Schoolz Of Thought

Es ist unübersehbar: Philadelphia brennt. Sei es Digable Planets Ex-DJ King Britt , der gerade sein Produzenten-Album "Adventures in Lo-Fi" in der BBE-Serie (als Nachfolger DJ Spinnas ) veröffentlichte, sei es Grand Agent , der in Kürze mit "Fish Outta Water" sein zweites Album releasen wird, oder seien es die Roots , die zur Zeit Halle für Halle mit ihrer Live-Show abfackeln – immer kommen die Leistungsträger aus dem zwei Stunden von NYC entfernten Philadelphia. Waren das die Namen, die den meisten schon relativ geläufig sein dürften, so kommen mit den "Schoolz Of Thought" nun ein paar Jungs, denen der Durchbruch zur Hall Of Fame noch bevorsteht. Da Philly jedoch "klein" ist, gibt es natürlich auch hier reichlich Verbindungen: So ist Roots-Beatboxer "Scratch" beispielsweise auch fester Bestandteil der Live-Formation von "Schoolz Of Thought": "Scratch und ich waren als Teenager mehrere Jahre in derselben Gruppe, ´Three Nations in One´ . Er beatboxte schon damals, und außer uns beiden gab es noch ein drittes Mitglied – einen Freund von uns, der jedoch erschossen wurde. Dadurch ist die ganze Sache auseinander gefallen, weil wir natürlich extrem geschockt waren und erst mal aufgehört haben, aufzutreten und aufzunehmen. Schoolz Of Thought wurden dann 96/97 gegründet – zumindest war das die Zeit, in der wir anfingen, Shows zu haben", erzählt mir der inoffizielle "Bandleader" Intense. Neben Intense und Scratch gehören noch die beiden weiteren MCs Syntax und Speaque-Ezie sowie DJ Bronze F.M. zur Band. Nachdem die Jungs veröffentlichungsmäßig bisher nur auf 12-Inches in Erscheinung getreten sind – einmal Ende 99, zweimal auch in 2001, darunter die erfolgreiche Single "World Wide MC’s" – steht nun das Album "From Thought To Finish" in den Startlöchern. Obwohl es Angebote von zahlreichen großen Plattenfirmen (darunter auch Rawkus/Universal, Sony und Atlantic) gab, haben sich "Schoolz Of Thought" entschieden, ihre Scheibe auf dem Indie-Label eines Freundes (Fullblast Music) zu veröffentlichen, und erwartungsgemäß ging es bei diesem Schritt um die Wahrung ihrer künstlerischen Integrität. Anlässlich der Veröffentlichung, die unter Mitwirkung von Künstlern wie ?uestlove (Roots), Curse und den Waxolutionists erfolgt, telefonierte ich mit Intense.

Euer Album "From Thought To Finish” ist jetzt erhältlich – wie lange habt ihr daran gebastelt?

Es hat zu lange gedauert – die eigentliche Arbeit, wenn man darunter die Aufnahme- Phase versteht, dauerte ungefähr acht Monate. Viel davon war aber auch das Warten auf Leute, die für Sessions vorbeikommen wollten (lacht). Wenn du auf Musiker und Producer wartest, sind sie immer mindestens eine Stunde zu spät. Dann mussten wir auch ein wenig auf Geld warten, weil die Sache einfach ein kleines Projekt ist und auf Fulllbast nur ganz wenige, ausgewählte Sachen rauskommen können. Der ganze Business-Kram hat uns wohl noch mal sechs Monate gekostet, was uns allerdings auch ein bisschen Zeit gab, über einige Tracks noch mal nachzudenken.
Wo habt ihr aufgenommen, sind die meisten Sachen in Philly entstanden?

Direkt hier, bei mir zu hause – ich habe hier ein kleines Studio eingerichtet. Wir haben das Budget, das wir für die Aufnahme der Platte bekamen, in ein eigenes Studio und Equipment gesteckt, anstatt ein anderes zu mieten und dann dort nach der Uhr zu arbeiten.
Was für Kram habt ihr denn angeschafft?

Zum Aufnehmen benutzen wir nur digitales Equipment, d.h. A-Dat und Pro-Tools, außerdem haben wir ein Trinity Keyboard und natürlich Technics-Plattenspieler. Das Studio ist hier im dritten Geschoss – das gesamte dritte Geschoss ist ein Raum. Wir haben darin einen sehr geräumigen Schrank zu einer Aufnahmekabine umgebaut. Hört sich sicher ziemlich seltsam an, aber unterm Strich ist alles sehr funktionell, und wir haben eigentlich alles, was sie in den großen Studios auch haben.

Ihr habt ja mit verschiedenen Labels von Rawkus bis Sony über einen Deal verhandelt. Warum seid ihr letztlich bei "Fullblast Music" gelandet?

Der Typ, der Fullblast macht, ist ein Freund von uns. Er managet z.B. auch 88-Keys [der übrigens mehrere Beats zum Album beisteuerte – Anm. d. Red.]. Alle Label, die du angesprochen hast, wollten immer irgendwelche Dinge von uns, die mit uns als Künstlern nichts mehr zu tun gehabt hätten. Das hätte uns zu Marionetten gemacht, und wir wollten einfach unsere künstlerische Glaubwürdigkeit bewahren. Wir machen Musik, weil das unsere Leidenschaft ist, und wir wollten nicht, dass sich das ändert. Ich glaube sowieso, dass wir wieder zu den Zeiten der Indies zurückkehren – die Majors sind am Arsch.
Auf "You Need To Stop" featuret ihr Curse – wie kam es zu dieser Kollabo?

Akira von Resolution aus Wien, die schon einige Shows für uns gebucht hatte, kam letztes Jahr rüber in die Staaten, um ein Praktikum bei Motive Records , dem Roots-Label bei MCA, zu machen. Als sie hier war, kam auch Curse vorbei, mit dem sie befreundet ist, und sie schleppte ihn schließlich in unser Studio. Wir haben dann gemeinsam eine Weile abgehangen, uns lange unterhalten, geraucht und rumphilosophiert. Dabei haben wir festgestellt, dass wir eine Menge gemeinsamer Einflüsse und ähnliche Ideen in künstlerischer Hinsicht haben. Außerdem mochten wir den Sound seines Flows, und als er dann übersetzte, was er sagte, passte es zu unserem Song, und so ist er mit reingekommen.
Außerdem haben die Waxolutionists einen Track für euch produziert – "Never Seen Before"… Die haben wir natürlich auch in Wien kennen gelernt – wir haben dort viel mit Buzz und Zuzee gemacht. Eigentlich sind wir mit den Jungs schon seit 1999 in Kontakt – vor allem über e-mail natürlich, wir sind ja auch auf ihrer Platte "Plastic People" zu hören. … plötzlich ist im Hintergrund die Stimme eins kleinen Kindes zu vernehmen … yo – I am here, but I got to stay at the phone, I have to do an interview. Just watch your movie … Sorry, that was my son.

Wie alt ist er?

Er ist fünf, und er sollte jetzt eigentlich gerade Lilo and Stitch von Disney gucken…
Wie siehst du die gesamte Irak-Situation [das Interview wurde noch kurz vor Ausbruch des Krieges geführt]?

Ich denke, dass Bush eigentlich andere Motive hat. Er ist ein Öl-Mann. Ich glaube nicht an den blinden Patriotismus und finde, dass jeder für sich selbst denken sollte. Wir haben auch alle ein Recht darauf, nicht mit den Handlungen derer einverstanden zu sein, die denken, sie seien gewählt. Einstein sagte mal, dass Patriotismus gleich Ignoranz sei. Das ist kein exaktes Zitat, aber er sagte so etwas in dem Buch "My Views". Er sagte, dass es nichts gäbe, was er mehr verabscheue als blinden Patriotismus und dass er niemanden verstehen könne, der Befehlen folge, die seinem besseren Wissen und seiner eigenen Moral zuwider liefen. Ich weiß, dass es eine Menge Propaganda von der Regierung gibt und dass viele Verschwörungs-Aktivitäten hinter dem Vorhang abgehen.

Hast du schon einmal etwas von der Rendon-Group gehört, einer speziellen "Medien-Beratung" der US-Regierung für militärische Konflikte?

Nein, aber es gibt einen Autor namens Noam Chomsky , der dir vieles klarmachen kann, he is the man. Die Dinge, über die er schreibt, sind zur Zeit in meinem Kopf. Ich habe auf der Platte übrigens auch eine Zeile auf dem Song mit Curse, die "you are in the wrong place like George W. Bush was mis-elected" lautet. Bush ist nur deshalb unser Präsident, weil wir dieses bescheuerte Wahlsystem haben. Wenn man den Zugang zu den richtigen Informationen hat – und die kann man immer bekommen – und man sich ansieht, wie die Dinge wirklich sind, dann fällt einem nichts mehr ein. Ich denke aber auch, dass eine Menge Leute sich selbst täuschen, um sich glücklich zu machen. Ein paar Dinge sind aber zu offensichtlich.

Hier liest gerade jeder das Buch von Michael Moore , in dem er detailliert beschreibt, wie Bush die Stimmen in Florida gezockt hat. Da haben sie ja ein Gesetz, das Vorbestraften das Wahlrecht aberkennt…

Ja – und das trifft natürlich bevorzugt Schwarze, die – zur Überraschung des Rests der Welt – bevorzugt Demokraten wählen. Das ist eben Politik. Die Leute sind zum größten Teil aber auch Schafe, die sich vom Geld und den Medien sowie den Kooperationen der Politik mit den Medien täuschen lassen. Die Leute glauben, was sie sehen, weil sie es nicht wirklich hinterfragen wollen.
Ihr seid ja vor allem auch als Live-Band bekannt und habt schon vor zahlreichen namhaften Acts gespielt – was war bisher euer witzigstes Tourerlebnis?

Schwer zu sagen, die Touren sind eigentlich immer extrem unterhaltsam. Auf der Tour mit Dice Raw und Scratch hatten wir in San Francisco z.B. ein lustiges Erlebnis mit dem Tourbus. Wir hatten ungefähr die Hälfte der Tour hinter uns, und der Busfahrer fuhr einem anderen Autofahrer auf einer dieser Downhillpassagen direkt vor dem Club gegen die offene Tür, so dass die beinahe rausgefallen wäre. Der Typ konnte dann aber nicht viel tun, weil er offensichtlich keinen Führerschein hatte. Er wollte nur die Tür so schnell wie möglich wieder zubekommen und abhauen. Wir sind alle rausgegangen und haben Fotos davon gemacht, ihm dann aber auch geholfen. Auf der Straße passiert immer eine Menge witziges Zeug, allerdings werden die Leute nach ein, zwei Wochen auf der Tour auch immer etwas verrückt.
Können wir dieses Jahr auch eine Tour in Deutschland erwarten?

Ja – sie sind gerade im Begriff, eine Tour für Juli und August zu buchen.

rap.de: Danke für das Interview