Als am Freitag, dem 14. Oktober gegen 22.30 Uhr die Lichter im Theater Hebbel am Ufer in Berlin wieder angingen, tobte das Haus. Und den frenetischen Beifall hatten sich die Protagonisten auf der Bühne auch redlich verdient. Dargeboten wurden verschiedene Stile urbanen Tanzes, von B-Boying und Uprock, zu Locking, Popping oder karibischen Tanzstilen wie dem Bogle, Beguin oder Butterfly. Für Leute aus der HipHop-Szene sicherlich kein ganz unbekanntes Vokabular, aber dass das alles im Theater stattfand, erscheint doch zumindest auf den ersten Blick ungewöhnlich. Leider haben Tänze, die größtenteils aus der HipHop-Kultur, oder von der „Straße“ kommen, bisher kaum den Weg auf deutsche Theaterbühnen gefunden. Das kennen wir hierzulande höchstens aus Frankreich, wenn Arte darüber berichtet. „Hot Moves“, die Tanzshow, die in diesem Jahr im Rahmen der Backjumps The Live Issue #2 – Streetart Ausstellung stattfand, möchte genau an diesem Punkt ansetzen und zeigen, dass Tänze, die im Allgemeinen gerne als sog. „Streetdancing“ abgetan werden, endlich Anerkennung als professionelle Kunstform finden.
Ein schwieriges Unterfangen, wie Storm, B-Boy der ersten Stunde und Mitorganisator von "Hot Moves" erklärt: „Wir haben dieses Show gemacht, weil wir – und damit meine ich viele Tänzer aus Europa und letztlich auch aus der ganzen Welt – mit vielen Dingen unzufrieden sind. Es stört uns einfach, dass wir prinzipiell runtergehandelt werden, als Straßentänzer, HipHop-Tänzer, usw. Es werden also ständig Oberbegriffe gesucht, um das zu beschreiben, was wir machen. Aber die Leute, die das tun, haben dann oftmals gar keine richtige Ahnung von dem, was bei uns abgeht. Die kennen nur die Tänze, die man offiziell lernen kann, wie Ballet und andere klassische Tanzstile. Es gibt aber darüber hinaus noch eine ganze Reihe anderer Tänze, die noch nicht die Anerkennung gefunden haben, die ihnen zusteht."
Storm ist aber nicht alleine, um mit „Hot Moves“ gegen diesen Missstand anzutanzen. Mit dabei ist Soultrotter aus Amsterdam, der als Experte für Uprock eingeladen wurde und diesen „Kampftanz“ dem Publikum näher bringen will. Im Gepäck hat er außerdem zwei Kurzfilme, die er selber produziert hat. Chris aus Potsdam ist leidenschaftlicher Popper (Ja ja, sparen wir uns jetzt mal die Witze…). Popping kommt dem Robot-Dance nahe und beinhaltet alle Bewegungen, die als nicht menschlich zu bezeichnen sind.
Raphael ist ein B-Boy aus Berlin, der seit gut 2 ½ Jahren mit Storm zusammenarbeitet und mit ihm durch diese Show führt. Er hat mit dem Franzosen Sebastien de Pergignan eine Synchron-Show vorbereitet, die ein gutes Stückchen über das „normale“ B-Boying hinausgeht und ein Highlight der Show darstellt.
Die Berliner Bada Bash Crew, bestehend aus den Tänzerinnen Nikeata, Jacqueline und der Französin Daybee, zeigen eine Choreografie aus klassischen karibischen Tänzen und modernen Moves. Sie haben sich als Tänzerinnen für die Berliner Band Seeed bereits einen guten Namen gemacht, teilen aber die Ansicht, dass die wirkliche Anerkennung als Tänzerinnen immer noch aussteht.
„Hot Moves“ ist konzipiert wie eine TV-Show, d.h. es werden Künstler eingeladen und interviewt, dabei sollen sie etwas über sich und ihren Tanz erklären. Es geht um die Herkunft und Entwicklung des Tanzstils, aber auch um die Praxis, in Form einer live Performance. „Das ist das sog. ‚Study of Styles’, was in jeder Sendung seinen festen Platz hat“, erklärt Storm. „Unser Plan ist es, die Shows, es werden zwei Folgen gezeigt, auf DVD aufzunehmen, um das Konzept einem Fernsehsender anbieten zu können. Damit die überhaupt wissen worum es geht, wird in der Sendung eben nicht nur getanzt, sondern auch Information vermittelt. Das gleiche gilt natürlich für alle Zuschauer, die auch mehr als nur den Tanz mit nach Hause nehmen sollen. Ein Grund dafür, dass unsere Art zu Tanzen noch immer nicht richtig anerkannt wird, ist sicherlich auch der Mangel an Information. Es ist zwar möglich in Internet danach zu surfen, aber eine andere Plattform für Informationen gibt es kaum.
Uns geht es mit „Hot Moves“ darum, einmal zu zeigen, was eigentlich möglich ist. Das ist momentan eine super low-Budget Geschichte, also noch nichts, was TV reif wäre. Aber das Potential sollte zu erkennen sein. Wenn wirklich jemand vom Fernsehen Interesse zeigt und ein Budget zur Verfügung stellt, ist natürlich viel mehr drin und viel mehr möglich. Das Format bietet ja auch die Chance, Kurzfilme, Portraits von Künstlern, Dokumentationen, Online-Geschichten, Interviews, Live-Performances, uvm. zu zeigen. Einfach die ganze Kultur einzufangen und sie den Leuten näher zu bringen.“
sollte. Die Fördermittel werden hierzulande sehr einseitig eingesetzt. Zumeist kommt das den großen Theatern zugute, die ihre eigenen Shows machen. In Frankreich zum Beispiel gibt es viel mehr kleine Bühnen, die durch Fördermittel, die Chance haben, sich fremde Produktionen einzukaufen. So etwas findet ja hier kaum statt. So kommt es dann auch, dass wir mit unserer Kultur, der HipHop-Kultur, bisher in Theatern eigentlich gar nicht stattfinden. Oft wird das auch noch als Jugendkultur abgewertet. Das ist doch Mist. Wir sind mit HipHop groß geworden und in dieser Zeit hat sich eine Menge entwickelt und verändert. Und es muss doch auch für uns die Möglichkeit geben, zeigen zu können, wie diese Entwicklung aussieht. Damit wären wir wieder an dem Punkt, dass einfach zu wenig Leute wissen, dass wir mindestens genauso hart trainieren, genauso lange üben, wie Leute, in den etablieren Tänzen. Diese Show soll mehr Leute für unsere Art des Tanzens sensibilisieren.“
„Hot Moves“ ist keineswegs gegen etablierte Tanzformen gerichtet, es geht hier vielmehr um eine Gleichstellung. In Musik-Videos, in denen Tänzer sehr gerne als „Beiwerk“ auftreten, wird auch schnell ein falsches Frauenbild vermittelt. Nikeata von der Bada Bash Crew meint dazu: „Für mich als Frau ist es sehr wichtig zu zeigen, dass ich mehr drauf habe, als nur mit dem Arsch zu wackeln. Wenn ich irgendwo hingehe, möchte ich als richtige Tänzerin wahrgenommen werden und nicht nur als eine, die so ein bisschen Street-Dancing macht.“
Eigentlich ist an dem Begriff „Streetdance“ gar nichts auszusetzen, wie die Tänzer anmerken. Allerdings, so erzählen sie weiter, gibt es krasse Unterschiede im Verständnis. Für die Tänzer von "Hot Moves" bedeutet „Steetdance“ nicht anderes, als dass sie ihren Tanz autodidaktisch erlernt haben. Die Benutzung von „Streetdance“ in den Medien und bei einigen staatlich ausgebildeten Tänzern, suggeriert aber vordergründig „die haben nichts gelernt“. „Dabei ist ja die Selbstdisziplin, die du aufbringen musst, um eine Sache autodidaktisch zu erlernen, sehr hoch, denn du hast niemanden vor deiner Nase, der dir genau vorgibt was du zu tun hast und was nicht. Damit möchte ich natürlich keine anderen Tänzer abwerten! Ich will nur erreichen, dass man uns auf einer Ebene begegnet und nicht zu uns herabschaut. Tänzer(in) ist Tänzer(in).“, fügt Storm an.
Wie groß das Können dieser Tänzer tatsächlich ist, davon konnten sich alle Zuschauer, die in einer der beiden Vorstellungen waren, überzeugen. Die Begeisterung war verdientermaßen groß. Bisher sind leider keine weiteren Shows geplant, aber mit den Bildern zu diesem Feature könnt ihr euch einige Eindrücke der Abende – und von der Aftershow Party – holen. Es bleibt zu hoffen, dass die Kulturschaffenden in diesem Lande, den urbanen Tänzen endlich mehr Aufmerksamkeit schenken, denn Potential und Kreativität, die dort schlummern, sind immens und würden auch den Theaterbühnen neuen Schwung verpassen. Dazu gehört nur ein ganz klein wenig Mut. Für Begeisterungsstürme werden die Tänzer schon sorgen!