Eko Fresh – Ekrem

Endlich! Man möchte es ja schon fast laut hinaus schreien: Endlich macht Eko Fresh mal wieder ein vernünftiges Album. Keine Tupac-Ekiavelli-Grütze, keine Selbstüberschätzung mit Pop-Tracks und der verrückten Hoffnung, verkleidet als Graf Zahl, im Pop-Mainstream landen zu können. Vor allem aber keine Selbstzerfleischung am ewigen Übervater Kool Savas in Form von Abrechnung Teil 8, Antwort auf das Urteil Teil 24 und nochmal und nochmal und nochmal. Tatsächlich wird der King of Rap nur ganz beiläufig im fünfzehnten von 20 Tracks erwähnt und das tut gut, so gut, man glaubt es gar nicht.
 
Denn wie lange hat man mit Eko mitgefiebert, vor allem wenn man ihn ja eigentlich ganz gerne mag und auch sein Reimtalent immer bewundert hat und wie oft musste man sich schmerzverzerrt abwenden, wenn er wieder einmal daneben gelangt hat und sich eine Peinlichkeit nach der nächsten leistete. Fremdschämen hatte einen Namen. Den Namen Eko Fresh.   
 
Endlich nun aber, endlich hat Eko, nach all den Irrungen und Wirrungen der Vergangenheit ein ganz normales Rap-Album aufgenommen und zeigt, was er tatsächlich am Besten kann: Reimen!
Ich sabbel einen Doubel Rhyme und rippe einen Tripple reim, Einer-Reim – leider nein!“ heißt es dann auch gleich im „Intro„, dass man immer und immer wieder hören kann, weil man das ganze Album immer und immer wieder hören kann. Dazwischen liegen eine Stunde und fünfzehn Minuten erstklassige Unterhaltung wobei man vielleicht auf zehn bis fünfzehn Minuten oder anders ausgedrückt auf drei Songs hätte verzichten können, aber das ist reine Geschmackssache.

Über die raptechnisch formal bewertbaren Kriterien gibt es wenig zu streiten. Vor allem sticht ins Auge, dass Eko mit einer Leichtigkeit über die unterschiedlichsten Themen, mit der unterschiedlichsten Komplexitäts-Stufen rappen kann, ohne dass es auch nur im Entferntesten angestrengt klingt. Das können wirklich nur sehr wenige im deutschen Rap-Game und das beginnt mit den Konzeptsongs und endet bei programmatischen Storytellern.

Zu den ersteren gehört zum Beispiel „Ich bin…“, in dem Eko überzeugend darlegen kann, dass er  alle deutschen MCs ist in sich vereint und irgendwie auch alle deutschen MCs ist. Das klingt zwar nach unfassbarer Hausaufgabe und Fleißarbeit, schließlich werden von Rotz, Shivv und Tatwaffe über SD und Spontan bis hin zu Sam Deluxe wirklich so ziemlich alle MCs erwähnt, die in Deutschland jemals zu einem Mikrofon gegriffen haben, aber das alles wird so unaufgeregt und nebenher präsentiert, dass man wirklich zweimal hinhören muss, um den genauen Dreh des Songs mitzubekommen. Das funktioniert dann ähnlich wie bei „Straßendeutsch/Türkenslang„, in dem der Gremberger alles, was man so auf der Straße an Türkendeutsch-Slangausdrücken mitbekommt, auflistet und wörterbuchmäßig erklärt.

Ekrem vs Eko Fresh“ ist eine geniale Abrechnung mit sich selbst, in der es Eko tatsächlich schafft, sich alle Fehler der Vergangenheit vorzuwerfen, so dass man wirklich glauben könnte, dass sich hier zwei unterschiedliche Personen gegenüber stehen. Angewandte Schizophrenie? Eko rappt sogar in zwei verschiedenen Persönlichkeiten, wobei einmal normal und einmal eben als ekelhafter, arroganter Eko-König-Von-Deutschland-Fresh. Was dann aber wirklich überrascht, ist, mit welcher Klarheit Ekrem seine gegenüber liegende Pop-Rapper-Rolle analysiert und auseinander nimmt. Anscheinend weiß Eko doch relativ gut über sich und seine Fehltritte Bescheid, wobei man sich dann schon fragen fragen muss, warum er dann trotzdem in jedes Fettnäpfchen der Welt tritt. Nach diesem Song: Unerklärlich.

Aber Eko kann noch mehr als analytische Nabelschau und unterhaltsame Konzepte. Mit „Du wolltest mich verraten“, in dem eine filmreife Gangsterstory erzählt wird, „Grembranx„, in dem die Bilder einer Straße eingefangen sind oder „Burak„, in dem die Geschichte eines todkranken kleinen Jungen erzählt wird, gelingen Eko Storyteller der Extraklasse. Kleine Kurzfilme mit hoher Suggestionskraft oder einfacher ausgedrückt: Hier sitzen Sie in der ersten Reihe. 

Köln Kalk Ehrenmord“ gehört natürlich ebenfalls in diese Auflistung, wobei dieser Track eine wirkliche Sonderstellung verdient. Ehrenmord ist auf jeden Fall ein heißes Thema in der migrantischen Community und viele nur allzuviele halten sich raus bei diesem Thema und wollen nichts dazu sagen. „Das ist Sache der Familien!“, heißt es dann oft. – Nein, ist es nicht! Das ist Sache der Gesellschaft und deshalb freut es mich aufrichtig, dass Eko hier in der letzten Zeile eindeutig Position bezieht: „Er lädt ein letztes mal und richtet sich selbst – wem hat’s jetzt was gebracht? Alter fickt euch doch selbst!

Natürlich wird auch viel representet auf diesem Album und gute Featuregäste sind auch dabei. Mc Eiht und Haftbefehl auf einem sehr kurzweiligen „Still Menace“, aber auch Separate überzeugt auf „Deutschlands 1 (2012)„, in dem nur ganz oberflächlich und zum Glück gar nicht weinerlich an der alten Vergangenheit gerührt wird.

Die härteste und schmerzhaft-witzigste Abrechnung mit sich selbst übernimmt Eko dann mit „B-Promistatus“ wiederum selbst. Zeilen wie gleich zu Beginn: „B-Promi, wenn du jede Scheiße machst für umme/ Ich beiß mir auf die Zunge, denn dann heißt es bald wohl Dschungel“ oder etwas später „was soll ich tun? Das Türkenschwein hier braucht Geld – war noch nie einer, der die Wirklichkeit nicht aushält“ mit anschließendem Hinter-die-Kulissen-Blick, tun tatsächlich weh, sind aber trotzdem lustig.  Womit könnte man Eko jetzt eigentlich noch dissen? Mit diesem Song gelingt es Eko, seinen Gegnern tatsächlich so ziemlich alle Argumente aus der Hand zu nehmen, ohne sich selbst vollkommen zu degradieren. Auch das ist eine Kunst.

Kommen wir nun aber zu den Ausfällen. „Ich bleib mir treu“ feat. G-style ist zum Beispiel so einer, wobei man wohlwollend sagen könnte: „… nun ja. So etwas muss man halt mögen.“
Jenseits von Eden“ mit Nino De Angelo?????!!!! Das ist auf jeden Fall einer und so ein Song, bei dem mein Vater immer bestätigend mit dem Kopf genickt hat: „Mensch, der Nino, der hat recht. Der sagt, wie es ist.“, wobei im Text eine Plattitüde an die nächste gereiht wird. „Wenn selbst ein Kind nicht mehr lacht, wie ein Kind…“ jaja schon klar.

ABER, wie mein Kollege Seki aus der rap.de Redaktion so schön gesagt hat: Wenn man so einen Song schon unbedingt machen musste, dann hätte man es wahrscheinlich wirklich nicht besser machen können, als auf Ekrem. Insofern hat Eko auch hier alles herausgeholt. Man hätte es aber auf der anderen Seite auch einfach sein lassen können.  

Ein wirkliches Ärgernis wiederum ist der fast schon obligatorische Gegen-Kinderschänder-Track „Unsere Kinder“. Ja klar, in anderen Ländern hätte man die schon lange auf die Todesliste gesetzt und überhaupt, wobei geflissentlich übersehen wird, dass in genau diesen Ländern, wo es diese Art von Todeslisten gibt, 40-Jährige Männer elfjährige Mädchen heiraten DÜRFEN!!!! Und heiraten heißt dort auch tatsächlich heiraten mit allem drum und dran.

Abgesehen ist dieses Thema sowieso so etwas von verlogen, wenn es nicht nur Szene-intern bekannt ist, dass so mancher deutsche Rapper eine Vorliebe für sehr junge Mädchen hat und dass es insgesamt in den westlichen Gesellschaften so ist, dass die Gesichter von Elfjährigen am attraktivsten empfunden werden, weil die gesamte Werbewirtschaft mit genau diesen Gesichtszügen arbeitet.
Wenn dann diese unglaublich pathetischen Kinderchöre oder wie hier auf Ekrem, diese unglaublich getragenen Frauenstimmen Worte singt wie: „Sie haben uns nichts getan – Warum ist ihre Unschuld in Gefahr/ sie haben es uns hundert mal gesagt – denn es sind ja unsere Kinder“, dann könnte ich als Vater wirklich kotzen und zwar im Strahl, so verlogen klingt das.

Bitte, bitte liebe Rapper hört auf, Euch auf diese beschissene schnulzige Art für oder gegen das Thema Kindesmissbrauch zu engagieren.
Es gibt ein Grundrecht von Kindern auf eine gewaltfreie Erziehung und die körperliche Züchtigung von Schutzbefohlenen steht unter Strafe. Also geht hin und zeigt Eltern an, wenn Ihr auf der Straße seht, wie jemand sein Kind schlägt. Geht zum Jugendamt wenn ihr bemerkt, dass in Eurer Nachbarschaft ein Kind gequält oder missbraucht wird! Macht das bitte auch auf den bloßen Verdacht hin, denn entgegen der landläufigen Meinung mischen sich die Jugendämter auch durchaus ein, aber bitte, bitte verschont uns mit dieser populistischen Forderung nach der Todesstrafe für Kinderschänder. Das ist unerträglich.

Ansonsten super CD. Weiter so.