Fynn Kliemann im Interview: Labelgründung, Live-Konzerte, richtiger Zeitpunkt des Ausstiegs

In buntem Vintage-Hemd und mit Donald Duck-Socken sitzt Fynn Kliemann bei 35 Grad vor einem Späti in Kreuzberg. Dort hat er direkt neue Bekanntschaften geschlossen, die er als „Seine Gang“ vorstellt.
Der 28-Jährige gewann durch seine YouTube Videos als „Heimwerkerking“, bei denen er immer mal wieder kleinen Rap-Einlagen präsentiert und sich weh tut, rege Bekanntheit. Inzwischen hat er sich seinen eigenen Bauernhof gekauft und das „Kliemannsland“ gegründet – dort ist jeder Willkommen, kreative und lustige Projekte mit Hilfe der Gemeinschaft umzusetzen oder sich das Spektakel einfach nur als Besucher anzuschauen. Er hat außerdem ein Buch geschrieben, in Filmen mitgespielt, sein eigenes Label gegründet und ein Album produziert.

Dabei macht er alles anders, als es seine Vorgänger getan haben. Er lehnte einen Plattenvertrag ab und vermarktet sein Album stattdessen mit der Hilfe zweier Freunde, selbst. Wie bei einer Art Crowdfunding-Aktion kann die Platte namens „nie“ bis zum 28. September 2018 auf www.nie-bestellen.de geordert werden. Am Ende der Bestellfrist werden ausschließlich die Vorbestellungen produziert, sodass es das Album danach nicht mehr in physischer Form zu kaufen geben wird – schon etwa 40.000 Menschen haben das Album vorbestellt. Fynn Kliemann: der Allrounder im Interview.

Der Name seines Albums „nie“ zu 2/3 in Gang-Signs. Fynn Kliemann und Interviewerin Krissi Kowsky.

Eigentlich kennt man dich ja eher als Spaßvogel. Auf dem Album zeigst du dich sehr gefühlvoll und emotional. Wie kam es zu diesem Wandel? 

Erstmal schön, dass du das so siehst. Jeder hat ja viele verschiedene Seiten. Immer, wenn ich mich an’s Klavier setze, kommt sowas dabei raus. Das beabsichtige ich aber nicht, das passiert einfach so. Ich bau‘ jeden Abend irgendwelche Beats und da ist dann mal sowas und mal sowas dabei. Wenn ich das, was ich aufschreibe, so richtig ernst meine, ist es meistens ein bisschen zu schön für meinen Geschmack. Ich würd auch lieber Beats wie die von Gibmafuffi basteln und dann hart drauf rappen, aber das kann ich nicht.

Hast du das schonmal probiert? 

Ja, natürlich. Es gab kleine Freestyle-Cyphers bei mir im Wohnzimmer mit mir und meinen zwei Freunden, aber das ist halt alles super schlecht (lacht). Ich bin ja auch kein Rapper, ich find das einfach nur cool und höre das sehr gerne, aber habe mit dem Kosmus ansonsten musikalisch nicht viel am Hut.

Welche Genre sind denn in deine Platte eingeflossen? 

Das ist echt bunt. Zwischenzeitlich war das mal komplett elektronisch, dann hab ich alles weggeschmissen und von Hand neu gemacht. Jetzt ist es eher Alternative, Indie, Pop und Elektro. Manchmal hört man nur die Gitarre oder das Piano, dann gibt es Songs, die haben nur Triolen-Snares drin und solche, wo ein bisschen hiphopige Beats auftauchen.

Was davon war Beats bauen am Computer und was echte Instrumente einspielen? 

Je nachdem, was gerade geil klang. Für die Trompete haben wir jemanden vom NDR-Orchester geholt. Philipp Schwär, mit dem ich die Platte produziert habe, hat seine Buddys überall und meinte: „Der Typ geht gerade krass ab“. Ich hab dann gesagt: „Hier sind fünf Lücken, tob‘ dich aus“ und „Kieztränen“ ist das Endergebnis davon. Das Klavier habe ich komplett selber gespielt. Beats hab ich auch gemacht, davon sind aber auch viele rausgeflogen, die Philipp dann nochmal neu gemacht hat.

Wie bringst du dir den ganzen Kram bei? 

Weiß ich auch nicht, einfach ausprobieren.

Wie oft klappt das und wie oft nicht? 

Am Ende klappt das immer. Aber das klappt bei jedem, der lange dran bleibt, immer. Das ist auch kein Geheimtipp, denn man kann ja nichts schon immer. Es gibt bestimmt ganz viele sehr talentierte Leute, denen fliegt das richtig krass zu. Bei mir ist das so 50/50. Ich lerne Sachen voll schnell, aber habe leider ein ziemlich krasses Sieb-Hirn und vergesse alles wieder ziemlich schnell. Dann muss ich es nochmal lernen und nochmal und nochmal. Und bei Instrumenten ist das ja nur düddeln, bis es cool klingt.

Du hast für das Album ein eigenes Label gegründet. Wie geht das? 

Niki und ich haben ein Label gegründet. Dafür gründet du eine Firma und dann bist du fertig.

Zack, fertig?

Naja, dann musst du natürlich noch viel bürokratischen Mist machen wie Kooperationsgeschichten, den Vertrieb, Auswertung, GEMA-Anmeldung – das ist schon viel Zettelkram. Das war Nikis Part, der hat das schon oft gemacht. Ich mach alles, was kreativ sein muss und habe zum Beispiel die Website programmiert.

Kannst du dein Album in einem Satz zusammenfassen?  

Ich glaube es ist sehr ehrlich und fasst viele wahre Gefühle in verschiedenen Tönen zusammen.

Hast du Rapper oder andere Musiker, die du als eine Art Vorbild siehst? 

Als Vorbild für die Mucke nicht direkt, weil das alles ganz anders ist, als meine Musik, es gibt aber natürlich viele, die ich cool finde. Soundästhetisch finde ich es immer gut, wenn Sachen warme Klänge haben, wie zum Beispiel die Dramadigs oder Gibmafuffi. Alle Sichtexot-Leute mag ich, Tufu und Co., Döll – die haben einfach krasse Beats!
Das neue Album von Lord Folter finde ich unglaublich. So wäre ich gerne musikalisch!