Dendemann

Es ist eine ganze Weile her, dass wir etwas von Dendemann aka Daniel Larusso aka Volker Racho aka Olaf Mitender gehört haben. Um es genau zu sagen: 3 Jahre. Am 1. September wird sich dies ändern, dann erscheint  "Die Pfütze des Eisbergs", Dendes 2. Soloveröffentlichung. Grund genug, zu hören, was sich in den 3 Jahren getan hat und so trafen wir uns auf dem Sonnendach des Four Music Office bei strahlendem Sonnenschein, reichlich gekühlten Obst und Getränken, mit einem redseligen Dende, der mehr zu erzählen hatte, als wir ihm Fragen stellten. Nach der langen Abstinenz des Hamburger Jung‘ hingen wir natürlich nur zu gerne an seinen Lippen. Lest selbst, was er uns und euch zu sagen hat:

rap.de: Du spielst ja nicht auf dem splash! dieses Jahr. Spielst du dieses Jahr generell keine Festivals?

Dende: Nein, eigentlich nicht. Leider gab es auch beim HipHop Kemp buchungspolitische Schwierigkeiten. (Pause) Naja, mühsam ernährt sich das Eichhörnchen.

rap.de: Man findet von dir auch im Internet fast keine Promotion. Du bist, außer auf deiner minimalistischen Homepage und bei Four Music, so gut wie nicht präsent im Internet. Wie stellst du dir das mit der Promotion, etc. eigentlich vor? Gehst du davon aus, dass du deine Fans hast und nur etwas zu veröffentlichen brauchst, und die kaufen das dann?

Dende: Also ich finde das ist alles noch im Rahmen. Jetzt beginnt erst der Promotion-Zeitplan. Mir wird gesagt: Dann und dann ist die Abgabe der Platte und drei Monate später die Veröffentlichung. Jetzt kommen halt die Interviews, die dann kurz vor Release in die passenden Magazine kommen. Das ist schon das ganz normale marktübliche Timing. Und zur Internetseite: ja Gott, ich finde das spricht irgendwie für sich. Die Leute haben am Ende des Tages ja auch das Gefühl, dass, wenn sie eine Information von mir gekriegt haben, dass sie sich die verdient haben. Die müssen dann einfach hier nochmal ran und da nochmal was nachgucken. Ich finde das ganz spannend, und ich gucke da auch hin und wieder drauf. Und es wird natürlich noch ein richtige Homepage zum Album geben. Aber sonst, ich weiß nicht.

rap.de: Daran schließt die nächste Frage an: Von dir kann man, selbst wenn man intensiv sucht, nichts Privates in Erfahrung bringen. Ist das Absicht oder ist dir das einfach mal egal?

Dende: Ich werde auch wenig Privates gefragt, muss ich sagen. Und wenn mich mal jemand etwas fragt, dann frage ich mich, was der davon haben könnte und denke mir: Nichts, nächste Frage.

rap.de: Wir aber haben uns gefragt was du für ein Typ bist. Zum Beispiel beim Plattenrelease, denkst du da: Das läuft schon, denn ich bin der Dende!? Oder bist du eher zweifelbelastet gewesen, mit der neuen Scheibe auf das momentane HipHop-Publikum zu treffen? Dahingehend kann man sehr schlecht in dich reingucken.

Dende: (längere Pause) Ich bin überhaupt nicht frei von Zweifeln was den Erfolg von so einer Veröffentlichung angeht. Aber da ist wieder die Frage, was denn ein Flop ist. Für die eigene Zufriedenheit gibt es bei jedem Beat, bei jedem Song und jeder Strophe die magischen 99,9%, die es zu erreichen gibt. Und wenn man bestmöglichst an diese Marke rankommt, hat man selbst am längsten was davon. Ich kann mir das Ganze ja auch schön zu Hause ausdenken, aufschreiben und einrappen, aber auf der Bühne merke ich spätestens, dass ich Blödsinn erzähle. Das ist mir zwei bis drei Mal im Leben passiert – und seitdem versuche ich das so gut es geht zu Hause auszuschließen. Also sitz ich da vielleicht auch mal ein halbes Stündchen länger dran.

rap.de: Und deshalb hat es mit der Platte so lange gedauert?

Dende: Die Platte hat so lange gedauert, weil, als ich dann erst einmal drin war, hab ich mich teilweise auch mit so Künstlerquatsch aufgehalten wie: Ich brauche einen Schlüsselbeat, vorher fange ich nicht an! Ich kann zwar die Texte über dies Ding oder das Ding aufnehmen, aber die Erwartungshaltung, dass da an schneller Zufriedenheit irgendwas bei rumkommt – auch von Labelseite aus – oder dass man aufgrund der Quantität vielleicht schneller zufrieden ist, ist falsch. Ich wollte etwas machen, auf Musik, auf die ich vorher noch nichts gemacht hatte. Ich hab mir für das Album Beatverbot erteilt. Das musste sein. Also habe ich mir überlegt, ich muss Leute finden, die meinen Ansprüchen auf Albumlänge gerecht werden. Und dann bin ich vor gut anderthalb Jahren auf die Audiotreats aus Mainz gestoßen. Und da gab es dann zwei/drei Schlüsselbeats, bei denen mir klar war: Die können alles! Denn, wenn die handwerklich und gefühlsmäßig das können, dann können die eigentlich alles. Und es ist schon schwierig, wenn jemand so etwas so gut kann, dann geht es sehr ins Detail, und es ist schwierig meinen Nerv zu treffen, dass ich auch keine Korrekturen mehr will. Es hat also funktioniert. Und als ich dann einmal losgelegt hatte, war ich mehrfach im letzten Jahr in Mainz, um das alles abzusegnen, noch das letzte Stück aufzunehmen und schön das Ding einzutüten. Und immer dann gab es zwei, drei, vier, zehn, fünfzig Beats, bei denen ich dachte: bevor die irgendein Trottel bekommt, kann ich da nicht noch irgendwie schon eine schützende Hand drauf haben.

rap.de: Kannst du da ein Beispiel nennen?

Dende: Mit der Single war es das krasseste Beispiel. Wir hatten alle Mixes abgesegnet, alle Arrangements noch mal angehört, alles fertig: super gemacht Jungs, ab zum Mastern. Ich ruf Busy an und suche einen Zug raus und sag zu Karsten, wenn er noch was da hat, auch gerne von ihm selbst, ich nehme mir das gerne mit nach Hause. Alles, was ich die letzten Monate an Musik gehört hatte waren deren Beat-CDs. Und da war dann der 3 ½ Minuten-Beat drauf. Und dann ging die ganze Scheiße wieder von vorne los.

rap.de: Und warum hast du dir striktes Beatverbot erteilt? Du hast doch schon gezeigt, dass du gute Beats bauen kannst.

Dende: Ich bin ja eigentlich Fan von Rap-Gruppen, wo der DJ dann produziert, und dem dann auch gleich der passende Scratch einfällt, aber so was gibt es ja nicht mehr. Und ich mag diese Beat-Compilations der MC’s nicht, die mal hier einen Beat abgreifen und mal da, und am Ende hat man dann 15 Songs, die im Prinzip aber nichts miteinander zu tun haben, außer das die gleiche Nase darauf reimt. Bei Das Schweigen Dilemma ist mir dann bewusst geworden, dass mein musikalischer Input bei EinsZwo, der dort sehr groß war, mir jetzt beim Selbermachen zum Verhängnis wurde, denn irgendwie wollte ich alleine doch etwas Neues kreieren, doch ich war von der Arbeitsweise so nah dran, an dem, was wir zu zweit gemacht hatten und dachte: Das hört sich ja genauso an. Der einzige Unterschied zwischen der letzten EinsZwo-Scheibe und der Dendemann-alleine-Scheibe war: wieder Soul statt Jazz. Vom Handwerklichen her war es aber genau das gleiche. Man hätte auch meinen können, wir hätten das zu zweit gemacht, aber ich hätte das alleine rausgebracht.

rap.de: Das ist ja sowieso eine sehr gewagte Single. Sie ist für Rap-Musik ja sehr ruhig. Ich hatte mir gedacht, dass sie gut im Radio funktionieren könnte, weil es einfach ein schönes Liebeslied ist. Woher nimmst du in dieser Zeit, in der meist nur harte Beats mit harten Raps ausgekoppelt werden, das Selbstbewusstsein so eine Single zu droppen?

Dende: (überlegt lange) Ähm… irgendwie war es so: Ich kann auf anderen Songs des Albums meine Stärken sicherlich besser unter Beweis stellen oder etwas Dendemanntypisches, Sinnvolles besser präsentieren, aber am Ende des Tages war das das beste Stück und ich musste mich einfach jetzt trauen. Irgendwie war es auch keine zweite Single. Es wusste auch keiner, dass es das Stück gibt. Ich hatte Abgabetermin und alle meinten: So, jetzt hören wir uns alles noch einmal an und entscheiden dann was Single wird. Ich sagte dann: Ich würde euch eine Sache vorher gerne noch zeigen… Die Reaktion darauf war erst einmal: uh! Und dann haben wir ein Strichliste gemacht. Jeder konnte seinen Lieblingssong nennen und es hat auch jedes Lied mindestens einen Strich bekommen, was mich sehr beruhigt hat. Im Endeffekt kam ich aus der Sache aber nicht mehr raus. Mir wurde allseits freundlich an Herz gelegt, wer so ein Lied macht, muss sich auch trauen es auszukoppeln. Und ich finde auch, es ist irgendwie das beste Lied. Bester Beat, bester Refrain, beste Wortspiele. Und so mutig fand ich es auch gar nicht.

rap.de: Du würdest also bestätigen, dass du als Künstler schon ein ausreichend großes Selbstvertrauen hast?

Dende: Ich krieg ja auch auf der Internetseite mit wie die Reaktionen auf manche Sachen sind. Und dann stellst du so ein todsicheres Ding wie „Er so, Ich so“ ins Netz und bringst einige Fans zum Verzweifeln, weil die meinen, der Beat sei eine Parodie auf aktuellen HipHop, obwohl ich den jederzeit mit Handkuss nehmen würde. Erstens ist das ein Cover vom Original und zweitens ist das genau mein Sound, so will ich Musik machen. Der Spagat zwischen damals und jetzt, der funktioniert doch. Also man trifft da vor allem bei den jüngeren Fans auf Widersprüchlichkeiten, die ich überhaupt nicht prognostizieren kann. Da benutzt du einen Nico Suave-Scratch und da kommt die Beschwerde: warum rapt der Typ denn nur einen Satz? Da weiß man dann nicht wie weit man ausholen soll, um das zu erklären oder halte ich mich mal wieder raus und schreibe den nächsten Download-Track über das Thema oder so. Aber das ist ja auch gar kein Vorwurf, das ist halt eine ganz andere Zeit.

rap.de: Ich denke, dass genau dieses Raushalten dir am Ende den Respekt bringt, den du auch nach wie vor hast. Ich erinner mich an das Konzert Anfang des Jahres in Berlin. Das war ein unglaubliches Konzert.

Dende: Ja, das war unglaublich!

rap.de: Wir standen alle vorher da und dachten, gerade in einer Stadt wie Berlin: Hoffentlich wird es schön! Wir hatten alle Schiss, ob es wirklich voll wird, usw. Und dann war die Bude rammelvoll und alle sind übermäßig abgegangen. Ich hatte auch das Gefühl, dass dir das ungeheuer gut getan hat.

Dende: Ich fahre immer mit der gleichen Skepsis los. Jedes Mal. Und immer nach zwei Minuten frage ich mich: Wie blöd kannst du eigentlich sein? Das ist doch jedes Mal so in Berlin. Ob Beginner-Tour, oder EinsZwo-Tour, jedes Mal. Es ist in Berlin, von dem was zurückkommt, auf der ganzen Tour, eigentlich immer das Krasseste. Jedes Mal rechnet man mit dem Schlimmsten und wird belohnt mit der größten Liebe, mit einer Euphorie, bei der man sich fragt: Gibt es bei euch sonst kein HipHop? Man kommt sich vor, als würde man in ein Dorf fahren, wo einmal im Jahr etwas stattfindet, und das bist du.

rap.de: Auch auf der J-Luv-Tour bist du trotz Curse und Tefla&Jaleel, etc. bei den Fans das Highlight gewesen. Wie war das nach dem letzten EinsZwo-Release mit dem Zuspruch der Fans? War der durchgehend gut oder gab es da auch schlechte Phasen?

Dende: Ich kriege das ja immer nur mit, wenn es etwas gibt, also Konzerte oder Reaktionen auf irgendwelche Features oder Download-Geschichten. Ich kann das alles aber nicht so richtig werten. Früher hattest du noch Hater im Forum. Die Leute haben aus Langeweile in Foren von Bands, die sie nicht mochten, Scheiße gepostet. In meinem Forum sind nun aber nur Leute, die mich eigentlich mögen, und deren Enttäuschung, über bestimmte Bandauflösungen oder musikalische Entscheidungen kann ich nicht so richtig einordnen. Es ist immer so, dass einem positiven Post ein negativer folgt und umgekehrt. Die Download-Tracks wurden mit sehr viel Dankbarkeit aufgenommen und die Konzerte, egal in welchem Kaff, egal wie promotet, eine Anzahl von dreihundert ist verlässlich da und freut sich. Schon seit langem teste ich jeden neuen Text live, also kennen die Leute, die auf den Konzerten waren im Prinzip schon das Album. Die Leute kriegen zwar meistens nur einen neuen Text auf irgendeinen Ami-Beat, aber die Songs funktionieren von der Resonanz her trotzdem wie ein alter EinsZwo-Gassenhauer. Bei den Mitmach-Dingern ist es so, dass spätestens nach der zweiten Wiederholung das Ding so gut funktioniert, als hätte es dazu eine Single und ein Video gegeben. Wie zum Beispiel bei „Hört nicht auf“ oder „Sachmagehtsnoch“.

rap.de: Das liegt aber auch an den Texten. Ich könnte mir ungelogen auch ein A capella-Album von dir kaufen. Es gibt ja Leute, bei denen steht und fällt das Ganze ausschließlich mit einem gewissen Entertainment, einer gewissen Rolle, die vermittelt wird. Wenn man bei dir auf einem Konzert ist, dann achtet man immer darauf, das man auch ja keine einzige Zeile verpasst, von dem was du sagst.

Dende: Das war tatsächlich bei den EinsZwo-Auftritten so. Da wir mit Fettes Brot auf Tour waren, waren wir für viele Fans der Hauptband erst einmal Zeitverzögerung. Trotzdem gab es da immer drei so Roughnecks im Publikum, die das Demo hatten, die dann Punchlines mit Szenenapplaus gefeiert haben. Die standen dann mit verschränkten Armen da und zwinkerten mir zu wenn ihre Line kam. So nach dem Motto: „Ich ahn dich!“. Ich bin ja gerne im Studio, so Beats bauen und Texte schreiben, denn das ist mir mit der Zeit immer leichter gefallen, je weniger ich von mir selbst verlangt habe, was Neues zu erfinden. Ich mache gerne Alben, denn man kann dort auch so viel ausprobieren. Und ich find mich auch gut da drin. Ich weiß, dass ich die besten Texte schreibe, und mit Betonung und so weiter auch immer besser vorgetragen kriege. Aber live fühle ich mich zu Hause. Und wenn ich das Aussterben einiger Leistungsträger mit einbeziehe, dann finde ich mich einfach mal am besten. Ich finde, ich bin am verständlichsten, hab den gleichmäßigsten Druck, hab die besten Ideen. Ich sag das jetzt einfach mal so: Ich finde mich live am besten!

rap.de: Ja, und nicht nur live, du beeindruckst mit deiner neuen Scheibe ja auch wieder immens. Wir haben uns die Frage gestellt, ob du dir dieser Voreiterrolle auch bewusst bist, denn du bist ja nun auch schon für drei, vier Generationen HipHop da.

Dende: Dazu fällt mir was ein aus einem gestrigen Interview ein. Da sagte man mir, dass die Platte richtig gut geworden war, und das reichte mir dann nicht mehr. Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Und dann fragte ich ihn, ob die Platte denn gut genug sei. Daraufhin fragte er: Wofür? Und ich sagte: Für das, was ich vorhabe. Und er: Was hast du denn vor? Und ich: Naja, (Pause) ich will nach oben! Und er: Das weiß ich nicht.

rap.de: Eigentlich geht es doch bei dir um oben bleiben, oder?

Dende: Nee…

rap.de: Also ich denke, in deiner Liga bist du oben.    

Dende: Naja, ich hab ja alle Schulterklopfer, die ich wollte, gekriegt. Ich mach das ja schon eine Weile. Es hat sich ausgeprobst. Ich will jetzt nach oben!

rap.de: Was heißt denn das genau? Verkaufszahlen?

Dende: Verkaufszahlen sind ja immer relativ, weil man sich nur mit den anderen misst.

rap.de: Also eine eigene große Tour vielleicht?    

Dende: Naja, das wird es ja alles geben. Also, es gibt nur einen relevanten Einstiegsplatz für die Platte. Und den Pressetext für die Single habe ich aus Zeitdruck selbst geschrieben. Und der erste Satz lautet: Ein fast schon schlauer Mann hat einmal gesagt: Du kannst den Dende ausm Rap holen, aber nicht den Rap ausm Dende. Das hab natürlich wegen der Single geschrieben, aber auch weil ich gemerkt habe, dass alles, was ich noch so musikalisch vorhabe, auch wenn ich mich auf den Kopf stellte oder Deichkind elektromäßig alt aussehen ließe, es würde immer noch unheimlich viel HipHop in allem stecken. Das ist schon ein ganz schöner Freiraum für mich als Künstler. Das wird immer da sein und manchmal neige ich ja auch dazu HipHop zu personifizieren und ich denke er wird es mir nicht verübeln, egal, wohin es mich musikalisch verschlägt. Ich hab ihm zwischendurch auch hin und wieder mal Gutes getan und deswegen bleibt er mein Kumpel, aber ich wechsele die Stadt. Wir können ja Kontakt halten, per Email oder so, oder wir telefonieren. Wir können uns auch besuchen. Aber wenn es um imaginäre Plattenregale geht, steh ich genauso gerne zwischen Azad und Sam wie zwischen Grönemeyer und Wir sind Helden. Ich hatte immer Fans aus der (in 10 „Gänsefüßchen“) Spex-Leser-Fraktion, also Leute, die sich für deutsche Musik interessieren und bei EinsZwo fündig geworden sind. Also meinetwegen können alle kommen: Oma, Opa, Kind und Kegel, da hab ich keine Angst vor. Das ist mein Ziel.


rap.de: Und gesetzt den Fall, die kommen nun nicht?

Dende: Da stellt sich ja die Frage: Wann ist es ein Flop? Wann ist man enttäuscht? Was ich wollte, war ein tolles, vielseitiges, modernes, deutschsprachiges Album machen. Ich wusste, ich brauchte auf HipHop keine Rücksicht nehmen. Er würde sich schon irgendwie einmogeln. Das da jetzt soviel drin ist, das hätte ich am Anfang eh nicht gedacht. Und dass es klanglich doch so nah an dem ist, was ich sonst auch schon gemacht habe, da muss ich sagen: Man hat halt seinen Geschmack. Als die ersten Produzenten mich fragten, was ich den wolle, weil mir das alles noch nicht gefiel, sagte ich: Mach doch mal Flat Eric-Rap. Also richtig stumpf. Ist nun leider gar nicht so richtig dazu gekommen. Irgendwann hab ich das Album von dem Typen mal gehört, und festgestellt, dass das ja ein Rap-Album ist, nur die Singles waren halt so …. Also, ich bin, auch wenn die nicht alle kommen, mit dem Album zufrieden.

rap.de: Gibt es Momente, in denen du auch richtig beschissen getextet hast? Was war dein schlechtester Reim?

Dende: Meine größte Fehlentscheidung, vom Missverständnis her, war aus „Aha“ „ich mach zwar welchen, aber hör keinen deutschen Rap“. Und das kriege ich halt immer nur in Interviews korrigiert. Da merke ich erst was für einen Schaden ich angerichtet habe. Das komplette Lied ist aus der Rolle eines Underground-Nerds geschrieben, der 13“ Vinyl braucht, um sich zu entfalten, der einen SB 12000 zu Hause hat und dessen Homies meinen, er sei fast besser als Sam, was ungefähr die zweitschlimmste Zeile ist. Und dieser Satz mit „Ich mach zwar welchen, usw.", der das Grundproblem deutschen HipHops ist, den ich in anderer Leute Interview so oft gelesen haben und den ich nur zitiert habe, auf den werde ich nun angesprochen, warum ich keinen deutschen Rap höre.

rap.de: Und, hörst du nun deutschen Rap?

Dende: Also die Line war auf einer Platte, bei der wir uns sogar selbst übertroffen haben mit Zitaten anderer Rapgruppen, wo jeder, der ein bißchen Plan hat, weiß, das kann man sich nicht antrainieren, diese Scratch-Geschichten. Das hat man im Kopf und nicht im Plattenschrank. Das funktioniert nicht so viele A capellas zu durchforsten, bis man so einen Scratch-Refrain wie „Bombe“ oder „Vatertag“ irgendwann einmal zusammengebastelt hat. Das hab ich im Kopf, das läuft assoziativ und irgendwann steht das. Ich suche sicherlich den ein oder anderen auch noch mal, doch wie ich letztens gefragt wurde, warum auf der neuen Platte so viele Scratch-Zitate von wirklich alten deutschen Platten sind, ja, weil mir da die Texte eben noch parat sind.

rap.de: Den Vorwurf mit dem „ich mach zwar welchen, etc.“ hat Jan Delay dir ja nun im JuiceInterview schon abgenommen.

Dende: Ich hab davon gehört. Jan Delay ist auch die meist genannte Person in den Interviews bisher.

rap.de: In deinen Interviews?

Dende: Ja, immer so: Ja ich hab ja mit Jan Delay gesprochen, und der macht ja jetzt auch was ganz anderes. Also, als wenn da immer noch Eißfeldt auf der Platte stehen würde. Und dann halt: Ja, der geht ja auch weg vom HipHop. Und ich dann: Beruhigt euch, wenn der eine Beginner-Platte macht, dann wird der auch wieder HipHop machen.

rap.de: Das meinte ich gar nicht. Mir ging es um den "Ich mach zwar welchen, aber…"-Satz.

Dende: Naja, ich hör ja auch fast keinen deutschen Rap mehr, und die Zeit, in der die Promos im Briefkasten lagen ist auch vorbei. Ich hab auch ganz bewusst die letzten zwei Jahre nur hier und da mal eine aktuelle Rapscheibe gehört. Meistens ist es, wenn ich Lust habe Musik zu hören wie Fernsehen gucken oder noch halt einmal die gleiche Sitcom. Und dann nehm ich lieber noch einmal die gleiche Sitcom, da weiß ich was ich hab. Dann hab ich halt lieber noch mal Masta Ace oder Jay-Z gehört, auch wenn die Platten fünf Jahre alt waren.

rap.de: Also soviel zu den Einflüssen deinerseits?

Dende: Also wenn man auf Nummer sicher gehen will, dann sind das Blueprint oder das Black-Album immer noch Dinger, auf denen ich fündig werde. Denn ich habe natürlich überlegt, wie ich sein will, wenn ich mich noch einmal ganz neu vorstelle, auch einem Publikum, dass überhaupt keinen Plan hat, wer ich bin. Ich kann teilweise nicht einmal mehr die Nummer mit dem Talkshow-Video bringen. Da fragen die: Welches Talkshow-Video? Der hat früher immer gezogen, bei jedem Taxifahrer (lacht). Also musste ich mir überlegen was ich anders machen will. Tja, reimmäßig würde ich bei mir von den Werten her nicht großartig was verändern. Um die Verständlichkeit habe ich mich zwischen den EinsZwo-Alben gekümmert, also die Anzahl der Silben an der Musik zu orientieren. Wieviel Rap will denn der Beat? Was noch? Ausdruck? Ja! Wenn ich die alten Sachen höre, dann denke ich: sauber gearbeitet, fehlerfrei vorgetragen, doch wo ist das Gefühl? Das ist zwar gute Handarbeit, aber gerade so Leute wie ein Eminem zwischen dem ersten und dem zweiten Album, da hast du den Eindruck, wenn der etwas über Schmerz, über Glück oder über Rausch erzählt, hätte der für den Zeitpunkt zu dem der das geschrieben hat, so einen Freeze-Button, mit dem der das Gefühl festhält, und beim Vortragen nach Belieben wieder rausholen kann.

rap.de: (Es kommt jemand von Four Music und will bei Dendemann mit einem Maßband den Brustumfang messen) Warum messt ihr den Brustumfang?

Dende: Darf ich nicht erzählen, ist fürs Video.

rap.de: Demnach willst du auch nichts über das Video erzählen?

Dende: Nein.

rap.de: Weil?

Dende: (fast schelmisch) Es ist zu groß. Es ist zu dumm. Ich kann dazu nichts sagen. Das funktioniert nur, wenn man es sieht und sich dann denkt: Der hat nicht alle Latten am Zaun! Ich wollte nur noch kurz sagen: Deswegen habe ich mich so sehr um den Ausdruck gekümmert. Da ist sicherlich noch Platz nach oben, aber es ist schon sehr viel besser geworden.

rap.de: Das fällt vor allem bei „Er so, Ich so“ auf, wo du ja zwischen zwei verschiedenen Stimmlagen ständig wechselst!

Dende: Ja, ich hab ja einen sehr geringen Sprechanteil in diesem Rap, und das musste ich irgendwie kenntlich machen. Es musste klar sein, wann er dran ist, dass mir das nicht auch noch in den Mund gelegt wird.

rap.de: Hast du auch die Diskussion um diesen Titel vefolgt? Mit den Vergleichen zu früher und so?

Dende: Nee, nicht so richtig.

rap.de: Naja, es war alles dabei, von „hat mir früher besser gefallen“ bis „das ist heute fetter“.

Dende: Ich hab zwei Einträge gesehen, ich glaub sogar auf eurer Seite. Da sagt jemand: Ey, ich hass den Typen, aber das ist geil! Und der andere: Ich bin eigentlich voll der Kanacke, aber das ist geil!

rap.de: Das ist eigentlich die Antwort, die wir die ganze Zeit gesucht haben: Bist du ein Typ mit so krassem Ego und Selbstvertrauen, oder bist du eher der, der zu Hause sitzt und einen Schulterrüttler braucht mit „Das wird schon Dende!“.

Dende: Ja, weder noch, das ist irgendwo dazwischen. Also „die Spitze des Eisbergs“ ist genauso wie „das Glas ist halbleer“, die typische Pessimistenfloskel, und vom Aggregatzustand aus betrachtet wäre „Die Pfütze des Eisbergs“ die dazu passende Realistenfloskel. Alle kochen nur mit Wasser und am Ende des Tages muss jeder aus diesem Wasser die etwas bessere HipHop-Suppe kochen. Und ich hab Omis Geheimrezept und alle anderen sind Topfgucker.

rap.de: (alle lachen) Das wird schon, da hab ich keine Sorgen.

Dende: Also ich kann ja niemanden bekehren.

rap.de: Doch eben schon. Unbewusster Weise.

Dende: Jahrelang predige ich doch schon die Koexistenz von Straßen- und Studentenrap, und komischerweise neigen gerade die Rap-Fachmedien das zu gebrauchen, zu genießen und dann doch in die Einseitigkeit zu verfallen. Du liest halt Plattenkritiken von Demos, die anfangen mit: Eigentlich bin ich kein Freund dieses nachdenklichen Raps. Da fragt man sich doch was das für einer ist, der meint so etwas als ersten Satz in eine Demo-Kritik zu packen. Was erwartet mich da jetzt? Wann kommt das aber? So wie: Aber das hier ist echt ganz gut gemacht.

rap.de: Mir persönlich war deine Einstellung zum Beispiel auf dem Sleepwalker-Song „Jeder hat seinen Jargon“ ein Vorbild, wie open minded man mit den verschiedenen Arten von Rap auch umgehen kann.

Dende: Das ist immer eine Frage des Wie, und im Namen des deutschen HipHops, lasst uns doch bitte soviel Schubladen aufmachen wie es geht, wenn wir uns schon eingestehen müssen, dass wir in ihnen denken. Und zwar so, dass die Schubladen sich gegenseitig wieder auffressen, dass der Schrank so ätzend voll ist, dass es keinen Unterschied mehr macht.

rap.de: Ich würde dir aufgrund deines Einflusses, den du haben kannst, dadurch, dass du wirklich etwas transportierst in deiner Musik, schon eine Vorreiter-, bzw. Vorbildrolle zuschreiben. Siehst du das selber auch so?
 
Dende: Es gibt sicherlich einige allgemeingültige Aussagen über deutschen HipHop von mir, die in eine Richtung gehen, die mich als sehr glücklich und stolz darstellt, Teil einer Bewegung gewesen zu sein, die von den Kinderzimmern, von den HipHop-WG’s ins Goethe-Institut, ins Reclam-Heft und in die Spex kam. So, dass den Leuten, die damit eigentlich Berührungsängste haben, aufgefallen ist: Kacke, da geht zu viel. Was macht den ein Samy Deluxe mit der deutschen Sprache? Wie drückt der sich denn aus? Und dann noch in diesen Reimen! Der spricht ja nur in Hauptsätzen! Und was macht dieser Dendemann mit Worten? Was ist denn das? Da hab ich wirklich Stolz entwickelt. Und dann hab ich mich auch ein bißchen torchig gefühlt und gedacht: Ich muss auf das Baby jetzt ein bißchen aufpassen. Wenn du so oft danach gefragt wirst und zum Meinungsbilder wirst, dann kannst du den Leuten auch deine Meinung in den Mund legen. Teilweise funktioniert das dann und man fühlt sich dann auch ziemlich torchig dabei! So ein bißchen Vater-mäßig. Und wenn man HipHop fragen würde: „Mensch, wie hättest du es denn gern?“, dann würde er sagen: „Tobt euch aus!“

rap.de: Bist du sicher?

Dende: Ja, unbedingt! Er würde sagen: „Macht doch was ihr wollt mit mir, aber was nett wäre, wenn ihr mal berücksichtigen könntet, dass, bei dem Ganzen, was ich euch an Styles, Skills und Flows, usw. mit auf den Weg gegeben habe, ihr euch bitte Originalität ganz oben auf die Flagge schreibt! Seht doch bitte zu, dass, wenn ihr eine schlechte Kindheit hattet und aus einer dreckigen Gegend kommt, und nicht so richtig wisst was in der Zukunft bei euch abgehen soll, dann macht bitte diese Art von HipHop. Genauso aber auch alle Strebernasen aus einem guten Haus: Ihr habt auch das Recht HipHop zu machen. Und seht bitte zu, dass sich das auch in eurer Musik wiederspiegelt. Und letztendlich mag ich keine Wiederholungen! Wenn es geht, dann bitte nicht immer das Gleiche erzählen, sondern vielleicht auch mal eine eigene Version aus etwas machen.“ Das würde HipHop sagen.

rap.de: Aber meinst du denn, dass HipHop aufgrund der aktuellen ständigen Wiederholungen bereits verärgert ist?

Dende: Wenn, dann ist er nur sauer auf die Leute, die es nicht merken. Auf die Leute, die das alles einseitig konsumieren und sogar anfällig für die Wiederholungen sind, weil es sich ja gewohnter anfühlt. Der Mittelstandsrap war sehr sprachverliebt und hat auch den mehrsilbigen Reim auf ein Level getrieben, wo wirklich der eine oder andere deutsche Dichter mit den Ohren schlackern würde. Und irgendwann ist diese Art zu reimen – und ich möchte niemandem Respekt zusprechen, der das von uns hat – als Stilmittel auch im eigentlich dokumentarischen Straßenrap angekommen. Jetzt ist aber wieder dieses „Ich mach zwar welchen, aber hör keinen“-Problem da. Du kannst dir heute Alben von deutschen Gangsta-Rappern anhören, und kannst sagen: „Aha, Fettes Brot, Blumentopf, Kinderzimmer.“ Die Doppelreime kannst du so durchgehen, und wenn man nur ein bißchen von der HipHop-Geschichte mitgekriegt hat, dann sind da jetzt schon, nach nur zehn Jahren, Wiederholungen, die eigentlich nicht sein sollten.
 
rap.de: Ich sehe jetzt schon die Kommentare für genau diese Aussage.

Dende: Die Leute würden sich ganz schön hassen, wenn sie wüssten, wie viel sie sagen, was vor zehn Jahren schon irgendeine Müsli-Gruppe gesagt hat.

rap.de: Das wird eine schöne Diskussion geben.

Dende: Ist aber so.

rap.de: Hat sich im Laufe der Jahre dein Songwriting dahingehend stark verändert? Denn du musst ja nicht nur immer wieder neue Themen suchen, sondern auch neue Reime. Ist das Schreiben nicht schwerer geworden? Wenn dir nur ein Reim einfällt, von dem du weißt, dass es ihn schon gab, benutzt du ihn dann trotzdem?

Dende: Also ich weiß, es gibt von den Broten schon Fußgänger-Bluessänger. Die hatten: „Wir machen in der Fußgängerzone Stopp, die Leute halten uns für Bluessänger ohne Job.“ Und ich hab „Fußgänger auf Radwegen“ und „Bluessänger auf Abwegen“. Das ist für mich eigentlich schon kurz vor dem No No.

rap.de: Das könnte auch eine Hommage sein.

Dende: Nee, damit kommst du nicht durch. Ich sag ihnen aber Bescheid, dass ich einen bei ihnen abgegriffen hab. Und dann sagen die halt: „Naja, wir haben auch letztens gemerkt, wir haben da irgendwie einen von dir…“. Eigentlich ist das Reimen immer nur leichter geworden, auch wenn objektiv weniger Material zur Verfügung steht. Aber das haben einige Leute natürlich dreist aufgebrochen, es geht nur noch um die Vokale. Früher hat man auch noch auf die Konsonanten geachtet. Und vor allem gibt es nicht mehr das Phänomen, dass der Reim schon dasteht und man den Inhalt drum herum strickt. Ich schreibe einen Satz auf, den ich so sagen möchte, und den zweiten, der dann sowohl dazu passt, als auch sich achtsilbig darauf reimt, den finde ich dann schon. Kompromisse existieren eigentlich nicht mehr. Ich schreibe schon sehr viel flüssiger als früher.

rap.de: Weil du auch selbst nicht mehr so auf die Konsonanten achtest?

Dende: Also ich achte da schon auf eine gewisse Sauberkeit, denn der Reim soll ja nicht den Einfallsreichtum darstellen, sondern einfach gut klingen. Und bei der Ideenfindung kann ich sagen, dass es zwei Arten von Themen gibt. Einmal die Themen, die keiner macht außer ich, wie in „T-Shirts“ oder „Omi aus dem ersten Stock“ oder wie in „Nichtschwimmer“. Es denken halt alle: Ich halte mich doch nicht mit solchem Blödsinn auf. Und dann gibt es die Themen, die jeder schon hatte, wie keine Zeit, kein Geld, wo dann für mich das Wie zählt. Die bearbeite ich dann dendemäßig, und komme auf Vergleiche, die sonst noch keiner hatte.