Brixx

Meine ersten Erinnerungen an Brixx reichen recht weit zurück: Im Rahmen eines dieser idiotischen Promo-Gigs von Da Brat (3 Songs in 60 Minuten, der Rest der Zeit wurde mit öffentlichem Kiffen und Saufen zugebracht) nahm sich auch Brixx das Open Mic und begrüßte Brat mit "YoKnowWhatIOpenedUpFoYoAssInHeidelbörg". Zur Antwort bekam sie ein verständnisloses "what?!?". Skurillitäten am Rande: Ich wurde Zeuge, wie ein Gast die Einlaßkontrollen mit vorgehaltener Pistole statt Ticket passierte. Michi Beck huschte ständig in überdimensionierter weißer Daunenjacke vorbei (und es war HEISS im Saal). Da Brat ließ sich von ihrer Mutter (!), die mit grimmiger Mine auf der Bühne stand (!!) aus deren Handtäschchen (!!!) Gras reichen (!!!!), um einen dicken Joint zu bauen. Ein merkwürdiger Abend. Aber die englischen, naja, sagen wir amerikanischen Rhymes, die Brixx droppte, waren ohne Zweifel derbe fett – mir war klar, daß man diese Lady im Auge behalten müsse. Nächste Station: "The Rain", produziert von Calo a.k.a. Roey Marquis. Der Plan war wohl, auf die Cover-Welle aufzuspringen und einen Hit zu landen, was sich in deutlich geglättetem Sound niederschlug. Aber auch hier war an den Raps der gebürtigen Ungarin nichts auszusetzen – das Ergebnis war mir allemal lieber als der ganze Booya Family Horror. Kürzlich berichtete mir dann Schivv von DCS in einem Interview mit verschwörerischer Stimme (Real Audio) von großartigen Dingen… Brixx sei in New York, um den deutschen HipHop auf den nächsten Level zu bringen… oberfette Produktion, unfaßbare Gäste…! Natürlich ließen wir daraufhin nichts unversucht, um umgehend Fakten aus erster Hand einzuholen. Mittlerweile ist die erste Single des mit Hochspannung erwarteten Albums auf dem Markt – "What Is It + Most Def", featuring u.a. Mos Def!!! Sehr fett! Und auch unsere Hartnäckigkeit hat sich gelohnt, hier kommt die Wahrheit und nichts als die Wahrheit über Brixx von Brixx:

Wie, was, wann, warum, mit wem?

"Wir waren zum ersten Mal im Februar drüben in New York, um die erste Single mit Mos Def, F.T. und Mike Zoot aufzunehmen, die auch schon veröffentlich ist. Das nächste Mal war ich im Juli da, um das gesamte Album aufzunehmen, wobei auch Leute wie Camp Lo, Kweli von Black Star, die Jazzy Fat Nastys und Bahamadia dabei waren. Zustandegekommen ist das ganze über mein Management Wir haben denen einfach Sachen zugeschickt, und die hatten Bock, was mit Europa zu machen. Das ist alles superpositiv gewesen."
Sind die Songs dann erst drüben entstanden, oder hattest Du die schon vorher am Start?

"Zum Teil sind die erst drüben entstanden, zum Teil haben die mir aber schon vorher Beattapes geschickt, und ich hatte dann ’nen Monat Zeit. Ich habe 15 Lieder geschafft, und den Rest habe ich drüben geschrieben. Ich habe auf jeden Fall genug Material für’s Album. Teilweise habe ich natürlich drüben noch die Texte umgeschrieben und so, aber die Vorbereitung ist vor allem hier gelaufen."
In welchem Studio hast Du aufgenommen?

"Wir waren im Platinum Island, das ist auf dem Broadway und direkt unter Rawkus Records, da wo die Lyricist Lounge herkommt. Das war auch super, weil die Leute von der Lyricist Lounge dann auch zu uns runterkamen, weil sie gehört hatten, daß da so’n German Chick fett Sound macht. Die wollten das mal checken, und so habe ich viele Leute kennengelernt."

Wann kommt die LP, und wo wird sie erscheinen?

"Das Album wird Anfang nächsten Jahres erstmal in Deutschland rauskommen, so Februar / März rum. Vorher kommt noch ’ne andere Single. Aber natürlich ist auch in Planung, die Platte in Amerika rauszubringen, wir haben schon ein paar Meetings gehabt, und es sieht gut aus. Man muß aber einfach abwarten. Es ist natürlich ein großer Traum, drüben rauszukommen. Ich wüßte jetzt keinen, der das bis jetzt geschafft hat. Die haben einfach genug Leute und brauchen niemanden aus Europa, der ihnen irgendwas erzählt. Hoffentlich ist mein Stil das, was den Leuten drüben auch gefällt. Das ganze Album ist auf jeden Fall ziemlich amerikanisch produziert, deshalb hoffe ich, daß alles gutgeht."
Wer wird auf der zweiten Single außer Dir vertreten sein?

"Die nächste Single ist produziert von Buckwild und da singen die Jazzy Fat Nastys – die haben mit den Roots und Outkast ein paar Sachen gemacht. Auf der B-Seite wird noch ein anderes Lied sein, das ist von Lord Scan produziert, und F.T. ist wieder mit drauf, wie schon auf meiner ersten Single."
Dein Rapstil klingt extrem amerikanisch. Wo hast Du das her?

"Ich bin jetzt 22. Seit ich 15 oder 16 bin, habe ich in Kassel gewohnt, da gab es einen amerikanischen Club und es waren überall Amerikaner. Meine Schwester war ziemlich lange mit einem zusammen, und so habe ich angefangen, mit dem zu reden. Ich war auch in der Schule schon gut, aber richtig gut ist mein Englisch durch die Amerikaner geworden. Dann habe ich auch angefangen, Texte zu schreiben, inspiriert durch Monie Love und einige female MCs. Am Anfang habe ich natürlich noch gestottert, aber je mehr man sich damit beschäftigt, desto besser wird’s. Und ich habe mich damit beschäftigt."
Was waren Deine Veröffentlichungen vor der neuen LP?

"Zu der Zeit, als ich für Da Brat Vorgruppe gemacht hab, hatte ich eine Single draußen. Ich hatte mit Marquis eine Coverversion von "The Rain" von Orange Juice Jones gemacht. Ich hatte dann noch ein paar Veröffentlichungen auf ein paar Compilations und so, aber sonst nur die eine Single. Das war auch der Schlüssel für mich bei Sony Columbia. Denen hat das gut gefallen, die haben mich auch als Solokünstlerin erst genommen und gesagt: Das wollen wir gerne machen. Heute ist die Zusammenarbeit mit Sony Columbia auch supergeil."
Mit Roey Marquis machst Du jetzt nichts mehr?

"Nee, der macht zwar auch viele Sachen in New York, und als ich im Juli drüben war, habe ich ihn wieder getroffen, aber wir haben sonst produktionsmäßig nichts mehr zusammen zu tun."
Hat man Dich in New York als Deutsche ernstgenommen?

(Antwort als RealAudio) "Ich hab mich eigentlich ziemlich wohlgefühlt, die Leute haben mir viele Props gegeben. Das hat mich auch sehr gewundert. Am Anfang hab ich gedacht: Ich nehm jetzt mein Album auf in Amerika – es war halt mein Traum, es war schon immer mein Traum gewesen – aber ich dachte mir: Mal gucken, was da auf mich zukommt. Ich war auch darauf vorbereitet, daß die Leute sagen: ‚Eh, was willst Du denn jetzt hier?‘ Das ist aber nicht einmal passiert, im Gegenteil. Die Leute sind auf mich zugekommen und meinten ‚fat… und aus Europa…‘. Vor allem auch Frauen, die ich kennengelernt hab. Wir waren ja damals auf Tour mit Yoyo und MC Lyte, und Lin Que war damals auch dabei. Mit der hab ich immer noch supergeilen Kontakt, auch in New York. Es gibt nicht viele Females, und die Props waren auf jeden Fall da, von den Produzenten, von den Leuten, mit denen ich gearbeitet hab… Ich glaube nicht, daß die ganzen Leute bei jemandem auf dem Album mitmachen, der sich superscheiße anhört. Würd‘ ich auch nicht machen."
Wie ist die Resonanz auf "Most Def / What Is It"?

"Airplay ist eigentlich genauso, wie wir es uns gedacht hatten. Ich habe auch nicht erwartet, daß das superkraß von Lieschen Müller gehört wird, die dann im Radio anruft, weil sie das Lied hören will. Von den Verkäufen her sind ein paar tausend nach Japan gegangen… Die Resonanz hat zwei Seiten. Bei einigen Leute, die nichts damit anfangen können, denk ich halt, daß es so fresh ist, daß die sich erstmal daran gewöhnen müssen."

Und was erwartet Ihr von der zweiten Auskopplung?

"Klar, wenn man mit einer Plattenfirma wie Sony Columbia zusammenarbeitet und die da Geld investieren, erwarten die natürlich auch, daß ich Hits bringe. Ich mach mir jetzt nicht soviele Gedanken, ob das jetzt chartet oder nicht. Ich glaub schon, daß die zweite Single jetzt für das allgemeine Ohr leichter zu verstehen ist als die erste Single. Natürlich erwarten die was, aber die stehen superkrass hinter mir."
Sind auch die ganzen Gesangsparts auf dem Album von Dir selbst?

"Die einzigen Frauen, die auf dem Album singen, sind die Jazzy Fat Nastys, die sind auf der nächsten Single drauf, und mit denen habe ich auch noch ein anderes Lied gemacht, das heißt "You and I". Sonst ist alles, was man da an Gesang hören wird, von mir. Die Backgroundvocals und alles."
Worum geht’s in Deinen Lyrics, und wie entstehen die?

"Das ist immer unterschiedlich. Ich höre zum Beispiel ein Lied, und jedes Lied gibt mir nen anderen Vibe. Und zu diesem Vibe schreib ich dann ein Lied. Ich habe Partytexte, in denen es straight up darum geht, Party zu machen, aber ich habe auch conscious Texte, in denen es darum geht, wie es in der Welt aussieht. Es geht darum, sich Mühe zu geben, damit man sich irgendwo halfway trifft. Das ist zum Beispiel ein Lied von mir ‚Half Way‚, das ich mit Kweli von Black Star gemacht hab. Es geht halt in alle Bereiche, in alles, was für mich Realität ist. Ich rappe und singe jetzt nicht über "ich schieß dich ab und du mich" oder so, weil es halt einfach nicht meine Realität ist. Es ist schon die Sicht einer jungen Frau, die hier in Deutschland aufgewachsen ist."
Welchen Anteil hattest Du an der Produktion, an den Refrains etc.?

"Mit den Cella Dwellas ist zum Beispiel ein Chorus in Zusammenarbeit entstanden, weil wir alle drei in dem Chorus vorkamen. Wir hatten uns, bevor wir zusammen im Studio waren, noch nie gesehen. Mit Camp Lo haben wir zwei verschiedene Versionen der Chorusse gemacht, eine easy und eine heavy version. Der Rest der Chorusse ist eigentlich von mir, und auch, was die Jazzy Fat Nastys singen, habe ich alles geschrieben. Mit der Produktion an sich habe ich nicht viel zu tun gehabt. Ich hatte Tapes und habe mir von den 20 fetten Beats von den verschiedenen Produzenten immer einen ausgesucht. Ich konnte mir immer den besten rausziehen, so daß man nicht mehr viel verändern mußte. In der Zukunft habe ich auch vor, mit einer Freundin von mir selbst was zu produzieren und im Studio daran zu arbeiten."
Und nächstes Jahr geht’s auf Tour?

"Es ist auf jeden Fall ne Tour geplant, wenn die LP draußen ist. Ich würde gerne auf Tour gehen mit Walking Large und den Leuten, mit denen ich hier auch in Düsseldorf arbeite, Brooke und so. Da muß man mal gucken."
Dein Weg, mit englischen Texten und amerikanischen Produzenten, ist ja für die deutsche Szene eher untypisch. Wird sich das in Zukunft mehr in diese Richtung entwickeln?

"Ich weiß es nicht, auf jeden Fall ist die deutsche HipHop-Szene wichtig für uns hier in Deutschland, für Europa, für alles im Grunde. In Frankreich auf französisch, in Deutschland auf deutsch und so… aber für mich war es schon immer so, daß ich nach Amerika geguckt hab. Vielleicht hätte ich auch auf deutsch rappen müssen, ich weiß es nicht, aber für mich war irgendwo immer Amerika maßgebend. Es sind schon superhammergeile Sachen, und es wird immer besser in der deutschen HipHop-Szene, da kann man einfach nichts mehr gegen sagen. Ich habe in Amerika auch ziemlich viele Sachen dabeigehabt, die ich Leuten vorgespielt hab, und die fanden das supergeil. Die denken, wir sind hier noch kutschenmäßig unterwegs und so – die können garnicht glauben, was hier schon alles abgeht. Und die Leute, die schon hier waren, wie Guru oder so, die wissen ganz genau, daß die Leute hier – ich will nicht sagen realer – aber dankbarer sind, wenn’s Auftritte gibt und so. Ich war mit Jane Blaze, die auf meinem Album auch was gemacht hat, zu nem Auftritt in Long Island mit The Lox und den ganzen Leuten. (Antwort als RealAudio) Ich fand das Konzert so geil, ich war die einzige, die abgegangen ist. Das habe ich überhaupt nicht gecheckt. Die Leute standen da und haben geguckt – so "ja, abgelutschte Aktion, The Lox, whatever…". Ich habe das Gefühl, daß hier, wenn hier Konzerte sind, die Leute so kraß abgehen. Da drüben ist halt alles schon so normal für die, da muß schon Puffy mit seiner gesamten Crew ankommen, damit die mal abgehen."