Florian Gaag

Im April ging in Berlin das Rhythm Of The Line HipHop-Filmfestival ziemlich erfolgreich über die Bühne. Gezeigt wurden Filme, welche die vier Elemente von HipHop in all ihren Facetten beleuchteten. Nicht minder erfolgreich bahnte sich ein Film – „Wholetrain“ – seinen Weg nach ganz vorn, welcher bereits auf der Berlinale sein Debüt feierte (Pressezitat: „Einer der besten Beiträge der diesjährigen Auswahl.“), und gleichfalls im Rahmen des besagten Festivals gezeigt und gefeiert wurde. Die Idee zum Film, vor allem aber die Kraft, dieses Projekt auch in Tat umzusetzen, hatte Florian Gaag, der das Handwerks des Filme Machens an der Tisch School of Arts in New York erlernte und dies für sein Spielfilm-Debüt mit dem ihm ebenso eigenem Handwerk des Graffiti Malens in Verbindung brachte. Er hat das Drehbuch geschrieben, Regie geführt, die Musik gemacht und den Film mit seiner Firma, Aerodynamic Films, koproduziert. Mit ihm im „Boot“ saß eine Hand voll junger Nachwuchs-Schauspieler, mit CEMNOZ, WON, NEON, PURE und CIEL populäre Vertreter der Grafitti-Kunst, eine gehörige Portion Idealismus und der Support von Goldkind Film und der ZDF-Redaktion „Das Kleine Fernsehspiel“. Wie der Name „Wholetrain“ schon vermuten lässt, handelt es sich um einen Film, rund um das Thema Writing.

Was für DJs der Sound, für MCs die Lyrik, für Tänzer der Vibe: Das ist für Writer Farbe an Wänden. Und es ist bei Weitem keine so platte Attitüde wie der, von mir geschriebene letzte Absatz argwöhnen lässt – auch wenn Graffiti in den Köpfen vieler Menschen schlicht als Vandalismus stattfindet. Tatsächlich ist es Kultur und ein Teil der Kunstgeschichte – und vor allem Leidenschaft.

rap.de: Versuch doch mal Folgendes zu erklären: Die meisten Graffiti-Writer, die ich von früher kenne, sind früher oder später Grafiker oder Ähnliches geworden dadurch. Wie kommt es, deiner Meinung nach, dass du jetzt ausgerechnet beschließt Regisseur zu werden?

Florian Gaag: Das ist eine gute Frage. Ich glaube, dieses Interesse am Film oder am Filme machen war bei mir einfach immer schon da. Das hat sich einfach so entwickelt.

rap.de: Vielleicht aber im Hinterkopf schon mit dem Gedanken spielend, einmal einen Film machen zu können, der sich wiederum mit Graffiti auseinandersetzt?

Florian Gaag: Nein.. Das stand so nicht wirklich im Vordergrund.

rap.de: Aber haben sich die beiden „Steckenpferde“ irgendwie ergänzt? Gerade durch deine Studien-Zeit in New York?

Florian Gaag: Irgendwie schon. Ich hatte da ein Dokumentarfilm-Projekt mit und über die ganzen Oldschool-Graffiti-Pioniere, die Jungs quasi, die das Alles Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger Jahre gestartet haben. Und was ich dafür gefilmt hatte, habe ich dann in der Schule als Projekt mit eingebracht. So kam übrigens auch der Kontakt zum ZDF. Ich hatte ein Treatment dieses Projekts an den Sender geschickt und ein Redakteur vom „Kleinen Fernsehspiel“ fand das sehr interessant und hat mich eingeladen nach Mainz zu kommen. Ich hatte in der Zwischenzeit schon das halbe Drehbuch zu „Wholetrain“ geschrieben und ihm das auch noch mitgebracht, falls er daran Interesse haben sollte. Und ich muss sagen, die Jungs vom „Kleinen Fernsehspiel“  waren auch die Ersten, die an das Ganze geglaubt haben. Die Idee hat denen sehr gut gefallen und wir konnten uns darauf einigen, das Ding zu machen. Das war kurz umrissen die Entstehungsgeschichte zum Film.

rap.de: Ich habe mir bei der Recherche für dieses Interview mit dir ein paar Pressestimmen und Zitate herausgeschrieben, über dich oder deinen Film. Ich würde ein paar auswählen und hätte gern, dass du jeweils etwas dazu sagst.

Florian Gaag: Okay.

rap.de: Zu folgender Aussage konnte ich keinerlei Erklärung finden: „Mit viel Herz taucht der Erstlingsfilm von Quereinsteiger Florian Gaag mit seinen Figuren gemeinsam in die Nacht, die ihnen ihr Leben bedeutet – in der dann aber auch […] unverhoffte Nachtseiten zum Vorschein kommen.“ Was sind denn unverhoffte Nachtseiten?

Florian Gaag: Wahrscheinlich meint er damit einfach die zweite Ebene der Geschichte. Dass da eben nicht alles nur Fun und Game ist, sondern die Geschichte auch eine tragische Komponente hat.

rap.de: Aber „Quereinsteiger“ entspricht doch auch nicht der Richtigkeit.

Florian Gaag: Das verstehe ich auch gar nicht. Das scheinen sie einfach nur von irgendwo übernommen zu haben. Genau wie der Ort der Handlung immer München ist, haben sie sich irgendwie scheinbar darauf geeinigt, dass ich ein Sprüher bin, der jetzt auch Filme macht.

rap.de: Die nächste Rede: „Fern von Romantisierung einer Subkultur […].“ Kannst du das so abhaken?

Florian Gaag: Romantisierung hat für mich etwas Negatives, weil das ja eine einseitige Darstellung ist. Ich habe mir jedenfalls Mühe gegeben, dass der Film die Realität so authentisch wie möglich wiedergibt. Aber natürlich feiere ich die Kultur auch. Das möchte ich auf keinen Fall leugnen. Und das ist dann klar eine Herzenssache.

rap.de: Dann war da noch ein Zitat, welches mir unangenehm aufgestoßen ist: „Für David, Tino und Elyas ist es die große Leidenschaft, für uns sind es häufig nur Schmierereien.“

Florian Gaag: Aha, also vorher ist es wohlwollend und dann…

rap.de: Ich finde diesen Satz völlig fehl am Platz, als Erklärung für solch einen Film. Schon allein dieses Festlegen darauf, dass das Alles ja in Wirklichkeit nur Schmierereien sind.

Florian Gaag: Also ich habe ja auch ein paar Stimmen zu meinem Film gelesen. Nicht viele, aber vielleicht drei bis vier Texte – und manchmal finde ich diese sehr merkwürdig. Sie gehen nicht in die Tiefe, sind oft recht oberflächliche Kurzbeschreibungen.

rap.de: Es gab aber auch sehr positive Kommentare. Auf der anderen Seite heißt es nämlich auch in einem Berlinale-Text: „Einer der besten Beiträge der diesjährigen Auswahl“.

Florian Gaag: Das freut mich zum Beispiel wahnsinnig!

rap.de: Hat dein Film in diesem Rahmen der Berlinale eigentlich Preise eingefahren?

Florian Gaag: „Wholetrain“ ist ja „nur“ ein Debüt-Film. Das Alles ist leider völlig absurd. Es gab in diesem Jahr zum ersten Mal auf der Berlinale den Preis für den besten Debütfilm. Die Sektion aber, in der ich gelaufen bin heißt „Perspektive Deutsches Kino“ und  ist die einzige Sektion, die davon ausgenommen war – völlig unerklärlicher Weise.

rap.de: „Wholetrain“ lief doch aber auch in der „14+ Sektion“

Florian Gaag: Stimmt, aber das ist die so genannte Cross-Sektion, die gab´s auch zum ersten Mal. Filme, die da übergreifend reinkommen, qualifizieren sich auch nicht für den Preis. Ich möchte natürlich schon schauen, dass ich noch in ein paar andere Festivals reinkomme und vielleicht hier oder da noch etwas mitnehmen kann. Und ein paar Leute sind auch bereits auf mich zugekommen, weil sie meinen Film zeigen möchten. Zum Beispiel wurde ich nach Südafrika eingeladen und auch nach New York. Ich hoffe jetzt einfach, dass da ein paar Dinge passieren.

rap.de: Was war eigentlich der erste Gedanke, als du angefangen hast das Drehbuch zu schreiben?

Florian Gaag: Du meinst, was meine Intention war und wohin ich damit will?  

rap.de: Nicht unbedingt. Ich meinte wirklich den Ursprung. Welcher Part der Story oder des Filmes stand als Erstes?

Florian Gaag: Ich habe mit der Racking-Szene, so wie sie am Anfang zu sehen ist, begonnen. Das war auch im Kopf meine erste Szene. Da werden ja alle Charaktere zusammengeführt. Das war für mich der Ursprung: Wer sind die Protagonisten, und wie kann ich sie am Anfang zusammenführen, um die Geschichte einzuleiten?

rap.de: In wievielen Teilen ist der Film fiktional oder aber auf Realität basierend?

Florian Gaag: Der Film ist kein 1:1 autobiografischer Abriss. Aber es sind natürlich viele Elemente enthalten, die ich so oder so ähnlich erlebt habe.

rap.de: Musstest du jemals Graffiti wegmachen? Also abschrubben oder übermalen?

Florian Gaag: Ja, das musste ich auch einmal machen.

rap.de: Übel. Wie ging es dir dabei?

Florian Gaag: Beschissen. Ich habe mich auch geweigert, und es wurde Ungehorsams-Arrest gegen mich verhängt (lacht). Ja, das war eine ganz beschissene Nummer!

rap.de: Dazu passend auch gleich mal noch ein Zitat: „[…] schließlich steckt darin eine große Portion seines Lebens.“ Hatten wir ja vorhin schon mal, aber ist für dich sicher auch gut zu wissen, dass Leute das so wahrnehmen.

Florian Gaag: Ja, natürlich ist das gut.

rap.de: Wenn man Pressetexte liest oder aber den Abspann vom Film, hat man auch das Gefühl, dass du alles weitestgehend selbst gemacht hast.

Florian Gaag: Für den Film jetzt dummer Weise nicht mal, und ich bereue das zutiefst, aber ich hab es nicht machen können. Alles in Allem hatten wir einfach richtig viel Stress. Jeden Tag parallel Proben, während die Züge gemalt wurden – und das habe ich dann eigentlich auch gerne den anderen Jungs überlassen, denn ich habe bestimmt seit vier oder fünf Jahren kein Bild mehr gemalt.

rap.de: Dennoch musstest du den Soundtrack auch noch selbst in die Hand nehmen. Wie ist das: Brauchst du Stress?

Florian Gaag: (lacht) Nee, aber ich brauche Spaß – und das hat mir viel Freude gemacht.

rap.de: Aber jetzt mal Hand auf´s Herz: Am Ende war es schon auch so, dass du einfach nichts abgeben wolltest?

Florian Gaag: Doch schon. Ich hätte auch Vieles lieber abgegeben – ich habe zum Teil auch mit anderen Leuten gearbeitet, aber war oft nicht so zufrieden mit den Ergebnissen. Und so habe ich dann meinen Beat dazu gebastelt und fand, das würde besser passen. Und das hat mir dann auch Spaß gemacht.

rap.de: Die Lyrics hast du vielleicht auch noch geschrieben?

Florian Gaag: Soweit bin ich nicht gegangen. Ich habe mit den MCs telefoniert, und ich habe jedem Einzelnen dann immer den jeweiligen Clip geschickt, für den der Track bestimmt war, und dazu noch ganze DinA4-Seiten, was ich mir inhaltlich vorstelle:  Worum es geht, in der Szene, was der größere Bogen ist und was ich mir wünschen würde. Und ich finde, es sind extrem gute  Lyrics geworden.

rap.de: Okay. Dazu hätte ich noch ein Zitat: „[…] ein famoser Soundtrack […].“

Florian Gaag: Ahhh, das geht runter wie Butter und Öl zusammen!

rap.de: Ich mache noch ein paar weitere Zitate?

Florian Gaag: Ja, hau raus. Die sind echt interessant!

rap.de: „[…] authentisch. Dieses Wort ist hier Befehl […].“

Florian Gaag: Freut mich sehr (lacht)! Ja, schöne Sache!

rap.de: „[…] kein 08/15 produzierter Schnellschuss.“

Florian Gaag: Das freut mich noch mehr, weil das stimmt!
 
rap.de: Gab es diesbezüglich Zweifler?

Florian Gaag: Ich glaube, von den Leuten, die ihn nicht gesehen haben, schon. Es gibt ja in der Szene wahnsinnig viele Hater und Zweifler.

rap.de: Es gibt ja gerade auch einige Filme in diesem oder zumindest ähnlichem Genre.

Florian Gaag: Ja. Aber ich habe, gerade auch aus der Szene extrem gutes Feedback bekommen. Writer, die „Wholetrain“ gesehen haben, sind zu mir gekommen und haben mir gesagt, dass sie der Film wirklich berührt hat. Die meisten Leute haben mir gesagt, dass der Film einfach Soul hat –  Das fühlt sich schon sehr gut an.

rap.de: Gab es Negativ-Kommentare, weil du das Thema auf ein so populäres Level bringst?

Florian Gaag: Klar. Sehr viel. Vor allem im Vorfeld – ohne dass die Leute den Film gesehen hatten. Es gab sehr viele Zweifel und Misstrauen. Sehr viele Leute können sich einfach nicht vorstellen, dass man einen Film in dieser Größenordnung oder Dimensionen drehen kann, ohne ihn kommerziell zu machen. Also ich glaube, es will in die Köpfe von vielen Leuten nicht rein, dass man so etwas auch durchziehen kann und dennoch einen straighten Film abliefert. Von den Leuten, die „Wholetrain“ gesehen haben, habe ich überhaupt nichts Negatives gehört. Meine Schauspieler zum Beispiel kommen aus den verschiedensten HipHop-Ecken, und aus deren Umfeld selbst kamen die größten Zweifler und Hater. Die haben nun den Film gesehen und auch zugeben müssen: „Es ist alles gut. Perfekt!“. Die erkennen sich sogar selbst wieder.

rap.de: Gab es Momente, in denen du dir gedacht hast, du kriegst das Film-Projekt nicht durch?

Florian Gaag: Ständig. Ich hab natürlich immer weiter gemacht und daran geglaubt, aber es gab so viele Momente, wo das Ding zu kippen drohte, weil plötzlich das Geld wieder ausgegangen ist. Dann mussten wir wieder abwarten, und gucken, dass wir neues Geld kriegen. Dann konnten wir nicht schneiden, weil kein Geld da war… Es war bis zuletzt ein großer Hindernislauf. Wir hatten auch keine Drehgenehmigungen von den Verkehrsbetrieben. Allein da eine Lösung zu finden hat ungefähr ein Jahr gedauert. Wir wurden überall geblockt. Die Bahn hat sogar damit gedroht, allen europäischen Verkehrsbetrieben Bescheid zu sagen, dass wir nie und nimmer eine Drehgenehmigung bekommen. Das war ein langer,  langer Prozess. Wir hatten Location-Trips, nach Budapest und Prag… Da waren wir eine Woche, sind herumgefahren, haben fotografiert und schon festgelegt, wo die Szenen spielen, und haben in letzter Sekunde dann doch noch eine Absage von diesen Städten bekommen. Das war echt eine Odyssee, bis es dann in Warschau geklappt hat

rap.de: Was denkst du, warum, trotz offensichtlichen künstlerischen Hintergrunds, da keinerlei Einlenken zu Stande kam?

Florian Gaag: Weil sie Angst vor den Konsequenzen haben. Es ist durchaus vorstellbar, dass der Film Leute animiert – das ist ja nicht so abwegig.

rap.de: Das stimmt wohl, aber auf der anderen Seite hat der Film ja auch einen aufklärenden Charakter und stellt Graffiti ebenso als Kunst dar.
 
Florian Gaag: Aber so sehen das die ignoranten Verkehrsbetreiber nicht. Interessant wiederum ist, dass ich auch Feedback von wahnsinnig vielen Leuten bekomme, die sich so noch nie Gedanken darüber gemacht haben und komplett kopflos an Tags und Pieces vorbei fahren. Von deren Seite habe ich in letzter Zeit oft gehört, dass die das Alles jetzt mit anderen Augen sehen. Sie nehmen die Kultur ernster und das ist eigentlich sehr schön! Das ist natürlich eine Reaktion, auf die ich es abgesehen hatte. Nämlich, dass man diese Kultur einem Außenstehenden auch näher bringen kann, oder dass die Leute dazu animiert werden, nicht nur mit Ignoranz oder Desinteresse an einem Tag oder Piece vorbei zu gehen, sondern dahinter auch die Menschen und das Größere und Ganze zu sehen.

rap.de: Was, glaubst du, war es letztendlich, was Warschau davon überzeugt hat, etwas zu machen, was sonst niemand gemacht hätte?

Florian Gaag: Es war auch mit denen ein langer Kampf. Es hat irgendwie funktioniert, über eine Connection zu einem Freund, mit dem ich studiert habe – ein Pole, der nach Warschau zurückgegangen ist. Über ihn  bin ich Kontakt gekommen, mit einer polnischen Service-Produktion, die für uns die Produktion in Polen durchgeführt hat. Und die hatten wiederum einen sehr guten Draht zu den Verkehrsbetrieben. Was soll ich sagen… eine organische Geschichte, die sich glücklicher Weise so entwickelt hat. Wir durften aber auch zum Beispiel nirgends den offiziellen Namen der Zug-Company zeigen. Nur unter derartigen Voraussetzungen hat das dann am Ende funktioniert. Aber das hat Alles sicherlich nichts damit zu tun, dass das jetzt ganz große Freunde der Graffiti-Kultur sind. Ich bin auch gespannt, wo das noch hinführt, denn im Oktober kommt der Film in Polen ins Kino. Ich bin gespannt, ob es da Proteste oder so was gibt.

rap.de: Apropos Überzeugungsarbeit: Ich hab einen Artikel gelesen, da ging es hauptsächlich darum, dass sich Mike – einer deiner Darsteller – bei einer Szene irgendwie mehrfach auf die Fresse gelegt hat und seine Hand blutet. Es ist der letzte Drehtag und Mike ringt mit seiner blutenden Hand. Alles will nicht so recht klappen. „[…] Da schickt Florian plötzlich das Dreh-Team aus dem Raum, lehnt sich zu Mike und spricht leise auf ihn ein. Ein, zwei Minuten lang. Dann nickt Mike langsam – und beim nächsten Durchlauf funktioniert die Szene auf einmal.“

Florian Gaag: (lacht) Geil, wo hast du das gelesen?

rap.de: Ich kann mich nicht mehr genau erinnern. Das war irgendeine Münchner Zeitung. Aber sag mal, was hast du dem denn da gesagt?

Florian Gaag: Weiß ich ehrlich gesagt gar nicht mehr.

rap.de: Schade. Das hätte mich interessiert, weil das total heroisierend rüber kommt.

Florian Gaag: Ja, Filme machen ist schon psychologische Kriegsführung an allen Fronten. Ich weiß aber ehrlich nicht mehr genau, was ich da gesagt habe.

rap.de: Wie bist du eigentlich vorgegangen, bei der Auswahl, sowohl der Writer, wie auch der Artists, die spielen?

Florian Gaag: Also erstens: Die meisten der beteiligten Writer sind schon lange Freunde oder Bekannte von mir, und ich hatte einfach Bock, mit ihnen zu arbeiten. Und zweitens sind das auch nach wie vor meine Lieblingswriter – also gerade „Won“, „Neon“ und „Cemnoz“. Und ganz klar auch „Pure“, mit diesem New York-Style, den er da mit einbringt. Das sind einfach schöne Sachen! Bei den Schauspielern war das eine sehr langwierige Angelegenheit: Wir haben in vier Städten Street-Castings gemacht – in Berlin, Hamburg, Köln und München. Fast ein Jahr lang habe ich alle Jungschauspieler gesehen, die da draußen sind. Es war wirklich ein sehr aufwendiger Auslese-Prozess.

rap.de: Hast du den Schauspielern das komplette Script vorgelegt, oder gab es da Momente, wo sie gesagt haben: „Das wäre mir jetzt eigentlich lieber die Szene so und so zu spielen…“? Hatten die freie Hand, oder gab es schon recht fest Vorgaben?

Florian Gaag: Es wirkt vielleicht nicht so, aber es gab sehr feste Vorgaben. Ich habe gerade mit meinem Hauptdarsteller, Florian Renner, alias Damion, darüber geredet, vor zwei Tagen. Er meinte, dass sei eine große Sache für ihn gewesen, denn er wollte immer mal wieder etwas anders machen oder einen anderen Text verwenden.

rap.de: Ein Quertreiber, wie er auch im Film ist?

Florian Gaag: Nein, so ist er nicht. (lacht) Er ist ein ganzes Stück weit anders. Und er hat zum Schluss eben auch zu mir gesagt, dass er froh ist, dass ich immer so darauf bestanden habe, dass Szenen so gemacht werden, wie ich es geskriptet habe, weil er erkannt hat, dass es der beste Weg für den Film ist, und dass es genauso am Besten funktioniert. Wir hatten zwei Wochen Proben vor dem Dreh, und natürlich hat jeder ein bisschen sein Ding mit eingebracht,  seine Art zu sprechen oder irgendeinen Ausdruck, aber im Grunde ist es komplett so geskriptet gewesen.

rap.de: Die Schauspieler malen selber aber gar nicht, oder?

Florian Gaag: Doch, Mike hat früher auch selbst gemalt. Die Anderen haben hier und da mal getagt und ein paar Silber-Dinger gemalt – oder sie kennen Leute, die malen. Jeder hat auf jeden Fall eine Affinität zur Kultur.
 
rap.de: War vorab festgelegt, welcher Writer für welche „Crew“ malt?

Florian Gaag: Wir haben vorher schon zugeteilt wer was wann macht. Das waren aber  verschiedenste Zusammenarbeiten. Die sind aber auch alle sehr vielseitig. Neon zum Beispiel malt diese sehr geilen Oldschool-Bilder, oder simplere Bilder, vom Style her – aber auch den komplexesten 3D-Shit. Viele Character waren natürlich von Won.

rap.de: Gehört Writing zwangsläufig zu HipHop?

Florian Gaag: Du weißt ja, wie es ist: Es gibt viele Writer, die hören Punkrock oder sonstwas und hassen HipHop… Writing gehört also nicht zwangsläufig dazu. Aber gerade in meiner Generation, der ersten Writer-Generation in Deutschland, glaube ich, sind sehr viele über HipHop sozialisiert worden, schon allein über „Wildstyle“ – diese Einigkeit von allen HipHop-Zweigen. Und ich bin extrem geprägt von HipHop. Klar. Ich nehme mir auch die Freiheit, die Musik zu verwenden, auf die ich Bock habe.

rap.de: Die Presse sagt außerdem über deinen Film: „Ganz im Hier und Heute spielen die Geschichten […].“ Empfindest du das auch so? Ich weiß nicht genau, wie die es gemeint haben, aber für mich klingt das so, als betrachteten die das Alles als ein aktuell passierendes Kulturding, obwohl da ja eine Story von mindestens zwanzig Jahren dahinter steht.

Florian Gaag: Ach du meinst, die vermuten gar nicht, dass die Kultur so eine Geschichte hat? Ich glaube, die meinten lediglich, dass es ein Film ist, der sich mit einer aktuellen Jugendkultur beschäftigt.

rap.de: Aber es ist doch keine aktuelle Jugendkultur.

Florian Gaag: Hm, na ja. Es ist nach wie vor da, also insofern auch aktuell, oder?

rap.de: Aber es ist kein „Trend“.

Florian Gaag: Stimmt. Es ist eine Kultur mit einer Tradition – and is here to stay! (lacht und fügt hinzu:) Schätze ich mal.

rap.de: Hast du während deiner Zeit in New York Bilder gemalt?

Florian Gaag: Ich habe in New York ab und zu mal ein Bild gemalt, aber sehr sporadisch.
 
rap.de: Und im Anschluss an die Dreharbeiten?

Florian Gaag: Gemalt? Ja.

rap.de: Weil du wieder „angefixt“ warst?

Florian Gaag: (lacht) Ja, kann man schon sagen.

rap.de. Was war das für ein Graffiti?

Florian Gaag: Das kann ich dir nicht sagen.

rap.de: Komm schon!

Florian Gaag: Ne, damit würde ich mich jetzt zu weit aus dem Fenster lehnen.

rap.de: War es groß?

Florian Gaag: Es war nicht klein.

rap.de: Letztes Zitat: „Wer gut Fußball spielen kann, macht gute Filme.“

Florian Gaag: Ich hoffe das gilt nicht für mich, weil ich kein so begnadeter Fußballer bin…