DJ Nicon

rap.de: Wie findest du die Entwicklung des Mixtape-Markts in Deutschland? Früher war das ja ganz angesagt…      

Nicon: …als es dann CD wurde nahm es ab und jetzt ist es auf einmal wieder da.    

rap.de: Ja, mittlerweile hat ja jeder Rapper Mixtape draußen.   

Nicon: Das hat auch sehr viel mit der amerikanischen Entwicklung zu tun, denn da ging es ja auch so ab. Da haben die Leute gesehen, dass ein DJ sich mit ein paar Tapes eine goldene Nase verdient. Das geht hier nicht. Hier kannst du dir selbst als Künstler nicht so schnell eine goldene Nase verdienen. Und selbst wenn du hier dann angesagt bist, verdienst du immer noch nicht viel verglichen mit den Top-Rappern in Amerika. Das ist bei den DJs eben auch. Die sehen schon, dass da was geht, aber das man 10.000 Mixtapes verkauft ist recht utopisch.    

rap.de: Und glaubst du, dass das Mixtape Business auch hier einmal so weit entwickelt sein wird, dass Rapper ohne Label und Vorgeschichte sich einen Namen durch Mixtapes machen können? In den Staaten hat man ja dafür Beispiele wie 50 Cent, oder Cassidy.    

Nicon: (überlegt) Ich glaube, so ein Fifty-Phänomen wird es in Deutschland nicht geben, da die Leute nicht lange genug anonym bleiben. Wenn hier jemand etwas Krasses auf einem Mixtape macht, oder selbst noch was Krasses auf dem zweiten Tape, wird so schnell jemand angerannt kommen und den signen wollen. Und der wird dann auch so schnell „Ja“ sagen, dass es gar nicht so weit kommt, dass er über zwei Jahre nur Mixtape-Features macht, sich so hyped und sich so einen krassen Status aufbaut, dass er die Nummer Eins sein könnte, oder zu den Top Rappern gehören könnte. In Amerika ist so etwas möglich, weil dort der Markt einfach so groß ist, dass du da eher als Nummer, anstatt als Rapper angesehen wirst. Somit ist die Chance nicht so hoch, nach oben zu kommen. Wenn du das jetzt wie Fifty angehst und dich immer nur in diesem bestimmten Bereich aufhältst und zeigst, dass du gut bist, um dann irgendwann hochzuschießen, kann man da auch viel mehr daraus machen. Doch die Käuferzahl in Deutschland und die Leute, die HipHop hören ist einfach zu gering.    

rap.de: HipHop hat hier ja auch nicht den Status, den er in den Staaten genießt.
 

Nicon: Wobei es schon besser geworden ist. Es ist nicht wie damals, als Tomekk im Cafe Silberstein in der Oranienburger aufgelegt hat. Erst als er dann zu Kiss ist und dort seine „Boogie Down Berlin“ Show hatte konnte man auch regelmäßig HipHop im Radio hören. Auch Andre Langenfeld mit seiner Show auf Fritz. Ich hab sogar zu Ost-West  Zeiten seine Sendung aus dem Osten gehört. Ich komme zwar aus dem Westen, aber ich fand die Sendung sehr krass. Andre Langenfeld ist meiner Meinung nach aus so das Urgestein im Radiobereich. Wie auch Tomekk. Er hat Kiss mit aufgebaut, denn er hat sich für ’nen Appel und ’nen Ei dort den Arsch aufgerissen. Man kann ihn haten wie man will, aber er hat einfach sein Business gemacht. Durch solche Sachen und mit dem Blick nach Amerika hat sich das natürlich so entwickelt, dass das hier auch immer kommerzieller wurde. Auch im Radio. Wobei es nicht unbedingt schlimmer werden sollte. Fifty Songs auf Energy alle halbe Stunde wäre mir dann schon zu anstrengend. Ich finde es so schon manchmal ganz schlimm. Ich sag euch das ganz ehrlich: Ich lege auf im Klub und fühle mich manchmal wie eine Jukebox. Geh mal zu einer Elektroparty und schau dir an, wie die Leute da feiern, vielleicht auch auf Droge, aber das ist mir in dem Fall scheißegal. Die quatschen den DJ nicht voll. Da geht nicht einer hin und fragt, ob er mal dieses oder jenes hören kann. Ich finde dass das ein Unding in. Wenn man irgendwo hingeht und sieht, dass ein namenhafter DJ auflegt, sollte man doch den Respekt haben und sagen können, o.k, das ist ein Künstler, der macht sein Ding. Man geht ja auch nicht zu einem Rapper auf die Bühne und sagt ihm, welchen Song er jetzt mal rappen soll. Das ist einfach respektlos. Man sollte doch sehen, dass, wenn der DJ zwei, drei Kisten Platten dabei hat, er eben nur ein paar Stunden auflegen kann. Mehr geht dann eben nicht.    

rap.de: Was ich noch Fragen wollte: Sean Price hat letztens erzählt, dass sich sein Mixtape besser verkauft hat, als sein Album. Meinst du, dass es in Deutschland auch irgendwann mal soweit sein wird, dass die Leute lieber die Mixtapes kaufen, als die Alben, weil da mehr Abwechslung drin steckt?    

Nicon: Ich weiß nicht. Schau mal, ein Mixtape ist ja eher eine billige Compilation. Das verkauft sich schon krass…Die Kiddies haben ja auch mehr diese Mentalität: „Was ich kenne und die anderen nicht kennen ist cool.“ Wenn etwas cool ist, wird es durch den Fakt, dass es unbekannt ist noch cooler. Da steckt auch so eine Anti-Haltung drin. Deshalb ändert sich von Künstlern auch so schnell die Fanbase. Wenn man auf einmal nicht mehr der Eminem ist, der früher auf die Kacke gehauen hat und jedem vor den Kopf stieß, sich dann aber doch wandelt und Songs macht, die mehr Kopf und Gefühl reinbringen. Um zur Hauptfrage zurück zu kommen: Ein Mixtape hat einfach den Status, dass es nicht soviel Promo bekommt, sprich, nicht jeder davon etwas mitkriegt. Die Leute kaufen sich das, weil sie somit Sachen haben, die nicht so Mainstream sind, aber  trotzdem von einem Künstler sein können, der den Mainstream Status in seiner Karriere erreicht hat.    

rap.de: Das heißt, dass dem Künstler auf einem Mixtape mehr Freiheiten, als auf einem Album geboten sind?

Nicon: Genau. Er kann einfach frei raus zu dem zurückkommen, was er vielleicht mal gemacht hat. Konzeptfreie Dinger, einfach raus, spitten, spitten und batteln.    

rap.de: Bei einem Mixtape hat man auch nicht so den Anspruch, damit zu charten wie mit einem Album, oder?    

Nicon: Ja. Und es ist auch viel billiger, wodurch man mehr Gewinn rausholen kann. Du machst den Track schneller, der Beat muss nicht gemischt, oder gemastert sein, das Layout ist vielleicht nicht ganz so krass wie für ein Album und die Promo plus Video ist nicht annähernd so teuer wie bei einem Album.    

rap.de: Ich will noch kurz auf eine Sache eingehen: In dieser ganzen Beef Geschichte wurden ja auch Worte über dich verloren. Es hieß, dass du keine eigenständige Persönlichkeit bist und immer nur das machen würdest, was man dir sagt. Wo siehst du dich selber?

Nicon: Ich glaube, Leute die so etwas sagen, können einfach nicht verstehen, dass ich von Anfang an dabei war. Auch schon zu einem Zeitpunkt, als es Optik noch gar nicht gab. Ich war dabei, als Optik langsam aufgebaut wurde und jeder hat da seinen Teil zu beigetragen.  Ich habe meinen dazu beigetragen. Und wenn ich wirklich so uneigenständig wäre, hätte ich diverse Projekte nicht so realisiert, wie ich es letztlich tat. Daher kann ich das nicht wirklich verstehen.    

rap.de: Warum sieht man dich nur noch selten in Berliner Klubs auflegen?

Nicon: Eine Sache ist natürlich die Gage. Aber es ist auch so, dass sich die Klubkultur in Berlin schon geändert hat. Die Leute sind sehr verwöhnt von dem hohen Angebot in Berlin und gehen auch nicht mehr wegen dem DJ auf eine Party. Außerdem sind die Leute aggressiver geworden. Ich habe einfach keine Lust, dass es in einem Klub, in dem ich auflege zu einer Schlägerei kommt. Dazu geht man ja nicht in den Klub. Ich habe schon vorhin gesagt, dass ich seit vier Jahren im „Bounce“ in Leipzig auflege und da ist fast nie etwas passiert. Du kannst das direkt so schreiben: In vier Jahren kam es nicht zu ein zwei Schlägereien die ich mitbekommen habe.    

rap.de: Was passiert nach Optische Elemente? Stehen weitere Mixtapeserien an?    

Nicon: Optische Elemente 3 soll erstmal der Abschluss für die Elemente Serie sein. Also das Ende der Trilogie. Und was dann kommt mal schauen…Best of OE! (mit einem Augenzwinkern)

rap.de: Danke für das Gespräch.