The Coup

HipHop-Heads  und Freunde des Funk – wake up! Das Sommeralbum des Jahres 2006 erscheint am 24. April bei Epitaph. Mit „Pick A Bigger Weapon“ präsentieren Boots Riley und DJ Pam The Funkstress, besser bekannt als The Coup, ihr Album Nr. 5. Knapp fünf Jahre nach Party Music, dessen Cover vor(!) dem 11. September noch ein explodierendes World Trade Center zeigen sollte, und das mehr durch den dadurch hervorgerufenen „Skandal“ Furore machte als durch seine musikalische Qualität, knüpfen The Coup nun nicht nur wieder an ihre Klassiker, wie Genocide & Juice“ (1994) oder „Steal this Album“ (1998), an, sondern übertreffen diese sogar, indem die Combo das musikalisch vielfältigste, funkigste, persönlichste und textlich wie gewohnt überzeugende Album liefert.

Neben Boots und Pam findet sich auch eine Reihe renommierter Musiker auf der Platte wieder: Tom Morello, Jello Biafra, Musiker von u.a. Funkadelic/Parliament, der Gap Band, Toni! Tony! Toné!, sowie Rap-Routiniers, wie Talib Kweli und Black Thought lassen Boots’ Konzept vom „offensiven Funk“ reibungslos aufgehen. Auch raptechnisch gehen Boots die Ideen nicht aus, vielmehr sorgen dieselben durch abwechslungsreiche Flows dafür, dass man nicht müde wird, genau hinzuhören, was der Rapper aus Oakland zu sagen hat. Denn dass Rap ein Akronym für Rhythm And Poetry ist, rappte Rakim bereits 1988. Rap ist aber auch Rap And Politics, wie Boots auch auf diesem Album, z.B. in dem Song „We Are The Ones“ unter Beweis stellt: „We’re the have-nots, but we’re also the gon-gets“, was seine Hoffnung ausdrückt, dass eines Tages die längst überfällige Umverteilung von oben nach unten stattfinden wird. In„Ass-Breath Killers“ rappt Riley von der fantastischen Erfindung des fiktiven afrikanischen Doktors namens Mwangi Misoi, die, eingenommen in Form einer Pille, jeglichen Untertanengeist kuriere und zur Revolution animiere. Auf Party Music gewährte Boots mit„Heven Tonite“„,Nowalaters“ oder „Wear Clean Draws“ erstmals auch Einblick in sein Privatleben. Und auf „Pick A Bigger Weapon“ rappt er in dem smoothem „IJustWannaLayAroundAllDayInBedWithYou“, ähnlich wie hierzulande 1963 der Liedermacher Franz Josef Degenhardt, von dem Wunsch, „das Leben auch einfach mal zu schwänzen“, sprich: anstatt morgens den Weg zu seinem Ausbeuter anzutreten, lieber mit seiner Liebsten im Bett liegen zu bleiben: „Monday rush I’m sposed to skip / But I just found Sunday in your hips“. In „Head (Of State)“ wird die hierzulande bereits mehr oder weniger bekannte Geschichte der drei Golfkriege erläutert: „Bush and Hussein together in bed / Giving H-E-A-D: head / Y’all muthafuckas heard what we said / Billions made and millions dead“.

 

Der wirkliche Coup wäre allerdings, gäbe es ein deutsches Äquivalent zu The Coup. Denn das hieße, anstatt mit Bush, wie es hierzulande jeder zweite MC tut (abgesehen von einigen HipHop-Partisanen), mit den Schröders und Merkels abzurechnen. Doch bis es soweit ist, heißt es lernen – von den Amerikanern. Oder auch, für drei Euro bei Reclam, von dem kommunistischen Manifest, damit auch irgendwann hier gerappt wird, was Boots schon 1993 gerappt hat: „Presto, read the Communist Manifesto“, mit der Konsequenz: „So break yourself Bush, it’s collection day / Break yourself Trump, it’s collection day / Break yourself DuPont, it’s collection day / You stole the shit from my great granddaddy anyway“ 

In folgendem Interview erzählt Boots u.a. inwiefern sich „Pick A Bigger Weapon“ vonParty Music unterscheidet, von den Folgen des Amtsantritts Arnold Schwarzeneggers in Kalifornien, dem Kampf für Integration, was Oakland zu einem besonderen Ort macht, seiner Zusammenarbeit mit ehemaligen Black Panthers, von den Young Comrades, sowie von aus Oakland stammenden Schriftstellern und politischem HipHop.           

     

rap.de: Der Titel Deines neuen Albums lautet „Pick A Bigger Weapon“. Kann das als Zeichen oder Anregung interpretiert werden, einen Schritt weiter in Richtung Revolution zu gehen? Hältst Du die Zeit dafür für reifer als noch zu der Zeit von Party Music?  

Boots: Auf jeden Fall ist die Zeit reifer als noch vor vier, fünf Jahren! Der Durchschnittsperson ist das Weltgeschehen viel klarer geworden. Auch sind die Rollen, die Politiker in der Wirtschaft spielen, durchsichtiger geworden. Darüber hinaus ist der Durchschnittsperson, im Vergleich zu 2001, die herrschende Klasse bewusster geworden bzw. die Tatsache, dass es überhaupt eine herrschende Klasse gibt. Aufgabe der Bewegung ist es nun, aufzuzeigen, dass es sich lohnt dagegen anzukämpfen. Wir müssen den Kampf, in dem wir uns bereits befinden, kollektivieren.   

rap.de: Auf Deinem ersten Album „Kill my Landlord“ (1993) hat Dich noch „Dick Doolittle“ angerufen und…

B: Yeah… 

rap.de: …und nach Boots von „The Coop“ gefragt. Du zögertest nicht, klarzustellen, dass es richtig The Coup heißt.  

B: Yeah (lacht)…  

 

rap.de: Wie kommt es dann, dass Du Black Thought in „My Favorite Mutiny“ nicht korrigiert hast, wo auch er von „The Coop“ rappt?  

B: Also erstens: er weiß, dass es richtig „The Coup“ heißt, er machte das also absichtlich. Zweitens: in Oakland kennen mich die Leute nicht als Boots! Die Leute nennen mich „Coop“ (lacht)! Solche Dinge passieren von ganz alleine. Und Black Thought baute das in seinen Reim ein. Denn viele Leute nennen die Gruppe einfach „The Coop". Außerdem passte es reimtechnisch. Was sagt er noch? So throw on your boots…usw. usf. Es hätte sich sonst nicht so gut gereimt, also machte er es auf diese Weise. Übrigens war dieser Song mit „Dick Doolittle“ erst der zweite Song überhaupt, den ich bis dahin in meinem Leben aufgenommen hatte! Also war es mir dabei wohl noch besonders wichtig, dass die Leute den Namen richtig verstehen. Heute ist es mir egal, wie du den Namen aussprichst, solange du dich damit identifizieren und es dir anhören kannst! Solange du weißt, wovon wir sprechen, die Musik fühlst und was davon mitnehmen kannst.   

rap.de: Die Disposable Heroes of HipHoprisy machten 1992 den Song California Über Alles über den damaligen kalifornischen Gouverneur Pete Wilson. Seit 2004 werdet ihr von einem „österreichischen“ Gouverneur namens Arnold Schwarzenegger, besser bekannt als Terminator, regiert. Was hat sich seit seinem Regierungsantritt verändert?        

B: Die Leute haben weniger Jobs und die Leute, die Jobs haben, verdienen weniger als zuvor. Auch die Gesetze wurden faschistischer. Zum Beispiel: drei schwarze Männer hängen an einer Straßenecke ab. Die können nun legal als „Gang“ bezeichnet und zum Verhör mit auf die Wache genommen werden. Wenn die Polizei sicher ist, dass es sich bei den drei Schwarzen an der Ecke, was ja schon als Beweis gilt, um eine Gang handelt, dann braucht nur einer der Drei Schokolade zu klauen, was an sich ein kleines Vergehen ist und mit einer Verwarnung ausgehen würde. In diesem Fall würden aber er und der Rest seiner vermeintlichen Gang der „Verschwörung“ beschuldigt werden, was ein Verbrechen ist und sie alle drei ins Gefängnis bringt. Mit demselben Gesetz können auch 14-jährige, egal um welches Vergehen es sich handelt, vor Gericht als Erwachsene behandelt werden, woraufhin sie folglich auch in ein Erwachsenengefängnis gesperrt werden. Und das ist nur ein Gesetz! Es nennt sich Proposition 21. Schwarzenegger geht auch ins Fernsehen und gibt stolz damit an, von den indianischen Kasinos Geld einzutreiben. Die Ureinwohner Amerikas mussten schon mit ansehen, wie ihnen ihr Land geraubt wurde und ihre Vorfahren umgebracht worden sind. Jetzt macht er einen auf großen Cowboy und nimmt ihnen weitere Möglichkeiten der Selbstbestimmung. Der Song California über alles ist übrigens im Original von den Dead Kennedys. Jello Biafra hat den Song in den späten 70ern für die Punkband Dead Kennedys geschrieben. Der Track handelte von einem gewissen Jerry Brown, dem damaligen Gouverneur von Kalifornien, der heute der Bürgermeister von Oakland ist. Der schlimmste, den Oakland je hatte!  

rap.de: Mein Eindruck ist, dass einige der progressivsten HipHop-Künstler aus Oakland stammen. Es gibt The Coup, Del, Zion-I, Michael Franti, und sogar 2Pac war anfangs politisch hoch motiviert. Kann es sein, dass das immer noch positive Folgen sind, die auf die Black Panthers zurückzuführen sind?  

B: Das ist schon möglich, aber… Michael Franti z.B. ist aus San Francisco. 2Pac war von Maurin. Bevor er in die Bay Area kam, lebte er in Baltimore. In der Bay Area wohnte er in Maurin, was eigentlich eine sehr reiche Gegend ist. Er aber kam aus Maurin City, was eine Sozialbaugegend ist! Dieser Teil von Maurin ist sehr arm, aber umgeben von Ultrareichen! Was eine sehr interessante Zusammenstellung ist! 2Pac kam aus diesem Viertel, umgeben von Reichen, wie z.B. George Lukas – der lebt dort nämlich.  

 

rap.de: Und das ist in der Nähe von Oakland?  

B: Wenn nicht viel Verkehr ist, sind es vielleicht 25 Minuten. Zur Hauptverkehrszeit sind es vielleicht mehrere Stunden! Aber 2Pac gab also Oakland als Herkunft an, denn zu dieser Zeit war Oakland the place to be! Er zog dort hin, nachdem er mit Digital Underground bekannt geworden war. Dann zog er nach L.A. Aber was ich sagen wollte, ist, in mancher Hinsicht unterscheidet sich die Kultur in Oakland von anderen. Die Menschen sind freundlicher! Man geht die Straße entlang und grüßt einander, lächelt und so. In L.A. oder New York ist das anders. Dort halten dich die Leute für verrückt, wenn du sie unbekannterweise grüßt. Auch als ich vor einigen Jahren mal in Dänemark war, dachten die Leute, ich wäre verrückt, als ich „Hi“ zu ihnen sagte. Jemand erklärte mir dann, dass die Menschen in Dänemark nicht unhöflich sind, wenn sie nicht grüßen, sondern, dass das ihre gewöhnliche Umgangsweise ist. Aber ist ja auch egal. Was ich sagen wollte, ist, dass die Schwarzen in Oakland erst recht spät aus dem Süden zugezogen sind. Ein Großteil der Schwarzen in Oakland zog erst in den 1940er, 50er Jahren hierher, als es wegen des Zweiten Weltkriegs hier viel Arbeit gab. Viele haben also noch Großeltern oder sogar Eltern in Louisiana, Texas oder Arkansas. Entsprechend anders ist die Kultur hier als z.B. in New York oder Chicago, wo Schwarze schon seit hundert Jahren oder länger leben. Das erklärt ein wenig die Unterschiede. Darüber hinaus hat es hier immer viele Bewegungen gegeben, das hat sich kultiviert. Doch in Bezug auf Deine Frage ist das auf jeden Fall darauf zurückzuführen, dass die Bay Area eine zeitlang sehr angesagt war in der Plattenindustrie. Jedes Label (lacht) wollte jemanden von der Bay Area haben. Also gab es eine gewisse Vielfältigkeit an Gruppen. Wild Pitch, das Label, das uns damals unter Vertrag nahm, ging z.B. einfach in einen Plattenladen in Oakland und fragte nach den drei sich am Besten verkaufenden lokalen Platten. Man nannte ihnen uns, E-40 und einen Rapper namens Dangerous Dane. Dangerous Dane kam aber nicht aus seinem Vertrag bei Atlantic raus, also schied er schon mal aus. E-40 hielt nach Größerem Ausschau, und so blieben wir übrig. Es war Glück! Ausgerechnet in jenem Monat hatten wir besonders viele Platten verkauft. Wäre das Label in einem anderen Monat gekommen, wäre die Wahl auf jemand anderen gefallen. Der Grund, weshalb wir gesignt wurden, war, dass wir aus Oakland waren. Und damals verkauften Gruppen aus Oakland sehr viele Platten. So kam das zustande. 

rap.de: Es sieht so aus, als würden in letzter Zeit wieder mehr politisch motivierte Rapper auftauchen. Es gibt Sabac vonNon Phixion, Dead Prez, Immortal Technique, The Coup natürlich, und selbst ältere Künstler, wie Brother J und Wise Intelligent melden sich zurück. Wie wichtig findest Du es, dass diese Künstler zusammenkommen? Schließlich gab es damals Bewegungen wie „Stop The Violence“ oder HEAL.  

B: Ich weiß nicht, ich bin noch dabei, mir darüber klar zu werden. Außerdem haben ich und Dead Prez uns ja schon zu der Gruppe „The Instigators“ zusammengeschlossen. Wir hielten es nicht für besonders wichtig, sie auch auf diesem Album dabei zu haben. Es geht ja darum, seine künstlerischen Ideen zu verwirklichen, deshalb ist es mir nicht so wichtig mit anderen Leuten Songs zu machen. Und was „Stop The Violence“ angeht, so war der einzige conscious Typ auf dem Song KRS-One. Bei HEAL weiß ich nicht mehr genau, wer dabei war, aber ich glaube, sie waren alle von KRS-One’s Label. „Stop the Violence“ brachte alle möglichen Leute zusammen. Dann gab es noch „We’re All in the Same Gang“. Ich will keine ganze Bewegung von politischen Künstlern gründen. Ich denke, unser Job ist, da draußen ein paar Lösungsvorschläge und Einsichten zu vermitteln bei Leuten, die sonst nicht… Und ich sehe Brother J eher einen Song mit Lil’ Jon machen als mit The Coup. Ich meine, ich würde auch sehr gerne einen Song mit Wise Intelligent machen. Doch ich sehe auch Wise Intelligent eher einen Song mit z.B. Jay-Z machen usw. Ich glaube nicht, dass wir hier sind, um eine solche Kultur zu schaffen. Ich glaube, wir sind hier, uns der Kultur der Linken anzunähern.  

rap.de: Hast Du schon Wise Intelligent’s Song „A Genocide (s. SOUND & VIDEO; Anm. d. Verf.) gehört?  

B: Nein, aber ich nehme an, er klingt wie (rappt wie einst KRS-One; Anm. d. Verf.): „A suicide, it’s a suicide“! Richtig?  

rap.de: Ja, so ähnlich.  

B: Ja, ich komme darauf, weil Du „A Genocide sagtest. Aber ich habe Wise Intelligent geliebt! Zwar habe ich schon lange nichts mehr von ihm gehört, aber er hatte definitiv einen genialen Flow und ich weiß, dass er sehr gute Arbeit macht.  

 

rap.de: In dem Song „A Genocide beschreibt er, wie die CIA in den 80ern an dem Import von Kokain in die USA beteiligt war und wie die Drogen in Form von Crack in den Ghettos verkauft worden sind, um z.B. den Krieg der Kontras gegen die Sandinisten in Nikaragua zu finanzieren.  

B: Aha!     

rap.de: Es scheint, als basiere der Song auf Gary Webb’s Buch „Dark Alliance“, kennst Du das!?  

B: Ja, aber zuerst war es gar kein Buch, sondern eine Serie von Artikeln.  

rap.de: Ja, richtig. Es sieht aus, als hätte Wise Intelligent den Sachverhalt des Buchs in diesem Song verarbeitet, den ich für sehr politisch und aufklärend halte, insbesondere für einen Five Percenter! Du sagtest, Du würdest mit Wise Intelligent gerne einen Song machen. Das überrascht mich, denn ich frage mich, wie Du wohl Deinen kommunistischen Standpunkt mit Wise Intelligent’s schwarznationalistischer und eher antikommunistischer Ideologie vereinbaren würdest?  

B: Nun, nicht nur Wise Intelligent, auch Brother J, haben beide großen künstlerischen Einfluss auf mich gehabt. Nicht unbedingt musikalisch, aber durch die Tatsache, wie sie flowten und die Ideen, die sie für wichtig hielten, mit der Musik verbanden, so dass man es sich gerne anhörte. Man sucht doch überall nach seinen Lektionen. Ich glaube, dass… Nehmen wir die Black Panthers als Beispiel! Auch sie wurden stark von vorangegangenen nationalistischen Gruppen beeinflusst, das ist ein Prozess. Wir wissen aber auch, dass das immer ein Konflikt war. So hatten die Panthers einen Konflikt mit Maulana Karengas Organisation, der Us– bzw. United Slaves-Organisation. Maulana Karenga (auch bekannt als Ron Karenga; Anm. d. Verf.) erfand z.B. auch das Kwanzaa. Us war eine streng kultur-nationalistische Organisation, die mittlerweile zugegeben hat, dass sie damals Hand in Hand mit dem FBI zusammengearbeitet und dafür Geld, Autos und andere Dienste entgegengenommen hat. Was passierte, war, dass die Us-Organisation in Los Angeles zwei Black Panthers tötete, und zwar Bunchie Carter und John Huggins.


Bunchie Carter war eine sehr einflussreiche Person und zuvor der Anführer der größten Gang in Los Angeles gewesen, aus der nach seinem Tod die Bloods hervorgegangen sind. Er hatte diese riesige Straßengang zu Black Panthers umgewandelt! Zu einer revolutionären Gruppe! Und das sollte unterbunden werden. Worauf ich hinaus will, ist folgendes: Nationalismus oder Kulturnationalismus erkennt die immer gleiche historische List nicht, sei es in China, in Afrika oder sonst wo. Der kapitalistische Staat hat es noch immer geschafft, diese Kräfte für sich zu nutzen, um Sozialisten oder Kommunisten zu bekämpfen. Das passiert überall. Und das passierte auch in diesem Fall. Das bedeutet, es gibt diese Kräfte, und sie können nach links oder nach rechts einschwenken. Und manchmal ist es falsch, jemanden mit einer anderen Sichtweise aufzunehmen, weil man ihm dadurch Zugang und Einblick gewährt. Wir wissen, dass in Frankreich viele Kinder der herrschenden Klasse Millionen spendeten, um die Revolution zu ermöglichen. Huey Newton nannte das „revolutionären Selbstmord“. Der Punkt ist, dass man mit anderen zusammenarbeiten muss, um verstanden zu werden! Fred Hampton, der einer der erfolgreichsten Black Panther-Strategen und Organisatoren war, warb in Chicago auf eigene Faust eintausend neue Mitglieder an. Er hielt spektakuläre Reden, basierend auf Sozialismus. Er war in der NAACP (National Association for the Advancement of Colored People; Anm. d. Verf.) bevor er sich den Panthers anschloss! Es geht darum, Gemeinsamkeiten zu finden mit wem auch immer man zusammenarbeiten kann. Die so genannte Linke ist allzu oft völlig zersplittert und die Leute hassen sich gegenseitig, weil sie sich nicht einig sind, was zwei Jahre nach der Revolution passieren soll! Sie werden sich beispielsweise nicht einig darüber, welche Farbe die Häuser am Ende der Straße haben sollen! Das ist doch echt verrückt! Wir widersprechen uns alle, aber es gibt auch Gemeinsamkeiten. Wichtig ist, sowohl die Unterschiede als auch die Gemeinsamkeiten deutlich zu machen! Und trotzdem zusammenzuarbeiten. Dead Prez und ich haben auch unterschiedliche Ansichten und haben zusammengearbeitet und Sachen geklärt!  

rap.de: Vor kurzem besuchte ein afrodeutscher Bekannter seine afroamerikanischen Verwandten in Miami. Er erzählte, dass „Schwarze“ und „Weiße“ immer noch größtenteils in unterschiedlichen Vierteln wohnen, was für sie völlig normal sei, was ziemlich resigniert klingt. Aber auch in Deutschland bleiben die verschiedenen ethnischen Gruppen überwiegend unter sich. Integration findet kaum statt. Angela Davis sagte, dass die Menschen den Kampf für gleiche Rechte nicht vom Klassenkampf trennen dürfen. Wie behandelt ihr diese Problematik in Euerm Land?  

B: Ich denke, der Kampf für Integration war ein Kampf um mehr gesellschaftlichen Einfluss von Schwarzen. Darum ging es im Wesentlichen. Es gab nicht nur soziale Beweggründe. Man dachte, der Kampf für Integration würde zu besserer Bildung, besseren Dienstleistungen und besseren Jobs führen. Heute wissen wir, dass das nicht eintrat. Also haben die Menschen aufgehört, an so was wie Integration zu denken. Es führt immer wieder zu dem einen Grundsatz: solange man nicht an der Klassengesellschaft rüttelt, wird sich auch sonst nicht viel verändern. Die angestrebte Reform hat die versprochene Veränderung nicht erbracht. Was sie brachte, war affirmative action (Regierungsprogramm, das die Diskriminierung von Minderheiten bekämpfen soll, Anm. d. Verf.). Der Integrationsaspekt hielt den Menschen all ihre Probleme vor Augen und brachte sie dazu, was dagegen zu unternehmen. Heute ist der Wille, für Integration zu kämpfen, nicht mehr sehr ausgeprägt.          

rap.de: Du warst schon früh politisch aktiv. Kommt es bei Euren Aktionen auch zu Zusammenarbeit mit ehemaligen Panthern?  

B: Ja, nach der High School (Ende der 80er, Anm. d. Verf.) gründeten ein paar Freunde und ich das Mau-Mau-Rhythm-Collective. Unsere Arbeit bestand z.B. darin, Frauen zu verteidigen, denen der Staat Sozialhilfebetrug vorwarf. Dieser „Betrug“ sieht so aus, dass sie Sozialhilfe vom Staat in Anspruch nehmen, was aber nicht ausreicht, um die Rechnungen zu bezahlen. Also suchen sie sich zusätzlich einen Job, was aber verboten ist und wofür sie ins Gefängnis kommen. Als wir anfingen uns für diese Frauen einzusetzen, kamen einige der alten Panther auf uns zu und wollten, dass ihre Kinder bei uns mitmachten. Daraufhin unterstützten uns viele der alten Panther bei der Organisation, beim Zusammenstellen von Arbeitsgruppen und bei unseren HipHop-Edutainment-Konzepten. Wir lernten viele der alten Panther kennen. Später traf ich David Hilliard, der der Generalstabschef der Black Panther Party war. Mit ihm habe ich viele Sachen organisiert. Genau genommen wohnt David nur eine Meile entfernt von mir, wir sehen uns ständig. Außerdem kenne ich Elaine Brown, sowie Andrew Douglas, den einstigen Kulturminister. Ich arbeite auch manchmal mit Fred Hampton Junior zusammen. (Fred Hampton Senior wurde im Alter von 21 Jahren, während er schlief von mehreren Polizisten erschossen; Anm. d. Verf.) Ich kenne einige dieser Leute ziemlich gut. Der Grund, warum die Black Panther Party damals so erfolgreich war, war ihre Aktivität. Deshalb gelang es Fred Hampton auch innerhalb kürzester Zeit 1000 Menschen für die Panther zu gewinnen! Schwarze kommunistische Organisationen gibt es seit der „African Blood Brotherhood“ der 20er und 30er Jahre. Seit Marcus Garvey’s Zeiten. Die ganze Idee, die fünf Bundesstaaten im Süden von den USA zu trennen, stammt von Stalin persönlich! Das ist dieser kultur-nationalistische Diskurs. Das Problem ist, dass viele heutige Bewegungen jedem erklären wollen, was Karl Marx z.B. auf Seite 37 in „Das Kapital“ sagt. Oder dass sie jeden in der Lage sehen wollen, darüber diskutieren zu können, was Lenin z.B. am 12. November 1919 gesagt hat – mit dem angeblichen Ziel herausfinden zu wollen, wie wir den Reichtum neu verteilen können. Sie gehen also viel zu theoretisch an die Sache heran, weshalb sie auch nicht die Leute erreichen, die bereits in Bewegungen organisiert sind und die Güter neu verteilen wollen. Außerdem änderten sie den Diskurs von „Reform UND Revolution“ in „Reform ODER Revolution“ um. Letztere Frage kam in den 70ern auf. Denn für Leute wie Marx, Lenin und Mao war es nie eine Frage von „Reform ODER Revolution“. Ihre Losung lautete „Reform UND Revolution“. Interessant ist auch, dass Khallid Muhammad (ein fragwürdiger Mittler zwischen der Nation of Islam und HipHop, der u.a. für seine antisemitische Hetze bekannt ist; Anm. d. Verf.) nach seinem Austritt aus der Nation of Islam etwas gründete, das er „The New Black Panther Party nannte. Das war in den 90ern. Sie gründeten diesen Verein in Texas, wo es immer noch legal ist, Waffen mit sich zu tragen. Also machten sie erstmal einen Haufen Photos von sich mit den Waffen. Mit der Politik der Panther hatten sie nichts gemein, lediglich die Kleidung stimmte überein, was einmal mehr zeigt, wie gefährlich es ist, bloß die Images zu reproduzieren. Die Leute dachten: „Oh, die Panther sind wieder da!“ Dabei gab es nicht die geringste soziale oder politische Verbindung zu der ursprünglichenBlack Panther Party. Sie nannte sich zwar so, aber ihre Politik war die der Nation of Islam. Ihre Photos haben sie dann ins Internet gestellt. Eins davon war eine Photomontage! Es gibt ein berühmtes Bild, das Huey Newton mit einer Knarre neben Bobby Seale vor dem Büro der Panther zeigt (Huey P. Newton & Bobby Seale waren die Gründer der Black Panther Party; Anm. d. Verf.). Sie entfernten das Gesicht von Bobby Seale und montierten das von Khallid Muhammad hinein – was sie als authentisch im Internet präsentierten! Das ist eine Organisation, die sich hoffentlich mittlerweile geändert hat… Sie ist ein Beispiel für eine Organisation, die keineswegs den Staat herausfordert, aber sich an Images bedient oder sich in der Tradition von Malcolm X sieht – auch wenn viele der älteren froh sind, dass Malcolm starb.  

 

rap.de: Du warst einer der Gründer der Young Comrades. Erzähl’ etwas darüber!  

B: 1996 fragte David Hilliard einige Leute, ob sie ihm helfen würden eine Konferenz über die Relevanz der Panther in Oakland zu organisieren. Im Rahmen dieser Organisation gab es etwas Ärger und Probleme mit einigen der alten Panther. Darum trennten sich viele Jüngere von ihr und gründeten die Young Comrades. Die Idee dahinter war, den Kampf innerhalb der schwarzen Community mittels revolutionärer Klassenanalyse zu reformieren. Ein Teil des Kerns bildeten Leute aus der Organisation All Africans People Revolutionary Party, die Kwame Toure, auch bekannt als Stokely Carmichael, unterstand. Für sie waren Organisationen im Grunde nur Studiengruppen. Um da rein zu kommen, musstest du erstmal einen Lesenachweis bringen! Es gab also einen Konflikt zwischen zwei unterschiedlichen Auffassungen von Organisation. Zuvor hatten wir eine Menge Massenarbeit geleistet und einen Haufen an Reformen durchsetzen können. Wir hatten ein Büro und ziemlich viele Leute angeworben, die mit uns arbeiteten. Und dann ging’s los, dass einer sagte: „Ich verteile doch keinen Flyer an jemanden, der nicht mal weiß, was Revolution bedeutet!“ „Okay“, sagte ich dann, „Dann lasst uns mit Maos ‚Theorie und Praxis’ anfangen!“ So ging das einige Jahre, in denen wir einiges schafften und um die 500 Leute anwarben. Leider war das nichts von Dauer aufgrund der unterschiedlichen Meinungen darüber, was wie getan werden sollte. Die Kampagnen, die wir machten, wurden für nichtig erklärt von den Leuten, die die Organisation eben in eine Studiengruppe umwandeln wollten. Also sagte ich mir: „Okay, was wir im Grunde machen, ist Propaganda. Das kann ich alleine besser, lasst mich weiter Musik machen!“. Daraufhin nahm ich Steal This Album (1998) auf.       

rap.de: Das war dein Ende mit den Young Comrades  

B: Ja. Zuvor hatte ich nach dem 2. Album, Genocide & Juice (1994), aufgehört Musik zu machen. Ich kam in der Musikindustrie damals nicht weiter. Genocide & Juice wurde von der Musikindustrie sehr zurückgehalten. Als das Album immer höher die Charts hochkletterte, kaufteEMI, ein Großhändler, Wild Pitch Records für 500.000$ auf. Innerhalb der nächsten Woche legten sie das Album zu den Akten und forderten die Radiostationen auf, die Platte nicht mehr zu spielen. Da hatte ich dann erstmal ne depressive Phase. Also sagte ich mir: „Scheiß auf die Musik, ich werde wieder politisch aktiv!“, was im Grunde sowieso das war, was ich in erster Linie tun wollte.    

rap.de: David Hilliard behauptete jüngst, dass HipHop-Produzenten Clowns fördern und es versäumen würden jungen Menschen etwas beizubringen. Was ist Deine Meinung dazu?  

B: Ich stimme mit dieser Aussage nicht überein. Sein Wissen über HipHop ist beschränkt. Da draußen gibt’s ne Menge Leute, die guten Scheiß machen. Zum Beispiel Trick Daddy aus Miami. Zwar ist ne Menge seiner Sachen sehr sexistisch, aber dann hat er wieder ne Menge Zeug, das sich deutlich gegen den Staat richtet. Ein weiterer istDavid Banner aus Mississippi, der sich klar gegen Rassismus, den Staat und Unterdrückung ausspricht. Dead Prez gibt es auch. Viele Rapper werden als oberflächlich angesehen, haben aber trotzdem Songs, die sich deutlich gegen gewisse Dinge aussprechen. Dafür muss man sich aber ihre Alben anhören, um herauszufinden, dass es neben den im Radio und Fernsehen gespielten Songs noch mehr gibt.  

rap.de: Du hast gerade Trick Daddy und David Banner erwähnt, die hierzulande noch nicht so bekannt sind. Wie groß sind sie in den USA?  

B: Also David Banner ist richtig groß. Er ist Teil dieser Down South-Sache. Immer wenn ich David Banner erwähne, sagen mir die politischen Veranstalter, mit denen ich manchmal zu tun habe: „Was? Du meinst den Typ mit der Bootie-Musik?“. Verstehste? Aber die kennen halt auch nur ein paar Lieder. Weil auf der anderen Seite macht er dann Songs, wo er sagt „Fuck Bush!“. So ist das immer mit Musik mit politischen Inhalten. Was die Leute zur Kenntnis nehmen, ist die Form, also verstehen sie auch nicht mehr. Als Ice Cube z.B. rauskam mit Death Certificate, weiß ich noch wie das Hip-Hop-Magazin The Source ihn als Gangster-Rap bezeichnete. Dabei machte er damals den revolutionärsten Scheiß überhaupt! Heute gibt es viele, die vielleicht nicht revolutionär sind, aber ne Menge in ihren Songs zu sagen haben. Aber auch sie werden vom Markt geleitet, also fördern sie die Songs, die sich vermutlich am besten verkaufen. Man muss das Image durchschauen, um zu raffen, worum es den Leuten insgesamt geht. Ich meine, sogar dieGeto Boys zählt man zu dem härtesten Gangster-Rap, aber auch die hatten mal den politischsten Kram überhaupt am Start!  

 

rap.de: “Damn it feels good to be a gangster”.  

B: Ja, aber ich meine, noch davor! Das kam bloß nie richtig groß raus.  

rap.de: Ich will noch mal auf Deine Musik zu sprechen kommen. Im Vergleich zu Deinen anderen Alben, hat mich Party Music musikalisch nicht so überzeugt. Das Album kam mir sehr steril und nicht so vielseitig vor wie die vorangegangenen Alben oder auch „Pick a Bigger Weapon“. Was war anders bei der Produktion von Party Music?  

B: Es stimmt, dass es anders war. Party Music war definitiv um einiges sauberer als „Steal this Album“. Andererseits halte ich „Genocide & Juice“ auch für ein sehr sauberes Album. Was „Party Music“ anders machte, war, dass es sauber und digital war. Bei „Steal this Album“ arbeitete ich mit null Kohle! Ich hatte ja zuvor nach „Genocide & Juice“ aufgehört Musik zu machen. Als ich dann wiederkam hatte ich keinen Einfluss und niemanden, der meine Aufnahmen finanzierte. Also basierte vieles auf Versprechen und Schuldscheinen. Die Mixes waren das Ergebnis aus acht Stunden Studiozeit, damit musste man dann leben. Mein ursprünglicher Mix von„Breathing Apparatus“ war so viel kraftvoller als der Mix, der dann aufs Album kam. Jedes mal wenn ich den Song höre, denke ich das, und weiß, wie viel kraftvoller der Song hätte sein können. Bei Party Music hatte ich letztlich weniger Elemente in der Musik, mal abgesehen von „Nowalaters“, wo ziemlich viel ging. Ich arbeitete viel mit Keyboard und Bass, nur wenig mit Gitarre. Wir arbeiteten mit dem neueren Amek Board. Ich mag den Sound, aber ich brauch immer ne Weile bis ich die Geräte gänzlich beherrsche. Was außerdem anders war, war der Reimstil. Ich bin mittlerweile so weit, zuzugeben, dass als ich ins Studio ging, um Party Music abzumischen, gerade mal anderthalb Songs fertig geschrieben hatte! Das meiste habe ich im Studio geschrieben, während wir das Album abmischten. Das kam so, weil ich erstens: das Plattenlabel lange Zeit angelogen hatte. Zweitens:… Versteh’ mich nicht falsch, das Konzept für jeden einzelnen Song hatte ich schon im Kopf! Und ein paar Verse hatte ich auch schon geschrieben! 

rap.de: „Written on parking tickets“ (lacht)!?   

B: Ja, (lacht) genau! Ich habe auf diesem Album mehr als sonst mit verschiedenen Flows und Gefühlen gespielt. Das neue Album ist genau durchgeplant gewesen, was die Sache nicht leichter machte. Denn planst du alles durch wie ein Puzzle und musst dann wieder etwas ändern -was unvermeidlich ist-, dann stimmt dein ganzes Puzzle nicht mehr! Dieses Mal hatte ich während der meisten Zeit das Studio bei mir zuhause. Bevor ich in dieses Haus zog, mit ausreichend Platz für ein Studio, nahm ich das meiste in einem Probestudio auf! Dadurch hatte ich viele Einflüsse, neue und alte Rockgruppen und so. Ich hörte in der Zeit auch viel The Clash… Und nach der „Tell Us the Truth“-Tour (eine Anti-Bush-Tour; Anm. d. Verf.) hörte ich sehr viel Billy Bragg. In der Zeit kamen viele Rockgruppen raus, wie zum Beispiel die Electric Six mit ihrem Fire-on-the-Floor-Ding, z.B. (singt): „Fire in the Discoooooo! Fire in the Taco Bel!“ Dann gab’s Queens of a Stone Age und The White Stripes, sehr treibend, und, ich weiß nicht, fast schon New Wave-mäßig. Denn als ich noch in der Junior High School war, hörte ich viel The Cure und andere Bands, wie The Beat, ziemlich kitschiges Zeug. Ich bin in dieser Hinsicht sehr eklektisch! Auf diese Weise kamen viele verschiedene Dinge auf dem Album zusammen. Außerdem wollte ich es auch dreckig haben und so. Aufnahmetechnisch sind auf dem Album viele Sachen, die mein Tontechniker für verrückt hält. Manche Instrumente habe ich z.B. über ein SM58er Mikrofon aufgenommen. Ich habe ein Bühnenmikrofon benutzt, was ein Rapper normalerweise nicht machen würde. Oder ich habe Gitarrensaiten mit Buzzes versehen. Auf diesem Album ging es uns allen darum, einfach alles aus unseren Inspirationen herauszuholen. Das ging so anderthalb, zwei Jahre und es ging nur darum, die Musik zu arrangieren. Ich sagte mir: „Später spiele ich die Tracks noch mal neu ein!“ Doch es kam ständig neue Musik dazu, also habe ich es nie geschafft, die Songs noch mal neu zu machen, doch irgendwann stellte ich fest: „So wie’s ist, gefällt es mir!“ Also wurde der Sound entsprechend schmutziger. Wir nahmen es über dieses Trident Board auf, das ist noch aus den späten 70ern, ein sehr solides Board, das ursprünglich für Radiosender gemacht wurde. Dann hatten wir noch viele Kompressoren bei Cookie Jar, wo wir auch aufnahmen. Cookie Jar ist in demselben Gebäude, in dem das Studio war, wo ich meine ersten drei Alben aufgenommen habe. Nun habe ich da das neue Album abgemischt. Cookie Jar ist nur ein kleines Zimmer und hat dieses Trident Board und ne Menge cooler outboard Geräte, viel mehr als wir für unser voriges Album zur Verfügung hatten, was einen weiteren Unterschied ausmachen könnte, denn alles lief durch die outboard EQ’s und Kompressoren aus den 50ern. Dieser Raum sieht aus, wie das Labor eines verrückten Professors!       

rap.de: Was hast Du eigentlich gemacht bevor Du professionell Musiker geworden bist? Hast Du gearbeitet, warst Du auf dem College?  

B: Ich habe beides gemacht, habe gearbeitet und war auf dem College. Ich war auf der Filmschule vom College. Auch wenn wir nur 8mm Filmkameras benutzten, hat es viel Geld gekostet, die wöchentlichen Aufgaben zu erfüllen. Mir wurde klar, dass es sehr viel billiger sein würde, Geschichten für Raps zu verfassen und aufzunehmen, anstatt sie zu schreiben und zu verfilmen.   

rap.de: Und Rechtsanwalt wie Dein Vater hast Du nie werden wollen?  

B: Nee, aber er brachte mich in der High School zu diesem Moot Court-Ding (eine dem Rollenspiel ähnliche simulierte Gerichtsverhandlung, die für Jura-Studenten in den USA gang und gäbe ist; Anm. d. Verf.). Ich war sehr gut darin und gewann alle möglichen Preise. Ich war schon immer gut darin, meinen Standpunkt zu vertreten. Heute tue ich das in meinen Songs. 

 

 

rap.de: Vielleicht kennst du den Schriftsteller Jess Mowry (Er ist ein aus Oakland stammender Schriftsteller und Auto der erfolgreichen und auch ins Deutsche übersetzten Bücher„Oakland Rap“ und„Megacool“, letzteres wurde in den USA verfilmt; Anm. d. Verf.)?  

B: Ich kenne ihn nicht, aber ich weiß von ihm. Was ich von ihm weiß, lässt mich nicht viel sagen, aber fahre fort!  

 

rap.de: Als ich ihn las…  

B: Zuallererst lass mich folgendes sagen: Soweit ich weiß, ich weiß es nicht genau, ist er sozial und augenscheinlich betrachtet ein Weißer, okay!? Also, ich weiß nicht, ob das genetisch zutrifft. Vielleicht hat er irgendwo auch einen schwarzen Elternteil, also kann ich das eigentlich nicht behaupten. Zumal ‚Rasse’ ohnehin ein soziales Konstrukt ist. Aber soweit ich weiß, ist er ein Weißer. Sein Kram klingt sehr nach jemandem, der nicht weiß, was in Oakland vor sich geht. Es liest sich, als hätte ein Hollywoodtyp Dialoge für Schwarze geschrieben. Ich habe kein Buch von ihm komplett gelesen, vielleicht zwei oder drei Ausschnitte. Aber ich fragte mich: „Okay, worum geht es hier?“ Für mich scheinen seine Geschichten sehr auf den Stereotypen der Medien und Nachrichten zu basieren, die sie bedienen, wenn es um Leute aus Oakland geht. Dass er in Oakland aufgewachsen ist, benutzt er als politische Beglaubigung seiner Bücher. Doch auf seinen Büchern ist kein Bild von ihm zu sehen! Das ist wirklich komisch, schließlich schreibt er über Schwarze. Aber er sagt nicht, woher sein Wissen stammt.    

rap.de: Ich glaube, er ist Sozialarbeiter. Aber worum es mir ging, war folgendes: mein Eindruck beim Lesen seiner Geschichten war, dass unter den „weißen“ und „schwarzen“ Kindern und Jugendlichen Rassismus keine große Rolle spielt. Sie bekommen „nur“ den Rassismus der Polizei und Beamten zu spüren. Untereinander scheint die Hautfarbe keine Rolle zu spielen. Meine Frage ist, ob es sich in Oakland tatsächlich so verhält?  

B: Wie gesagt, vielleicht habe ich nicht genug gelesen, um über seine Geschichten zu urteilen. Aber soweit ich weiß, lebt er in Nord-Oakland, das sich sehr vom übrigen Oakland unterscheidet. Und „seine Kinder“ sind mit Skateboards unterwegs, nicht wahr!? Nun, das ist nicht gerade das Transportmittel schwarzer Kids! Natürlich trifft das bestimmt irgendwo auf irgendeine Gruppe von Kindern zu. Aber normalerweise haben sie dann einen bestimmten wirtschaftlichen und sozialen Hintergrund. Es mag zwar solche Gruppen geben, aber so wird es in seinen Geschichten nicht repräsentiert. Außerdem sind sie nicht unbedingt nicht repräsentativ, weil es sich um ‚gemischtrassige’ Gruppen handelt, sondern schlicht und ergreifend deshalb, weil sie nicht das repräsentieren, was in Oakland vor sich geht. Und da er nicht offen sagt, dass sie nicht repräsentativ sind, also dass diese Gruppe aus dem Rahmen fällt, dann ist das für mich irreführend. Es könnte ja Teil der Geschichte sein, dass gesagt wird: „Hey, wir hängen zusammen ab, weil wir gemeinsam zur Priesterschule gingen, und weil unsere Eltern…“, was weiß ich, „Wir leben in Nord-Oakland, was eine wirklich schöne Gegend ist und niemand versteht uns, weil wir einen anderen sozialen Hintergrund haben als die anderen“. So würde die Geschichte schon ganz anders aussehen. Darüber hinaus habe ich mal bei einer seiner Lesungen mit ihm gesprochen. Hin und wieder macht er Lesungen bei ‚Barnes & Nobles’ hier in Oakland. Allerdings liest er nicht selbst, sondern ist nur anwesend. Stattdessen lässt er eine schwarze Person seine Geschichten vortragen. Aber ich sprach mit ihm und er sagte mir: „Hey, also ich wuchs auf in Oakland…“ Er ist ein Weißer mit Dreads. Wie auch immer, jedenfalls er hat einen anderen Hintergrund. Vielleicht ist er irgendwo schwarz, aber erstmal würde man denken, er ist weiß. Wie dem auch sei, seine Geschichten sagen nichts darüber aus, was in Oakland wirklich abgeht. Außerdem vermittelt es eine völlig abwegige Vorstellung über die Ursachen der Probleme. All die Jugendkriminalität, der ganze Scheiß, der hier vor sich geht, wird dargestellt, als hätte er nichts damit zu tun, dass die Leute Geld benötigen – was in den meisten Fällen der Fall ist. Soweit ich also weiß, sind seine Stories weder wirtschaftlich noch kulturell repräsentativ. Allein die Worte, die er seine Charaktere sprechen lässt, spricht man hier seit 15, 20 Jahren nicht mehr. Die Dialoge sind wirklich schlecht, was nur zeigt, dass er mit den Leuten, die er zur repräsentieren versucht, in Wirklichkeit nichts zu tun hat.  

 

rap.de: Vielleicht kannst du alternativ zu Mowry Literatur empfehlen!?        

B: Da muss ich mal überlegen… Da gibt’s diese Frau (Monique W. Morris; Anm. d. Verf.), die einen Roman schrieb, basierend auf meinem SongMe and Jesus the Pimp in a `79 Granada Last Night. Das Buch heißt Too Beautiful for Words, wie die Bridge in dem Song. Die Geschichte und die Charaktere sind auch dieselben wie in dem Lied. Erschienen ist das Buch bei Harper Collins, also solltet ihr es bekommen können. Übrigens ist diese Autorin auch Sozialarbeiterin. Sie hat einen weiblichen Charakter, einen Ex-Panther, hinzugefügt, der sozusagen das Gewissen des Protagonisten spielt und versucht ihn auf den rechten Weg zu bringen. Jedenfalls bringt sie die Story meines Songs auf eine andere Ebene. Was mir spontan noch einfällt ist „Die CIA Und Das Heroin. Weltpolitik Durch Drogenhandel“ von Alfred McCoy, das ist ein sehr wichtiges Buch. Schon als er für die erste Ausgabe des Buchs, die schon in den 70ern erschien, recherchierte, wurde er von der CIA bedroht. Dann gibt s noch „People’s History Of The United States“ von Howard Zinn (erscheint im Juli bei Schwarzerfreitag auf deutsch; Anm. d. Verf.). Das ist ein sehr progressives Geschichtsbuch. Dann gibt’s noch… In letzter Zeit habe ich nicht sehr viel gelesen… Noam Chomsky, von ihm gibt’s viele gute Bücher. Und allein weil es einen Bezug zu eurer Gegend hat, dürfte es für euch vielleicht von Interesse sein: „Schatten über dem Kongo“ von Adam Hochschild. Das Buch handelt von dem Genozid im Kongo unter König Leopold.    

rap.de: Was sind Deine konkreten Pläne mit The Coup 

B: Im Mai machen wir eine Promo-Tour. Im Sommer kommen wir dann hoffentlich nach Europa! Im August fliegen wir nach Venezuela. Herr Chávez wollte gerne ein paar Leute aus den USA einladen. Ich schätze (lacht), um anhand eines Beispiels deutlich zu machen, dass es weltweit Menschen gibt, die diesen Kampf führen. Und so weit ich weiß, war das in den 1960ern ein wichtiger Punkt, um die Menschen zu aktivieren. Feststehen zurzeit The Coup, Dead Prez, Mos Def, Talib Kweli, Common und Dave Chapelle. Geplant ist auch, ein paar Journalisten mitzunehmen, so dass darüber in Musikmagazinen berichtet wird.  

rap.de: Plant Ihr auch nach Deutschland zu kommen?  

B: Ja, das Plattenlabel plant da wohl was. Hast Du mir von dieser Sache in Berlin erzählt? Na jedenfalls soll da wohl monatlich irgendwo was stattfinden. Martin Luther war schon mal da. Ne Haus-Band haben die da auch. Ich weiß noch nicht, ob ich dabei sein kann, weil ich ziemlich genaue Vorschriften haben werde, wann ich wo zu sein habe (lacht). Aber es ist auf jeden Fall eine Tour für Europa in Planung.  

rap.de: Okay, ich werd das checken!  

B: Aaight, vielen Dank, Mann!  

rap.de: Danke für das Gespräch!