Sentence

rap.de: Bleibst du in Warschau oder willst du wieder nach Berlin ziehen?

Sentence: Keine Ahnung, Alter, das hängt alles von der Zukunft ab.

rap.de: Okay. Aber wie hat sich dein Leben in Warschau geändert?

Sentence: Es ist einfach ruhiger für mich. Ich habe meine Ruhe.

rap.de: Ruhe vor wem?

Sentence: Vor mir selbst. In dem Umfeld, in dem ich hier in Berlin bin, ist einfach zu viel los, ich sollte eigentlich gar nicht mehr aus dem Studio rausgehen. Berlin ist eine zu große Stadt. Zu viele Einflüsse, zu viele Eindrücke, zu viel Lärm, zu viele Menschen. Und ich bin zu selten bei mir selber und kann mir keinen klaren Kopf machen. Berlin ist zu heftig. Ich falle halt in meine alten Schemata zurück, Sauferei, behinderte Hangover-Aktionen, irgendwann am Morgen irgendwelche Currywürste essen – mit 28 kann man dann doch mal ein bisschen auf so etwas verzichten. Berlin ist wie alle großen Städte, manche Leute verlieren sich halt in diesem ganzen Trubel.

rap.de: Wieso passiert dir das in Warschau nicht?

Sentence: Weil Warschau einfach eine Schlafstadt ist. Das ist so ein soziales Ding, die Leute müssen ackern, um ihre Kohle zu machen. Die gehen am Wochenende zwar feiern und ich dann auch, aber allgemein habe ich meine Lebensruhe. Ich gehe mit meinem Hund spazieren, ich hab da einen ganz normalen Ablauf. Es ist halt viel weniger los als hier. Es gibt viel weniger Attraktionen. Das, was es gibt, ist sehr hochwertig und cool, aber es ist einfach ruhiger. Du siehst auch nicht so viele Verrückte wie hier, nicht so viele Kaputte. Die Leute kämpfen, die bleiben stark, es gibt kein soziales Netz, das sie auffängt. Es gibt keine Sozialhilfe. Wenn ich den Leuten dort erzähle, hier kriegen die Leute 1.500 Zloty dafür, dass sie sich die Kante geben können, die Wohnung wird ihnen auch noch bezahlt – meine Frau verdient vielleicht das Doppelte, das sind etwa 800 Euro und die ackert sich wirklich die Hände wund. Dadurch, dass das so ein allgemeines gesellschaftliches Klima ist, bin ich da auch motivierter, mein Ding zu machen und immer in Bewegung zu bleiben. Ich hab meinen Kopf besser beisammen als hier. Hier kommt immer die Wollust raus. In Deutschland ist alles so luxuriös und man will auch daran teilhaben. In Polen ist mir das scheißegal. Wenn ich nicht in Berlin wäre, hätte ich gar nicht irgendwelche Jordans oder irgendeinen Scheiß gekauft, weil mir das da überhaupt nicht wichtig ist. Ich habe halt Angst, wieder Teil des Systems zu werden. Ich habe da einfach meine Ruhe, es ist einfach mal zwanzig Jahre hinterher. Viele negative Sachen unserer westlichen Welt sind auch schon da, viele sind aber eben noch nicht da und das ist beruhigend.

rap.de: Fehlt dir Berlin nicht trotzdem manchmal?

Sentence: Berlin ist super. Berlin ist wunderschön, potthässlich, alles auf einmal. Berlin ist crazy, Berlin ist eben immer so, wie man es sich aussucht. Aber mein Berlin im Prenzlauer Berg ist einfach zu crazy. Kneipe nach Kneipe nach Kneipe nach Kneipe, Alter, ich komme aus der Kneipe nicht mehr raus.

rap.de: Wie schreibst du deine Texte? Musst du dich dafür auch in Ruhe fokussieren?

Sentence: Nee, ich schreibe ganz spontan. Ich schreibe verdammt wenig, verdammt selten. Ich sammel die ganze Zeit und wenn ich dann mal schreibe, geht es richtig schnell.

rap.de: Schreibst du die Texte auf oder machst du das im Kopf?

Sentence: Bei Features sage ich dir ganz ehrlich bin ich teilweise rein in die Booth, zwei Zeilen, Drop, zwei Zeilen, Drop, zwei Zeilen, Drop. Aber wenn ich Texte schreibe, dann immer mit dem Stift. Das Ding ist einfach auch, ich habe extreme Probleme mir meine Texte zu merken. Wahrscheinlich liegt das daran, dass ich sie meistens One-Take-mäßig aufnehme. Bei "Stiller Westen" war das anders, da habe ich die Tracks mehrmals recordet und die Texte mehrmals geändert. Das ist wirklich das ausgefeilteste, was ich bisher gemacht habe. Normalerweise schreibe ich es einmal auf, rappe es einmal ein und tschüss. Ich hatte bei Auftritten manchmal das Problem, dass ich nicht mehr wusste, was kommt nach dieser Line? Auf einmal fehlt mir die Eselbrücke zum Anfang zur neunten Zeile. Also musste ich halt freestylen.

rap.de: Hat das jemand bemerkt oder konntest du das souverän überspielen?

Sentence: Die richtig coolen Leute haben es natürlich gemerkt, die kannten ja die Texte. Aber was soll ich machen? Stell dir mal, diese ganzen Rocksänger müssten einen HipHop-Text auswendig können, diese langen Texte. Das ist doch krass. Ich beneide Jay-Z oder Leute wie Savas, die alles im Kopf haben, aber ich kann das halt voll nicht. Manchmal freue ich mich selber über Lines, die ich vergessen habe, "Ach ja, das war geil" (grinst).