Jan Delay

New Dance Freunde! Mercedes Dance – unter der Leitung von Herrn Jan Delay. Sucht euch doch bitte schon mal einen Tanzpartner und positioniert euch! Die HipHop-Puristen sind herzlich zum Mitmachen eingeladen, dürfen sich aber, bei Nichtgefallen, auch für einen Moment am Rande aufstellen. Wenn dann jeder seinen Platz eingenommen hat, können wir ja beginnen…

Jan Delay über Funk und HipHop und Style, musikalische Transformation … irgendwie so …


rap.de: Zu aller erst muss ich dir mal sagen, deine Platte hat mich in gewisser Hinsicht verstört. Und das Wort, welches mir am Ende dazu eingefallen ist, wäre: unfassbar. Man kann es vielleicht vergleichen, mit einem Film, der einen irgendwie so teast, dass man nach Verlassen des Kinos nicht sofort darüber sprechen kann.   

Jan Delay: Ist das jetzt positiv oder negativ?  

rap.de: Es ist schon positiv. Aber ich hab mich die ganz Zeit gefragt, wie ich für das Interview den Bogen kriege – von der Platte zu Rap und HipHop!  

Jan Delay: Nee, gar nicht. Das Einzige, was ich dazu sagen kann, ist, dass von all den Musikstilen und Ideen und Flashes, die es auf der ganzen Welt gibt, ist HipHop, auch wenn man das nicht hört und nicht wahrnehmen kann, die, die am größten vertreten ist, auf der Platte. Einfach nur deshalb, weil alles, was ich jemals an Musik machen werde, es immer so machen werde, wie ich es kennengelernt hab – und das ist HipHop. Auch wenn ich mit zwanzig Musikern dastehe und ihnen Arrangements vorsinge oder sage wie das alles laufen soll, dann habe ich keine Noten im Kopf, sondern mein Logic-Fenster. Und ich denke in Loops. Wenn wir aufnehmen, dann nehme ich Takes, die die Musiker niemals nehmen würden, weil es an einer Stelle irgendwie nicht passt. Aber im Kopf habe ich das dann schon geschnitten, wie die es nie spielen würden, aber wie ich es vom HipHop her kenne. Und dann sagen die Musiker auch, dass das geil klingt, obwohl sie es nie so spielen würden. Deshalb ist HipHop einfach das Grundrezept, das man jedoch nicht hört. Wie das Mehl im Brot, das du ja auch nicht schmeckst.(lacht)  

rap.de: Ich könnte mir auch gut vorstellen, und das ist auf keinen Fall böse gemeint, dass du bei dir da oben in Hamburg sitzt und dich einfach nur darüber freust, dass deine Platte die Menschen verwirrt und du, obwohl dein aktueller Release nicht nach HipHop klingt, in den HipHop-Magazinen immernoch die fettesten Interviews und Cover bekommst.  

Jan Delay: Naja, also lachen auf keinen Fall, denn ich will die Leute ja auch nicht komplett verschrecken und verärgern, aber eine gewisse Freude ist da schon, denn in bestimmten Momenten, habe ich einfach gemerkt, dass das, was ich da mache geil ist. Denn, wenn es mich so wegburnt, dann weiß ich, dass mit dem Sound was geht, denn ich kenne meinen Musikgeschmack, und ich weiß wie er auf die Masse wirkt, weil ich damit 10 Jahre Erfahrung habe. Das, was du gerade beschrieben hast, das war vielleicht beim ersten Jan Delay-Album… ach nee, da auch nicht – da hatte ich ja die Single vorneweg. Also ich mache Musik nach dem Motto "Ist der Ruf erst ruiniert, lebts sich gänzlich ungeniert." und seit dem Nena-Cover, hab ich mir so viel anhören müssen. Seitdem kann ich machen, was ich will. Und ich glaube, das mittlerweile auch der Letzte weiß, dass er bei mir mit allem rechnen muss. Deshalb kann ich auch niemanden mehr verschrecken, und ich habe nie daran gedacht. Weißt du was ich meine?  

rap.de: Ja, auf jeden Fall! Wer dich schon mal auflegen gesehen hat…  

Jan Delay: Genau, genau, ich versuch halt nur den Punkrock aufrecht zu erhalten, wenn ich zur Fusion fahre. Und wenn ich dann da was von Flaggenverbot lese, dann hole ich mir halt ein Deutschlandtrikot, gehe raus und schreie Deutschland! Deutschland! Das ist dann noch der Moment, in dem ich mir einen lache und in dem ich das dann auch absichtlich mache. Da freue ich mich dann wirklich zu verschrecken. Da geht es dann aber darum, Scheuklappen aufzubrechen, denn mit sowas habe ich ein Problem. Das ist das Gleiche, wie damals mit der HipHop-Reichhaltigkeit mit Graffiti, Breakdance, Rap. Keine Drogen, zieht euch alle Turnschuhe an, und das muss alles so und so sein, und Zulu Nation und so. Wenn man dann mit einem Experimentierflash und einer Band kommt, bringt das dann auch Spass. Aber da bleiben mir eigentlich nur noch weniger Felder, in denen ich mich dahingehend betätigen kann. (lacht)  

rap.de: Ich habe mir mal Gedanken darüber gemacht, wo dein Weg in Zukunft hinführen könnte, und ich bin da auf drei verschiedene Möglichkeiten gestossen. Und ich würde von dir gerne mal wissen, welcher es denn am Ende vielleicht sein könnte. Der erste beginnt beim HipHop, geht über Reggae und Funk, über Dixieland und endet beim Jazz. Der zweite Weg beginnt natürlich ebenfalls bei HipHop, geht dann über Reggae und Funk zu Baile-Funk zu Miami Base und dann zu irgendeiner x-y-Form von Techno. Und der dritte Weg geht dann aber von HipHop über Reggae und Funk und endet wieder im HipHop.  

Jan Delay: Meinst du mit "enden" die nächste Platte?  

rap.de: Ja genau. Oder halt dein nächster musikalischer Schritt.  

Jan Delay: Naja, zunächst einmal hast du den nicht so beachteten Weg der elektronischen Instrumentalmusik beiseite gelassen. Aber La Boum z.B.  ist auch schon wieder sechs bis sieben Jahre her. Also für mich als DJ geht es jetzt in die Richtung HipHop, Pop, Reggae, Funk und Rock. Hören tue ich momentan eigentlich nur Rock. Ich kann es zwar selber kaum glauben, aber es ist wirklich so. Und wenn ich etwas so extrem höre, dann folgt daraus eigentlich immer, dass ich damit dann irgendetwas mache.  

rap.de: Also kann man schon fast die "Befürchtung" haben, dass du und HipHop zwei Sachen sind, die getrennte Wege gehen?  

Jan Delay: Nein, auf keinen Fall. Auf keinen Fall! Also erst einmal kommt davor noch eine Beginner-Platte, und für den Fall, dass die Platte ein voller Erfolg ist, dann muss ich den ganzen Mainstream-Scheiß, den die Platte mit sich bringt, egal wie gut sie auch ist, auch erst einmal wieder abschütteln. Und dazu muss ich mich hinsetzen und schreiben, und natürlich auch über die eventuellen Hörer lachen wollen. Und da geht nichts besser als so eine wütende, schreiende, pöbelnde Punkrock-Platte. Im Moment hab ich da einfach nur Bock drauf.  

rap.de: Aus welcher Szene kam bisher eigentlich das beste Feedback für die Platte?  

Jan Delay: Das ist ja gerade das Ding an dieser Platte, dass ich das nicht sagen kann. Ich kann das meinen HipHop-Leuten vorspielen, ich kann das Elektro-Techno-Typen, oder alten ehrwürdigen Musiker-Füchsen, oder Udo, oder egal wem vorspielen. Es flashen echt alle drauf. 

rap.de: Der Song, welcher mich am meisten, lass mich mal sagen verschreckt hat, ist "Für Dich", das Liebeslied. Da ist Folgendes passiert: Ich hatte plötzlich aus ganz verschiedenen musikalischen Epochen, ganz viele verschiedene Gesichter als eine Art Film vor meinem geistigen Auge – und mit Verlaub, teilweise ganz schreckliche. Das beginnt mit Money Mark und endet dann aber auch bei Leuten wie Peter Maffay 

Jan Delay: Nee Nee, das ist Rio Reiser.  

rap.de: Ja, das weiß ich. Ich sprech da eher wie von emotionalen Sequenzen, verstehst du? Oder lass es z.B. Diana Ross oder so gewesen sein… 

Jan Delay: Ja, das ist gut…  

rap.de: Ich hab auch gesehen, wie Dieter Thomas Heck dich in seiner Hit-Parade ansagt…  

Jan Delay: Ja, das hat mein Kollege DJ Koze auch gesagt. Er meinte: Jan, ich hab Angst. Ich seh dich jetzt in riesigen Hallen und komme nicht mehr an dich ran. Da musste ich schon derbe lachen. Also das mit Dieter Thomas Heck, das ist mir schon klar. Das ist dann der Mainstream, den ich dann abschütteln muss. Aber letztendlich hab ich da Bock drauf. Ich bin ein Pop-Schwein und ich hör solche Musik. Und ich feier gerne voll auf Phil Collins wie kein Anderer, und ich höre gerne "Beautiful" von Christina – da kriege ich Gänsehaut. Oder "Kiss From A Rose" von Seal. Ich finde so etwas großartige Musik, und ich wollte so etwas auf meine Art auch machen, denn es ist ja im Endeffekt immer noch ein dicker Beat dahinter. Ich weiß, welche Gefahr das mit sich bringt. Das habe ich ja bei "Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann" kennengelernt. Ich weiß jetzt einfach wo meine Schlupflöcher sind, wie ich mich ganz schnell verpissen kann. Deshalb sehe ich sowas auch ganz locker.  

rap.de: Hast du nicht trotzdem noch ein wenig Angst davor, dass die Platte als etwas gehuldigt wird, was du so nicht beabsichtigt hast? Nämlich als Pop, obwohl du dem Funk huldigen willst?  

Jan Delay: Nee, nee, nee, ich sehe die Platte als reine Pop-Platte. Auf jeden Fall.  

rap.de: Also betrachtest du Funk als Pop?  

Jan Delay: Also HipHop ist auf jeden Fall Pop. Sie ist die meistverkaufteste Musikrichtung der Welt, sie ist mehr Pop als alles andere. Aber eben im positiven Sinne. Ich mag das. Ich bin so. Ich mag schöne Melodien und eingängige Hooks. Ich flash da drauf, obwohl ich auch weiß, was Müll ist. Für mich gehört halt auch die Seele dazu. Wenn Pop und Seele zusammenkommen, dann bin ich am Start. Ich bin der größte Madonna– und Prince-Fan gewesen, als ich klein war. Die waren für mich die Welt.  

rap.de: Stehst du immer noch auf Madonna?  

Jan Delay: Also seit der letzten Platte nicht mehr – wo sie dieses Anti-Bush-Video hatte… und dann doch lieber wieder nicht, so von wegen: "Tut mir leid, ich mag doch Soldaten und Krieg auch, und ich mach für euch ein neues Video, und deswegen kommt mein Album auch zwei Wochen später raus, weil da ist ja noch der Che Guevara drauf, weil dieses Rebellentum ist wohl der neueste Shit und so." Und da hab ich so abgekotzt! Und seitdem bringt sie auch nur Aktionen, die ich peinlich finde. Aber bis dahin war ich auf jeden Fall auch immer noch Madonna-Fan.  

rap.de: Könntest du deine Platte in Bezugnahme der Begriffe "Style" und "Respect" beschreiben?  

Jan Delay: Hm, wie meinst du denn das? Also ich glaube sie hat Beides!  

rap.de: Kannst du das vielleicht ein bißchen ausschmücken, von wegen: Respekt zu Künstlern, wie… und Style, in Bezug auf das und das…?  

Jan Delay: Letztendlich ist "Style" das Wort, welches die Platte umschreibt wie kein zweites auf der ganzen Welt! Das Album ist meine Auffassung von Style – und der Respekt gebürt all jenen, die mich dahin gebracht haben. Denn den Style hab ich mir natürlich nicht ausgedacht, da bedient man sich links, rechts, oben, unten und überall, und saugt alles auf wie ein Schwamm. Und in Bezugnahme der eigenen Person, des eigenen Umfeldes und der eigenen Vorlieben schafft man dann seinen eigenen Style. Aber wenn man den nötigen Respekt nicht zollt, dann kann man sich einfach mal verpissen! Das ist genauso wichtig, wie der Style. Das Geben ist genauso wichtig wie das Nehmen. So läuft ja auch HipHop ab, so ist HipHop aufgebaut. Es saugt sich alles von überall rein und gibt dafür den Respekt zurück. So habe ich HipHop kennengelernt, und so wird es für mich auch immer bleiben.  

rap.de: Du hast ja vorhin von Koze gesprochen. Der hat sich ja einen Text von sich – "Schweine Reime" – quasi als Hörspiel einlesen lassen, von Max Goldt. Wenn du mal einen Text einlesen lassen wölltest, welcher wäre das dann – und von wem?  

Jan Delay: Dieser Wunsch ist gerade in Erfüllung gegangen. Die deutsche Synchronstimme von Eddie Murphy hat mir etwas eingesprochen, was auf der Jan Delay-Homepage zu hören ist.  

rap.de: Wie kam es dazu?  

Jan Delay: Wir brauchten halt jemanden, der den Spot spricht und der Sprecher der Stimme, die wir eigentlich haben wollten, die von Kiefer Sutherland in "24", wollte für einen Satz 5900 Euro, und der von Eddie Murphy wollte halt nicht so viel. Ansonsten würde ich Helge Schneider jeden meiner Texte in eigener Interpretation lesen lassen.  

rap.de: Warum hast du dich eigentlich für den Albumtitel "Mercedes Dance" entschieden? Steht das "Mercedes" für Phatness?  

Jan Delay: "Mercedes Dance" ist halt erst einmal ein Wortspiel. Der Mercedes wird als das Ultimum betrachtet, als das Beste. Also der Mercedes unter den Dance-Platten. Nur leider gibt es in Deutschland nicht einmal einen Fiesta als Dance-Platte. Das ist die erste Dance-Platte und gleich ein Mercedes, also ist die Meßlatte gleich ordentlich hochgelegt.  

rap.de: Wenn man deine Interviews liest, egal wann und zu welcher Platte, dann endet das sehr oft damit, das über früher gesprochen wird. Ist das so, dass die Leute das immer und immer wieder von dir wissen wollen, oder sprichst du einfach nur gern darüber? 

Jan Delay: Also ich spreche nur über das, was du mich fragst. Das sollte dir als Interviewerin ja bewusst sein. Das liegt ja nicht an mir, sondern an den Journalisten.  

rap.de: Ich denke, dass du aber auch einfach gerne über früher sprichst.  

Jan Delay: Nee, nee, auf keinen Fall. Ich denke, das kommt vielleicht daher, dass ich zum Beispiel bei Style und Respect einfach von einer anderen Zeit reden muss! Wenn ich die jungen Leuten erreichen will mit etwas, sodaß sie sich auch für etwas interessieren, dann mach ich das, weil ich denke, dass zu der Zeit zu wenig darüber geredet wird. Dann muss ich wie zum Beispiel bei der letzten Jan Delay-Platte über die Siebziger reden. Über den Terror und über Leute, die einfach auf alles geschissen haben, die ihr Leben für Leute geopfert haben, die gar nichts hatten. Oder jetzt eben, was es damals auch noch für schöne Musik gab. Die besten deutschsprachigen Sänger waren in den Siebzigern Udo LindenbergRio Reiser und Nina Hagen, und ich will den Leuten einfach etwas aus der Zeit vermitteln, weil mir das persönlich auch eine Menge gegeben hat. Ich hoffe, dass das für viele auch ein großer Flash sein kann. Und da setzen die Journalisten halt auch an und fragen nach.  

rap.de: Ja, aber irgendwann landen die Gespräche dann auch immer dabei, wie das nun mit den Beginnern angefangen hat… usw…

Jan Delay: Ach so, genau, ja sorry. Es kommt halt noch dazu, dass ich das schon sehr lange mache und schon viel mehr erlebt habe, als Andere, und dass die Journalisten mit mir über viel mehr reden können, als mit denen, die das nicht mitgemacht haben.  

rap.de: Aber würdest dir nicht manchmal wünschen, auch gerade weil du so viele verschiedene Projekte veröffentlichst, dass du als unbekannter Künstler, ohne den ganzen Background, deine neuen Sachen vorstellen könntest?  

Jan Delay: (lacht) Auf keinen Fall! Das wäre schrecklich! Das würde ja auch bedeuten, dass ich gar nicht die Erfahrung hätte, die ich gemacht habe. Ich kann die Platten auch immer nur so und immer so geil machen, zu dem jeweiligen Zeitpunkt, weil ich die Fehler und all die geilen Sachen, die ich schon gemacht habe, auch schon getan hab.  

rap.de: Dadurch bist du ja aber auch immer dem Vergleich zu früher ausgesetzt.  

Jan Delay: Das ist mir egal, aber ich würde mir auf keinen Fall wünschen immer neu anzufangen. Das Wissen und die Erfahrung sind so viel wert, das kann nichts aufwiegen!