples, die du benutzt hast oder wissen wo die Drums her sind. Sie verstehen die Anspielungen auf andere Platten, die man macht. Sie wissen einfach etwas mehr, auch wenn sie immer noch wirklich Fans sind. Man kann sich über bestimmte Dinge einfach leichter unterhalten.