Zwischen Dorf und Metropole: Ein Interview mit SAM

Labeldeal bei Chimperator, Vorband von Cro, Platz 27 in den Charts mit ihrem Debütalbum „Two True Brothers“ – der Karrierestart von SAM konnte sich sehen lassen. Doch nach dem anfänglichen Aufwind wurde es ruhig um die beiden Brüder; ihr neues Album ließ gut drei Jahre auf sich warten. Seit Anfang März ist „Kleinstadtkids“ nun endlich erhältlich. Es vertont nostalgische Heimatgefühle, das Erwachsenwerden in Liebesbeziehungen und die Reize der Großstadt.

Ich habe das Album gehört und die Songreihenfolge als eine zusammenhängende Geschichte interpretiert. Im Interview mit SAM habe ich die beiden Brüder kapitelweise durch diese Geschichte geführt und dazu mit ihnen über ihr Leben als „Kleinstadtkids“ in Großstädten gesprochen.

Kapitel I – Die Kleinstadt

Das erste Kapitel erzählt vom Leben im Dorf und spielt in der Vergangenheit. Es geht um heimatliche Freiheitsgefühle („Intro“„Frei“), die Exklusivität des ersten Mals einer jeden Sache („Das Erste Mal“), und einen alten Freund, der den richtigen Zeitpunkt versäumt hat, sich zu lösen und wegzuziehen („Der Letzte von Uns“).

Ist es eurer Meinung nach wichtig, den Absprung aus der Kleinstadt zu schaffen?

Samson: Nee, das ist ja nicht so gemeint, dass die Leute unbedingt aus der Kleinstadt raus sollen. Für uns persönlich war’s einfach wichtig, um andere Sachen zu sehen. Aber wir haben auch immer noch Homies, die in der Kleinstadt geblieben sind und denen es damit mega gut geht. Und die könnten sich auch nicht vorstellen in die Großstadt zu ziehen.

Welche Form von Freiheitsgefühlen bietet die Kleinstadt, welche die Großstadt?

Samson: Für uns sind in der Kleinstadt einfach die alten Homies und Familie. Wenn wir da sind machen wir immer noch die gleiche Scheiße, die wir damals gemacht haben. Es ist so ein Gefühl, einfach machen zu können. Großstadt ist natürlich auch cool, hier haben wir auch Homies und so. Aber im Endeffekt ist es halt nicht das, wo wir aufgewachsen sind. Das ist der Punkt.

Kapitel II – Liebe

Das nächste Kapitel steht für die Phase des Erwachsenwerdens und thematisiert drei verschiedene Liebesbeziehungen: Die alles erfüllende Liebe zur Partnerin („Alles“), die Unfähigkeit mit einer Trennung abzuschließen („Irgendwann“), und schließlich die erdrückende, einengende Beziehung, die mehr Schein als Sein ist („Einraumwohnung“).
Ihr wohnt mittlerweile in Berlin und München. Gibt es einen Unterschied zwischen den Liebesbeziehungen in der Kleinstadt und denen in der Großstadt?

Samson: Ich sag ganz ehrlich: In der Großstadt findet man keine Frau, mit der man zusammenleben will. Also niemanden, bei der ich mir denken würde: Die ist ja ’ne Süße, Liebe, mit der will ich mein Leben verbringen. Wobei, wahrscheinlich gibt’s die auch, aber ist mir hier noch nicht begegnet. Großstadt schön und gut, da kann man mal leben, aber in der Kleinstadt verliebt man sich.

Chelo: Ich finde das kann man so nicht sagen. Das kommt glaube ich drauf an wo man aufwächst. Aber vielleicht geht man damit in der Großstadt anders um, als in der Kleinstadt. Ich glaube Liebe in der Kleinstadt ist spezieller und auch ehrlicher als in der Großstadt.

Kapitel III – Besinnung & Umbruch

Das dritte Kapitel enthält einen inhaltlichen Umbruch und springt in die Gegenwart. Dort steht ein „Echter Kerl“, erwachsen und glücklich – alles ist gut. Vermeintlich. Denn mit „Wach auf“ erklingt das Appell an sich selbst, sich von dem zu lösen, was vom rechten Weg abführt.

Kapitel IV – Die Großstadt

Was genau das ist, erfahren wir hier. Kapitel IV spielt in der Großstadt und erzählt von ihren Reizen – Teure Autos („Cadillac“), heißer Sex („Slow Motion“) – und endet mit einem Korb, den sich das Lyrische Ich bei seinem Schwarm abholt, dem es aus Unsicherheit nur betrunken gegenübertreten kann („Vor dir“).

Was ist es, das die Großstadt mit einem macht, sodass man seinen roten Faden verliert?

Samson: Also ich merke jetzt hier, ich hab alles vorm Haus. Egal ob Drogen, was zum Trinken oder einfach nur Essen: Es gibt alles. Direkt. Man hat einfach keinen Aufwand sich irgendetwas zu besorgen. Und in der Kleinstadt ist das überhaupt nicht so, da muss man richtig planen, wenn man nur was essen gehen will. Dazu kommt in der Großstadt diese riesige Auswahl an Optionen. Und das zusammen lenkt einen dann auch einfach ab und man verliert seinen Roten Faden. Man könnte auch sagen: Die Sünden des Lebens sind in der Großstadt einfach viel mehr am Start als in der Kleinstadt.
Was ist für euch momentan das richtige und gute Leben?

Samson: Ich weiß nicht, ob ich gerade in Berlin das richtige Leben führe. Es ist jedenfalls das Leben, das zu meiner Situation passt. Ich glaube nicht, dass ich hier alt werde, aber für jetzt tut es einfach gut, auch mal ein bisschen zu sündigen und nicht den geraden Weg zu gehen.

Chelo: Für mich ist die Großstadt das, was ich aktuell brauche und wo ich mich wohl fühle. Ich kann hier alles umsetzen, worauf ich momentan Bock habe. Ob ich hier alt werde, weiß ich nicht. Aber ehrlich gesagt, könnte ich mir das in München sogar vorstellen, hier gibt’s ja auch mehr Kleinstadt als beispielsweise in Berlin.

Kapitel V – Fazit

Mit „Komm zurück“ findet die Geschichte ihren Abschluss und das Lyrische Ich seine Einsicht: Es muss zurück in die Kleinstadt; „Kleinstadtkid“ eben.

Was bedeutet es nun für euch, ein „Kleinstadtkid“ zu sein?

Samson: Ich merk’ das zum Beispiel in Berlin wenn ich zu irgendeiner Party gehe. Ich hab halt voll viele Homies hier, die auch aus Kleinstädten kommen und uns ist vieles einfach nicht so wichtig, was den Großstädtern hier viel bedeutet. Wir reden dann manchmal auch einfach schwäbisch und geben halt keinen Fick. Wir sind stolz darauf, aus dem Dorf zu sein und das ist uns ganz wichtig. Egal aus welcher Kleinstadt man kommt, das bringt ein einzigartiges Lebensgefühl mit sich.

Chelo: Ich denke das ist auf jeden Fall ein Vorteil, wenn man beides erlebt hat. Da sind einfach Unterschiede; zum Beispiel wenn du in der Großstadt aufgewachsen bist, dann kennst du das gar nicht anders. Du kennst gar keine Natur, weil die einfach nicht vorhanden ist. Aus der Kleinstadt zu kommen ist also definitiv ein Vorteil. Wobei mittlerweile vielleicht auch nicht mehr, denn die neuen Kids erleben die Kleinstadt ja gar nicht mehr so wie wir. Die kennen nur noch Laptop und Handy. Wir sind halt früher wirklich raus auf die Wiese gegangen, wir mussten einfach mit unseren Homies abhängen.

Letzte Worte?

Samson: Wir organisieren gerade noch die letzten Tourtermine und dann können wir bald endlich die neuen Tourdates announcen. Das dauert nicht mehr lange. Ansonsten arbeiten wir jetzt schon an neuen Sachen und das wird bis zum nächsten Release auch nicht wieder drei Jahre dauern. Und ganz wichtig: Kauft unser Album!

Kleinstadtkids
  • Audio-CD – Hörbuch
  • Chimperator (Groove Attack) (Herausgeber)