Schivv: Ich bin ein Rap-Kopp, isso. Rapmusik ist meine Musik, und ich mag gerne, wenn entweder der Rapper so charismatisch und gut ist, dass mich das auf der Ebene berührt oder dass es eben ein Gefühl vermittelt, Soul oder was auch immer, das mich anspricht. Ich muss zum Beispiel jedes Jay-Z-Album haben, egal, wie es ist, das ist einfach der King. Ich habe aber auch in den letzten Jahren immer wieder neue Rapper entdeckt, die mich geflasht haben, Skyzoo zum Beispiel. Dann die ganzen Little-Brother-Exkurse in alle Richtungen habe ich extrem gefeiert, ich fand das erste Foreign Exchange-Album echt spielverändernd, das aktuelle Phonte-Album feier ich krass, weil ich mich da total drin wiederfinden kann. Der macht das, was wir gerade gemacht haben: Über echtes Leben sprechen, über echte Probleme, sich nicht in diesem Rapsog suhlen. Wir verfolgen das jedenfalls schon. Es gibt immer wieder Highlights, ich habe das erste Drake-Album auch gefeiert, a) weil Crada da einen song drauf hatte und b) weil ich es einfach interessant fand, einen Typen, der so selbstironisch dieses ganze Halligalli-Partylife aufgreift. Es lebt, aber trotzdem ironisiert. Es pendelt also immer zwischen den Major-Releases, die nachhaltig Relevanz haben, aber auch irgendwelchen kleinen Perlen. Das hält sich so die Waage.
Kallis: Ich bin da etwas anders unterwegs. Ich habe einen ganzen Song darüber auf dem Album, "Soundtrack". Ich hör alles. Es gibt keine Musik, die ich nicht höre. Ich bin der Meinung, es gibt keine schlechte Musik, nur die falsche Stimmung. Auf meinem iPod gibt es von Sadé bis Slayer halt alles. Manchmal lasse ich den einfach auf Shuffle laufen und freu mich. Ich kontrolliere das gar nicht, das ist wie mein eigenes Radioprogramm. Da kommt manchmal ein kölsches Karnevalslied, darüber freue ich mich genauso, wie wenn Ill Bill kommt oder ein altes Fat Boys-Ding oder was neues von Jigga und Kanye. Ich bin fast schon verkrampft unverkrampft.
Schivv: Und unser DJ hat einen krassen Golden-Age-Touch. Aber bei DJs habe ich immer das Gefühl, die hören gar keine Musik, die arbeiten die mehr.
rap.de: Ja, die überlegen immer, ob sie den Song irgendwo einbauen können oder nicht.
Schivv: Genau. So war der immer schon, der ist da tief drinnen. Aber auf eine DJ Art und Weise. Und Peer ist ein Typ, den hat an Musik eh immer mehr das Instrumentale interessiert. Und das tuts auch immer noch.
rap.de: Überlegt ihr euch eigentlich, wo ihr heute in der Rapszene steht oder denkt ihr über so etwas gar nicht mehr nach?
Kallis: Klar hat sich das verändert. Vor zehn Jahren war das für uns natürlich viel relevanter. Es ist für uns natürlich immer noch wichtig, es ist nicht so, dass uns das Competitionding scheißegal wäre. Aber sehen wir uns überhaupt noch in der Szene?
Schivv: Gibt doch gar keine Szene mehr. Ich finde, es hat sich so untergliedert in die verschiedenen Ansätze und unterschiedlichen Musikformen innerhalb des Rapdings, dass man von einer einheitlichen Szene nicht mehr sprechen kann. Klar, es gibt jetzt wieder die Leute, die damals schon am Start waren und jetzt wieder anfangen, nach diesem Straßenrap-Zyklus, in dem auch viele ausgestzt haben. Für uns war auch ein krasses Schlüsselerlebnis, als vor ein paar Monaten Galla gestorben ist und Aphroe, Wiz und Pahel zusammen mit Chris Krass die Memorial Jam organisiert haben. Da waren alle da, ganz Rap-Westdeutschland. RAG, Creutzfeld & Jakob, die Firma-Jungs, wir, ABS, Cora, Olli… Es war so ein unglaublich verbindender Vibe, dass ich das Gefühl hatte, man hat das damals eingefroren, zehn Jahre nach vorne transportiert und da wieder aufgetaut. Und es geht einfach so weiter.
Kallis: Ich erinnere mich an die Szene im Backstageraum, der wirklich mini war und es war wahnsinnig heiß. Da saßen Too Strong, Stiebers, Firma, alle, die wir gerade aufgezählt haben. Und Doze meinte: Oldschool-Deutschland in der Sauna. (Gelächter)
Schivv: Klar, wir wollen gerne anerkannt werden von den Leuten, die für uns künstlerische Relevanz haben. Es geht um Anerkennung, das ist die Währung, mit der da bezahlt wird und die wollen wir haben. Aber wir sind nicht mehr so hinterher wie damals, wir sind angekommen und fühlen uns ziemlich wohl mit dem, was wir machen. Wir sind uns auch relativ sicher, dass es richtig ist so, wie wir es machen und brauchen weniger Bestätigung von außen.
rap.de: Dieser Geist, den ihr im Zusammenhang mit der Memorial Jam geschildert hat, ist überhaupt wiedermehr anzutreffen. Es sitzen mir in letzter Zeit wieder viel öfter Leute gegenüber, die sagen, dass sie es einfach für sich und der Sache wegen machen. Aus Liebe zur Musik, nicht wegen des Geldes.
Schivv: Ich sage dir, das ist dieses Zyklusding, irgendwie kann man das nicht von der Hand weisen. Lass es nicht sieben Jahre sein, sondern plus minus zwei: Dass alles irgendwie sich verändert, aussetzt, wiederkommt. Das soll gar nicht buddhistisch klingen, das sind einfach Zyklen. Dass ein Torch sich vierzehn Tage selbst feiern kann als wäre er der Heiland persönlich – das ist irgendwie der neue Zeitgeist anscheinend. Und ich finde es unerklärlich, aber irgendwie auch logisch.