Seeed

Mit dem Release des Longplayers "New Dubby Conquerors" der zwölfköpfigen Berliner Formation Seeed bietet sich dem geneigten Hörer das erste funktionierende, alle gängigen Spielarten wie Dancehall, Roots,Lovers, Dub etc. vereinende Reggaealbum aus deutschen Landen. Zumindest das erste, das richtig Spaß macht. Nach dem schon einige Zeit zurückliegenden EP-Release gehen die Jungs nun mit geballter Spielfreude und langjähriger Liveerfahrung auf dem Buckel an den Start, um Deutschland mal so richtig zu rocken.
F.: Was findet ihr denn am Musikbusiness Scheiße?
A.: Die Risikolosigkeit der größeren Plattenfirmen ist natürlich kacke. Und das ist schon schade… aber man sollte auch vermeiden, so viele Karten zu setzen… von denen ja dann genauso viele floppen im Endeffekt… man könnte auch mal abstraktere Sachen probieren. Aber ich meine, es gibt auch andere… ich denke mal, es ist im jeden Bereich so. Es gibt gute Leute und beschissene Leute.
F.: Ist das nur ein Symptom der Musikindustrie, dass die Leute risikoarm sind oder allgemein in unserer Zeit…
A.: …ist allgemein so…
F.: Ja, und es gibt keine Terroristen mehr…
A.: …gibt’s schon aber nicht hier. Wenn dann irgendwelche Terrorschläger… …Also, ich steh eher auf Terroristen. Eher auf Leute die mehr Rückrat haben und davon gibt’s auch sowieso wenige.
F.: Immer schon oder gerade heute?
A.: Immer schon… keine Ahnung… vielleicht war das früher anders… Man braucht halt immer ein Feindbild. Es kann sein, dass es früher, wie man das so sagt, auf dem Land oder im Dorf einfach besser war. Also, halt im Mittelalter… da waren alle gegen die Feudalherren und hatten deshalb ne größere Solidarität und die Leute haben sich mehr geholfen, man kannte seinen Nachbarn und so… es kann schon sein, dass das irgendwie ein bisschen verloren geht, weil die Leute nicht mehr so doll in Sitten leben wie früher. Aber im Endeffekt glaub ich, dass der Mensch schon immer der Mensch war. B:..ich würde auch auch sagen, dass der Mensch schon immer der Mensch war. Aber was natürlich eindeutig krasser geworden ist, ist schon das ganze Industrieding und Vermarktung und Kommerzialisierung und überhaupt multimediale Internetwerbung. Der Werbekampf wird schon immer krasser. Früher hat man immer so kleine Revierkämpfe gemacht, so von Hütte zu Hütte….
F.: …und jetzt seit ihr mittendrin. Wie ist das denn im Moment, ihr kriegt ja jetzt viel Aufmerksamkeit, das Video läuft hoch und runter. Erst mal Props überhaupt, sieht gut aus in den Anzügen und in Berlin läufts ja immer auf Fritz. Wie ist es denn in Westdeutschland?
A: Soweit ich weiß, spielen die es schon in Thüringen, Sachsen-Anhalt-Bereich. Radio Sputnik und EinsLive in Köln haben das auch ne Weile supported. Ansonsten ist das noch eher so ein Handeinsatzding Es spielen halt noch ein paar DJs von Vinyl, aber dass es dann von irgendwelchen Computerlisten der großen Radios gespielt wird ist eigentlich nicht der Fall. Mal sehen, was jetzt so passiert.
F.: In Hamburg sagen die Leute, ey "Dickes B", bei euch geht das auf den Dances doch tierisch ab…
A.: …ja das schon. Es geht tierisch ab.

F.: Aber die sind alle so, ja ist halt so’n Berlinding.
A.: Ja klar, das wundert mich nicht. Ich meine, wenn jetzt irgendein Frankfurter kommen würde und sagen würde "FRANKFURT". dann würde ich wahrscheinlich auch nicht unbedingt an die Decke springen. Aber wenn alle Berliner es fleißig kaufen würden, würde es auch reichen. …Wenn ein gutes Gefühl rüberkommt, kann ich einen Song über Hamburg auch geil finden… oder über Paris oder London… …Und Berlin interessiert ja auch die Leute. Fast jede 2. Serie wird hier gedreht… und alle wenden den Blick gen Berlin… die neue Mitte. Aber das ist ja nicht unser Pech… Ich meine das ist ja schon ein bisschen schlimm, wenn man in Berlin wohnt. Das nervt ja schon wieder. Aber damit hat der Song nicht unbedingt was zu tun. …vielleicht kommt’s ihm zugute… …auf jeden Fall.

 

F.: …Ich finde, dass dieses ganze Lebensgefühl von Berlin hier halt gut rüberkommt… als ich das zum ersten mal gehört habe, war es noch richtig kalt im Vergleich zu heute. Frühlingsanfang und da dachte ich so hmm… "im Sommer tut’s gut und im Winter tut’s weh"… stimmt auf jeden Fall. Das waren schon genau die richtigen Worte. Seid ihr alle Berliner?
A.: Wir 3 ja. Also, die meisten sind hier geboren. Alfi und Jerome sind die einzigen, die hier nicht geboren sind.
F.: Erzählt doch mal kurz über eueren Background. Wie viele Leute seid ihr?
A.: Mit Olsen, unserem Mixer, sind wir 12.
F.: Wie kommt da die Musik zustande? Die Beats auf der Platte sind ja teils auf dem Computer gemacht.
A.: Nicht alle. Ehrlich gesagt nicht mal die Hälfte. Oft ist es ein Mix aus programmierten Sachen und Livedrums, die dann halt geloopt sind. Aber vieles ist auch durchgespielt oder Livesachen.
F.: Ihr habt ja auch sehr rootslastige und auch dancehallmäßige Sachen drauf. Was uns noch aufgefallen ist, als wir heute morgen telefoniert haben, der "Police & Thieves"-Riddim ist auch mit dabei…
A.: …Aber der ist halt auch von der Seeedband gespielt. Ist halt neu eingespielt. Ist nicht so, wie bei Freundeskreis einfach komplett von der B- Seite den Riddim genommen… …das fand ich ja so wack damals… Ich finds einfach cool. Ich meine, der Riddim ist schön. Klar, ist halt ne simple Sache, ist aber hiphopmäßig. Irgendwas samplen und halt was drübermachen. Find ich Ok. Wird bei Dancehall ja auch gemacht. Wir haben halt ne coole Band, deswegen ist es geil, einfach den Kram nochmal einzuspielen.

 

F.: Ist es vielleicht auch ein bisschen der Ansatz, das deutsche Publikum zu teachen ? Es kündigt sich ja grad ein großer Hype an, was Dancehall angeht.
A.: Ach was. Wir bringen halt eigentlich immer das, was Bock bringt. Also, da gibt es erst mal nichts zu planen. Wir gehen nicht so vor, "erst mal alter Rootsclassic, dann ein paar deutsche Texte, damit die Deutschen die Geilheit der Rootsclassics raffen", sondern… ich weiß auch nicht. Einfach so.
F.: Ich finde es halt auch geil, dass so viel unter einen Hut gebracht wird… DJ, fette Bläsersätze, arrangierter Gesang…
A.: Heute haben schon einige Interviewer gefragt, ob wir nicht glauben, dass es die Leute irritiert… dass es zu vielseitig ist. Einer meinte auch, er kennt uns noch von vor 3 Jahren und da hätten wir halt diese dubbigen Sachen gemacht. Und jetzt halt der Opener von der Platte, dieses Dancehallcover, das wäre für ihn eine zu große Diskrepanz… Ich finds eher noch schwer, sich überhaupt noch einigermaßen zu begrenzen und irgendwie so Reggae und Offbeats als Bindeglied zu all dem zu machen. Aber ich finds auch total doof, warum soll man sich so beschränken auf… wir machen jetzt Dancehall oder wir machen halt Dub.

F.: Ich finde es ist auch eine sehr angenehme Platte so zum Durchhören. Der erste Track geht straight nach vorne, der 2. Track hatte eher so nen hiphopmäßigen Beat und dann kommt was slowes und dann Dickes B. Ist irgendwie cool. Ich hab von Eißfeldt die Platte gehört und es sind irgendwie ein paar langsame Stücke drauf und ein paar, die dancehallartiger sind. Aber die Produktion und das, was er mit seiner Stimme so macht, ist ein ziemlich homogenes Ding. Die Produktion find ich bei euch viel geiler, weil so viele Aspekte unter einen Hut gebracht worden sind.

A.: Ich finde die Jan Delay Platte aber trotzdem gut.

F.:…auf jeden Fall, aber es ist halt ein ganz anderes Ding. Zwar ein gemeinsamer Nenner mit deutschen Texten. Aber ich hab mir die Platte zweimal angehört und dann halt erstmal nicht mehr. Nicht weil ich die Platte schlecht fand, aber eure ist gewissermaßen vielschichtiger.
A.: Ja, es ist halt vielseitig ohne beliebig zu sein. Ich glaube, das ist das stärkere davon. Aber was ich bei
Jan Delay gut finde, ist dass er den Reggae halt nützt um auch mal radikalere Sachen zu machen. Er hat halt auch einen politischen Kontent. Was auch im HipHop ein bisschen peinlich wirken würde. Aber da spart er sich das halt weg. Da bringt er sein Reggaeding rein. Das finde ich schon geil… B: … ja das ist schon geil. In meinen Augen hat er einfach einen anderen Ansatz als wir.

 

F.: Was habt ihr denn für einen Ansatz?
A.: Ich würde sagen in erster Linie Tanzen. Schon spacige Atmos bei uns… aber ansonsten tanzbar. Das ist für mich schon wichtiger als z.b. politischer Inhalt.
F.: Wo seht denn ihr im wesentlichen den Unterschied zwischen Liveband, also live performed rüberbringen und das im Studio umsetzen? Wie geht ihr da ran?
A.: Ja also, halt Beats machen. Bei mir zu Hause meistens oder Texte schreiben. Gestern hatten wir drei Sänger da und wollten Texte schreiben. So ein bisschen reimmäßig in ein Battle gehen. So arbeitet man halt in kleinen Grüppchen vor sich hin. Und dann checkt man das im Proberaum auf Livetauglichkeit. So ist der Optimalfall und irgendwann nimmt man das auf. Und je nach Song ist ein programmierter Beat oder ein mit der Band aufgenommener halt geiler. Oder man vermischt es und mixt es. Wie es auch meistens auf der Platte hier ist.
F.: Wie entwickelt ihr die Beats? Habt ihr so 2, 3 Leute, die quasi die Kerngruppe sind und immer mit dem Zeugs ankommen oder… wer ist die Kerngruppe?
A.: Ja, die Beats mach ich meistens, aber dann kommt mein Bruder, der ist Drummer, dazu und sagt "vergiss die Figur und nimm die". Vincent hat irgendwelche Sounds. DJ, Cuts, die Sänger machen ihre Strophen und dadurch wird das Stück ja auch irgendwie geändert. Aber so in dem Rahmen passiert es dann. Und dann im Proberaum, ist klar, wenn jemand sagt, er findet das wirklich grauenvoll, dann macht man sich Gedanken. Dann muss das halt verbessert werden. Ich, Moritz, alle so, aber man findet schon einen gemeinsamen Nenner, wo auch alle dahinterstehen können.
F.: Es kündigt sich ja im Dancehall ein neuer Hype an, was Deutschland angeht…
A.: Also in Berlin gibt’s so ne Szene, die ist ganz tight. Es gibt irgendwie in München und in Hamburg noch irgendwelche… Aber es ist überall nur so ein bisschen. Es ist ja nicht so wie deutscher HipHop eine Massenbewegung, die das auch irgendwie tragen könnte. Und dann hatte ich ein bisschen Angst, dass wie bei 2 Step der Hype da ist, bevor sich irgendwie ne Szene gebildet hat.
F.: Jetzt kommt ihr, jetzt kommt Jan Delay mit seiner neuen Platte. Sind ja qualitätsvolle Sachen, die auch dafür sprechen, dass es auch länger gehen kann. Wie seht denn ihr das? Wo seht ihr Danchall in Deutschland in 2 Jahren? Wo wird das hingehen?
A.: Also, es wird sich bestimmt noch ei
n bisschen durchsetzen. In 2 Jahren wird mehr getanzt. Ich glaube auch, da kommt noch was. Also, da kommt auf jeden Fall noch mehr. Auf deutsch toasten ist genauso, wie… ich glaub nicht, dass es da weniger Leute geben wird, die das mal kurz ausprobieren
als Rapper. 



F.: Ich glaube, jeder wird mal mehr oder weniger die Elemente nutzen, und manche werden voll nur das machen, andere beim HipHop bleiben. Aber es gibt ja jede Menge Typen, die auf deutsch Tunes machen. Da kommt bestimmt noch viel mehr.Wen findet ihr da gut?
A.: Die Denyo-Platte ist echt gut. Hab ich mal reingehört, obwohl ich kenn mich mit HipHop nicht aus…
F.: Ich meinte nicht HipHop, sondern…
A.: Also, vorhin hatten wir ein Interview mit ner Frau, die hatte Kantate erwähnt. Mit dem hab ich mal live was gemacht und den finde ich auf jeden Fall gut. Der soll jetzt irgendwas gemacht haben, das veröffentlicht wird. Und sie hat davon geschwärmt, auf jeden Fall. Und ich fand ihn live auf jeden Fall überzeugend. Also ich finde D-Flame auf jeden Fall ganz gut. Also, alleine wegen seiner Stimme. Ich finde seine Stimme einfach geil. Also, wirklich, zum toasten hat er einfach ne coole Stimme. Und alleine deshalb finde ich’s schon gut. Er hat schon auch einen Flow. Seine Texte sind auch nicht 100% mein Style, aber er ist auf jeden Fall vorne mit dabei, hat ne geile Stimme und groovt gut. Mir gefällt das schon. Er hat auch eine supergeile Ausstrahlung auf der Bühne.

F.: Wie war denn das mit dem Frogass Riddim… Den hast du ja produziert. Da steht zumindest dein Name auf der Single drauf. Da sind ja die 3 Singles bei Downbeat rausgekommen. Habt ihr da irgendwie einen Einfluss drauf, wer auf dem Rhythm voiced? Oder wer hat das entschieden?

A.: Was heißt entschieden. Es wurde halt mehreren Leuten geschickt, die einen haben was draus gemacht und die andern halt nicht. Oder sind halt nicht fertig geworden oder hatten keine Zeit. Tolga haben wir z.b bei uns zu Hause aufgenommen und das war ne recht coole Session. Also, so auf die Endmixe gab es dann keinen Einfluss mehr. Die haben sich das dann zum Teil zerschnitten und so gemixt… Ich finde, es ist halt alles noch in den Anfängen. Es wird alles noch geiler werden.


F.: Beim ebenfalls auf Downbeat erschienenen Bitch- Riddim war es ja auch so, dass die 2. Selection rauskommt mit Remixen auf der Rückseite rauskommt. Gibt’s da auch bei euch für den Frogass? Vielleicht auch mit Jamaikanern oder so?
A.: Kann sein. Who knows. Wir machen jetzt mit Seeed und Frank noch ne Version auf dem neuen Leipziger Riddim, auf dem Top Entertainment, den der Cousin von Daniel gemacht hat. Aber D-Flame und auch wir hatten wenig Zeit… Da ist auf jeden Fall ne Zusammenarbeit und das finde ich auch cool.

 

F.: Bei dem LP-Cover… wessen Raum ist denn das?
A.: Ist nur ein gestylter Raum. Wir sind nach Babelsberg gefahren und haben im Filmfundus ein bisschen rumgestöbert. Und haben uns da im Orientexpress-Style eingerichtet. Also, einfach weil es irgendwie warme Farben sind.
F.: Erzählt doch mal was über Psychedelic Kingdom. Was ist da die Message bei dem Lied?
A.: Es geht da eigentlich um die Welt, die sich im Kopf abspielt.
F.: "Bau dir ein Haus…" ist doch aus dem Lied, oder?
A.: Das ist halt ein Beispiel… wir glauben, das alles in Erfüllung geht… ich weiß auch nicht mehr, um was es geht. Auf jeden Fall geht’s da um die Welt in Kopf. Und die sieht für jeden natürlich anders aus. Aber alle die, irgendwie auf softe Welle Bock haben können, sich da halt treffen. Darum geht’s.
F.: Moritz und Dembe hab ich schon mal gesehen im Cafe Morgenland da habt ihr Frühstücksmusik gemacht. Ihr spielt ja auch in den Bars… wo macht ihr sonst noch Musik?
A.: Wir spielen auch bei einer Jazzband zusammen. Ansonsten haben wir eher Straßenmusiksachen gemacht, um zu überleben. Weil… wir sind Vollblutmusiker und wollten halt nichts anderes machen. Eine Zeitlang hat das auch sehr gut funktioniert. Im Moment ist es so, dass das Kreditkartenzeitalter angebrochen ist und es härter wird für Straßenmusiker.
F.: Was habt ihr da so verdient?
A.: Es wurde im Laufe der Jahre immer schlechter. Und es ist auch bestimmt länger als ein halbes Jahr her, dass ihr uns im Morgenland gesehen habt. Wir haben in Kreuzberg aufgehört. Wir haben in Prenzelberg angefangen und haben dann kurz in Mitte gespielt. In Kreuzberg war sozusagen die letzte Saison. 120 DM aus 4 Cafes rauszuholen ist gar nicht mal so leicht…
F.: Seid ihr jeden Tag losgezogen?
A.: Ja, schon. Wir sind früher auch mit Bands mit dem sparsamsten und spartanischsten Equipment nach Frankreich gefahren und haben da dann Sound gemacht auf irgendwelchen Marktplätzen und Ferienorten. Oder dann abends auf Campingplätzen. Und das war auch echt cool. Da ging’s gut ab. Das hab ich auch lange nicht mehr gemacht. Wahrscheinlich würde das auch jetzt mit der Band ganz gut funktionieren.