DCS – Silber statt Gold

rap.de: Beim vorletzten Album habt ihr acht Monate Zeit gehabt, meintest du.

Schivv: Ja, bei "Ungesund und teuer" haben wir alles, was es an Produktionsbudget gab, verballert. Wir hatten einen Majordeal, also: let's go. Dieses Mal war es einfach: Effizienz.

rap.de: Ist das die beste Methode?

Kallis: Das muss jeder für sich finden. Für uns war es jetzt so gut.

Schivv: Ein jedes hat seine Zeit. Damals waren das für uns total prägende Monate. Ich habe mich in meinem Leben nie wieder so intensiv aufs Musikschaffen eingelassen wie in diesen acht Monaten. Jeden Tag im Studio, du saugst jede Minute nichts anderes auf außer der Tatsache, dass du gerade Musik machst. Teilweise verkrampft man auch ein bisschen, weil man sich zu viel um sich selber dreht und in seinem eigenen Saft schmort. Jetzt war es so: Wir leben unser Leben, das ist voll mit Dingen, voll mit Bildern, voll mit Situationen und wir sind in der Lage, das total komprimiert in ganz kurzer Zeit in Songs zu pressen, denn mehr Zeit haben wir nicht. Es sind Momentaufnahmen. Gleichzeitig sind wir auch älter und vielleicht eher in der Lage, Zeitabschnitte und Themen auf den Punkt zu bringen als damals. Deswegen: jede Zeit hat ihre Arbeitsweisen.

rap.de: Ihr kommt heute einfach schneller dahin, wo ihr hinwollt?

Schivv: Vielleicht, ja. Wobei ich mich sehr gequält habe mit dem Texteschreiben. Da habe ich wirklich sehr gelitten. Kreativität ist ja nicht zu erzwingen. Darüber haben wir auch einen Song gemacht, der "Bis ich dich finde" heißt: Was ist eigentlich, wenn Inspiration, dieses übernotwendige Wesen, das man braucht, um Musik schaffen zu können, nicht da ist, wenn man sie braucht? Ich arbeite viel und wenn ich nach Hause komme und mit meinen Söhnen spiele oder 'ne Runde mit meiner Frau abhänge und mich dann hinsetze und mir sage, so, jetzt schreibe ich mal einen Raptext – das geht halt nicht. Es sind eben doch mehr solche Momente, wo einen das Musikmachen aus dem normalen Leben herausreißt. Letzte Woche habe ich diese Tribe Called Quest-Doku von Michael Rapaport das erste Mal gesehen. Ich lag in meinem Bett, links mein Sohn, rechts meine Frau, alles gemütlich, alle schlafen, ich dachte mir, ich kucke mir jetzt noch gemütlich diese Doku an, zum Einschlafen. Es hat mich dann aber so elektrisiert, als es vorbei war, bin ich dreimal wieder aufgestanden und musste was aufschreiben. Die Momente, in denen einen etwas inspiriert, sind nicht vorhersehbar und steuerbar. Die kann man auch nicht in normale Tagesabläufe einbetten.
 

Kallis: Ich bin ja Werbetexter, bei mir ist es Teil des Jobs. Ich sitze jeden Tag vor einem weißen Blatt und mir muss irgendwas einfallen. Dadurch ist es mir vielleicht ein bisschen leichter gefallen, überhaupt mal anzufangen. Einfach erstmal drauflos schreiben und nachher Sachen wegstreichen. So hat jeder seine Herangehensweise gefunden.

rap.de: Beim Werbetexten muss man aber vermutlich ganz anders an die Sache herangehen.

Kallis: Klar, aber es ist beides kreatives Schreiben. Beide Male sitzt du vor diesem weißen Blatt und weißt, es muss was kommen. Du verlässt sich aber auch auf dich selbst, dass du das kannst. Da ist ja auch eine Angst, dass einem nichts einfällt. Und das kann ich mir nicht leisten. Ich kann nicht abends zu meinem Kunden gehen und sagen, nee sorry, hab heute leider keinen Claim für dich. Da muss dann halt was kommen. Das kann man sich zum Teil antrainieren.

Schivv: Ich habe immer im Studio geschrieben, mit den Jungs. Ich habe gewusst, wo es hinsoll, aber zuende formuliert habe ich viel im Studio. Weil du da diese Freiräume hast, da bist du von nichts als Musik umgeben, man atmet das dann ein und dann kommt es vielleicht auch eher wieder raus. Darf man hier eigentlich rauchen? Nee? Okay, ich bin schon süchtig, aber nicht so süchtig (lacht).

rap.de: Was waren denn eigentlich damals die Gründe, euch zu trennen?

Kallis: Das war einfach das wahre Leben, das Einzug gehalten hat in unsere persönlichen Lebensläufe. Jeder musste kucken, wie er das machen will, wie er seine Miete bezahlen will, was sein Beruf ist. Peer und Schivv haben sich schon früh für diesen Jura-Weg entschieden. So sind die ja auch immer zusammen geblieben. Bei mir hat es eine ganze Zeit gedauert, bis ich dieses Werbeding dann für mich entdeckt habe. Das hieß aber eben auch aus Köln wegzugehen. Zuerst bin ich nach Hamburg gegangen, habe dort überall Praktika gemacht, war auch in Amsterdam und dann irgendwann nach Berlin gekommen. Da ist es normal, dass man im wahrsten Sinn des Wortes getrennte Wege geht. Was nicht heißt, dass wir uns verloren hätten. Wir sind ja sowieso in erster Linie Freunde. Wir haben uns immer upgedatet über das, was der andere macht. Es gibt auch jedes Jahr das DCS-Weihnachtsessen.

rap.de: In Köln?

Kallis: In Köln natürlich. Sowas bleibt nicht auf der Strecke.

Schivv: Und was Musik angeht, war für uns irgendwann klar, dass es nicht möglich ist, langfristig perspektivisch als Rapmusiker zu leben, wenn man nicht zu viele Kompromisse eingehen will. Für uns war immer klar, was wir machen, ist die Essenz von Rapmusik, es geht um Beats und um Raps. Es geht darum, wie man was sagt und was man sagt. Viel mehr Anbiederung an das, was möglicherweise Massengeschmack ist, wollten wir auch gar nicht anbieten. Das hätten wir mit uns nicht vereinbaren können, das hätte uns keinen Spaß gemacht. Musik hat etwas mit Leidenschaft zu tun, es soll nichts sein, was man nur so ausrichtet, dass es funktioniert.