Azad

Azad, dieser Name steht nicht nur für jeden Frankfurter als ein Synonym für Rap. Der Labelchef, Produzent und MC in Personalunion hat sich im Laufe der letzten Jahre eine unangefochtene Position an der Spitze der Deutschen Rapszene erkämpft.
Jetzt hat er sein neues Album veröffentlicht, und die ohnehin treuen Fans befinden sich in einem Zustand, den  jeder Amerikaner mit „to go nuts“ beschreiben würde.
In unserem Gespräch präsentiert sich der Mann aus der Nordi, wie man es von seinen Raps gewohnt ist: Genau auf den Punkt und mit deutlichen Ansagen. Doch Azad ist mehr als der Straßenrapper, als den ihn so viele sehen, Azad ist Bozzmusiker, und der Rest ist jetzt Game Over.


rap.de:
Hättest du dir, als du 1988 mit Rappen angefangen hast, auch nur im Geringsten vorstellen können, dass das alles mal so groß wird? Mittlerweile hattest du ja Alben in den Top 5 der Charts, bist Labelboss und verkaufst Schuhe und Mützen mit deinem Namen drauf.


Azad: Also, wenn ich ehrlich bin, hatte ich immer diesen Traum. Natürlich entwickeln sich die Dinge, und bei mir wurde das immer größer und größer, aber gerade einen eigenen Schuh wollte ich ja immer schon haben. Als ich dann dieses Angebot bekam, habe ich auch gar nicht überlegt, und jetzt steht der 8022-1 eben im Laden.

rap.de: Das One Album von Savas und dir ging ja ziemlich steil. Vor allem das Video von „All 4 One war ja auf heavy Rotation. Wie das nun aber bei kommerziell erfolgreichen Projekten so ist, gab es sofort auch die Stimmen, die Sell-Out gerufen haben. Wie stehst du dieser Kritik gegenüber?

Azad: Das interessiert mich überhaupt nicht. Schau mal, ich bin einer der Leute, die bei Sell-Out Sachen sehr empfindlich sind. Wenn sich jemand selbst verkauft, dann bin ich ganz sicher einer der ersten, die das kritisieren. Ich finde übrigens, dass das ganze One-Album zu Unrecht kritisiert wurde. Für mich ist und bleibt dieses Album ein Klassiker. Ich finde Savas und ich wurden da unterschätzt, aber vielleicht ändert sich das ja noch im Lauf der Zeit.
rap.de: Früher sah man dich ja häufiger durch Frankfurt spazieren, wie ist das heute? Ist dein Erfolg mittlerweile so groß, dass du dich nicht mehr auf die Straße trauen kannst, weil du sonst von Fans umlagert wirst?

Azad: Also, es hat sich schon etwas verändert, aber ich gehe dennoch nach wie vor alleine raus und bewege mich, wie und wo ich will. Klar kommen häufig Fans zu mir, und ich rede dann auch mit den Leuten, aber wenn es mir zu viel wird, sage ich das auch und sorge dann schon dafür, dass ich auch meine Ruhe habe.
rap.de:Leben“ und „Der Bozz“ waren beides Alben, die sehr persönlich gehalten waren. Bei „One“ ist das etwas anders. Hattest du keine Lust mehr, den Leuten so viel von dir Preis zu geben, oder warum ist das Kollabo-Album mit Savas im Vergleich zu deinen Soloplatten relativ unpersönlich?


Azad: Es stimmt zwar, dass das „One“- Album insgesamt etwas unpersönlicher war, aber der Grund dafür ist ganz einfach. Das war ein Album, an dem zwei Leute gearbeitet haben. Da musste man sich ja auch über die Themen verständigen. Auf meinen Alben kann ich machen, was ich will, beim One Album hatte ich mit Savas immer noch einen gleichberechtigten Partner, mit dem ich mir gemeinsam über die Themen Gedanken gemacht habe. Es gibt eben Sachen in meinem Leben, die Savas nicht kennt und vielleicht auch nicht unbedingt nachvollziehen kann,
und auch deshalb sind dann eben am Ende weniger persönliche Sachen rausgekommen.

 

rap.de: Bist du mit derselben Einstellung wie bei den Alben zuvor an die Aufnahmen zu „Game Over“ gegangen?

Azad: Ja, im Prinzip schon. Erst Beats ausgewählt, dann Texte geschrieben. Bam. Da hat sich eigentlich nichts geändert. Klar entwickelt man sich immer weiter und experimentiert an seinem Style herum. Dann stellt man vielleicht fest, dass der Flow optimal ist und arbeitet etwas an der Stimme, oder man entwickelt sich inhaltlich weiter. Aber von der Einstellung hat sich nichts groß geändert.
rap.de: Ich frage, weil ich mir schon vorstellen könnte, dass sich der Druck auf dich wegen des großen Erfolges der Vorgängeralben ja schon erhöht hat – oder nicht?

Azad: Nein, eigentlich nicht. Klar war „Der Bozz“ in den Top 10 der Verkaufscharts, und das „One“ Album hat ja noch mehr gerissen, aber ich bin von Anfang an davon ausgegangen, dass sich das bei „Game Over“ wiederholen lässt. Wenn ich ein Album mache, denke ich aber eigentlich weniger über sowas nach.
rap.de: Du warst ja früher DJ und Produzent, hat dich das denn beim Rappen geprägt?

Azad: Also, das DJing hat mir beim Produzieren geholfen, es gibt da Techniken, die habe ich einfach von da übernommen. Das Produzieren selbst ist für mich als MC auch sehr nützlich, der Punkt ist nämlich, dass ich jetzt sehr viel mehr über den Aufbau von Musik, also über Takte und Schläge, weiß, das kann ich nutzen, um mit meinem Flow variabler zu sein.
rap.de: Wie kommst du denn mit deiner Doppelbelastung als Labelboss und Künstler klar?

Azad:. Zunächst ist es so, dass wenn ich ein Album mache, dann konzentriere ich mich nur darauf, und sonst gibt es da Nichts. Ich mache in diesem Augenblick nur meine Musik. Also, es gibt da dann schon mal keine Belastung. Aber ich hatte bisher auch sonst noch nie Probleme, das unter einen Hut zu bringen.
rap.de: Lass uns über "Game Over" reden und mit der Standardfrage nach den Produzenten anfangen

Azad: Also zunächst, zum größten Teil haben Sti und Benny Blanco produziert, dann noch Martelli, phreQuincy, Shuko, Brisk Fingaz, Beatsucht, M3 & Noyd, und Screwaholic hat auch einen Beat produziert, und den erwähne ich extra noch mal, weil ich ihn sonst so häufig vergesse.

rap.de: Mir kam es so vor, als ob du auf deinem neuen Album weitaus hoffnungsvoller wärest. Ist dieser Eindruck so richtig, oder täusche ich mich?

Azad: Also, das stimmt schon. Zum einen ist es so, dass einige große Probleme, die mein Leben belastet haben, mittlerweile gelöst sind. Ich hatte auch keine Lust mehr, nur über Schmerz zu rappen. Das ist dann auch irgendwann mal gut. Weißt du, es war so, dass zu mir Leute gekommen sind und mir gesagt haben, dass ich ihnen in manchen Situationen so viel Kraft und Mut gegeben habe, dass sie weiter machen konnten. Einige Leute meinten sogar, dass sie ohne meine Musik nicht mehr leben würden – das ist für mich das Krasseste, was zu mir über meine Tracks gesagt werden kann. Jetzt bin ich etwas weiter und will den Leuten Hoffnung machen – ein nächster Schritt.
Ich hatte bei diesem Album einfach Lust, mehr Bilder mit Worten zu malen, Geschichten zu erzählen und ein paar neue Sachen auszuprobieren. Ich will nicht immer nur eine Sache machen, sondern eben auch etwas anderes, etwas Neues.

rap.de: Du hast ja auch vor einer Weile deinen Beef mit Samy Deluxe beendet, war das ein Anzeichen für eine gewisse Vernunft, oder was war der Grund dafür?

Azad: Es ist einfach so, dass mich viele Sachen nicht mehr so stören, wie das früher der Fall gewesen wäre. Mir ist einfach ziemlich egal, was die Leute heute so machen. Ich sehe viele Dinge  einfach etwas anders als früher, und von daher war es überhaupt kein Problem, diesen Beef zu beenden.

rap.de: Auf „Game Over“ ist ja ein ungewöhnliches Feature drauf, womit ich den kurdischen Sänger, Sivan Perwer, meine, den du bei Stadtfalke featurest. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Azad: Das Ding ist ja, dass Sivan Perwer ein großer kurdischer Volksmusikstar ist und meine Eltern seine Musik absolut lieben. Ich kenne seine Musik schon sehr lange und weiß, dass er für viele Kurden ein absoluter Star ist. Als meine Mutter irgendwann mal bei einem Konzert von ihm war, hat er nach mir gefragt und wollte damals wissen, ob ich Interesse an einer Zusammenarbeit hätte. Das war für mich eine krasse Ehre.
rap.de: Die Kurden sind ja ein Volk ohne Land aber dafür mit vielen Problmen, hattest du jemals zum Beispiel mit Türken Stress, weil du zu diesem Volk gehörst?

Azad: Nein, eigentlich nicht. Die Sache wird doch primär von Politikern geschürt. Eigentlich wollen doch alle Leute, und zwar vor allem die Leute in den von der Problematik betroffenen Gebieten, nur Frieden, und das Zusammenleben funktioniert auch in diesen Gebieten besser, als es immer dargestellt wird. Es ist mal wieder so eine Sache, in der machtgeile Politiker das größere Problem sind und nicht die Völker.
rap.de: Ein weiterer Track, über den ich gerne reden würde, ist „Krankfurt“. Du bist ja eigentlich jemand, der über Frankfurt nur Gutes sagen kann, in dem Track äußerst du dich aber kritisch zu deiner Heimatstadt.

Azad: Wie solll ich das beschreiben? Es gibt viele Sachen, die ich an Frankfurt nicht mag, aber auch Sachen, die ich gut finde. Das ist das gleiche mit dem sogenannten Ghetto, oder wie man das nun nennen will. Du lebst die ganze Zeit da drin und denkst dir, hier ist es so abgefuckt, ich will hier unbedingt raus. Wenn du dann mal raus bist und irgendwann zurück kommst, denkst du dir dann erstmal: Wie schön ist das hier eigentlich. Das hatte ich erst vor ein paar Tagen. Da war ich mal wieder in der Nordweststadt und dachte mir, wie schön sie doch eigentlich ist mit den ganzen Betonklötzen, das war ein ganz eigenartiges Gefühl.
Das gleiche gilt auch irgendwie für Frankfurt. Es gibt viele Sachen, die hier echt äzend sind, aber in diesem Scheiß fühle ich mich irgendwie zuhause, und deshalb bin ich doch glücklich, hier zu sein.

rap.de: Du kennst die Nordi, ist es für dich vorstellbar, dass die Leute da auch aus Frust heraus so durchdrehen, wie es in Frankreich erst vor Kurzem passiert ist?

Azad: Ja, auf jeden Fall, das ist ganz logisch. Die Probleme werden hier auch von Politikern geschürt. Diese Leute wohnen in ihren schönen Häusern und jagen irgendwelchen Utopien nach, aber am Ende ist ihnen dann doch Geld das Wichtigste, und sie kümmern sich doch nur um ihre eigenen Interessen.

rap.de: Ein Feature, das ja für reichlich Diskussionen gesorgt hat, war ja Saad, was sagst du zu dem Ganzen?

Azad: Das ist doch Bullshit. Der eine mag den nicht, weil der Typ nämlich grün ist, und wenn du dann was mit dem zu tun hast, bist du auch schon leicht grün. Das ist doch alles fucking Bullshit. Wenn die Leute meine Musik nicht mehr hören wollen, weil ich mit Leuten Musik mache, auf die ich Lust habe, dann sollen die meine Musik einfach nicht mehr hören. Dann sollen die keine Fans von mir sein. Diese Leute sollen whatever Fans werden, am besten ja von Leuten, denen sie dann vorschreiben können, was sie zu tun haben. Ich mag solche Leute nicht. Das ist doch alles Käse. Wenn ich mit jemandem cool bin und einen Song mache, der alles zerstört, sollen die sich doch darüber nicht aufregen. Die sollen sich doch mal lieber darüber aufregen, dass 99% der deutschen Rapszene einfach nicht rappen können und sich gegenseitig featuren und schlechte Platten raus bringen.
rap.de: Das hört sich teilweise so an, als ob du von der Szene und den Fans etwas genervt bist.

Azad: Nein ich bin auf keinen Fall von den Fans abgefuckt. Es gibt aber einfach zu viele Leute, die Bullshit reden und in drei Tagen ein bisschen Wissen angehäuft haben, ein paar Tracks kennen und glauben, sie wären die Professoren im Game. Da wird dann alles in 12 Schubladen gesteckt. Ich halte das aber für ein Deutsches Problem, woanders ist das nicht so. Am Ende muss man doch einfach Musik machen, weil es geil ist. Ich bin weniger genervt von den Fans, als von Leuten, die Scheiße veröffentlichen. Es gibt soviel musikalischen Bullshit, dass vor allem die Kids, die das alles noch nicht so lange kennen, gar nicht mehr wissen, wo hinten und vorne ist, und sich leicht beeinflussen lassen.
rap.de: Mir ist in letzt er Zeit aufgefallen, dass es bei Rap immer mehr um die Musik selbst geht, das scheint mir bei anderen Musikarten nicht so zu sein, hast du eine Erklärung, warum das so ist?

Azad: Also ohne mich großartig auszukennen, könnte ich dir jetzt aber mindestens 5 Rock-Lieder nennen, in denen es nur um Rock ’n Roll geht: "Yeah, Rock ’n Roll"!
rap.de: Da hast du schon Recht, aber ich wollte darauf hinaus, dass die Rocker ihre Musik eher feiern, während Rapper vor allem in Deutschland immer sagen, wie Scheiße Rap doch eigentlich ist.

Azad: Also, ich höre so was aber nur von Leuten, die im HipHop einfach nichts reißen. Natürlich würde ich sagen, HipHop ist Scheiße, wenn mich keiner mögen würde. Ich glaube, das ist einfach nur eine Frustreaktion von Leuten, die nicht angenommen wurden. Wenn du Hiphop nicht magst, dann höre doch einfach Punk oder Klassik.
rap.de: Hörst du denn noch was anderes neben HipHop?

Azad: Sehr, sehr wenig. 1% Gesang und 4% Klassik.
rap.de: Du bist ja Fan von Booba. Ein interessantes Internetgerücht besagt, dass da vielleicht eine Kollabo zu Stande kommen könnte?

Azad: Nein, also da gab es bisher keine Gespräche. Ich müsste ihn ja auch vorher mal kennenlernen. Wenn er ein cooler Typ wäre, könnte man aber sicher darüber reden. Sein neues Album fand ich jetzt auch nicht so toll. Insgesamt sind da vier Dinger drauf, die ich gut finde, aber der Rest haut mich jetzt nicht gerade um. Ich hab irgendwo gehört, dass er etwas arrogant wäre, aber muss ja nicht stimmen. Er ist auf jeden Fall einer der wenigen, dessen Musik ich schon eine ganze Weile feiere.
rap.de: Wie findest du eigentlich, dass du einer der Künstler bist, der ein Album veröffentlicht, und spätestens ein halbes Jahr später klingt, überspitzt ausgedrückt, halb Rap-Deutschland wie du?

Azad: Mir ist das eigentlich egal. Das bringt mir nichts, das klaut mir nichts. Es gibt dann eben einen Original-Azad und jede Menge Abklatsch davon. Das wird dann eben ein bisschen langweilig. Aber ich habe noch nie einen gehört, bei dem ich dachte, ich höre mich selbst.
Das ist natürlich auch ein Kompliment, wenn die Leute klingen wollen wie du, aber es ist schade für den betreffenden Künstler, weil er es dann nach meiner Ansicht zu nichts gebracht hat. Ich hab auch Freunde, die Potential haben und denen ich sage, ey mach mal was, aber dann nutzen die teilweise auch Worte, die speziell von mir geprägt sind, oder setzen ihre Stimme ein wie ich. Naja, denen sag ich dann eben, dass es das so nicht bringt und dass sie an ihrem eigenen Style feilen sollen.

rap.de: Was kommt denn in Zukunft aus dem Hause Bozz Music? Dein Album ist ja raus, und die Tour mit Jonesmann kommt demnächst.

Azad: Es kommt zunächst das zweite Jeyz Mixtape "Chronologie Part 2", da wird es einiges an exklusivem Material drauf geben. Dann arbeitet Jonesmann an seinem neuen Mixtape und seinem R&B-Album. Außerdem arbeiten wir am Warheit-Album, sowie dem BOZZ-Sampler. Der wird dann auch mal den ganzen Pappnasen-Samplern da draußen zeigen, was Sache ist.


rap.de: Der hat diesmal aber ein anderes Releasedate als die Aggro Ansage?

Azad: Ja, aber das war auch so eine Sache, die die Leute völlig falsch verstanden haben. Jetzt kommen alle an und sagen: "Ja, das haben wir euch doch gleich gesagt, dass die Aggro-Jungs mehr verkaufen werden". Das wusste ich ja selbst. Es ging nur darum zu zeigen, dass unser Scheiß einfach geiler ist, auch wenn wir nicht das Geld haben, ein Video zu drehen und so viel Werbung zu machen. Ich wollte da nur nochmal gesagt haben. Die Jungs verkaufen vielleicht mehr, aber meine Eier sind einfach dicker, weil wir einfach die bessere Musik machen.
In dem Augenblick, wo sich zwei Produkte messen, messen sich ja nicht die Verkaufszahlen und die Leute, die das kaufen. Wenn 100.000 Leute ein Produkt kaufen, können die nach dem Kauf ja immer noch feststellen, dass sie etwas erworben haben, das abgrundtief scheiße ist. Viele Käufer heißt ja noch lange nicht viele zufriedene Käufer.  Also vergleiche ich ein Produkt immer nach dem Inhalt, und in der Hinsicht haben wir einfach alles gefickt, mein Freund.
 
rap.de: Alles klar. Danke für Das Interview. Ach, kennst du eigentlich Elmo noch?

Azad: Klar Mann. Ey Leute, Elmo ist im Gebäude…