Nneka

rap.de: Das klingt sehr modern und liberal. Das heißt, du zählst dich zu keiner spezifischen Religion zugehörig?
 
Nneka: Nein, ich glaube an Jesus. Das fixiert mich schon auf das Christentum. Manchmal hilft es mir einfach nur seinen Namen auszusprechen, um eine schwierige Situation zu meistern, oder es trägt zumindest dazu bei, dass es mir besser geht. Du magst es vielleicht modern nennen. Ich versuche, niemanden zu bekehren. Dazu habe ich kein Recht. Und ich glaube nicht, dass für Gott eine Prostituierte hässlicher ist als ein Pastor. In seinen Augen sind wir alle gleich! Die meisten von uns wissen was sie zu tun haben, wie sie sich verhalten sollten, aber wir kommen trotzdem ab – vom richtigen Pfad – , weil wir zu gierig und selbstsüchtig sind. Es hängt von uns ab, was wir tun und welchen Weg wir einschlagen. Gott hat uns den Weg geebnet. Ich hoffe für mich und für die Welt, dass wir von dem, was wir tagtäglich sehen lernen. Von all dem Leid, Unglück und Krieg.
rap.de: Deine Texte scheinen häufig sehr nachdenklich. „Material Things“ zum Beispiel. Hast du sie vor einem autobiographischen Hintergrund geschrieben?

Nneka: Ja. Hier ein Beispiel: In Nigeria schauen die Leute MTV. Dort laufen die gleichen Clips wie überall. 50 Cent usw. viel Bling Bling, Autos, Baggy Pants, all dieses Zeug und die Leute sitzen vor dem Fernseher und sagen: „Wann werd ich dort hinkommen? Ich will auch so leben, so sein!“ Aber sie sind arm und haben keinen Bezug zu dieser Art von Kultur. Sie sehen nicht das Nahe liegende, Gute, oder auch das Schlechte, was zu verändern wäre, sondern geben sich solchen materiellen Illusionen hin. Als ich dann nach Hamburg kam, fühlte ich mich wie ein Vogel, der gerade aus seinem Käfig befreit wurde. Ich hatte mein eigenes Geld und konnte meine eigenen Sachen kaufen. Doch nach einiger Zeit bemerkte ich, dass materielle Dinge nicht lange währen. Sie haben keinen wirklichen Wert. Sie sind austauschbar. Was im Leben wirklich wichtig ist, ist Soul, Zufriedenheit und Liebe zwischen den Menschen. Nicht diese Sachen (klopft auf den Tisch). Wir haben all diese Dinge erschaffen. Sie können nicht wachsen. Wir werden so gehen, wie wir gekommen sind. Niemand wurde mit einem silbernen Löffel im Mund geboren.
rap.de: Was hat es mit deinem Gig in einem Londoner Gefängnis auf sich gehabt? Du bist dort vor Häftlingen aufgetreten. Wie kam es dazu und was waren deine Erfahrungen?

Nneka: Das war die Idee von einem Freund meiner Schwester, der in dem Gefängnis in London arbeitet. Die Häftlinge hatten diese Art von Präsentation, also so etwas Ähnliches wie ein Tag der offenen Tür. Sie hatten eine Mode- und eine Musikwoche und ich entschied mich, dafür dort aufzutreten. Es war cool. Ich konnte mit ihnen reden, sie fragen, was sie ins Gefängnis gebracht hat. Einige sahen so unschuldig und harmlos aus, und es war sehr bereichernd, mehr über die Umstände und Leben zu erfahren.
rap.de: Glaubst du, dass sie etwas aus deinem Auftritt gezogen haben, dass sie ihm etwas abgewinnen konnten?

Nneka: Ja, ganz sicher. Ich hatte nicht mit dieser positiven Resonanz gerechnet. Sie haben mich richtig gepuscht. Vorher war ich natürlich etwas nervös, aber während der Show hat sich das alles gelegt.
rap.de: Du warst ja schon im Vorprogramm von Patrice in der Schweiz, Österreich und Deutschland unterwegs: Wie hat dich das Publikum aufgenommen? Warst du zufrieden?

 

Nneka: Ja, ich war sehr zufrieden. Es war meine erste große Tour und die Leute haben mich toll aufgenommen. Es war das größte, was ich je gemacht habe. Es war wie ein Wunder für mich, an der Tour teilgenommen zu haben. Und ich habe in diesem Rahmen viel gelernt über das Leben. Ich habe gelernt dem Publikum zu zuhören, wie sie über die Texte und die Musik denken und darüber wie man sich in diesem Geschäft verhält. Dieser Hintergrund inspirierte mich auch zu dem Song „Material Things“. Er entstand im Tourbus. Doch das Wichtigste war wirklich der Austausch mit so vielen Menschen aus dem Publikum, von der Crew, Leuten aus dem ganzen Land. Zuhören ist etwas sehr Wichtiges. Oft reden Leute einfach nur. Sie reden und reden und es steht nichts dahinter, außer der Wunsch, sich selber reden zu hören. Oder du redest, und sie denken währenddessen darüber nach, was sie als nächstes sagen werden, anstatt dir zuzuhören und sich auf dich zu konzentrieren. Also: hört zu!