Interview mit Telson: „Movez“, Inspiration & Rassismus

Nach seinem Mixtape „Primø on Point“ legt Telson nun nach mit seinem Debütalbum „Movez“. In diesem Interview gibt er uns einen kleinen Einblick in seine Welt.

Man kennt ihn. Aus den Straßen Kölns, von diversen Rap am Mittwoch Shows und möglicherweise auch vom Out4Fame-Festival. Der junge Angolaner gibt mit seinem Debütalbum „Movez“ einen Einblick in seinen Alltag und seine Gedankenwelt.
Produziert wurde das Brett von einer handvoll talentierter Leute wie Mäckzpainproduction, Sweezbeats, Yundoondabeat, Reso, Shiro und Nisabeatz.

Wir haben Telson zu einer gemütlichen Runde eingeladen, um uns ein paar Fragen diesbezüglich zu beantworten. Was daraus wurde, ist ein sehr aufschlussreiches und teilweise auch lustiges Interview.

„Köln repräsentieren“

Wenn jemand keine Ahnung hat, wer du bist und nichts von Telson kennt –
was sollte man über dich wissen?

Also, als erstes sollte man auf jeden Fall recherchieren. Man sollte nachgucken:
wer ist Telson? Hat der Name ’ne Bedeutung? Wenn man mich nicht kennt, sollte man nicht urteilen. Sondern erstmal die Musik auf sich wirken lassen und dann sein Feedback dazu geben. Alles andere kommt ja danach, Persönlichkeit etc. Man müsste auf jeden Fall wissen, dass ich sehr gut rappen kann. Man müsste wissen, dass ich auf jeden Fall Köln repräsentiere, weil es grade in Köln keine große Nummer gibt, die jetzt so durch die Decke gegangen ist. Man kennt halt Eko, man kennt G-Style, man kennt Hakan Abi, aber jetzt keinen so von unserer Generation. Ich versuch das auf jeden Fall ein bisschen zu pushen.

Ja, das hab ich auch gemerkt beim Hören des Albums. Das ist ziemlich trappig geworden. Dennoch besinnst du dich am Ende auf die Neunziger zurück. Ich hab das Gefühl da steckt eine Geschichte dahinter.

Auf jeden Fall. Also alles was ich in „90’s“ gerappt habe, ist auch real. Ich steh auch dazu, Schläge bekommen zu haben, wenn ich spät nach Hause gekommen bin. Ich bin Afrikaner – wenn du zu spät nach Hause kommst, dann gibt es keinen Hausarrest – dann gibt es Deckel auf Arsch. Und dann gehst du mit heißen Ohren einschlafen, ne? Ja, so ist das bei uns. Und dann dachte ich mir: Warum machste nicht so einen Song, wo du einfach deine Generation ansprichst, die auch fühlt, was du rappst. Also auch vor allem die Jungs mit dem sozial benachteiligten Hintergrund, ne? Die nicht viel hatten. Die wissen direkt, wovon ich rede.

Der Sound für die, die von unten kommen

Ja, auf jeden Fall. Ich hab’s auch direkt gefühlt, ich wusste ganz genau was du meinst. Aber ich kann mir auch vorstellen, dass diejenigen, die nicht aus ähnlichen sozialen Umständen kommen wie wir, das alles nicht nur ein wenig anders auffassen, sondern auch teilweise gar nicht verstehen und nachvollziehen können.

Stimmt.

Du sprichst, neben der Betonung deines Umfeldes auch immer wieder deine sozialen Umstände an, die eine sehr bittere und harte Lebensrealität repräsentieren. Was denkst du hätte in deinem Leben passieren müssen,
damit du sowas nicht rappen musst?

Ich hätte auf jeden Fall nicht die Sachen sehen dürfen, die ich gesehen habe. Und ich hab viel gesehen, deshalb habe ich viel zu erzählen. Mein Album ist eine Geschichte, die auf wahren Begebenheiten basiert und alles, was ich sage auf meinem Album, ist auch so passiert. Da ist nichts erfunden. Ich bin kein Gangster. Ich bin kein krasser Typ. Ich bin ein Junge von der Straße und ich sag mal so: Ich bin der Reporter der Straße. Ich sehe etwas und ich berichte darüber. Es können meine Jungs sein, es können die Älteren von uns sein, es können die Älteren der Älteren von uns sein. Es können sogar wir sein. Also immer Storys, die in unserem Umfeld hier in Köln passieren. Man hört auch ganz schnell, dass mein Album nicht was für jedermann ist. Mein Album ist für die, die von unten kommen. Ich glorifiziere nichts. Ich sage nicht, es sei gut Drogen zu nehmen, Gewalt zu verherrlichen und Frauen zu verachten – nein. Aber das was ich sage in meinen Tracks gibt dem einen oder anderen Inspiration, über sein Leben nachzudenken und was daraus zu machen – nicht den falschen Weg zu gehen.

Das ist auch eine sehr gute Überleitung zur nächsten Frage: Auf dem Song „Baller“ sprichst du von Rassismuserfahrungen. Gibt es eine Geschichte, die dir besonders im Kopf geblieben ist, die repräsentativ für diese Erfahrungen steht?

Da gibt es viele Geschichten. Es gibt zum Beispiel die Geschichte, wo der Telson seinen ersten Schultag hatte, mit Schultüte kam und da waren Drittklässler. Die waren schon älter und die sehen, da kommt der N****, nennen mich Scheiß-Diesdas. Stehen rum, beleidigen mich und schauen mich an. Ich hab diesen Jungs die Zähne raus gehauen.
Am ersten Tag, wo ich eingeschult wurde, wurde ich auch suspendiert für eine Woche. Mit sieben Jahren. Ich meine, ich komm nach Hause und meine Mutter war im Schock und fragte sich, wie sie das erklären soll, und ich so: Mama, wenn alle so sind und du mich so zur Schule schickst, dann passiert das jeden Tag. Ich habe keinen großen Bruder oder so – ich stand immer für mich selber grade so und musste mich beweisen. Weil wenn du da deinen Mund hältst und nichts machst, dann wirst du ganz schnell gefressen. Wenn du dich beweist, bist du dann der Herr des Dschungels. Du musst dich entscheiden: Bin ich jetzt ein Löwe oder bin ich eine Hyäne? Will ich fressen oder will ich gefressen werden? Das ist das.

Stop Racism

Engagierst du dich auch außerhalb deiner Kunst gegen Rassismus?

Auf jeden Fall. Abgesehen davon, dass wir selber noch sehr viel Familie in Afrika haben
und Geld rüberschicken, Klamotten rüberschicken und und und. Wir gehen hier auch auf Demos. Zum Beispiel war hier vor ein paar Monaten eine Demonstration gegen
Libyen. In Libyen werden ja Afrikaner ausgenommen und ihre Organe verkauft, die Leute werden da versklavt – heute noch – und ich lass sowas nicht auf mir sitzen. Wir sind dann mit unseren Leuten raus gegangen. Manche denken sich ja, was bringt es dir, wenn du auf die Straße gehst. Aber wenn zehn Leute so denken, dann hast du schon mal zehn Leute verloren, die für dich stramm stehen. Wenn einer den Schritt nicht macht, macht ihn niemand. Meine Mutter ist auch im angolanischen Kulturverein, die machen auch ganz viele Aktionen, wo benachteiligten Kindern geholfen wird, wo Sachen verschenkt werden, wo zu Spenden aufgerufen wird. Wir garantieren, dass das Geld auch da ankommt, wo es hin soll.

Wie geht es mit dir weiter? Was hast du vor in Zukunft? Hast du irgendwas im Kopf oder lässt du dich erstmal treiben?

Bruder, mein Album heißt nicht umsonst „Movez“, ne? Es müssen Mmoves gemacht werden. Wir können nicht stehen bleiben. Immer nach vorne. Für mich: Ich bin nicht der Typ, der stehen bleiben kann. Ich hab jetzt ein Album raus gebracht, ich chill jetzt meine Lage – gibt’s nicht. Direkt weiter schreiben Studio diesdas, gucken, was du machen kannst, um nach vorne zu kommen, weil Bruder, ich sag dir ganz ehrlich: Ich hab viel Scheiße gefressen in diesem Musikbusiness. Viele Leute haben mir Steine in den Weg gelegt. Viele große Leute kennen mich, aber tun so, als würden die mich nicht kennen. Erwähnen mich nicht – Leute, denen ich geholfen habe, weißt du. Aber diese Leute werden sehen: Ich werde es schaffen. Ich glaube an mich. Meine Jungs glauben an mich. Ganz wichtig: Ich habe meinen Glauben an Gott und ich weiß, wenn er mir nicht dieses Talent gegeben hätte, hätte er mich nicht so weit gebracht. Das heißt, ich muss aber meinen Arsch hochkriegen und weiter nach vorne gehen, weil wenn ich stehen bleibe, dann läuft gar nichts. Dann ist fertig. „Movez“ ist erst der Anfang. Ich bin gekommen, um mir mein Hak zu nehmen. Was mir zusteht – schon lange – seit zwei, drei Jahren, aber erst jetzt langsam werden die Leute aufmerksam. Das freut mich sehr, das weiß ich zu schätzen – danke auch, dass ich hier sein darf an dieser Stelle nochmal.

Danke das gekommen bist.

Gerne. Ja, wie geht es weiter? Es wird viele Shows geben. Die Leute, die noch nicht gesehen haben, was bei mir abgeht live, sollen auf mein Instagram-Profil gehen. Mein Album kommt am 26. Oktober. Am 12. Oktober kommt eine Single mit Olexesh online, dazu kommt am 14. Oktober ein Video. Am 19. Oktober kommt „Kein Zurück“ online. Dafür haben wir auch ein Video gemacht, was dann am 21.Oktober veröffentlicht wird.
Zum Albumrelease am 26. Oktober haben wir auch ein schönes „Halt die Fresse“-Video gedreht, was am selben Tag erscheinen wird.

Einer für alle, alle für einen

Gibt es am Ende noch irgendwelche Shoutouts, die du verteilen oder Leute, die du beleidigen möchtest?

Also ich will gar keinen beleidigen. Ich will jedem danken. Jedem, der an mich geglaubt hat, jeder der mit mir gegangen ist. Dadurch haben sie mir ihr Gesicht gezeigt. Ich danke Gott, dass er mich von den bösen Menschen getrennt hat. Bei uns gibt es ein Sprichwort:
Gott trennt dich vom Bösen – ob du willst oder nicht. Er entfernt diese Leute einfach, ne?
Ich grüße meine Jungs aus der Hood, Köln Ostheim, Gernsheimer Straße. Grüß die Jungs
vom BOO, die Brüder aus der Homelounge. Die Brüder aus der Sonderbar, die Brüder aus… komplett Köln einfach!

Sonst noch was?

Ja, was ganz wichtig ist: Als Kölner muss ich sagen, dass es endlich aufhören soll. Dieses Nicht-Gönnen untereinander. Das ist bei uns ganz ekelhaft. Ganz, ganz ekelhaft. Wenn ich so Berlin sehe – hier gibt es AK. Hier gibt es Kontra K. Hier gibt es Gringo. Hier gibt es Brudi030, hier gibt’s Luciano, Ufo361 und und und. Die halten alle zusammen. Die chillen gemeinsam, diesdas. Bei uns ist das halt nicht so. Köln ist ja in zwei Hälften geteilt. Es gibt die linke und die rechte Rheinseite. Und die Leute schieben sich Filme darauf. Die denken, die Leben in der Bronx und machen auf Crips und Bloods.

Was meinst du woran das liegen könnte?

Bruder, es liegt einfach daran, das vor wat weiß ich wie vielen Jahren irgendein
Otto gesagt hat, wir sind die krassesten und ihr seid nicht so krass, unser Block ist
krasser als der. So schnell ist diese Spaltung entstanden. Ich bin aber dafür, das alle
zusammenhalten. Egal, ob man aus Fünf Null kommt oder Fünf Eins. Egal, aus welcher Ecke man kommt, aus welchem Stadtteil man kommt – wir müssen Deutschrap zeigen, dass Köln da ist. Wir sind da. Wir kommen und wir nehmen alles mit, egal, wer sich uns in den Weg stellt, der wird weggeräumt.

Die letzte Singleauskopplung aus „Movez“ gibt es hier zu sehen: