Tom Thaler hat keine Lust darauf, irgendwem nachzueifern oder in allem der Beste sein zu müssen. Viel wichtiger ist ihm Balance und innere Zufriedenheit. Deshalb hat er auch nichts dagegen, wenn sich jemand, wie in diesem Bild unsere Redakteurin Krissi Kowsky, in den Vordergrund drängelt. Er schlug es mit den Worten „Ist doch ganz witzig, dann bin ich ganz klein und du groß“ sogar selbst vor. Welche anderen Lebensweisheiten er noch in seinen Songs verpackt hat, erzählt er im Interview.
1. „Cooler als ich“ (prod. Basil)
Worum geht es in „Cooler als ich“?
Der ganze Song basiert auf Vergleichen: Tony Hawk macht dies, LeBron James macht das. Es geht um dieses „Malu“-Gefühl, das sich durch das ganze Album zieht. Das ist ein Wort aus Indonesien. Wenn jemand in die Bar kommt, der sofort die ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht, bedeute „Malu“ sein, dass man der Person diesen Platz dann auch gibt und nicht neidisch wird. Dass man also kein Platzhirsch-Verhalten an den Tag legt, um sich selbst zu profilieren, sondern mit sich selbst im reinen ist. Irgendwo ist das auch Anti-Rap-Verhalten.
Ich hab oft den Eindruck, dass gerade die Menschen, die sich am coolsten darstellen wollen, mit sich selbst am unzufriedensten sind.
Das ist eine Typfrage. Da geht es, wie bei allem, um Gleichgewicht und Authentizität. Mir fallen direkt drei Leute aus meinem Umfeld ein, die das Cool-sein super krass verkörpern und auch die Bestätigung brauchen. Denen steht das aber, die sind einfach so. Es gibt aber auch viele Leute, die das nur machen, weil sie sich diese Selbstbestätigung auf andere Weise nicht selbst geben oder holen können. Dann wird es unangenehm.
In dem Track gibt es die Line: „Kanye West trägt ’nen Parka und sieht aus wie Kanye West / Ich trag‘ einen Parka und seh‘ aus wie ein Depp.“ Mit dem richtigen Selbstbewusstsein kann man ja aber eigentlich anziehen, was man will: Dann sieht man immer cool aus.
Stimmt. Bei vielen merkt man aber, dass das nur eine Fassade ist. Du kannst dir so viel Gucci kaufen wie du willst, wenn du es nicht richtig verkörperst, wird es nie geil sein.
Wenn ich mal einen Abend lang swaggy sein will, denken sich wahrscheinlich auch viele, dass ich ein Mittelstandskind vom Dorf als Rapper verkleidet bin (lacht). Die Frage ist, ob man als Rapper wirklich so extrovertiert sein muss, um sich von anderen abzuheben.
Ich finde es ehrlich gesagt ziemlich nervig, wenn ein Song nur noch aus der Nennung von teuren Klamotten- und Automarken besteht. Andererseits machen das oft Leute, die aus ärmeren Verhältnissen kommen und sich extrem darüber freuen, dass sie sich die Sachen nun leisten können. Den gönne ich das natürlich auch.
Genau. Man kann nicht für andere Leute reden. Wenn man sich einen Capital Bra anschaut, merkt man, dass der von unten kam, jetzt oben ist und es krass feiert, dass er jetzt Gucci tragen kann. Dem gönne ich das total.
2. „Mond“ (prod. Basil)
Worum geht es in „Mond“?
„Mond“ ist für mich ein Selbstreflexion. Es geht um Träume und Hoffnung und um den Umgang mit dem eigenen Scheitern. Da steckt viel drin. „Ich bin ein Idiot / wiederhole jeden Tag / niemand der mich stoppt / nur der Mond, der mich jagt“ Die Zeile steht dafür, dass ich nicht hinterherkomme, all das zu schaffen, was ich mir vorgenommen habe. Das wird mir dann oft in der Nacht bewusst – und trotzdem geht es am nächsten Tag genauso wieder los. Ich habe meine Träume und Vorstellungen und auf der anderen Seite meine Ängste und Zweifel.
Glaubst du, dass dich deine Ängste daran hindern, deine Träume zu verwirklichen?
Nee, oft ist man sich den eigenen Ängsten auch gar nicht so bewusst. Da passiert viel im Unterbewusstsein und durch Marotten. Dadurch, dass man die Dinge jeden Tag tut, fällt einem vieles gar nicht auf, da man sich nicht jeden Tag selbst reflektiert.
„Mond“ ist eine Zustandsreflexion. Wo bin ich gerade? Wo wollte ich mal hin und wieso bin ich da jetzt noch nicht gelandet? Dann entstehen Zeilen wie „Zur Not schwimm‘ ich zurück an den Anfang / In Hamburg ist die Elbe ja noch nass“
Die Zeile am Anfang „Warum wird sich überall verrückt gemacht“ passt dann ja eigentlich gar nicht dazu, oder?
Ich sage mir selber oft, dass ich mich nicht so verrückt machen sollte, um mich selbst zu beruhigen. Aber im laufe des Songs tue ich es trotzdem. Das ist ein bisschen paradox. Ich will mich selber beruhigen, steigere mich dann rein und merke, dass ich die gleichen Probleme habe, wie die Leute, an die sich die Line eigentlich gerichtet hat. Mir passiert es oft, dass ich eine gewisse Entwicklung beim Schreiben der Songs durchlebe.
Du rappst: „Ich wollte gut sein / true sein“. Was bedeutet das für dich?
Mit der Zeile meine ich, dass ich im Leben etwas Großes machen will. Mein Anspruch für mich als Künstler ist, dass ich etwas schaffe, das Bedeutung hat. Etwas, das größer ist, als ich selbst. Musik steht als Werk für immer und wird mich überdauern. Ich glaube, das geht vielen Künstlern so. Dann sage ich in der nächsten Zeile aber auch, dass ich immer zu faul war, um daran zu arbeiten. Ich habe mich immer auf mein Glück verlassen und hatte auch immer ziemlich viel Glück. Ich habe Talent, eins kam zum anderen, dann hatte ich einen Deal und konnte Musik machen. Bei mir hat aber der Punkt gefehlt, an dem ich richtig hart gearbeitet habe, um diese Ziele dann auch zu erreichen. Also steht „true und gut sein“ hier plakativ für den Traum, den ich eigentlich erreichen will.
Du bist also der Meinung, dass du schon weiter sein könntest, als du gerade bist. Macht dich das unzufrieden?
Man könnte immer weiter sein. Ich bin nur ehrlich zu mir selbst und äußere, dass ich erfolgreicher, tiefgründiger und fleißiger hätte sein können. Das macht mich aber nicht unzufrieden.
Das Problem, dass du gerade geschildert hast, haben glaube ich viele Künstler*innen. Wenn man als Künstler*in zufrieden ist, ist man ja quasi fertig. Und man kann nicht fertig werden, da wahre Kunst ein Lebensprojekt ist.
Voll. Ich bin auch immer ziemlich stark davon beeinflusst, was für eine Jahreszeit herrscht. Den Song hab ich in einer Herbst-Winter-Laune geschrieben und auch mein nächster Song ist eher ein bisschen düster und noch konkreter und ehrlicher. Das ist ein anderer Vibe, als diese Sommertracks, für die man mich eher kennt.
Was sind deine musikalischen Ziele?
Ich habe schon lang das gleiche Ziel. Ich möchte Shows spielen, bei denen an einem Abend 200 Leute kommen. Viele denken, dass ich auf dem Level schon bin. Am Anfang waren Basil und ich da auch aber wenn ich jetzt für nächste Woche eine Show in Magdeburg ankündigen würde, würden zehn Leute kommen. Es wäre schön, eine Relevanz zu schaffen und mir eine Fanbase zu erarbeiten, die einfach kommen. Live spielen ist das, was am meisten Spaß macht. Früher waren Basil und ich ja lange bei dem Label Warner Music. Inzwischen ist das aber nicht mehr so entscheidend. Ein Label kann mir gerade nicht helfen. Man braucht immer mal ein bisschen Geld, um ein Video zu machen und um Posts zu sponsern. Jetzt muss ich in erster Linie Mucke machen und hoffen, dass die irgendwo kleben bleiben.
Vielleicht helfen ja Features?
Ja, Features sind wichtig. Nicht so wichtig, wie in einer Instagram-Story erwähnt zu werden, aber trotzdem wichtig. Hab ich bisher wenig gemacht aber ein bisschen rumfeaturen könnte man mal machen. Ich bewege mich wenig in Rapkreisen, bin aber auf jeden Fall offen für sowas.
3. „100 Jahre“ (prod. Basil)
Worum geht es in „100 Jahre“?
Darin geht es darum, dass ich für alles immer relativ lange brauche.
Woran liegt das denn?
Gute Frage. Ich würde sagen eine gesunde Lebensunbeholfenheit gepaart mit Perfektionismus in manchen Bereichen. Dann wird es unstrukturiert und dauert lange, bis ich mit dem Endresultat zufrieden bin. Aber ich kann auch nicht mehr zu 100% hinter den Lyrics stehen, da sich in den letzten zwei Jahren bei mir echt viel getan hat. Ich bin jetzt definitiv strukturierter, als zu der Zeit, in der ich das Album geschrieben habe. Da kam ich gerade aus der Uni, bin nach Berlin und habe hier einfach nur Musik gemacht. Jetzt arbeite ich jeden Tag neun Stunden als freier Redakteur und kann gar nicht mehr so verplant sein, wie ich es eigentlich gerne wäre. Ich mag es, sich nicht um alles einen Kopf zu machen und nicht alles bis ins letzte Detail zu planen, aber das kann ich mir aktuell nicht mehr leisten. Eigentlich schade.