Wer hin und wieder in Berlin mit der U7 unterwegs ist, wird jüngst am U-Bahnhof Eisenacher Strasse nicht umhin gekommen sein,einen ganz speziellen Kalender dort entdeckt zu haben. Auf den zwei Seitwänden des U-Bahnhofs, jeweils zur Hälfte bemalt, haben zwölf verschiedene Graffiti-Künstler jeweils ein Bild in den Farben eines Monats gemalt. Ein Spektakel für jeden, der sich mit der Kunstform Graffiti ernsthaft auseinandersetzt, aber auch für den völlig unbedarften Laien. Nur die BVG dürfte das anders sehen. Wir konnten ein Interview mit ein paar beteiligten Künstlern führen, die allerdings aus verständlichen Gründen lieber anonym bleiben wollten. Zu beachten ist dabei, dass wir mit diesem Artikel nicht zu strafrechtlich verbotenen Handlungen aufrufen oder anleiten wollen. Uns geht es lediglich darum, das weltweit auftretende Phänomen Graffiti zu dokumentieren. Das Bildmaterial wurde uns anonym zugesandt.
HipHop und Graffiti gehen in letzter Zeit immer mehr getrennte Wege: Was hört ihr denn meistens für Musik beim Malen?
Neunziger Jahre HipHop und, mhmm, kann man gar nicht so leicht sagen. AC/DC! Zwischendurch haben wir da ein paar Topsongs drauf. Dann noch Electro, Chromeo, 70er, 80er-Jahre Rock, Funk. Eben die Musik, mit der man aufgewachsen ist. Beim Malen am U-Bahnhof Eisenacher haben wir „Junge Römer“ von Falco über Lautsprecher gehört. Das ganze Album durch! Hat man echt gut gehört, der Sound kam gar nicht so schlecht im Bahnhof.
Viele von euch sind seit Jahren dabei, was man an dem Detailreichtum eurer Bilder merkt. Seht ihr vielversprechenden Nachwuchs?
Schwieriges Thema, wir sehen sehr viel Nachwuchs, aber nicht viel, was uns wirklich gefällt. Die malen irgendwie anders als früher. Weniger Fadings (Farbübergänge, Anm. d. Red.), klarere Flächen. Früher war irgendwie mehr Flavour. Man sieht einfach zu wenig Style, manche geben sich gar keine Mühe mehr, malen unsauber und zu viel Anti Style. Es sieht irgendwie alles zu gleich aus, die Prise Berlin-Flavour fehlt!
Wie steht ihr menschlich zu der jüngeren Generation?
Positiv! Mittlerweile gehen wir auch mit Jüngeren malen. Das kommt zwangsläufig wenn man illegal aktiv ist. Solang sie unsere Bilder nicht crossen und uns nicht auf den Sack gehen, ist alles gut. Aber schnallt euch mal richtig an!
Gilt das auch für Bombings/Tags?
Gehört schon dazu. Allerdings muss nicht jeder Honk überall ein Tag machen. Ein schönes, fettes Chrome-Bombing ist geil. Daran gibt es nichts auszusetzen. Schön groß, mit der Leiter, oder schnell an der Straße gemacht. Ein Bombing muss aber zur Stelle passen, dann muss es auch nicht immer ein Style-Piece sein. Eine Stadt ohne Street-Bombs ist auch Kacke, siehe München.
Was bedeutet der Canion für euch?
Der Canion, das Alpha und Omega. New Yorks 3.300 km lange Wurzeln. Seit 25 Jahren Teil der Berliner Graffitikultur, oder: Ein stinknormaler Brückenkopf auf einem Bahngelände in Berlin.
Durch den Film „Berlin Kidz“ ist Graffiti wieder etwas in der Gesellschaft angekommen. Künstler seilen sich an Häuserfronten ab, surfen auf den Bahnen, suchen überall, wo es geht nach Adrenalin. Wie steht ihr zu dieser Ausrichtung, und wo könnte sich das hinbewegen?
Also, „Berlin Kidz“ sind, wie der Name schon sagt, Berliner Kinder und nicht Berliner Touris! Die zeigen der Welt mal, was ’ne Harke ist. Das ist echtes Graffiti und nicht dieses „Drei Tage Hall mit Beamer und Comicvorlagen 100 Cans verschwenden“– Graffiti. Diese zugezogenen Grafik-Studenten, die Tiere und Kaffeetassen auf Züge malen, haben mit Graffiti-Writing nichts zu tun und interessieren daher auch nicht. In Zukunft werden die Leute vermutlich noch krampfhafter versuchen, „cool“ zu malen und immer mehr den Grundgedanken von Graffiti, nämlich in der Welt von Aerosol und Nahverkehrssystemen mit den Freunden Spaß zu haben, aus den Augen verlieren.
Wen feiert ihr zur Zeit am meisten?
Gemeinsamer Nenner: CHINTZ
Hat sich seit den 90/2000er Jahren in Sachen Unity viel getan oder gibt es noch immer diese starken feindseligen Auseinandersetzungen innerhalb der Szene?
Früher war Graffiti auf jeden Fall mehr durch Straßengangs geprägt, das ist deutlich zurück gegangen. Gangs gibt es zwar immer noch, aber die wenigsten von ihnen interessieren sich noch für Writing. Gewalt wird immer ein Thema bleiben. Wenn jemand einen anderen crosst oder sich im falschen Spot herumtreibt, kann es halt auch mal knallen.
Januar (DISEK):
Februar (FACH):
März (REAK):
April (PESD):
Mai (SHADE):
Juni (BONE):
Juli (TRIK):
August (FINO):
September (TOUR):
Oktober (SEKS):
November (HEYS):
Dezember (STEREO):