Ein Newcomer im Interview: Laif kommt aus dem Norden Berlins und macht Musik außerhalb vom Mainstream. Vor allem die Texte liegen im Fokus seiner Projekte, da er dadurch Probleme und innere Konflikte verarbeitet. Am 29. März erschien seine vierte EP: „Beständigkeit“.
Die Beschreibung in deinem Facebook Profil ist ziemlich deutlich: Kein Autotune, keine Trapbeats, kein Gangsterimage. Was unterscheidet dich denn vom Rest der Szene?
Die Szene ist ja relativ groß und es gibt Leute, von denen unterscheide ich mich mehr und von anderen unterscheide ich mich weniger. Die Beschreibung ist schon uralt, das ist mir mittlerweile fast ein bisschen unangenehm (lacht). Vielleicht gibt’s in Zukunft mal einen Trapbeat, aber Autotune gibt’s nicht. Grundsätzlich habe ich aber Mucke aus dem Grund angefangen, dass wenig Neues rauskommt, was meinen vielleicht recht eigenartigen Geschmack bedient.
Was machst du neben der Musik?
Ich studiere Jura, sieht man mir vielleicht nicht an (lacht). Ich habe 2014 Abitur gemacht, danach ein freiwilliges asoziales Jahr, relativ viel gearbeitet und seit 2015 studiere ich. Das ist sozusagen mein gutbürgerliches Standbein. Meine Eltern würden mir auch sonst den Kopf abreißen, wenn ich ihnen erzählen würde: „Ich rapp jetzt jahrelang vor mich hin“. Es ist auch ziemlich anstrengend, das alles unter einen Hut zu bekommen. Vor allem sind die Kosten relativ hoch. Seit einem Jahr nehme ich in einem Jugendclub auf, den ich über Freunde gefunden habe. Ich habe generell im letzten Jahr immer mehr versucht einiges an Freunde weiterzugeben und wir sind jetzt schon fast ein ganzes Team. Die helfen mir bei Fotos, Videos oder der Beatauswahl. Es braucht aber natürlich seine Zeit, bis man halbwegs eingespielt ist.
Was möchtest du mit deiner Musik weitergeben und wo liegt dein Fokus?
Ich habe für mich angefangen Texte zu schreiben, um mich ein bisschen selbst zu therapieren. Seit ich 12 bin, habe ich viel Stress um mich herum, deshalb stehen für mich die Texte auch immer noch im Vordergrund. Meine Freunde meckern oft, es wäre zu kompliziert oder zu traurig. Aber ich hatte trotzdem nie das Gefühl, auf den Mainstream-Zug aufspringen zu müssen, gerade weil meine Sachen ziemlich anachronistisch und melancholisch sind. Ich bin etwas auf diesem Realkeeper-Ding hängen geblieben. Vor allem MC Bogy und Vega haben mich sehr geprägt. Wenn ich einen ganz schlechten Moment habe, zieh ich mir immer noch „Lieber bleib ich broke“ von Vega rein und danach geht’s mir besser. Meine Hoffnung ist es, dass es eventuell Leute gibt, die sich durch meine Musik verstanden fühlen und bei denen ich das Gefühl auslösen kann, das mir meine Lieblingskünstler gegeben haben. Ich möchte versuchen, den deepen Rap, die gehaltvollen, persönlichen Texte wieder auf die Karte zu bringen.
Du rappst in „Intro III“ „Ich bin ein Romantiker in Klamotten eines Prolls“. Wie genau kann man das verstehen?
Ich bin eigentlich nicht so der Candlelight-Typ (lacht). An der Stelle beziehe ich mich aber eher auf die Literaturepoche der Romantik, die ja sehr von Naturverbundenheit und Empfindsamkeit geprägt ist. Ich bin eher der melancholische Typ und teils etwas idealistisch. Die Musik steht sehr viel für Werte, Naturverbundenheit, für Traurigkeit und Melancholie. Ich würde es als sehr emotionale und romantische Musik in einer relativ harten und kalten Zeit beschreiben – ein Gegensatz zu durchrationalisierten Welt.
Auf dem 9. Track „Vergangenheit“ gibt es eine Zeile, die lautet: „Musst um Essen kämpfen, deshalb heißt es Heim und nicht Zuhause“. Hat das einen bestimmten Hintergrund?
Ich hatte mit 15-16 eine ziemlich kritische Phase, in der ich sehr depressiv war, sehr viel getrunken und Schule geschwänzt habe. Meine Eltern haben sich Sorgen gemacht und sich wirklich Mühe gegeben – trotzdem streitet man sich die ganze Zeit. Irgendwann haben sie mich dann ins Heim gesteckt, aber nicht um mich loszuwerden. Ich habe noch zwei jüngere Geschwister, die auch sehr unter der Situation gelitten haben. Das war auch mehr eine Warnschussfunktion, da ich nur ein paar Monate dort war. Man fühlt sich schon ein bisschen wie im Knast – nicht, dass ich damit Erfahrungen hätte. Aber diese Zeit hat mich auf jeden Fall geprägt.
Wie geht’s nach der „Beständigkeit“ EP weiter?
Es kommen jetzt erst noch zwei drei Singles, bevor die EP rauskommt, aber wir sind gerade so in den letzten Schritten. Ich werde das ganze auch auf CD rausbringen, weil ich halt nicht zeitgemäß unterwegs bin und mein Geld gern verbrenne (lacht). Ich bin gerade an einer für meine Verhältnisse sehr lockeren Kollabo-EP mit einem Freund von mir dran. Für den Sommer passt das einfach besser, da versuche ich meine schweren Brocken eher für den Winter aufzusparen. Gerade im Juni ist das schwierig. Es ist gerade Sommeranfang, alle Leute rennen raus und freuen sich des Lebens und dann kommt so ein trauriger Laif um die Ecke, der im Winter sein Leben aufs Papier gebracht hat.
Kann man in Zukunft ein Album von dir erwarten?
Ich denke ich werde erstmal weiter nur EPs machen. Meiner Meinung nach muss ein Album ein Konzept haben. Auf textlicher Ebene wie auch auf Produktionsebene. Mein Traum wäre es, einen festen Produzenten zu haben, mit dem ich dann zusammenarbeiten könnte. Im Moment suche ich mir die Sachen noch zum Großteil aus dem Internet und schau dann, dass es halbwegs einen roten Faden hat. Wobei auf der kommenden EP auch drei Beats von einem guten Freund von mir sind, der heißt Sickmund.