Beginner

rap.de: Ich würde zu Anfang unseres Interviews gern mit ein paar Worten zur freien Assoziation beginnen. Ich starte mit dem folgenden Wort: Gold.
Eizi Eiz: Haben wir schon. Hätten wir gern auch für „Blast Action Hero“ noch mal bekommen.
Denyo: Gold ist auch nicht mehr das, was es mal war!

rap.de: Nächstes Wort: Major Deal.
 
Mad: Wird ja immer sinnloser, scheinbar.
Eizi Eiz: Ja, irgendwie braucht man den Major Deal nicht mehr. Man ist eigentlich besser bedient, ganz ehrlich – siehe Aggro Berlin, wenn man keinen Major Deal hat. Man wird am Ende mehr verdienen. Und man hat keinen riesigen anonymen Apparat mehr im Rücken, der lieber auf Release-Partys und sonstige gehypte Sachen zum Feiern geht, als sich mal Gedanken zu machen, mit welchen geringeren Mitteln, die ja inzwischen leider immer geringer werden, man trotzdem noch irgendwie versuchen kann, eine Platte herauszubringen. Ich habe immer das Gefühl, dass bei Indie-Labels dieser Geist und vor allem die Motivation immer noch da sind und dass dies beim Major Deal immer mehr schwindet. Auch aufgrund dessen wahrscheinlich, dass die ganzen Leute sowieso nicht wissen, ob sie nächste Woche noch dort sind oder nicht.
Mad: Die arbeiten auf jeden Fall alle nicht für ihren sicheren Job da. Du hast dir jetzt drei Jahre lang hier den Arsch aufgerissen, deswegen kannst du dir jetzt sicher sein, dass wir dich als Letzten rausschmeißen? Das ist, glaub ich, heute nicht mehr so.
Denyo: Dazu kommt, dass die jetzt nur ein Viertel Potenzial haben, was die Mitarbeiter angeht, aber auf der anderen Seite haben sie viel mehr Releases. Das heißt, ein Produktmanager, der früher, zu Bambule-Zeiten, nur uns hatte und sich ein Jahr lang nur um uns gekümmert hat, also sprich um eine Band, der hat jetzt 15 oder 20 Bands, um die er sich kümmern muss, und wir sind halt nur eine Band von diesen vielen. Du kommst halt einfach zu kurz.

rap.de: Aber dadurch, dass kaum noch jemand beim Major gesignt wird, ist es doch auch so, dass jeder sein eigenes Label macht und sein Zeug eigenverantwortlich herausbringt. Dadurch geht eine gewisse Kontrolle verloren und unglaublich viel niedere Qualität an den Start.
Denyo: Das war aber vor zwei bis drei Jahren, als die Majors hysterisch alles gesignt haben, viel schlimmer. Ich finde es geiler, wenn die Leute, die entweder damals gefloppt sind oder damals noch nichts herausgebracht haben und heute keinen Deal kriegen, sagen: „Okay, ich mach jetzt ein eigenes Label und bring meine Sachen einfach so raus.“ Ich finde das echt besser.
Mad: Außerdem gibt es gewisse Qualitäts-Standards von Musik, die auch alle ihre Berechtigung haben – innerhalb ihrer Größe. In der Zeit, die Dennis gerade angesprochen hat, wurde mittelwertiger Mist oder durchschnittliche Musik, die meinetwegen auch gerne sein darf, auf eine unnatürliche Größe, ein unadäquates Level aufgeblasen. Und nachher: Die Konsumenten ticken halt einfach so, dass wenn du die großen Werbeanzeigen hast, die Bauzaunplakatierung und das WOM-Cover, dann kaufen die das Zeug, weil sie ja davon ausgehen, dass das irgendwie wichtig ist. Was aber nicht so geil ist, kann dann vielleicht auf einem Indie-Label Sinn machen. Und dann ist das auch völlig okay. Und dass das heute nicht mehr so ist und solche Musik auf einem Indie-Label stattfindet, finde ich irgendwie richtiger und gesünder, als wie es mal war.
 

Eizi Eiz: Und ich freu mich diebisch, wenn Leute, die jetzt keinen Deal haben oder auch auf einen Deal scheißen, ihre Sachen einfach auf Mixtape herausbringen und mehr davon verkaufen als z.B. diese gehypte Culcha Candela-Kacke. Da versuchen die Leute mit irgendwelchen Textil-Unternehmen oder sonstigen Wirtschafts-Magnaten zusammen eine Kampagne zu starten und den Leuten die „neuen Seeeds“ anzudrehen. Mit aller Kraft und finanziellen Mitteln, die sie noch haben. Und letztendlich verkaufen sie doch nicht soviel, wie irgendein normaler Rapper sein Mix-Tape. Fakt ist, ich kam diesen Sommer irgendwann mal zu Universal – und da kommen sehr viele gute Platten raus, unter anderem auch unsere – und alles, was ich sehe, auf jeder Etage, ist Culcha Candela. Alles, was mir aus jedem Zimmer entgegengeschmissen wird, ist Culcha Candela. Ich geh da raus und hab sieben mal Culcha Candela in meinem Paket und alle guten Platten, die da raus kommen, die jetzt gerade mal nicht als der letzte Rettungs-Grashalm oder als DAS neue Ding gehypt werden, gehen irgendwie komplett unter. Das nervt mich! Und dann freut es mich eben einfach, wenn jeder aus seinem Wohnzimmer heraus Mix-Tapes macht und davon mehr verkauft als die. Denn für mich ist genau das einfach nur so ein typischer Major-Hype!
rap.de: Hat diese Kritik am Ende auch etwas mit deinem Verständnis von Musik oder sogar im Speziellen von Reggae-Musik zu tun?
Eizi Eiz: Nö, das alles hat so viel mit Reggae zu tun wie mit finnischem Tango. Das hat eher etwas mit meinem Verständnis von Hype und Massendenken zu tun. Es ist einfach alles so durchschaubar. Majorfirmen sind durchschaubar wie Glas, oder wie Aquarien. Und ich seh´ das und weiß sofort, dass die schon die Eurozeichen in den Augen hatten, als die das gesehen haben, live oder per Demo gehört haben: „Booahh, wir haben jetzt auch Seeed. Das werden die neuen Seeeds.“ Nichts gegen die Band. Es geht hierbei um die Hype-Maschinerie.
Mad: Die bekamen quasi die Aufmerksamkeit direkt in Tüten verpackt.
Denyo: Es geht jetzt auch nicht direkt um Culcha Candela. Es war nur ein Beispiel. Mehr ist es eigentlich auch nicht.
rap.de: Da ihr gerade Finnland angesprochen habt: Ich habe auf dem splash! mit Redrama gesprochen, und der erzählte mir, ihr hättet geplant, irgendwie zusammenzuarbeiten…
Denyo: Mit wem hast du gesprochen?
rap.de: Mit Redrama aus Finnland. Der sprach davon, dass ihr etwas zusammen aufnehmen wolltet.
Denyo: Also, wir waren mal in Estland.
Eizi Eiz: Wir kennen niemanden aus Finnland. Nur Leute aus Estland.
Denyo: Ich kenne nur Futurama, diese Zeichentrickserie.
Mad: Und ich weiß, Rama macht das Frühstück gut. Und dann gibt es da noch Ram-bo…
Eizi. Ich weiß echt nicht, von wem du sprichst.
rap.de: Redrama ist eigentlich ein recht fitter Rapper, wie gesagt aus Finnland. Er selbst hört sich ein wenig wie Eminem an, und es gibt auch Leute in seiner Crew, die toasten Dancehall-mäßig.
Eizi: Wie heißt denn der Typ aus Estland noch mal? Chalice oder so ähnlich. Den kennen wir, und der ist ziemlich large in Estland. Aber das ist dann auch schon alles.

rap.de: Okay, dann vergessen wir das Thema und kommen zum nächsten Wort: Ill Communication.
Eizi Eiz: Ich würde mal sagen: Das Ende der glorreichen Innovations-Ära der Beastie Boys. Das war die letzte wirklich großartige Platte der drei – leider!
rap.de: Ihr habt ja auch einige Auftritte mit denen gehabt.
Eizi Eiz: Wir haben eine ganze Tour mit denen gemacht. Das war ein derber Flash: Zum einen war das die Zeit, in der es bei uns komplett abging, und das war dann noch so ein bisschen das Sahnehäubchen des Ganzen. Vor allem, sehen zu können, wie eine geile Band sein kann zu ihrem Umfeld. Wenn du vorher auf all diesen Rock-Festivals warst und da überall mal reingeschnuppert hast und dann mit den Beasties auf Tour gehst, dann merkst du einfach, dass es auch noch die andere Variante gibt. Nämlich Bands, die ihre Vor-Band gut behandeln und dafür sorgen, dass du alles bekommst, was die Hauptband auch bekommt. Du wirst da nicht behandelt wie der letzte Arsch. Du bekommst die gleichen fetten Hotels, die krassen Fünf-Sterne-Dinger. Du bekommst das gleiche Catering, die gleichen fetten Backstage-Räume, alles, was du haben willst, kriegst du. Es wird für dich gesorgt. Du kriegst auch nicht nur so ein kleines Vierspur-Disko-Mischpult hingestellt und gesagt: „Halt das mal schön leise.“
 

Denyo: Das war schon alles sehr nett. Das einzige, was Scheiße war: Wir hatten Kabel-Mikros, und es gab aber so eine runde Bühne, die war in der Mitte des Publikums. Und wir konnten uns nicht bewegen. Wir konnten immer nur an einer Stelle bleiben, weil wir halt diese zehn Meter Kabel-Mikros hatten. Die Beasties hatten natürlich die veredelten, vergoldeten Flash Kabel-Mikros. Das war das einzige was ein bisschen schade war.
Eizi Eiz: Aber ansonsten: Wie die mit einem umgehen, oder wie die sich ihre Vorband aussuchen! Denen ist alles wichtig, jedes Detail. Die checken erst mal und lassen sich die Texte der potenziellen Vorband-Kandidaten übersetzen, um überhaupt erst mal zu checken, was sind das für Leute, was erzählen die, um sich keinen Scheiß ranzuholen. Man muss sich reinziehen, dass die auf jedem Kontinent in der Welt auf Tour sind. Echt krasse Typen! Und trotzdem wird selbst der hinterletzte fünfzigste Bühnen-Schrauber von denen gut behandelt. Nicht wie in so einem Rock-Arschloch-Business.
rap.de: Es klang gerade ein wenig heraus, als würde das aktuelle Beastie Boys-Album „To The 5 Boroughs“ nicht so euren Geschmack treffen?
Eizi Eiz: Es ist leider so! Die erste Single „Ch-Check It Out“ klang schon irgendwie wie irgendeine Ausschuss-Single von der vorletzten LP, die sie da schon nicht mit drauf genommen haben. Das Video, dementsprechend: Wie die Idee zu einem Video von vor zehn Jahren, die sie damals verworfen haben, weil sie gedacht haben: So etwas haben wir doch schon mal gemacht. Ich habe mir das ganze Album auch wirklich angehört. Ab Titel sechs habe ich nur noch auf Schnell-Skip gemacht. Für mich war das irgendwie der Untergang einer großen Inspiration.
Mad: Es ist einfach schlimm, wenn solche Vorreiter und Inspirationsquellen wie die Beastie Boys auf einmal anfangen, Schritte zurück zu machen. Ich meine, eine Single auf dem wirklich sowas von schon ausgeschlachteten „Rappers Delight“-Beat zu machen, das geht nicht! Die sind natürlich selber schuld. Die haben sich diesen Ruf aufgebaut, dass man von ihnen eben immer das neue, interessante Ding erwartet. Aber Rückschritte…
Eizi Eiz: Wenn P.Diddy das macht, ist das okay, aber nicht die Beastie Boys!
Mad: Genau. P.Diddy kann das machen, oder einer seiner ganzen C-Liga Personen, die er heraus bringt, aber nicht die Beastie Boys. So etwas beleidigt mich einfach, als Fan von denen. Dasselbe mit den Videos: Wir haben schon tausendmal die Typen in lustigen Verkleidungen und ebenso lustigen Weitwinkel-Objektiven gesehen. Das wirkt so, als wenn sie die letzten vier Jahre nicht weitergemacht haben. Sondern irgendetwas anderes, und dann irgendwann brauchten sie wieder mal den alten Flash von vor vier Jahren.

rap.de: Das kommt in letzter Zeit bei aktuellen Releases häufig vor, vor allem bei neuen amerikanischen HipHop-Alben, dass die irgendwie flachbrüstig und unausgegoren klingen. Snoop ist nicht mehr das, was er mal war…
Eizi Eiz: Nein, das stimmt nicht! Das stimmt nicht, das stimmt nicht, das stimmt nicht! Nee, nee, nee, nee, der ist ein Styler! Ne, Snoop, das lasse ich nicht auf ihm sitzen! Der ist der derbste Styler! Er hat sich von Platte zu Platte gesteigert, und das letzte Album war doch auch der Hammer! Vom aktuellen Album kenne ich bisher nur die Single, und die ist Hammer!
Mad: Aber eines stimmt schon: Die Amis machen ja immer gerne mal so Zeitüberbrücker-Alben, um in dem jeweiligen Jahr bloß irgendwie präsent zu bleiben.
Eizi Eiz: Ich würde noch stehen lassen, dass Snoop in den letzten zehn Jahren immer das gleiche gerappt hat. Okay, das muss man mögen oder nicht. Aber ist er echt ein Typ, der immer irgendwie was am Start hat.
Denyo: Man erwartet ja von Snoop auch nicht, dass er das innovativste Zeug macht. Man möchte einfach, dass er seinen Style kickt. Er ist der Repräsentant für seinen eigenen Style, und den lieben halt die Leute. Dann ist auch egal, was das jetzt für ein Beat ist oder ob dies und das nun von dem oder dem produziert wurde. Entweder man ist Fan davon oder halt nicht. Ich bin jetzt z.B. persönlich nicht so ein Fan und hol mir auf jeden Fall nicht jedes Snoop-Album. Andere Leute finden ihn halt geil – egal was er da macht.
Mad. Er ist einer der letzten verbleibenden Originale in dem Geschäft. Der zieht gnadenlos sein Ding durch und bringt irgendwie noch ein bisschen Humor in die Sache rein. Das ist das Ding, was man sonst alles echt schwer vermisst bei dieser ganzen Uniform-Einheits-Soße, die von da kommt.
rap.de: Okay, dann lasst mich aber in Bezug auf dieses Thema vielleicht noch Namen wie LL Cool J, Eminem oder Dr. Dre nennen.
Eizi Eiz: Hammer, Hammer. Die ganzen Singles von denen, alle Hammer!
Denyo: Von wem jetzt?
Eizi Eiz: Egal, Cool J… alle, die sie gerade aufgezählt hat.
Denyo: Bei Cool J war es zwischenzeitlich schon so, dass mich Sachen, die er in den letzten zwei Jahren heraus gebracht hat, und die richtig schlimm waren, extrem genervt haben.
Eizi Eiz: Also das Ding mit J-Lo („All I Have“) z.B. war echt zum Kotzen!
Denyo. Ja, das war richtig schlimm, Alter! Da hast du auch gemerkt, dass der gerade überhaupt gar nicht mehr rappen kann. Und J-Lo auch überhaupt gar nicht singen.
Eizi Eiz: Hm… gerade ist gut…
Denyo: Na ja gut, aber manchmal kam es schon so rüber, als wenn es schon irgendwie ginge. Aber das Ding war richtige Dilettanten-Scheiße! Echt schlimm!
Mad: Aber eigentlich ist das bei Cool J doch schon immer so.
Denyo: Nö, Ich finde, immer war das nicht so.
Eizi Eiz: Er hat immer mal so ein richtiges Scheiß-Ding gehabt, und dann hat man sich richtig gefreut, wenn er dann mal wieder voll da war.
Denyo: Man muss schon echt respektieren, dass er sich überhaupt noch behaupten kann. Und letzten Endes hat er jetzt ein Album gemacht, da sind schon wieder zwei, drei Dinger drauf, die cool sind. Man freut sich da schon richtig über einen Club-Hit, der vielleicht gut funktionieren könnte. Aber es ist nichts dabei, was einen wirklich richtig bewegt. Das mag wohl sein.

rap.de: Trifft Eminems „Encore“ deinen Geschmack? Der hat ja auch heftige Kritik diesbezüglich einstecken müssen.
Denyo: Das Eminem-Album finde ich derbe! Ich finde ja z.B. auch, dass er sich gerade produktionsmäßig echt verbessert hat. Ich finde, er ist sich auf jeden Fall treu geblieben.
rap.de: Ja, aber auch hier stellt sich doch die Frage, ob er sich weiter nach vorn bewegt oder eher zurückbewegt?
Denyo: Doch, ich finde, soundmäßig ist das Ganze noch ein bisschen ausgefeilter.
Mad: Die Vorwärtsschritte, die Leute wie Eminem machen, sind halt nicht mehr so groß.
Denyo: Ich meine jetzt auch nicht unbedingt „Just Loose It“. Das natürlich nicht. Das ist ja noch nicht mal ein Beat. Das ist einfach nur ein Rhythmus und gut is.
Mad: Ich würde mir von Leuten wie Eminem auch gern wünschen, dass der z.B. ein bisschen so wie Jay-Z ist. Ich meine, er ist der Größte, und ihm kann eigentlich egal sein, wie gut die Platte läuft. Aber es wär schon cool, wenn er mal wie z.B. „99 Problems“ so ein Hardcore-Ding heraus haut. Das würde sicher viele Leute happy machen.
Denyo: Aber hast du denn das Album schon mal ganz gehört? Es ist schon echt geil – muss man schon mal sagen. Es ist jetzt kein Album, wo man gleich denkt: Ja, derbe, aber da steckt schon einiges drin. Also rapmäßig kann mir niemand was erzählen. Da ist es immer noch das Derbste, was es gibt.
Eizi Eiz: Es sollte einen außerdem auch nachdenklich machen, wenn jemand wie Rakim so viel Lob über jemanden ausspricht.

rap.de: Eminem wird ja außerdem auch von einigen Seiten für seine Produktionen, das aktuelle 2Pac Album betreffend, angegriffen…
Denyo: Scheißegal. Ein langweiliges Thema. 2Pac tut mir irgendwie leid.
Eiz Eizi: Der sitzt da, auf seiner Insel irgendwo in Polynesien, darf sich nirgendwo melden oder zu zeigen geben und muss das alles über sich ergehen lassen.
Mad: …und flasht mit Elvis´ Anwalt aus, wie man gegen all dies angehen kann.
rap.de: Okay, kommen wir zu einem neuen Assoziationswort: Popularität.
Denyo: Nimmt ab, wird entspannter – auf uns bezogen. Also, zu „Bambule“-Zeiten war das wirklich schlimm. Da konntest du selbst in Hamburg nicht durch die Innenstadt laufen, ohne zehn Fotos machen zu müssen und zwanzig Autogramme zu geben. Wir haben aber damals auch extrem den Zeigefinger hochgehalten und klargemacht, dass wir keinen Bock haben, in dieser Schublade zu landen, dass wir auch diese Popschiene fahren. Wir hatten auch diese ganzen Kuscheltier- und BH-Werferinnen vor der Bühne und haben lange gebraucht, um die Masse zu educaten, um genau solche Leute zu verschrecken und den Leuten zu zeigen, wer wir wirklich sind. Und jetzt ist die Popularität an so einem Level angekommen, mit dem man gut leben kann. Also wenn jetzt jemand ankommt, dann fragt der nicht unbedingt gleich nach einen Autogramm, sondern eher danach, wie du die neue Platte von dem und dem findest. Das sind halt Leute, die ein bisschen mehr Plan haben.
rap.de: Gab es für euch irgendwann einen Moment, als sich vielleicht auch langsam der Hype abzeichnete, wo ihr das dringende Gefühl hattet: Verdammt, jetzt müssen wir uns wohl auf Popularität irgendwie gezielt vorbereiten?
Eizi Eiz: Ja genau, das war der Moment, den er auch gerade meinte. Am Anfang ist man ja noch sehr unbedarft, wenn man sein erstes großes Video dreht – wie bei uns „Liebeslied“ – und nicht darüber nachdenkt, dass keiner den Gag versteht, warum man sich jetzt z.B. Anzüge anzieht wie wir. Und dann geht alles ziemlich schnell los. Man merkt, dass das, was man sagt, im Prinzip vor Gericht gegen einen verwendet werden kann, und zwar schon am nächsten Tag, von 10 Millionen Zuschauern. Und man lernt sofort, dass diese Massen zu Konzerten kommen, von denen man eigentlich nur ein Drittel gern da hätte. Und dann fängt man sofort an, überall Kontrollinstanzen reinzuhacken und überall in jedes Mikrophon reinzusagen, dass man die und die eigentlich lieber nicht da möchte. Dann kommen vielleicht weniger, aber das ist cool. Dann haben wir mehr Spaß mit den Leuten, von denen wir möchten, dass die da sind. Und das haben wir seitdem durchgehalten. Deshalb hat sich das alles bis heute extrem gesundgeschrumpft. Es ist auch immer noch alles ausverkauft, und die Leute, die da sind, sind die, die wir da haben wollen. Früher waren wir nie stolz auf unsere Fans. Heute sind wir echt stolz.
rap.de: Wer waren eigentlich die Typen, die bei eurem legendären Fake-The Dome-Gig für euch aufgetreten sind?
Eizi Eiz: Das waren Illo als Denyo, Morhagen als ich und Puschen als DJ Mad.
rap.de: Kommen wir zu den letzten beiden Schlagwörtern. Das eine ist Fake.
Eizi Eiz: Illo, Morhagen und Puschen bei The Dome!
rap.de: Das andere ist Style.
Eizi Eiz: Illo, Morhagen und Puschen bei The Dome!
Mad: …und warum sie da waren! Style hat man oder hat man nicht – kann man nicht kaufen!

rap.de: Es gibt eine grundlegende Sache, die mich schon immer interessiert hat: Was macht eigentlich einen Beginner aus?
Eizi Eiz: Es gibt diesen geilen Reim von Mardin – den haben wir anderen, glaube ich, auch erst drei Jahre später richtig verstanden. Er sagt: „Ich bin Beginner, Mann! Irgendwas fang ich immer an.“ Das heißt, es geht nicht darum, Anfänger zu sein, sondern es geht immer darum, etwas Neues zu schaffen. Das ist eigentlich das beste Zitat zu diesem Thema, oder?
rap.de: Absolut! Aber wie hat eure Zusammenarbeit eigentlich begonnen? Es ist ja weitgehend bekannt, wie Mad – zuerst ungebetener Weise – zu euch gestoßen ist, aber wie habt ihr beiden euch und auch Platin Mardin kennen gelernt?
Denyo: Ich weiß das nur noch teilweise. Auf jeden Fall weiß ich aber, dass ich Platin Mardin schon eher kannte.
Eizi Eiz: Nee, das stimmt nicht. Wir haben uns schon als Zwerge beim Basketballspielen kennengelernt, als wir noch nicht mal auf einer Schule waren.
Denyo: Gut, dann haben wir also gegeneinander Basketball gespielt, und ich hab gewonnen. Nein, früher war es ja so, dass sich alle, die halt die Turnschuhe anhatten, sich über kurz oder lang kannten. Echt, über Turnschuhe wusstest du: Aha, der hört Rap. Dann ist man halt zusammen auf die einzige Rap-Party gegangen, die es damals gab. So habe ich auch irgendwie Mardin kennen gelernt. Dem habe ich dann irgendwas vorgerappt. Was ich damals gerappt habe, war extrem inspiriert von Public Enemy oder NWA. Das fand Mardin derbe geil. Er hatte selber auch schon ab und an mal etwas gemacht, und dann haben wir eben gemeinsam so ein bisschen angefangen, etwas zu machen. Dann kannte wiederum Mardin auch Jan, und der hatte auch Bock, etwas zu machen. Und so waren wir connected.
rap.de: Euer Background war ja wohl die Hafenstraße und die linke Szene…
Eizi Eiz: Nein, das war eher der Background von unserem Labelboss. Der ist dann aber in der Hafenstraße rausgeschmissen worden, weil er Rap aufgelegt hat.
Denyo: Für uns kam dieser Zusammenhang ein bisschen später, als wir dann als Band schon formiert waren und unser erstes Demo aufgenommen und an verschiedene Leute weitergegeben hatten. Das war schon zu einer Zeit, wo es Deutschrap, würde ich fast sagen wollen, schon als Begriff gab.
Mad: Zumindest für Liebhaber und Leute, die sich im Indie-Bereich gut auskannten.
Denyo: In dieser Zeit gab es auch erst Berührungsängste von der linken Bewegung gegenüber Rap. Die haben dann aber ganz schnell erkannt, dass da dieselben Inhalte sind. Das war ja noch nicht so wie heutzutage mit Jay-Z etc. Damals waren da ja eher Public Enemy und politische Attitüden. Das hatte ja auch fast noch etwas mit der Black Panther-Bewegung zu tun. Also zumindest wurden solchen Sachen auch mit aufgegriffen. Das fanden sie natürlich sympathisch, und so gab es dann die ersten Verschmelzungen.
Eizi Eiz: Wie man so schön sagt: Eine gewisse Form der Kompromittierung von Radikalität. Außerdem waren ja Hafenstraße und Rote Flora – also das sind so die Hamburger Zentren, die besetzten Dinger – damals die einzigen Stätten, die uns ihre Räume zur Verfügung gestellt haben. Wir haben in der Flora die geilsten Partys erlebt. Und in der Hafenstraße, im Ahoi: Das war DER Shit! Über drei Jahre lang haben sich immer Donnerstag alle, die irgendwas mit HipHop zu tun hatten, vor allem Writer, Rapper und DJs, da getroffen und abgehangen. Das war ein krasser, kreativer Pol, aus dem sehr viel entstanden ist. Im erst im Störtebecker: Torch, Denyo und ich am Freestyle rappen. Das war auch in der Hafenstraße. Deshalb waren wir natürlich jede Woche da. Das alles hat deshalb viel mit uns zu tun, weil die uns das eben zur Verfügung gestellt haben. Nicht, weil wir die derben Punk-Typen waren.
rap.de: Ihr habt euch damals aber auch bei öffentlichen Auftritten massiv gegen Rechtsradikalismus etc. geäußert. Ist euch die politische Aussage live heute immer noch so wichtig wie in dieser Zeit?
Denyo: Man muss dazu ganz ehrlich sagen: Damals gab es auch schon gewisse Hypes und Trends. Damals war der Trend, dass man auf jeden Fall Antifa war. Und jede Band oder jeder Rapper haben einen Track gegen Rassismus gemacht.
Eizi Eiz: Ja, jeder! Die kalte Wut!
Denyo: Heutzutage ist das immer noch eine Problematik, aber es gibt da auch noch so viele andere Dinge, und man will ja auch als Musiker nicht nur über Dinge berichten, sondern auch einfach nur begeistern. Deswegen ist es für uns jetzt nicht mehr ganz so wichtig, wie es für uns damals war.
rap.de: Gibt es im heutzutage, vielleicht auch im Vergleich zu damals, Dinge oder Ereignisse, die euch an der HipHop-Szene richtig aufregen?

Mad: Als das alles losging in Deutschland, ging es hauptsächlich um Technik, Kunst und Können. Wer rappt am besten, wer hat die derbsten Beats und so weiter. Heute hat sich das ganz schwer in Richtung Business und wer am meisten Platten verkauft verschoben. Früher warst du der ultimative Anti-Christ, wenn du eine Platte in den Top 10 hattest oder bei einem Major warst. Heute bist du eher der Vollarsch, wenn du genau das nicht hast. Und das ist z.B. auch so, weil halt auch Sachen abgefeiert werden, die unserer Meinung nach künstlerisch vielleicht nicht so hochwertig sind. Das nervt mich echt am meisten. Wir kommen eben aus einer Zeit, wo das anders war. Als wir da auf den Jams waren, gab es keine Plattenfirmen für uns und überhaupt keine Möglichkeiten, Platten herauszubringen. Da gab das echt nur so ein paar hundert Fach-Freaks, und es ging darum, auf der Party eine möglichst gute Figur zu machen, aber auch eine eigene Identität darzustellen. Biten und Sachen klauen oder übernehmen z.B. war das Mega-No-No. Da kamen dann natürlich auch sehr skurrile, sehr individuelle Sachen bei raus, was im Rückblick vielleicht manchmal schon ultrastrange war, da es einem ja durchaus auch weiterhilft, wenn man sich hier und da auf ein paar erprobte Schemen, beim Musik machen oder bei den Outfits, einlässt. Aber ich denke, die Mischung aus Beidem ist am Ende der Schlüssel zum großen Spaß. Und nun hat sich das eine Extrem zum anderen Extrem gewandelt.
Eizi Eiz: Es wäre früher auch das Peinlichste gewesen, wenn jemand wie Savas an den Start kommt, der einen derben neuen Rap-Style und Rhyme-Flavour in das Ganze reinbringt, und auf einmal jeder aus der Stadt so rappt wie der Typ. Das hätte es früher nicht gegeben. Jeder hätte die ausgelacht. Heute passiert das einfach. Es interessiert auch niemanden. Nicht dass die, die das machen, nun auch alle Erfolg hätten, aber sie sind da und werden irgendwie einfach nicht darauf hingewiesen.
Denyo: Nö, die werden insofern darauf hingewiesen, dass die halt nicht eine einzige Platte verkaufen und nichts werden.
 

Mad: Beim Rap ist das vielleicht auch noch ein bisschen härter. Bei den Beats z.B.: Wenn du da genauso klingst wie der und der, geht das gar nicht.
Denyo: Man sagt ja immer, dass heute alle Beats gleich klingen und die deutschen Produzenten irgendwie zu sehr das nachmachen, was schon da ist. Man darf aber dabei auch nicht vergessen, irgendwie macht genau das dann gerade Spaß. Und wenn einem etwas Spaß macht, dann kann man das ruhig auch so machen. Man macht ja auch immer etwas Eigenes von sich in seine Sachen rein. Man muss dabei aber auch ehrlich zu sich selber sein. Ich meine, ich habe auf das „Muddy Waters“ Album von Redman auf die Beats geflasht und wollte auch so etwas machen. Da kam dann halt „Rock On“ dabei rum. Das kam eben halt auch nur, weil ich halt den Flash hatte, etwas zu machen, was so ähnlich ist wie die Vorlage.
Eizi Eiz: Aber du hast dich einfach nur inspirieren lassen. Das ist ein ganz großer Unterschied! Du hast ja nicht am Reißbrett das Ding nachgebaut. Genauso sollte es ja auch laufen. Du lässt dich von anderen Sachen inspirieren und machst dann daraus dein eigenes Ding. Anders geht’s ja gar nicht. So entstehen Musikstile.
rap.de: Zum Abschluss erzählt mir doch bitte kurz von dem miesesten Club, in dem ihr je gewesen seid, oder von der miesesten Show, die Ihr je gerockt habt.
Eizi Eiz: Also was auf jeden Fall hart war, war damals in der Küche von Odette. Das geht mir nie wieder aus dem Kopf! Eine absolut harte Situation. Obwohl es eigentlich gar nicht so schlimm war. Ich weiß es auch nicht… Wir standen da in der Küche, und das war alles so schlimm. Wir haben da in der Küche gerappt, und alle machten sich lustig von wegen: „Kuck doch mal, diese Rapper-Typen da.“ Schlimm!
rap.de: Euer fettestes Event hingegen war?
Eizi Eiz: HipHop Open – letztes Jahr, bevor die LP heraus kam. Wir waren derbe aufgeregt und wussten nicht, wie uns die Leute annehmen werden. Es war aber die geilste Show, die wir überhaupt bis dahin gespielt hatten! Vielleicht gab es auch Shows vorher, wo noch mehr ging, aber der Fakt, dass unsere Platte noch nicht draußen war, wir aber die neuen Tracks gespielt haben und da 15.000 Leute durchgedreht sind – auf neue Sachen, die sie gar nicht kannten oder kennen konnten – das war der Hammer! Die haben die Hooks mitgemacht, sich gefreut, dass wir wieder da sind und dass die auch noch da sind. Es war einfach Welcome-Back-mäßig. 1000% Euphorie! Das Gemeine ist jetzt natürlich, dass wir eine Woche später auf dem splash! waren und es da genauso geil war. Nur dadurch, dass das andere das erste Gig nach der Pause war, ist das einfach das, was sich so abgespeichert hat. Das war einfach DER Flash!
Mad: Vor allen Dingen war das endlich der Beweis dafür, dass dieser ganze Abschwung-Kram, von wegen deutscher HipHop ist jetzt durch und alles ist zu Ende, ein absolutes Hirngespinst war, weil da 15.000 Leute waren und durchgedreht sind. Und jetzt mal Hand auf´s Herz Leute: Dieses Abschluss-Zitat von DJ Mad ist doch wohl passender einfach nicht auszusprechen!