Kinderzimmer Productions

Anlässlich der Veröffentlichung ihres neuen Albums „Asphalt“ trafen wir die beiden Mitglieder von Kinderzimmer Productions, Textor und Quasimodo, zu einer angeregten Unterhaltung im Kreuzberger Büro von rap.de. MC Textor ist inzwischen aus dem vergleichsweise beschaulichen Ulm nach Berlin umgezogen, während Quasimodo, der DJ und Produzent der Gruppe, weiterhin die Stellung in der gemeinsamen Heimatstadt hält. Themen des Gesprächs waren natürlich das Album, aber auch die relativ lange Abwesenheit der beiden von der deutschen Raplandschaft und ihre Meinung zum aktuellen Geschehen in Hip Hop- Deutschland

Rap.de: Wenn ich Leuten euren Namen genannt habe, bin ich leider immer noch auf relativ viel Unwissen gestoßen. Stellt euch doch bitte zunächst kurz vor.

Textor: Ich bin Textor, das ist Quasimodo von Kinderzimmer Productions. Wir machen Hip Hop seit ca. – machen wir mal die dicke Nummer – 1988 und was soll man dazu dann noch sagen?

Rap.de: Demnächst erscheint euer neues, siebtes Album. Was ist davon zu erwarten? Wird es vergleichbar mit den alten Alben, oder etwas komplett Neues?

Textor: Die Frage ist, ob es so etwas wie "komplett neu" überhaupt gibt, wenn die selben Personen beteiligt sind. Ich denke schon, dass die Leute, die die alten Alben kennen, auch die neuen Sachen wiedererkennen und niemand das Gefühl hat, dass das jetzt eine völlig neue Band ist. Wir wollen aber auch auf jedem Album etwas Neues probieren, wodurch wir wieder genug Dinge zusammen haben, die rechtfertigen, dass wir eine Platte gemacht haben und nicht einfach nur eine Wiederholung der alten Sachen abliefern. Es ist eher für Leute, die Sachen wie Quasimoto bzw. Madlib mögen, gesampleten Kram, analogen Kram, also weniger jiggy Zeug und club-kompatiblen Kram. Wir haben eine sehr eigenständige Art und Weise zu produzieren und zu arbeiten. Das war würde ich sagen, unsere wichtigste Referenz. Für Leute, die Sachen wie Eric B & Rakim, Run DMC, Public Enemy, Black Sheep oder De La Soul hören, könnte auch unsere Musik etwas sein.

            


Rap.de: In der Zeit zwischen dem letzen Album und jetzt hat man nichts von euch gehört. Wo wart ihr so lange? Was habt ihr gemacht?

Textor: Der normale Ablauf ist, dass man eine Platte veröffentlicht und dann Promo macht. Das ist so der Zeitraum, in dem man am ehesten von einer Band etwas mitbekommt. In dem Zeitraum werden unter anderem auch Interviews und so weiter gemacht, was wir natürlich erlebt haben. Sind dann für drei Wochen auf Tour gegangen und haben noch einige Festivals gespielt. Haben uns anschließend um persönliche Dinge gekümmert, wie zum Beispiel meinen Umzug nach Berlin, der viel Zeit gekostet hat. Waren dann im Studio und haben eine Miss Kenichi-Platte herausgebracht. Haben natürlich an unserem Label weitergearbeitet, was viel Zeit und Energie gekostet, aber auch viel Spaß gemacht hat. Dadurch, dass diese Sache mit Miss Kenichi rein gar nichts mit Hip Hop zu tun hat, haben die Leute, die Kinderzimmer kennen, wahrscheinlich auch weniger wahrgenommen, dass es da etwas Neues gab. Wir haben auch eine Zeit damit verbracht, darüber nachzudenken, ob und wie wir eine neue Platte machen wollen und nachdem klar war, dass wir sie machen wollen, haben wir uns rangesetzt, sie zu machen. Wir haben dann im letzten dreiviertel Jahr mit einem neuen Management, Queen About Music, das ganze Ding auf die Beine gestellt, das heißt sowohl die Platte als auch das Label an den Start zu bringen.

Rap.de: Als ich den Track „Geh Kaputt“ zum ersten Mal gehört habe, fand ich ihn äußerst unterhaltsam. Inwiefern stecken da persönliche Erfahrungen mit drin?

Textor: Man muss vielleicht erklären, wie schreiben bei mir funktioniert. Man läuft, man lebt, man tut, man arbeitet. Dabei passieren einem Sachen oder werden einem erzählt. Nachdem ich hierher gezogen bin, war die Situation, in einem großen Mietshaus zu wohnen, neu. Ich hatte früher keine so direkten Nachbarn, sondern habe eher alleine gewohnt. Jetzt jemanden zu haben, der direkt neben, über und unter mir wohnt, die man alle auch hört, war eine völlig neue Situation und anfangs eher unentspannt. Viele Leute haben mir erzählt, dass sie Probleme mit ihren Nachbarn oder mit Leuten auf der Strasse haben. Irgendwann ging es einfach darum dieses Gefühl zu vermitteln, wenn dir jemand so unglaublich auf die Nerven geht, dass du einfach nicht mehr weiter kommst. Also ein Gefühl bei dem du merkst, dass du, wenn du weniger Impulskontrolle hättest, einfach durchladen und durchdrücken würdest, da das aber nicht dein Stil ist, drehst du dich einfach um und denkst dir deinen Teil. Dieses Gefühl zu vermitteln war der eigentliche Sinn des Songs.

Rap.de: Es sind also mehrere Einzelerfahrungen, die du zu einer neuen Geschichte kombinierst. Ist das auf dem Rest des Albums ähnlich, dass Alltagserfahrungen gesammelt und verarbeitet werden?

Textor: In der Regel ist es so, man geht hin und man erlebt was. Und dann ist es eher so, wie wenn man einen Apfel pflückt, dann noch einen und noch einen, dann wird Apfelsaft draus und wenn du den Saft hast, wird Most daraus und irgendwann brennst du auch noch Calvados. So gesehen ist am Ende von dem ursprünglichen Apfel nichts mehr da. So funktioniert das Texten und Beatsmachen auch bei uns, du erhältst ja nicht die Frucht direkt vom Baum, sondern etwas Konzentriertes und Hochprozentiges.

 


Rap.de: Wie hat das mit der Musik bei euch überhaupt angefangen? Wie kamt ihr überhaupt zur Musik?

Quasimodo: Wir haben schon relativ früh angefangen, erstmal die Musik zu hören. Das war zu einer Zeit, in der Hip Hop in Deutschland überhaupt nicht verbreitet war. Die Musik war uns nicht zugänglich, die ganzen Geschichten wie MTV oder überhaupt Kabelanschluss gab es zu der Zeit noch nicht. In meiner Schulklasse war einer, der viel Kontakt zu GIs hatte.

Textor: Der hat dort Platten und Mixtapes gekauft. Da war viel Miami Bass-Zeug drauf, die frühen Sachen von Luke Skywalker, aber auch Sachen wie Heavy D & The Boys, wobei die für uns wichtigsten Sachen wahrscheinlich Run DMC und die ganzen anderen Sachen aus der aufkommenden New School waren.

Quasimodo: Eine der größten Einflüsse für mich war die Jazzy Jeff & The Fresh Prince-Platte, weil da sehr viel DJ-Technik drauf war, aber keiner so recht wusste, wie die das machen. Ab da ging es dann los mit den ersten Eigenversuchen, wozu dann auch gehörte, arbeiten zu gehen und in Technics zu investieren.

Textor: Man hat hauptsächlich aus Beobachtung heraus gelernt. Man hat gemerkt, es sind wohl 1210er, es funktioniert wohl so, das so.

Quasimodo: Es war dann Neugierde, die den nächsten Schritt zum ersten eigenen Aufnahmesystem angetrieben hat und so kam es dann auch zur ersten Platte.

            

Rap.de: Machen wir einen Sprung von damals zum heutigen Album. Wo seht ihr euch selbst in der momentanen Hip Hop-Landschaft?

Textor: Witzigerweise haben wir sehr viel darüber nachgedacht, wo wir uns jetzt verorten und was Hip Hop 2007 sein soll. Was es uns noch bedeutet, ein Teil davon zu sein oder ob wir überhaupt noch ein Teil davon sind. Wir sind zu der Antwort gekommen, dass Hip Hop einigen grundlegenden Prinzipien folgt und das Hip Hop eine Methode ist. Hip Hop ist nicht das, Hip Hop ist nicht der große Benz, Hip Hop ist nicht die Goldkette. Hip Hop war auch nie der Hosenanzug mit Schlag wie bei der Sugar Hill Gang. Es ist also nicht so wichtig, was du anhast, es ist nicht, was du sagst, nicht wo du herkommst, was ist es dann? Dann kommt es herunter auf mehrere einfache Prinzipien, mit diesen Prinzipien kann man zwar auch andere Musik machen, es muss nicht zwangsläufig Hip Hop werden und diesen Prinzipien sind wir nach wie vor treu. Ich beurteile Musik und natürlich speziell Hip Hop vor dem Hintergrund dieser Prinzipien und dem Gefühl, das mir die Musik vermittelt. Im Moment spüre ich bei anderen Platten, Jazz oder Soul, eher die Energie, die ich brauche, als bei chartrelevantem Hip Hop. Ich habe aber auch kein Problem damit, zu sagen, dass ich zwei Jahre lang nur Jazz oder andere Geschichten höre und mir nur eine Hip Hop Platte im Jahr kaufe statt 20. Ich freu mich dann aber um so mehr, wenn diese eine dann kommt und großartig ist. Insofern gibt es eigentlich gar keinen Grund mehr für uns, uns noch in der Szene zu verorten. Wir hoffen, dass sowohl die Hip Hopper als auch Leute aus anderen Genres davon profitieren oder davon etwas haben und glücklicher werden dadurch, dass es uns gibt. So ist der Ansatz im Moment.

 


Rap.de: Gibt es denn irgendwelche nationalen oder internationalen Vorbilder, nach denen ihr euch orientiert? Quasimoto / Madlib wurden ja bereits angesprochen.

Textor: Ich kann eher sagen, woran wir uns stark orientiert haben. Premier war, wie bei vielen, für die Produktion ein großer Einfluss, für mich war Rakim als MC ein Rieseneinfluss. Und jetzt ist es eher so, dass man zum Beispiel sagt, die Art wie Ron Carter Bass spielt, interessiert mich. Wie kriegt man so einen Bass Sound, wie kann man den vielleicht in die Produktion einbauen oder gewisse Stimmungen und Gefühlslagen, die Leute in Bücher unterbringen, Formulierungen, die sie verwenden, sind so, wie ich sie gerne hätte. Im Ergebnis setzt man sich dann mehr mit Büchern oder anderen Sachen auseinander als speziell mit Hip Hop. Und dann gibt es aber natürlich auch immer wieder eine Hip Hop-Platte, die ist toll. Auf der letzten Method Man zum Beispiel gab es eine Strophe, die er nach einem Prinzip aufbaut, das ich noch nicht kannte. Da sag ich mir dann, das interessiert mich, das schreib ich ab, das will ich wissen.

 Rap.de: Eine Frage, die ich immer wieder mal gerne stelle. Was hört ihr gerade für Musik?

Quasimodo: Abgesehen von Busta Rhymes bin ich mal wieder auf einem sehr alten Trip. Ich hab in den letzter Zeit wieder ganz viel alte Breakbeats gehört, Sachen aus denen Hip Hop ja auch entstanden ist. Das kam teilweise auch durch das Auflegen mit einem guten Kumpel und unserem Tourmanager zusammen, wir sind da unterwegs als Elder Breaksmen. Durch die Arbeit hat es sich stark auf die alten Sachen konzentriert, es sind viele Bob James Sachen. Für mich sind die einfach auch langanhaltend. Das meiste neue was ich mir gekauft hab war ein Aufrüsten von Fehlbeständen. Was Hip Hop angeht und was sicher auch mit unserer Platte “Asphalt” zu tun hat, ist, dass ich wieder ganz viel Run DMC und gerade die “Raising Hell” gehört habe. Die ist viel im Player und funktioniert immer noch. Das ist, was wir vorhin angesprochen hatten, dass es gar nicht so viel Neues gibt, das mir das gleiche Gefühl vermittelt. Wenn ich solche älteren Sachen höre, wird mir richtig warm um´s Herz. Bei vielen der neueren Produktionen fehlt mir irgendwas. Ein Problem, das ich sehe, ist, dass der Durchlauf, der mit dem Musikmachen zusammenhängt, heute wesentlich größer ist als damals. Ich hab auf jeden Fall das Gefühl, dass in Sachen wie Run DMC mehr Stabilität drinsitzt und eine gewisse Klarheit.

Textor: Aber auch eine gewisse Detailverliebtheit. Wenn man Hip Hop hört und bei einem Break denkt, dass da mindestens ein, zwei Stunden Arbeit drin stecken, er aber auch nur an der Stelle kommen kann an der er kommt, man also davon ausgehen kann, dass das ganze Album etwa ein Jahr Arbeit gekostet hat. Bei vielen der neuen Produktionen skippt man einfach willkürlich durch, ruft sich noch entsprechende Künstler für die Features an, das heißt, man muss dann oft nur noch die Hälfte der Texte überhaupt selbst schreiben (lacht).

Quasimodo: Das ist vielleicht aber auch der Punkt, warum eine Veröffentlichung bei uns immer relativ lange dauert. Wir brauchen so eine Reifezeit, weil wir nur so richtig glücklich mit unserem fertigen Produkt werden.

Textor: Wir überlegen schon, ob wir es anders machen könnten oder sollten. Wobei es  natürlich schon schön ist, wenn man im Gedächtnis bleibt und sich nicht fragen lassen muss, was man so lange gemacht hat, aber wie gesagt: Unsere Sachen brauchen Zeit.

         


Rap.de: Marley Marl und KRS One wollen Ende Mai angeblich ihr gemeinsames Album "Hip Hop Lives“ veröffentlichen. Da stellt sich für mich die Frage, ob es wirklich schon so schlecht um die Kultur steht, dass nur noch zwei alte Legenden sie retten können?

Textor: Wir selber haben jetzt vielleicht auch einen falschen Eindruck vermittelt. Es geht nicht darum, zu sagen, dass früher alles besser war. Ich habe KRS One gesehen, als er in Berlin war und mich gefragt, ob er das nötig hat, zu sagen, "Hip Hop Lives“, muss er diesen pädagogischen Auftrag wirklich durchziehen? In diesem Moment, wo er das sagte, standen mehrere hundert Leute vor der Bühne, die sowieso alles auswendig wussten und man sich drauf verlassen konnte, dass Hip Hop stark ist. Für mich war es nie tot, warum also sagen, es lebe wieder? Viele der alten Helden sind vielleicht auch verbittert. Ich glaube zum Beispiel, dass Gang Starr bzw. Premier nie so viel Geld verdient haben, wie sie Einfluss hatten, da haben andere Leute einfach mehr von profitiert, obwohl sie der Sache nicht so viel gegeben haben. Was Hip Hop ja auch, zumindest auf der MC-Seite, bisher nicht geschafft hat, ist nicht Sport zu sein. Rappen erinnert mich sehr stark an Sportlerkarrieren. Man sagt, man ist ne junge Katze mit 18, fängt an zu rappen, ist dann aber mit 30 mit seiner aktiven Laufbahn fertig, dann sind die Knie durch, man wechselt ins Business und macht eine eigene Klamottenlinie oder produziert und macht irgendwie etwas Anderes. Das entspricht aber nicht meinem Musikverständnis, weil in anderen Genres die Leute mit 50 erst richtig gut wurden und ich fand es schade, dass das im Hip Hop anders sein soll. Hip Hop versucht sich quasi künstlich jung zu halten und für immer 19 zu bleiben. Ich bin gespannt, was passiert, wenn die Leute wirklich alt werden und auch keinen Hehl mehr draus machen, also nicht mehr versuchen, jung zu sein, sondern etwas rausbringen, das im allerbesten Sinne des Wortes erwachsen ist. Ich bin gespannt, ob Hip Hop das leisten kann, oder ob die Leute dann vielleicht andere Wege gehen müssen. Aber früher hatte ich auch diesen Impuls, dass man die Kultur unter allen Umständen retten müsse. Jetzt glaube ich, dass man den Leuten Platz geben muss, um sich zu entwickeln. Und wenn sie dann nachher eine Soul Platte aufnehmen, die großartig ist, oder vielleicht ein ganz neues Konzept entwickeln.

Quasimodo: Meiner Meinung nach muss man unterscheiden, ob man sagt, dass Hip Hop tot ist, oder dass Rap tot ist. Zu Hip Hop gehört für mich eher eine Art Gefühl, auf der anderen Seite kann man sagen, ob und wie sich ein Rapkünstler weiterentwickelt, ob er weiterhin gute Platten macht. Ich war jetzt kürzlich auf dem Busta Rhymes Konzert und was die neuen Produktionen angeht, teilen sich klar die Geschmäcker. Live habe ich aber auf jeden Fall festgestellt, dass es Hip Hop hat. Er ist ein grandioser Rapper, ist ein MC, der die Leute im Griff hat, er macht Extremes, ohne eine gewisse Grenze zu überschreiten, die Leute haben Spaß und es war eine Spitzenshow. Und da ist definitiv nix tot. Ob er sich raptechnisch im Vergleich zu früher so stark weiterentwickelt hat, weiß ich nicht, aber ist schon sehr stark und an der Stelle von tot zu sprechen halte ich für einen ganz großen Fehler.

Textor: Was natürlich schon rauskommt ist dieser Pioniergeist, also das Gefühl von damals. Dieses Gefühl, wirklich etwas ganz Neues zu machen, etwas noch nie da gewesenes, das lässt sich nicht mehr zurückholen.

Quasimodo: Das ist bei DJs auch ein ziemlich großes Problem. Es gibt inzwischen DJ-Schulen, die eine bestimmte Technik unterrichten, die wohl auch von irgendwelchen Pionieren verfeinert und entwickelt wurde, aber ich habe bisher kaum jemanden erlebt, der mit dieser Technik tatsächlich musikalisch etwas auf die Beine stellt. Das ist eher ein Battle aus Schnelligkeit, Geschwindigkeit und Technik, die aber mit Gefühl überhaupt nichts zu tun hat.

Textor: Eine ähnliche Entwicklung hat aber zum Beispiel das E-Gitarren spielen auch genommen, ab einem gewissen Zeitpunkt wird es dann einfach Zeit, neue Wege zu gehen, so wie im Hip Hop jetzt auch. Wenn wir jetzt von etwa 30 Jahren Hip Hop ausgehen, befinden wir uns also in der Mid-Life-Crisis (lachen). Es wird immer mehr auf eine Individualisierung rauslaufen, dass man also nicht mehr sagen kann, es ist Hip Hop, sondern es ist der Künstler. Das man sich da mehr entspannen kann und sich meiner Meinung nach KRS One auch mehr entspannen kann.


Rap.de: Nach so langer Zeit im Musikgeschäft: Was hält die Musik – speziell natürlich Hip Hop  – noch spannend für euch?

Textor: Für mich sind das zwei Aspekte, die mich sehr interessieren. Das ist das Rappen, das ich wiederum in zwei Prozesse aufteile. Ich bin kein Freestyler, weshalb ich den Text zuerst aufschreiben muss. Der zweite Prozess ist das eigentliche Rappen, das Performen, dann lerne ich den Text auswendig und steh damit auf der Bühne. Früher war das Schreiben für mich noch das spannendere, während sich das heute gewechselt hat und das Rappen selber immer spannender wird. Und während beider Prozessen gibt es immer wieder Momente, wo man denkt, dass man das auch beim nächsten Mal weitermachen kann und solange dieser Zustand erhalten bleibt macht man weiter, bis man vielleicht irgendwann an den Punkt kommt, an dem man merkt, dass man nichts mehr zu tun hat und dann hört man auf. Ich glaube, das gilt für´s Beats machen genauso. Irgendwann sitzt man wieder vor der fertigen Arbeit und macht weiter dran herum. Dann gibt es natürlich immer auch andere Leute, die einen weiter pushen. Wo man etwas hört, was man noch nicht gemacht hat, aber auch noch erreichen möchte. Es gibt immer jemand, der die Latte irgendwo hinlegt und sagt: Jetzt du. Dann reißt man sie erst fünf mal und beim sechsten mal kommt man drüber und legt die Latte höher.

Rap.de: Du hattest vorhin ja gesagt, dass zumindest andere Musiker mit dem Alter eher besser werden. Wie lange könnt oder wollt ihr den selbst noch?

Textor: Für mich sind in dem Bezug die Rolling Stones ein absolutes Schreckgespenst. Also etwas zu machen, in dem man mit 20 oder 25 großartig war und einfach immer und immer wieder dasselbe zu tun. Während der Körper um einen herum verfällt, solange, bis sie einen von der Bühne kehren müssen (lachen). Ich will bis zum Ende Musiker bleiben, ich habe ja auch Musik studiert. Die Frage ist jetzt, ob ich auch Hip Hop machen werde bis zum Schluss. Das wird dann die Zeit zeigen müssen.

                      

Rap.de: Gibt es schon einen Plan für das Leben nach der Karriere?

Textor: Mich interessiert immer mehr Musik, die zum Zuhören gemacht ist. Hip Hop ist meiner Meinung nach eher Musik, die für Bewegung gemacht ist, also Musik, die einen entweder bewegt oder zu der man sich bewegen sollte. Es gibt wenig Hip Hop, zu dem man sich einfach in einen Sessel setzt, auflegt und sich zurücklehnt. Und je älter ich werde, umso eher möchte ich auch Konzerte und Musik machen, die für diese Art Musik geeignet sind, dass man sich hinsetzt und zuhört. Es sollte weniger darum gehen, dass man abgeht, schwitz, brüllt. Die Leute sollten dasitzen für sich selbst und die Musik für sich selbst aufnehmen und spannend finden. Ich glaube, wir sind auch gerade auf dem Weg, das umzubauen, es kommt immer darauf an, worauf Quasimodo Lust hat, wir haben selten einen genau festgelegten Plan. Meistens entstehen neue Sachen mehr aus dem Gefühl, was wir gerne machen würden.

Rap.de: Könnt ihr so kurz vor dem neuen Album schon irgendetwas sagen, was in der Zukunft passieren wird?

Textor: Das ist natürlich erst mal die Veröffentlichung selbst mit Releaseparty hier in Berlin im Cassiopeia am 15. Juni. Was mich sehr freut, ist, dass Thorsten von den Beatsteaks da mit auflegen wird, das heißt, dass der ganze Indie-Rock, den wir auch haben, vertreten sein wird. Ich bin ja großer Rock-Freund. Im August kommt dann die Tour, die bis in den September reingehen wird. Dann machen wir für drei Wochen Urlaub. Danach machen wir eventuell noch mal zwei bis drei Wochen Tour. Im Sommer spielen wir natürlich auch wieder auf verschiedenen Festivals. Wenn das dann alles gelaufen ist, sind wir wieder auf Punkt null, an dem wir schauen können, was sich ergeben hat, wie die Leute darauf reagieren und dann schauen wir mal, was wir als nächstes machen.

Rap.de: Noch eine dringende letzte Botschaft für unsere Leser?

Textor: Vertrau niemand, der famous last words von sich gibt (lacht) und natürlich niemand über dreißig.

Rap.de: Dann wünsch ich euch viel Erfolg mit „Asphalt“, der anschließenden Tour, aller weiteren Musik und bis zum nächsten Mal.