ASD

Ich sprach mit Samy Deluxe kurz vor den Soundcheck ihrer Show in München. Er wirkte ziemlich entspannt, was auch nicht verwunderlich ist – die Tour laufe bisher super, die Hallen seien eigentlich immer voll und die Stimmung erste Sahne. Es kommt ja auch nicht oft vor, dass zwei so erfolgreiche MCs zusammen auf der Bühne stehen und gemeinsam die Leute rocken. Und wer dachte, dass sich Sam und Afrob vielleicht gegenseitig die Show stehlen würden, liegt falsch, wie Samy betont: Die Harmonie, die bereits bei der Studioarbeit der beiden in der Luft gelegen habe, sei auch auf der Bühne zu spüren. Von Rivalität keine Spur, und er, Samy, habe auch nicht das Gefühl, dass das Publikum unterschiedlich auf Afrob oder ihn reagiere: "Es ist auch ein Vorteil, zu zweit auf der Bühne zu stehen: Man pusht sich gegenseitig hoch, lernt voneinander und ergänzt sich. Wir werden live als Gruppe wahrgenommen, nicht als Solo-Artists".

Das sind klare Aussagen, die erkennen lassen, dass es mit der These "Deutschsprachiger HipHop ist tot" nicht all zu weit her sein kann. Für ASD haben solche Aussagen eh keinen Wahrheitsgehalt.
"HipHop ist und war nie tot. Was aber stimmt, ist, dass die Verkäufe stark zurückgegangen sind. Das liegt aber vor allem an der Qualität der Veröffentlichungen"
, wie Samy anmerkt:
"Es wurden einfach eine Menge Leute gesignt, die noch nicht wirklich reif waren. So etwas wird dann in der Presse schnell zu ‚HipHop in Deutschland ist tot‘ umformuliert." Ich spreche ihn auf sein Statement in der Juice an, dass es in Deutschland mehr gute Rapper als Produzenten gebe. "So direkt hab ich das nicht gemeint" , kommt schnell zurück.
"Beim ersten Walkin´ Large Album (1995, Anm.d.Red.) dachte man, die Produktionen in Deutschland hätten schon Ami-Status erreicht, aber der Rap war einfach noch nicht so weit. Die MCs waren noch nicht gut genug."
Heute sei es so, dass es einen Haufen guter MCs gebe, die flowen können, aber kaum jemanden, der Beats macht, die so richtig kicken.
"Da besteht einfach noch Nachholbedarf, da ist noch Entwicklung nötig. Das war für uns aber nicht sofort der Grund, in die USA zu gehen, um Beats machen zu lassen. Das hat sich fast von selbst ergeben."
Eigentlich waren die beiden in die Staaten geflogen, um sich mit "Teem Heat" aus Philadelphia zu treffen, die ihnen schon recht früh Beats haben zukommen lassen. Und wo man halt schon mal da war, sei Eins zum Andren gekommen, man habe verschiedene Leute getroffen, und die Sache kam fast von selbst in Rollen. 
So eine Tour kann ja bestimmt auch mal ganz angenehm sein, wenn man einfach seine Energie rauslassen kann und niemand versucht, in jeden Rap etwas reinzuinterpretieren. "Deutschland ist ein sehr kopflastiges Land. Die Leute wollen einfach alles hinterfragen und können sich nur schwer locker machen. Hier herrscht zu viel Neid. Guck dir die deutsche HipHop-Szene an. Die sind alle dagegen, Geld zu verdienen. Es geht nur um die Underground-Attitüde." Da mag Wahres dran sein, aber die Leute kommen ja glücklicherweise trotzdem zu den Shows, auch von großen Amis wie Jay Z , die ja einen ganzen Haufen Geld mit HipHop gemacht haben. So gesehen scheinen ja doch nicht alle diese Attitüde zu haben. "Ihnen bleibt auch nichts anderes übrig" , wirft Samy mir lachend entgegen. ASD sind nun also auf dem Weg, den HipHop in Deutschland wieder an die Spitze zu führen. Auch wenn sie das nicht als ihr erklärtes Ziel angeben. Vielmehr würde es sie natürlich freuen, wenn man die Schlagzeile lesen könnte "HipHop lebt wieder – wegen ASD". Aber wie gesagt, er war ja nie tot! Afrob und Samy sind zufrieden, wenn sie aktiv an einer positiven Entwicklung teilhaben. Und letztendlich, so Samy, bleibt nur ein wahres Ziel übrig: "einfach gute Musik machen und den Leuten Qualität bieten." Bei ihrem Streben nach Qualität haben sie sich wieder ein wenig von ihren doch stark politisch orientierten Vorgänger-Alben bzw. EPs entfernt. Zu politische oder gesellschaftskritische Alben (wenn so etwas überhaupt geht), bei denen man zuhören und mitdenken muss, verkaufen sich anscheinend schlechter, als club- oder partyorientierte LPs. Möglicherweise liegt es aber auch daran, dass vielleicht zu sehr auf die Texte geachtet wird und dabei die Wichtigkeit der Beats vergessen oder hinten angestellt wird. Reicht es nicht, darauf zu achten, was man aussagt – ist auch wichtig, wie man es verpackt?
"Auf jeden Fall"
, antwortet Samy sofort. "Das letzte Album von Afrob war großartig, leider haben es aber zu wenige Leute gekauft. Es kommt schon darauf an, wie man es den Leuten anbietet, wie es die Medien aufnehmen. Die brauchen halt auch etwas Extremes, etwas, womit man auffällt. Andererseits darf man auch den Entertainmentfaktor nicht vergessen. Das Album muss dem Hörer auch Spaß machen, mit oder ohne politische Statements. Man darf das alles nicht außer Acht zu lassen."
Das Gefühl für´s Geschäft muss man ebenso haben wie das für die Musik. Das gehört einfach dazu. Aber kann man das alles vorher bedenken, am Anfang seiner Karriere, oder wird man da ins kalte Wasser geworfen?
"Wenn wir daran gedacht hätten, hätten wir unser Album nicht ‚Wer hätte das gedacht‘ genannt" , sagt Samy und lacht, um dann zu ergänzen, das alles sehr komplex ist und man immer dazulernt.
"Man kann die Musik und das Geschäftliche gar nicht mehr trennen.
" Jetzt kommt es, wie es kommen musste, wenn man sich mitten in einem guten Gespräch, aber auch direkt vor dem Soundcheck befindet. Bitte schnell noch die letzte Frage stellen, denn es muss geprobt werden. Also noch schnell die Frage nach weiteren Projekten von ASD. Der Erfolg scheint sich ja auf der ganzen Linie einzustellen, da muss doch mehr drin sein? Aber Samy will noch nicht wirklich damit rausrücken. Erst mal wird es noch die eine oder andere 12" geben (hoffentlich mit Remixes), und eventuell wird es noch eine größere Tour im Herbst geben. Das ist aber noch nicht ganz sicher. Ihr könnt euch aber sicher sein, dass wir euch auf dem Laufenden halten werden. Denn, wie schon die Überschrift sagt, dies ist ein Zwischenbericht. Es wird auf jeden Fall noch eine Fortsetzung geben, möglicherweise schon nach der Tour. Mal sehen was die Zeitpläne von ASD so zulassen!