Sentence

rap.de: Verstehst du dich mit Leuten aus anderen Szenen demnach besser?

Sentence: Nein, ich rede eher von Brüdern im Geiste. Ich schaue mir ein Interview mit Lennon an und verstehe jedes Wort, das er sagt. Ich verstehe, warum er so denkt. Der Typ hat auch die Nächte durchgezecht, seine Frau mit hunderten von anderen betrogen. Ein komplett wahnsinniger Exzentriker war das. Erst durch diese Yoko hat er sich beruhigt.

rap.de: Die hat ihn an die Leine genommen.

Sentence: Ist aber auch gut, sie war einfach sein Seelenmensch. Das ist krass deep. Und HipHop ist für mich so krass oberflächlich, die Leute sind extrem gewalttätig, emotional gewalttätig. Ich finde diese Szene fürchterlich, Alter. Das ist eine totale soziale und emotionale Kälte, sehr viel Gekünsteltes. Deswegen finde ich den Trend, dass man Leute pusht, die nicht so 08/15-Standard sind, sehr cool. Ich finde es cool, wenn Olson und Casper ihr Ding machen. Ich denke, da ist für mich auch noch eine Lücke, denn ich bin halt trotzdem mehr Street als die.  Ich habe halt viel gesehen. Ich möchte mir nicht anmaßen, über deren Leben zu urteilen, aber in Berlin sieht man halt verdammt viel. Ich denke also, da ist Platz für einen Streetrapper mit Herz, der halt einfach geniale Ideen hat.

rap.de: Ist das der neue Sentence?

Sentence: Ja. Isso. Und darauf soll man auch stolz sein. Ich habe gesagt, ich bin ein Genie und das hat keiner bezweifelt. Das hat mich erst mal gewundert, weil ich dachte, die Aussage an sich ist einfach schon dermaßen überheblich. Ich denke aber auch, es steht mir zu, das von mir selber zu behaupten. Und das wissen die Leute auch. Wer daran zweifelt, kann sich gerne mal eine Stunde mit mir hinsetzen. Folg bitte meinen Gedanken und genieß die Zeit, so einen Typen wirst du selten treffen. Bleib korrekt, denn du redest mit dem verfickten deutschen Lil Wayne, was die Kreativität angeht. Das ist so, Alter und das hat nichts mit Arroganz zu tun. Ich fange jetzt einfach an, zu mir selber zu stehen. Dann soll ich halt ein arroganter Spinner sein. Ich versuche aber nicht mehr, mich auf der menschlichen Ebene über die Leute zu stellen. Ich positioniere nur mich selbst. Ich möchte andere Künstler nicht runtermachen und kritisieren. Das ist einfach nicht mehr mein Ding, das habe ich auch in letzter Zeit versucht, so darzustellen und rüber zu bringen.

rap.de: Hast du in Vergangenheit demnach versucht, dich zurückzunehmen?

Sentence: Ja, habe ich, aber das kannst du nicht unterdrücken, das kommt immer wieder durch. Man kann sich doch nicht die ganze Zeit selber hassen, man muss sich doch mal akzeptieren. Wer wirklich auf dich klarkommt oder nicht, kannst du doch erst wissen, wenn du es mit hundert Prozent deiner ganzen Emotion und deines ganzen Herzens einfach in die Welt hinausschreist. Die Leute, die dann kommen, wenn du wirklich von ganzem Herzen sagst, was du fühlst, sind doch die Leute, die auch bleiben. Ich möchte mit den Leuten, die mich nicht mögen, nichts mehr zu tun haben. Die sollen ihr Ding machen, aber ich bin doch nicht abhängig von deren Sympathie.

rap.de: Wie sind denn deine Connections in Berlin eigentlich heutzutage?

Sentence: Ich bin seit Vorgestern hier und versuche, mir ein neues Netz aufzubauen, mit ein paar coolen Leuten, die geile Musik machen und einfach auch korrekte Typen sind. Mal schauen, vielleicht kommt da ja was zustanden.

rap.de: Namen möchtest du noch keine nennen?

Sentence: Nee, Alter. Das ist noch viel zu früh und wäre uncool denen gegenüber. Aber wir sind an ein paar Sachen dran. Ich gehe jetzt nur noch zu den Besten, zu den Genies, zu den Meistern ihres Fachs. Da gehöre ich nämlich hin. Keine halben Sachen mehr.

rap.de: Was ist mit "Stiller Westen"? Das ist doch schon ein bisschen eine halbe Sache, oder?

Sentence: Nee. Von meiner Seite einhundert Prozent. Es ist einfach mit der letzten Kraft gemacht worden, die da war. Es ist in einer sehr schwierigen Phase entstanden, wo die Energie nicht so krass da war wie jetzt. Aber die Energie, die ich jetzt habe, ist erst durch "Stiller Westen" kumuliert worden. Von daher kann man es keine halbe Sachen nennen. Es ist einfach anders, eine andere Platte. Man darf sie nicht an diesen Industrie-Standards messen und sie mit diesem HipHop-Sarkasmus betrachten. Man sollte ihr eine Chance geben und sich selber ein Bild machen. Es ist auf jeden Fall eine echte Platte. In Frankreich gab es oft solche Platten, und die sind oft Gold gegangen. Frankreich ist eben auch extrem weiter entwickelt. Quelle des Humanismus, verstehst du, Alter? Das ist eine ganz andere Kultur, ein ganz anderes Niveau. Sogar die französischen Rapper – auch wenn die Deutschen nur 'nique ta mère' verstehen, steht zwischen den Zeilen von z. B. Booba absolut abgespacetes Zeug. Pascal von Paraschizzo hat mir ein paar Sachen übersetzt, das ist psycho. Der rappt dermaßen abstrakt, "Ich reiß das Schwert aus dem Stein", "Der Silberrücken-Gorilla" – so kurze Flashs, ein ganz anderes Niveau. Deswegen wird Frankreich da immer die Nase vorn haben, allein durch die Sprache. Das Deutsche ist eben sehr präzise, sehr technisch. Es wird viel kopiert, aber eigene Impulse gibt es wenig. Umso mehr freue ich mich über Leute wie Tua und so, die machen wirklich unfassbar geile Sachen. Dass die es so machen, gibt mir Kraft, selber auch einfach ehrlich zu sein und zu sagen, ich will einfach nur Kunst machen, einfach nur geile Musik.

rap.de: Wobei es ja auch wieder vermeintlich typisch deutsch ist, dass gleich darüber diskutiert wird, inwiefern Tua, Casper & Co überhaupt HipHop sind.

Sentence: Es liegt nicht an mir, das zu bewerten, aber trotz alledem denke ich, die kommen alle vom HipHop, und solange es sich reimt und die Texte 16 bis 20 Zeilen haben, ist es HipHop.