MC Basstard – Zwiespalt – Weiß

Es gibt Rapper, die sich ihre eigene, ganz spezielle Nische geschaffen haben, und sich für den Rest ihrer Karriere (oder auch Nicht-Karriere) nie wieder aus dieser Ecke heraus trauen. Der Berliner Bassboxxx-Veteran MC Basstard hat sich schon seit seinem Erstlingswerk Rap Dämon“ von 2000 ein besonders spezielles Untergenre gesucht: Horror-Rap, dessen einzig kompetenter Vertreter er auch in der bisherigen Deutschrap-Landschaft gewesen ist. Gewesen, weil sich der Gruselkünstler mit dem Abschluss seiner 2008 begonnenen „Zwiespalt„-Trilogie in richtung neuer Ufer wagt – dabei aber genau so sicher und souverän klingt, als würde er diesen Film schon seit Jahren fahren.

Statt Horror gibt’s Gefühl, und der Grusel ist wenn dann nur im doppelten Boden von Songs wie „Lächle“ oder „Jeannie“ versteckt. Und oblgeich er auf „Weiß“ eine Weiterentwicklung aufzeigt, wie sich selten im deutschen HipHop findet, bleibt er seinem Stil im Grunde aber treu: Schon bei der „Introduktion“ können wir uns über den typischen abgehackten Flow, das bekannte Spiel mit seiner Stimme freuen; und spätestens beim ersten BC-Name-Dropping dürfen Realkeeper erleichtert aufatmen. Die gute alte Posse von der Gosse“, die Bass Crew bestehend aus dem Ex-Dämon und seinen Kollegen MC Bogy und Frauenarzt, gibt sich auf dem Song „BC Soldat“ die Ehre .

Die größtenteils von Djoerkaeff und Beatzarre produzierten Instrumentals decken von synthetischen Untergrundsounds bis hin zu deepen Pianomelodien eine große Bandbreite ab, und sind Welten entfernt von den dürren 808-Brettchen vergangener Alben. Dazu kommt, dass das Album unglaublich refrainstark ist. Schon beim Eröffnungstrack Basstard City“, spätestens aber bei Keine Angst“, wünscht man sich, diese Abgeher auch mal live bestaunen zu dürfen.

Die herausragende Stärke dieses grandiosen Albums ist aber Basstards unvergleichliches Talent mit seiner Stimme umzugehen. Verschachtelte Wechsel von kurzen Doubletime-Sequenzen zu SingSang-Passagen, vom Vorlesen nahtlos in den druckvollen Rap switchen, mal kräftig keifen und dann wieder verschwörerisch flüstern: Basstard deckt in jedem einzelnen Song eine große Bandbreite ab. Am beeindruckensten schafft er das in dem Song „Ewigkeit“: Passend zum Text scheint die Stimme an einigen Stellen zu zerbrechen, um  sich wenige Takte später wieder wütend über den Beat zu erheben und anschließend in sanften Gesangsflows zu verlaufen. Erwähnt werden sollte auch der sehr interessante Part vom K.I.Z.ler Tarek, der sich perfekt an das sphhärische Instrumental anschmiegt. Bei dieser bis ins Detail perfektionierten Stimmkunst pfeif ich auch darauf, dass Basstard nicht der große Reimer ist. Missgriffe wie Mitleid“ auf Rindfleisch“ verzeihe ich ihm da gerne.

Wieviel bei Basstard allein über die Stimme transportiert wird, beweist wohl am bestern der Falco-Cover-Song „Jeannie„: Die schrägen Doppels, das bewusst eingesetzte Hecheln in der Stimme des von Basstard gemimten mutmaßlichen Mädchenmörders heben den Song sogar weit über das Niveau das 80er Originals mit dem einschläfernden Ösi-Slang.

Es ist eigentlich unglaublich schade, dass ein großer Teil der Deutschrap-Hörer Basstard nur mit eigentlich schon längst vergangenen Splatter/Spinnersongs wie  „Bullenmörder“ oder Vorhang auf“ assoziiert.  Denn textlich spielt der „kleine Mann“ in der ganz großen Liga. Und darüber hinaus: Im Gegensatz zu manch bekannterem Act, der sich den deepen Rap auf die Fahne schreibt, ruht sich Basstard nicht einzig auf seinen Inhalten aus, sondern verpasst diesen durch seine einzigartige, wenn auch immer noch gewöhnungsbedürftige, Vortragsweise eine ganz eigene Note. Das wird auch in dem Kollabosong mit Prinz Pi deutlich:  „Was war der Grund„, eine Stück über verstorbene Sprüherkollegen, deren Namen „das Leben in bunter Schrift auf graue Wände“ schrieb, gehört nicht nur wegen der beiden Rapparts zu einem Highlights der Platte, sondern auch wegen der von Sady K gesungenen, eindringlichen Hook.

Bei dem Stück „Lächle“ funktioniert das sogar noch ein weiteres Mal: Sadys nur fast kitschige Hook, ein bewusst sehr offen gehaltener Text über Herzschmerz und zur Krönung eine rockige E-Gitarrenbridge – wer hätte jemals gedacht, dass der „Kleine, Böse, extrem Gefährliche“ irgendwann richtige Pop-Hits produziert? Pop-Hit im besten Sinne, versteht sich. Vordergründig scheint der Song bloß von zwei entfremdeten Liebenden zu handeln, die bewusst gesetzten Andeutungen und Leerstellen deuten jedoch einen doppelten Boden des Textes an: „Ich bin bei dir doch du merkst es nicht, bitte läche noch einmal für mich.

Der auf älteren Produktionen üblichen Unsitte der sinnfreien Featureüberfrachtung  hat Basstard glücklicherweise fast abgeschworen. Das dachte ich zumindest, bis mir auf „Niemand kennt unsere Namen“ – was ein programmatischer Titel für Massenfeaturetracks älterer Tage gewesen wäre  – eine leider doch sehr bekannte Stimme vermitteln will, dass Tony D für „Totalschaden steht„. Ja, wie wahr. Aber als guter Mensch, der Basstard nun geworden zu seien scheint, will er seinen Kollegen Tony nicht bloss stellen, und schafft es somit, nur wenige Anspielstationen später einen der wenigen noch minder begabten Rapper zu featuren, nämlich den ehemals DJ und mittlerweile Atzen Manny Marc. Den hat er netterweise am Ende des Songs Nach Vorn“ positioniert. So können wir ohne Probleme dem einleitenden Basstard-Part lauschen, der die oft berappte Nothing-to-lose-Attitüde sprachlich treffend auf den Punkt bringt: Das einzige was ich zu verlieren habe ist Blut (…) Asche die ausgebrannt ist brennt nicht“. Dass Frauenarzt gerade auf so einem Song die „Atzen aus der Mittelschicht“ grüßt, ist mir zwar ein Rätsel, aber was sollls’ – ich kann ja skippen. Bis zum abschließenden Song „Weiß“ beispielsweise.

Sowas kitschiges, und das ausgerechnet von mir„, kommentiert der Meister selbst den tatsächlich etwas schmalzigen Refrain in der Bridge. Aber Basstard ist eben ein MC der Extreme. Und auch wenn es einige Songs auf dem Album gibt („Stehe mein‘ Mann„, „Wer ist schuld„, „Jetzt und gleich„), die etwas blass gegenüber den großen Hits („Was war der Grund„, „Nenlichtgeschichten„, Lächle„, „Ewigkeit„) klingen, kann man auch sein neues Album guten Gewissens als extrem bezeichnen. Und zwar extrem gut. Fast schon ein moderner Klassiker.