Lorenzo DeChalus, besser bekannt als Lord Jamar, ist der einzige der drei MC’s von Brand Nubian, der noch kein Soloalbum veröffentlicht hat. Grand Puba, der Lead-MC, brachte seit seiner Trennung von Brand Nubian 1991 bereits drei Alben raus. Sadat X droppte vor wenigen Tagen sein nunmehr zweites Album "Experience & Education". Lord Jamar, der raptechnisch immer etwas im Schatten von Grand Puba und Sadat X stand, tritt dafür umso deutlicher in Erscheinung, wenn es um die von Brand Nubian verinnerlichte Doktrin der Nation of Gods & Earths, bzw. 5% Nation (eine Splittergruppe der Nation of Islam), geht.
In der 5% Nation ist der „schwarze“ Mensch Gott und der „weiße“ der Teufel. 5% der Menschheit seien weise, deren Aufgabe es sei, den „dummen, blinden und tauben“ 85%, die von den 10 % unterdrückt würden, die Augen zu öffnen. Einen Großteil ihrer Anhänger rekrutiert die Nation in den Gefängnissen und in den Ghettos der Städte an der US-amerikanischen Ostküste, wo sie als soziales Auffangbecken fungiert. Nicht zuletzt wegen ihres sozialen Hintergrunds wird sie häufig, insbesondere von den Medien, als eine kriminelle Vereinigung wahrgenommen. Vordergründig geht es der 5% Nation jedoch darum, der Unterdrückung durch den vorherrschenden „weißen“ Rassismus etwas entgegenzusetzen. Gleichwohl ist auch die Götternation selbst nicht frei von Unterdrückungsmechanismen. So steht die Frau, wenn auch als Queen bezeichnet, unterhalb des Mannes, wie auch Brand Nubian z.B. in "Love Me Or Leave Me Alone" deutlich machten: „I ain’t down for a honey who don’t wanna submit.“ Rigoros abgelehnt wird in der 5% Nation Homosexualität. Und so gerieten Brand Nubian 1993 mit ihrem Song "Punks Jump up To Get Beat Down" in die Kritik der G.L.A.A.D. (The Gay & Lesbian Alliance Against Defamation), die in dem Track, nicht ganz zu Unrecht, einen Aufruf sah, Homosexuelle anzugreifen, was Brand Nubian dazu veranlasste, ihre Lyrics teilweise umzuschreiben. Ein weiteres „Missverständnis“ sei, dass Brand Nubian alle „Weißen“ hassen würde: „Nicht jeder Teufel ist bleich“, sagt Lord Jamar. „Ich denke, wir haben das schon früh deutlich gemacht.“ Zumindest hat Brand Nubian seit „In God We Trust“ von 1993 kein vergleichbar radikales Album mehr veröffentlicht und auf den folgenden Platten einen seichteren Ton angeschlagen.
In der Zwischenzeit glänzten Grand Puba und Sadat X vor allem jenseits von Brand Nubian als Solo-MC’s, während sich Lord Jamar zunehmend der Produktion widmete von jungen, aufstrebenden Künstlern, wie z.B. der Gruppe Legacy oder auch Dead Prez, die er auf einer Blockparty entdeckte. Außerdem trat Lord Jamar immer öfter vor die Kamera, so war er z.B. in der US-amerikanischen Serie OZ: Season 4 Prisoners zu sehen, in der er einen inhaftierten Five Percenter spielte. Und nachdem Brand Nubian vergangenes Jahr bei Babygrande ihr fünftes Album "Fire In The Hole" (seit Foundation von 1998 wieder mit Grand Puba) in die Läden brachte, fasste schließlich auch Lord Jamar den Entschluss, mit einem Soloalbum aufzuwarten. In Arbeit ist eine strikte 5%er-Platte. Als Gäste werden u.a. Rakim, Shabazz the disciple und Wise Intelligent erwartet. Das folgende Interview handelt u.a. von der 5% Nation und was MC Serch mit ihr verbindet, von Lord Jamars Engagement in der Community und seiner Auffassung vom so genannten conscious Rap, von Antisemitismus im HipHop und von den Vier Elementen, sowie von HipHop im Allgemeinen.
rap.de: „I’d rather listen to the Brand Nubians“, rappte KRS–One 1992 auf seinem Album „Sex & Violence“. Auf derselben Platte sagte er aber auch: „It ain’t enough to study Clarence 13X“ (Clarence 13X gründete 1964 die 5% Nation, Anm. P.K.). Was ging dir durch den Kopf, als du diese Verse zum ersten Mal gehört hast?
LJ: Ehrlich gesagt, hab ich keine Ahnung (lacht)! Ich weiß noch nicht mal, ob ich ihn das sagen hören habe. Aber es macht mich stolz, dass er vorzugsweise Brand Nubian hört. Auch ist es nicht genug nur Clarence 13X zu studieren, aber es ist ein gutes Fundament für ne Menge junger Brüder und Schwestern. Wissen ist unendlich. Aber was er sagt, ist wahr. Es ist nie genug nur einen Bereich zu studieren. Wir hatten übrigens erst vor kurzen einen Auftritt mit KRS in Chicago.
rap.de: Die Nation of Gods & Earths organisiert Versammlungen, eine Zeitung und eine Netzseite, um nur einige Punkte zu nennen. Wie ist all das organisiert?
LJ: Es ist alles miteinander verbunden unter ein und derselben Führung, auf einer Basis, durch eine Ideologie. Das heißt aber nicht, dass eine Person befiehlt: „Du machst die Netzseite und du die Zeitung!“ Ich denke, diese Brüder und Schwestern haben von sich aus irgendwann mit diesen Dingen angefangen. Die Zeitung wird vielleicht direkt von unserer Schule aus betrieben. Aber die Netzseite ist wohl einfach ein Kind der Zeit. Irgendeiner oder –eine fing damit an und ist in diesem Bereich produktiv.
rap.de: Es sieht halt so aus als gäbe es in der 5% Nation keine Vorsitzenden.
LJ: Stimmt, d.h. … Auf gewisse Weise gibt es so was. Aber es ist nicht so, dass wir zu einem Führer aufschauen. Wir alle sind unsere eigenen Führer, jeder auf seine Art. Wenn du nach Hause zu deiner Frau und deinen Kindern kommst, dann bist du der Führer in diesem Universum. Da wo wir alle zusammen kommen, da ist Allah. Wir bringen all unsere Fachkenntnisse zusammen und knüpfen sie zu einem Ganzen zusammen, um darauf aufzubauen.
rap.de: Die Black Panther Party hatte eine ganze Revolution zum Ziel. Die Nation of Islam ist u.a. für ihre Sozialarbeit in den Ghettos bekannt. Was tut die 5% Nation, um die Situation der „Schwarzen“ in den USA zu verbessern?
LJ: Im Wesentlichen versucht sie, die Jugend zu erreichen. Wir gehen auf das Volk zu als das Volk. Wir berühren die Basis. Wir kommen nicht herablassend rüber. Wir sehen aus wie jeder andere auf der Straße. Wir haben halt eine bestimmte Bewusstseinsebene, die uns auf der Straße Respekt einbringt. Uns ist es möglich in Gegenden vorzudringen, die die Nation of Islam oder andere Organisationen nicht erreichen können, was die Jugend betrifft. Hauptsächlich lehren wir Zivilisation. Wir bilden aus und schulen um, im Wesentlichen weg von der falschen Erziehung, die uns hier in Nord-Amerika verabreicht wurde. Das ist’s was wir tun.
rap.de: In einem anderen Interview hieß es, du würdest in den Communities Arbeit verrichten. Was ist das für Arbeit und wie ist sie organisiert?
LJ: Das hängt davon ab, in welcher Community du dich aufhältst und mit welchen Brüdern du zu tun hast. Es gibt ne Menge Brüder, die Projekte aufziehen, von denen ich vielleicht gar nichts weiß. Aber die Arbeit ist da, alle verrichten sie. Nur weil ich nichts davon weiß, heißt das nicht, dass es sie nicht gibt. Ich gehe in die Schulen und unterrichte über die Geschichte von HipHop, über Deejaying.
rap.de: Sind das gewöhnliche Schulen?
LJ: In diesem Fall war ich an einer Junior High School in Brooklyn.
rap.de: Und die Lehrer akzeptieren das? Wie reagieren die auf euch?
LJ: Nun, hierbei handelte es sich im Wesentlichen um Musik, die ich unterrichtete. Als ein Mitglied der 5% Nation brachte ich den Kindern zu dieser bestimmten Zeit etwas über Musik bei. Man muss ja nicht die Philosophie der 5% Nation als solche unterrichten, es reicht schon, sie durch Musik und andere Dinge zu vermitteln.
rap.de: Könntest du bitte anhand von ein, zwei Beispielen beschreiben, was die Supreme Mathematics und Alphabets sind?
LJ: Nun, die Supreme Mathematics und Alphabets sind das Fundament für Verständnis, besonders die Mathematics. Ich kann dir jetzt aber nicht sagen, was jeder einzelne Buchstabe und alles bedeutet, weil das voraussetzen würde, dass du ein Mitglied der 5% Nation bist. Aber ich kann dir sagen, dass man dir in der Schule zwar das Einmaleins beibringen, aber man bringt dir nichts über die Bedeutung dieser Zahlen bei und wie sie mit der Welt übereinstimmen. Sie bringen dir auch das ABC bei, aber wir schlüsseln auf, was die Buchstaben bedeuten. Die Zahl steht für Knowledge. Knowledge is to know the ledge, so you don’t fall off the edge into darkness. Wissen ist unendlich. Das Supreme Alphabet schlüsselt die Buchstaben auf. Du prägst dir die Buchstaben ein, ihre Bedeutung und an welcher Stelle des Alphabets sie stehen. Der Durchschnittsmensch steigt da nicht durch. Wenn du jemanden fragst, wie viele Buchstaben das Alphabet hat, dann kann er dir vielleicht sagen, dass es 26 sind, aber wenn du ihn fragst, welcher Buchstabe der 15te ist, wird er dir kaum aus dem Stand heraus O sagen können. Die Zahl des Buchstaben entspricht übrigens auch dem Buchstaben an und für sich. Zum Beispiel 1. Der erste Buchstabe ist A. A steht für Allah, denn Er ist die Nummer 1, das Fundament, verstehst du (lacht)!? Oder der siebte Buchstabe ist G. Laut der Supreme Mathematics steht die 7 für Gott. Auch im Alphabet steht G für Gott. Es geht einfach um gewisse Dinge, die miteinander übereinstimmen. Ich kann hier nicht zu tief gehen (lacht), denn das sind Dinge… Manche finden das heimlichtuerisch, aber ich will es nicht unbedingt als Geheimnis bezeichnen. Aber man kann auch nicht all seine Juwelen auf einmal preisgeben. Man kann nicht einfach seinen Tresor öffnen und sagen: Bedien’ dich! Verstehst du!? Ich zeige dir ein paar Juwelen, aber dann muss ich sie wieder in den Safe zurücklegen.
rap.de: Wir werden weiter Rap-Lyrics studieren und uns auf diese Weise das Wissen erschließen.
LJ: Du wirst dir nicht alles durch Rap-Lyrics erschließen können, denn die meisten berühren in ihren Texten nur die Oberfläche. Ich glaube auch, dass das der Grund dafür war, weshalb wir damals recht groß raus kamen, weil wir etwas tiefer gingen als jemals jemand zuvor. Besonders in Songs wie "Wake Up" oder "Ain’t No Mystery". So hatte es bis dahin noch keiner auf den Punkt gebracht! In "Wake Up" stammt eine Menge direkt aus den Lessons (die Lost & Found Muslim Lessons 1&2, auch bekannt als die Questions & Answers, der Nation of Islam und 5% Nation, Anm. P.K.). Auf keiner anderen Platte bist du näher an den Lessons der 5% Nation dran als bei "Wake Up"! Näher kommst du nicht ran! Verse wie: Can a devil fool a Muslim?, z.B., stammen direkt aus den Lessons.
rap.de: “The devil couldn’t check it even if he wants to check it”.
LJ: Richtig, davor sage ich: „That’s how old, there’s no set birth record“. Auch dieser Vers stammt direkt aus den Lessons. Dann fügst du den Rap-Scheiß hinzu: ”The devil couldn’t check it even if he wants to check it”. Manches, von dem was wir sagen, ist aus den Lessons, doch wir zitieren nie alle Lessons. Aber wie dem auch sei, ich bin dabei ein Solo-Album zu machen. Und das soll das reinste 5% Album werden! Das tiefgründigste überhaupt!
rap.de: Worin graduiert ein Five Percenter, wenn er die 120, 240 und 360 Grad abschließt?
LJ: Man graduiert für das Leben. 120 Grad mal drei macht 360 Grad. Once you knowledge 120, dann hast du das dein Fundament, um andere Dinge zu studieren. Du kannst die Dinge aus einer klaren Perspektive betrachten, anstatt aus einer vernebelten. Once you knowledge 120, dann hast du das Fundament andere Dinge in Angriff zu nehmen. Viele Brüder studieren dann die Bibel, um zeigen und beweisen zu können, dass was die Menschen darin lesen, genau das ist, was wir sagen. Einige studieren dann den Koran, vielleicht sogar die Thora oder das Leben im Allgemeinen! Sie studieren das Verhalten der Menschen, die Interaktionen von Menschen. Es hängt nur davon ab, was du von da an studieren willst. Es ermöglicht dir, die Dinge klarer zu sehen, egal was du danach studieren willst.
rap.de: Irgendwo hab ich gelesen, dass der „weiße“ MC Serch von 3rd Bass einst ein Five Percenter war. Ist das wahr?
LJ: Das ist nicht wahr (lacht). Ich weiß, dass MC Serch in einem Viertel aufwuchs, wo es viele Five Percenter gab. Ich denke, er studierte sie aus der Distanz heraus, aber er war niemals in der 5% Nation. Serch kam zu seinem Namen, weil er nach bestimmten Wissen suchte (suchen= to search). Er ist ein cooler Typ, aber die 5% Nation steht nicht allen offen. Doch sie ist offen für das Gespräch mit Außenstehenden. Schließlich sind wir kein Haufen verrückter Rassisten oder so ne Nazi-Organisation (lacht). Nur muss man sich zuerst auf sich selbst konzentrieren! Damit meine ich die Schwarzen in Nord-Amerika, diejenigen, die Opfer des Sklavenhandels waren und den ganzen Scheiß in diesem Land ertragen mussten. Das betrifft insbesondere die Schwarzen Nord-Amerikas. Zwar passieren auch in Afrika schlimme Dinge, aber wir sind die einzigen dieser Erde, deren Identität geraubt wurde. Also müssen wir uns zuerst darauf konzentrieren, das in Ordnung zu bringen und uns selbst ausbilden, bevor wir auf andere zugehen können. So viel dazu.
rap.de: In den Lost & Found Muslim Lessons I. heißt es in der Antwort zu Frage 10, dass man, um ein richtiger Moslem zu werden, die Köpfe von vier Teufeln vorweisen muss. Ich habe gelesen, dass ein geistig verwirrter Mann diese Regel beim Wort nahm, vier „Weiße“ tötete, ihre Köpfe nahm und zur Moschee brachte.
LJ: Wenn du richtig unterrichtet wurdest, dann weißt du, dass zuerst das Wissen kommt. Alles Gesprochene muss zuerst mental verarbeitet werden, bevor es in die Praxis umgesetzt wird. Wenn wir davon sprechen, den Kopf des Teufels zu nehmen, heißt das nicht, dass man wirklich jemanden den Kopf abschlägt und mit vier Köpfen in die Moschee marschiert. Es bedeutet, den Kopf der Ignoranz abzuschlagen. Gemeint ist die falsche Erziehung, die uns diese Gesellschaft beschert hat. Dieser Kopf muss durch einen höheren Kopf ersetzt werden. Also, was auch gesagt wird, es muss zuerst mental erfasst werden.
rap.de: Was ist deine persönliche Meinung über die bis heute ungeklärte Ermordung von Clarence 13X im Jahr 1969?
LJ: Nun, er wurde in den Sozialbauten in Harlem getötet. Die Zeit, in der er getötet wurde, war eine Zeit in der Geschichte dieses Landes, in der eine Menge politischer Morde geschahen. Sie versuchten bestimmte Organisationen und Bewegungen, die damals aufkamen, zu unterwerfen. Zwar ist es nicht so, dass ein paar weiße Typen kamen und ihn umbrachten, aber es waren auch keine weißen Typen, die Malcolm X töteten, wenn du verstehst, was ich meine!? Sie lassen deine eigenen Leute die Drecksarbeit für sich erledigen. Dahinter steckten ne Menge Geheimdienste, die Leute anwarben, worüber wir wahrscheinlich für weitere 50 Jahre nichts erfahren werden. Erst dann, wenn sie bestimmte Dokumente veröffentlichen und freigeben, wird man wissen, dass sie Clarence und viele andere verfolgten. Auch von den Black Panthers war nicht bekannt, dass sie verfolgt wurden, bis dann publik wurde, worum es wirklich ging. Ich denke also, dass es damals definitiv politische Beweggründe waren ihn zu töten, auch wenn es nicht bewiesen werden kann. So denke ich darüber.
rap.de: In der Vergangenheit gab es eine starke jüdisch-„schwarze“ Allianz, die gegen Rassismus und die Unterdrückung von Minderheiten kämpfte. In den 60er Jahren zerfiel diese Allianz. Von da an griff ein Antisemitismus um sich, der später auch im HipHop ausgedrückt wurde.
LJ: Ehrlich gesagt, sehe ich im HipHop keinen Antisemitismus. Und, ich mag es ja nicht einmal Homophobie nennen (lacht), aber ich würde sagen, dass Antihomosexualität stärker in HipHop präsent ist als irgendein Antisemitismus. Ich höre ja nicht mal irgendwelche Leute im HipHop über Juden reden. Auch wir haben nie etwas gegen Juden gesagt. Die Juden beschäftigen die Schwarzen nicht besonders. Um ehrlich zu sein, denke ich, dass es sich bei den Juden eher um ein Ding zwischen Weißen handelt. Wir sagen vielleicht kleine Sachen wie… lustigen Scheiß über die Juden mit ihren Locken oder so was, verstehst du!? Halt kleine Witze oder allgemeine Stereotypen wie: “Yo, du bist geiziger als ein Jude!“ Aber so was sagt jeder. Ich denke nicht, schon gar nicht in der 5% Nation, das da Leute sind, die sagen: „Tötet die Juden! Sie sind unsere Feinde!“, oder so was. So was sehe ich nicht. Unterdrückung ist unser Feind. Ignoranz ist unser Feind. Für mich gehören die Juden zu den erstaunlichsten Menschen der Erde, die mehr als alle anderen versuchen, ein rechtschaffenes Leben zu führen! Wir haben schon früh gelernt, dass wir ihrem Essen trauen können, denn wir wissen, dass koscheres Essen kein Schwein enthält. Eine Menge der Bräuche, die sie bewahren sind richtig. Wir wollen keinen Krieg, wir wollen love, peace, happiness, freedom, justice, and equality. Wir wollen unsere Twelve Jewelz: Knowledge, Wisdom, Understanding, Freedom, Justice, Equality, Food, Clothes, Shelter, Love, Peace und Happiness. Das sind die Zwölf Juwelen. Zuerst hast du die Mathematics, dann die Alphabets, und dann kommen die Zwölf Juwelen. Du gehst durch die Lehre von 1 bis 10 (The Student Enrollment) und von 1 bis 36 (English Lesson No. C-1), von 1 bis 14 (The Lost & Found Muslim Lesson No.1) und von 1 bis 40 (The Lost & Found Muslim Lesson No.2). Dann gehst du von den Actual Facts zu den Solar Facts. Das ist die Ordnung.
rap.de: Ich dachte dabei insbesondere an die antisemitischen Reden von Nation of Islam-Oberhaupt Louis Farrakhan, der nun mal von vielen HipHoppern hoch geschätzt wird.
LJ: Weißt du, Farrakhan hat nicht mehr die Wirkung, die er vor 10, 20 Jahren hatte. Er ist alt geworden und zeigt sich nicht mehr so viel wie früher einmal. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann das letzte Mal ein Auszug von Farrakhans Reden auf einer HipHop-Platte zu hören war. In den 80ern, da hatte Farrakhan ne Menge Kraft!
rap.de: Der so genannte conscious Rap hatte seinen bisherigen Höhepunkt in der so genannten Goldenen Ära um 1990. Aber auch heute gibt es politische Gruppen, wie z.B. deine Entdeckung Dead Prez oder The Coup u.a. Im Unterschied zu heute bildeten sich damals Projekte, wie z.B. die Stop-the-violence-Bewegung. Was glaubst du, ist der Grund dafür?
LJ: Alles verläuft zyklisch. Es gibt nichts Neues. Wo wir heute im HipHop stehen, waren wir schon einmal. HipHop existiert lange genug, um sich zu wiederholen. Meiner Meinung nach befinden wir uns an demselben Punkt, wie damals kurz bevor conscious Rap zu überwiegen begann. Damals gab es die dicken Goldketten und das erste Mal sah man junge Schwarze große Autos fahren. Verstehst du, das war das Bling-Bling der damaligen Zeit! Jetzt reformiert sich das, aber es ist immer noch die gleiche Mentalität wie damals vor der conscious Ära. Ich denke also, das kommt wieder. Aber ich glaube, wir hatten in den 80ern stärkere Repräsentanten. Wenn du mich fragst, sind viele der Leute, die heute sagen, sie seien positiv oder conscious, nicht so starke Persönlichkeiten wie die Brüder damals. Chuck D, der war stark! Er machte auch die Durchschnittsperson auf sich aufmerksam, nicht bloß diejenigen, die bereits conscious waren.
rap.de: Warum kommen die paar politischen oder conscious Gruppen, die es gibt, nicht zusammen und bauen etwas auf?
LJ: Da kann man auch fragen: Warum schließen sich nicht alle Schwarzen zusammen und tun, was zu tun ist? Nämlich weil wir noch was erledigen müssen; Dinge, die ihren Ursprung immer noch in der Sklaverei haben und es uns Schwarzen schwer macht, uns zu vereinigen. Es fällt uns schwer einander zu vertrauen. Auch ist die Gesellschaft, in die man uns brachte, stark auf Konkurrenz eingestellt: Vielleicht habe ich einen conscious Rap und du auch, aber Scheiße! Du bist meine Konkurrenz! Da mag also noch Wettbewerb unter uns herrschen. Ich weiß nicht genau, warum sie sich nicht zusammentun. Ich meine, Mann, ich habe sogar in meiner eigenen Gruppe unglückliche Zeiten! Ich hab auch unglückliche Zeiten in den Gruppen, die ich unter Vertrag nahm, wie z.B. Dead Prez. Wir sollten alle conscious sein, aber gleichzeitig sind wir auch Individuen. Es könnte sein, dass alles nur an den Persönlichkeiten gelegen ist. Aber ich denke, das geht tiefer.
rap.de: Hast du jemals mit den Poor Righteous Teachers gearbeitet. Schließlich gehören Brand Nubian und die Poor Righteous Teachers zu den stärksten Vertretern der Five Percenter.
LJ: Nein, niemals. Das war sonderbar, denn als wir damals raus kamen, waren die schon ne Weile am Start, und wir haben auch gemeinsame Shows gemacht und so, aber ich weiß nicht. Es war komisch, ihr Vibe kam mir etwas reserviert vor, so nach dem Motto: Ihr macht euer Ding und wir machen unseres. Ich fand, dass einige von ihnen damals recht unnahbar waren (lacht). Das ist schon eigenartig, schließlich sollten wir doch eine Familie sein. Vielleicht waren wir ihre Konkurrenz. Außerdem wohnten sie recht weit weg von uns, in Trenton, New Jersey. Oder lag es an der Plattenfirma? Ich weiß es nicht. Es wäre schon nett gewesen. Zwar respektierte man sich, aber man unternahm keine weiteren Schritte. Ich sehe es so: es ist die Aufgabe desjenigen, der schon länger dabei ist, einem die Hand zu reichen. Und sie waren schon länger dabei. Wenn ich gerade frisch ins Spiel komme, dann will ich nicht den Eindruck machen, überbegierig zu sein und jemanden hinterher zu rennen. Wenn ich einen jungen Typ treffe, von dem ich weiß, dass er Rap-mäßig zu mir aufschaut, dann würde ich ihm, egal, was er macht, sagen: Lass uns was zusammen machen! Das war’s, was ich mir von Public Enemy erhoffte, als wir raus kamen. Mit Professor Griff habe ich sogar mal eine Platte gemacht, die ich für großartig halte! Einfach nur mit irgendeinem von Public Enemy was zu machen war ein Traum von mir! Auch KRS ist einer, mit dem wir ein Album hätten machen können! Er ist zwar kein Five Percenter, aber er ist conscious. Ich weiß nicht, warum wir es nicht getan haben, genauso wenig wie ich weiß, warum nicht alle conscious Leute zusammenkamen und was unternahmen. Es ist so, dass jeder seinen eigenen Kampf führt. Dabei wären wir noch stärker, wenn wir alle zusammenkämen. Tatsächlich habe ich schon daran gedacht sie (die Poor Righteous Teachers) mal aufzusuchen und sie auf mein 5% Album zu bekommen. Ich hoffe ne Menge dieser Leute zusammenzukriegen für das, was ich vorhabe. Und hoffentlich wollen ein paar der Brüder von den Poor Righteous Teachers da mitmachen.
rap.de: Boots Riley von The Coup meint, die so genannte HipHop-Nation sei eine kommerzielle Erfindung. Stimmst du damit überein?
LJ: Also, das klingt mir ein bisschen nach Semantik, verstehst du!? HipHop-Nation – verstehst du!? Ich bin mir nicht mal sicher, was das bedeutet. Ich meine, gibt es eine Rock’n’Roll-Nation? Gibt es eine Jazz-Nation? Es klingt komisch von einer Nation zu sprechen, weil ich mir nicht sicher bin, ob es überhaupt eine Nation ist. Ich denke nicht, dass Breakin’ und HipHop und all das eine kommerzielle Erfindung waren! Ich denke, das wurde von Leuten geschaffen, die nichts hatten, und aus dem Nichts heraus etwas schufen. Im Laufe der Zeit wurde die Kultur vom Kommerz vergewaltigt und sodomisiert, aber sie war keine kommerzielle Erfindung. Wenn du von ‚Erfindung’ sprichst, dann heißt das, die Kultur wurde von Kommerz geschaffen, und das ist nicht wahr. Der Kommerz wollte mit HipHop nichts zu tun haben, bis wir ihnen klar machten, dass er wirtschaftlich wertvoll war und man Geld damit machen konnte. Als sie das rausfanden, drehten sie durch und versuchten die Vier Elemente zu definieren und was weiß ich. Es war aber keine kommerzielle Erfindung, dem muss ich widersprechen.
rap.de: Ich glaube, er meinte, dass sich die Vier Elemente damals alle getrennt voneinander entwickelt hätten und erst später zu einem Ganzen zusammengefügt wurden. Ich denke, das meinte er mit kommerzieller Erfindung.
LJ: Ich persönlich hatte schon immer ein Problem damit, Graffiti und Breakdance als HipHop zu bezeichnen. Für mich sind HipHop die Rhymes, die Beats und die DJs, das ist das Fundament von HipHop. Graffiti und Breakdance waren damals allgegenwärtig als es losging – und das war hot. Aber was letztlich übrig blieb, sind die MCs und DJs. Das ist wie mit der Evolution. Demnach gab es verschiedene Menschen: Hominide, von denen einige aufrecht gingen und andere vornüber gebeugt, bis schließlich einige Spezies ausstarben. Aber andere entwickelten sich weiter, und das, so heißt es, sind wir heute. Und so verhält es sich auch mit den Vier Elementen. In HipHops prähistorischer Zeit waren sie alle stark präsent. Aber das Element, das überlebte, ist Rap, weil er sich ständig verändert und weiterentwickelt. Meiner Meinung nach verschwand Breakdance, weil es an seine Grenzen stieß. Mehr als Headspinning kann man kaum machen. Mehr kannst du kaum aus deinem Körper rausholen, weil der Körper seine Grenzen hat. Aber bei HipHop, beim Mcin’ und DJin’ ist der Geist das Limit. Dein Geist ist das Limit, und darum geht es immer weiter. Was Graffiti angeht, so war das so’n Antiestablishment-Ding, mehr noch als nur eine Kunstform. Man sagte sich: Yo, wir klettern in die Yards und bemalen die Züge oder irgendeine Wand! Irgendwann griff das Establishment dann richtig hart durch, und als dann noch einige der wirklich guten Künstler anfingen, Geld damit zu machen, verschwand Graffiti langsam. Als die Künstler von der Straße in die Galerien zogen, verlor die Kunst den Bezug zu den Leuten auf der Straße. Sie konnten nun nicht mehr die Züge betrachten, wie sie es zuvor taten, während sie z.B. einfach zur Arbeit gingen. Von den Leuten im Viertel gehen nun mal nicht viele in eine Galerie! Nimmst du den Leuten die Kunst, dann war’s das, sie wird keine Verbreitung mehr finden. HipHop aber war immer bei den Menschen! HipHop war immer etwas, das du einfach alleine auf die Beine stellen konntest! Und es war immer stilvoll und immer cool, was zu machen. Tänzer kommen und gehen. Mann, wie lange tanzen sie schon nicht mehr Chubby Chuckers Twist? Schon seit 50 Jahren nicht mehr! Das wird auch nicht mehr passieren! Aber Rock’n’Roll und der ganze Scheiß gehen weiter. Die Tänzer kommen da nicht mit. Wir machen doch auch nicht mehr den BizMark! Solche Dinge kommen und gehen, aber ich finde, HipHop ist unendlich! Außerdem ist es die einzige Musik, die sich mit jeder anderen Musik verbinden kann. Egal, welche Musik der Welt, du kannst sie mit HipHop verbinden!
rap.de: Kannst du mir etwas über aktuelle Projekte von dir erzählen?
LJ: Im Moment arbeite ich an meinem eigenen Projekt. Ich bin der einzige der Gruppe, der noch keine Soloplatte gemacht hat, vielleicht weil ich zu selbstkritisch bin. Ich möchte etwas Kraftvolles schaffen, etwas das den Leuten im Gedächtnis bleibt. Ich weiß jetzt genau, was ich will und arbeite daran. Ich bin dabei dieses 5% Nation-Album zu machen, um wirklich deutlich zu machen, dass die 5% Nation immer Teil von HipHop war und wie wir HipHop beeinflusst haben. Wenn du schon Knowledge hast, dann wirst du’s einfach lieben. Wenn nicht, dann wird es dich animieren mehr darüber erfahren zu wollen. Das ist mein Ziel.
rap.de: Hast du eine Ahnung, wann es veröffentlicht wird?
LJ: Du weißt doch wie der ganze Geschäftsscheiß läuft! Realistisch betrachtet, würde ich sagen, irgendwann nächstes Jahr. Vorab gibt’s wohl ein paar Singles.
rap.de: Damit wäre ich am Ende meines Fragenkataloges. Danke für das Interview!
LJ: Kein Thema! Danke.