Bushido – Jenseits von Gut und Böse

Jemanden zu kritisieren, sei es nun wohlwollend oder vernichtend, der über alle Maßen erfolgreich ist, kann eigentlich nur schiefgehen. Entweder tappt man in die Hater-Falle, setzt sich also durch negative Kritik dem Verdacht aus, dem Erfolgsverwöhnten seine Lorbeeren nicht zu gönnen. Oder es läuft genau umgekehrt: Durch allzu große Freude am Loben gerät man in den Ruch, ein Schleimscheißer zu sein. Beides ist tunlichst zu vermeiden, insofern stellt ein neues Bushido-Album immer eine Herausforderung dar, denn bekanntlich ist Herr Ferchichi was monetären Erfolg und Präsenz in den Massenmedien angeht, tatsächlich jenseits von Gut und Böse.

Womit wir auch schon beim Titel seines neuen Albums wären, ein Album, bei dem Bushido mal etwas neues ausprobieren wollte, was in einer Szene, die vor Wagnissen jeglicher Art meist ängstlich zurückschreckt, schon mal erfrischend ist. Er hat den Sprung über den großen Teich gewagt. Aber nicht, wie manch anderer deutsche Rapper, der sich für teueres Geld angestaubte Ikonen der Neunziger holt, sondern so richtig. Volles Programm. Mit Beats von den Heatmakerz, AraabMuzik, DJ Premier und Swizz Beatz. Und einem Feature von Booba aus Frankreich. Sowas kann sich ja auch nicht jeder leisten, weder finanziell noch überhaupt und sowieso. Nach seinem letzten Album, das ja eher gelangweilt und etwas abgegessen daherkam, scheint Bushido also wieder mehr Feuer und vor allem Hunger gespürt zu haben, gemessen daran, wieviel Geld und Aufwand er in die Produktionskosten gesteckt hat.

Die Frage ist natürlich, ob das reicht. Ob also große Namen und eine Reise nach New York, die Bushido im Interview als sehr inspirierend bezeichnet hat, reichen, um ein gutes, vielleicht sogar ein großes Album abzuliefern, mit dem er eventuell sogar an einen Klassiker wie „Vom Bordstein Bis Zur Skyline“ anknüpfen kann, denn natürlich wird er sich an dieser Messlatte jedes Mal aufs Neue messen lassen müssen.

Das Album beginnt mit einem gut zweiminütigen, rein instrumentalen Intro, das mit Hollywood-Soundtrack-Ästhetik Spannung erzeugen soll auf das, was da noch kommt. Dann eröffnet „Wie ein Löwe“ das Album so richtig stilecht, mit Heatmakerz-Beat und ungewohntem Stotter-Stil „Es war jetzt ein Jahr mucksmäuschenstill/ deutscher Rap lebt wieder und ich habe jetzt Lust ihn zu killen/ Das ist jenseits von Gut und B-b-b-b-böse„. Dazu erklärt Bushido der Hörerschaft nochmal, wie egal ihm alle anderen sind, wie er unbeirrt seinen Weg geradeaus geht und was sonst so dazugehört. In etwa dieselbe Kerbe schlägt auch „Verreckt„, in dem Bushido seine Verachtung für die Snobs und Koksnasen des sogenannten Showbusiness auf einem angriffsfreudigen Instrumental zum Ausdruck bringt – eigentlich ganz sympathisch, aber natürlich auch eine Anbiederung an seine Fans, die größtenteils eben auch nicht jeden Tag Sushi (und wer weiß, was noch…) von japanischen Supermodels in den Mund geschoben bekommen.

Dann wird’s erstmal romantisch. „Gesucht und gefunden“ zeigt uns den hellen Teil von Bushidos Seele. Ein glaubwürdiger, durchaus berührender Liebessong, der das Rad auch nicht neu erfindet, aber geht das bei Liebessongs überhaupt? Seufz… Bevor sich aber plötzlich alle lieb haben oder schwul werden und nur noch kuscheln wollen, bollert „Das ist Business“ lapidar aus den Boxen, auf einem treibenden Beat und mit einem wie fast immer glänzend aufgelegten Kay One als Gast. Mit „Gestern war gestern“ wird es dann allerdings fast schon poppig, ein ruhiger Beat und Zeilen wie „Gestern war gestern/ und deswegen/ ist heute der erste Tag vom Rest meines Lebens“ bereitet Bushido den Hörer schon mal auf den ersten emotionalen Höhepunkt vor: „Vergiss mich“ mit Goldkehlchen J-Luv ist ja bereits hinlänglich bekannt. Das Dumme ist nur, dass der wirklich schön gesungene Chorus die nicht sehr zwingenden Strophen klar in den Schatten stellt. Anders als bei „Unsterblich„, ebenfalls mit J-Luv, das wieder einmal Bushidos Talent für zwar ziemlich allgemein gehaltene, aber gerade dadurch natürlich massentaugliche Überlegungen über Vergänglichkeit, Abschied und Schmerz beweist. Ganz großes Gefühlskino ist schließlich „Du bist ein Mensch“ mit Xavier Naidoo. Einfach wunderschön – durch den intensiven Chorus von Xavier stoßen die beiden fast schon in Grönemeyer-Sphären vor, Stichwort „Mensch„.

Mo’Fxxka“ mit Swizz an Beat, Strophe und Hook ragt schon dank fetter Drums und schön ignoranter Ansagen heraus: „Nein/ ich werde niemals Volkswagen fahren/ komm hilf mir die Goldbarren stapeln„. Der Part von Swizzy geht allerdings eher unter, aber von Amis ist man ja nichts anderes gewohnt. Die lange Wartezeit, die Booba Bushido abverlangt hat, hat sich indes nicht gelohnt. Der Franzose hat seinen Zenit eben schon lange überschnitten und irgendwie hätte man sich Bu und Boo einfach besser auf einem richtig dreckigen Straßenbeat vorstellen können anstatt auf diesem recht mauen Instrumental.
Mit besonderer Spannung wurde hierzulande ja vor allem der Premier-Beat erwartet, es gab sogar schon originelle Ideen, wie das Ergebnis der Zusammenarbeit mit dem Gang-Starr-Mastermind denn klingen könnte. „Gangster“ bringt tatsächlich den klassischen Premo-Beat – das eigentlich Erstaunliche ist, dass Bushidos Part wie maßgeschneidert darauf passt. In den Strophen zollt er dann auch noch seinen HipHop-Anfangstagen tonnenweise Tribut und das ist tatsächlich mal ein bisschen Gänsehaut. „Es kommt mir noch wie gestern vor/ die ersten Beats im Kassettendeck/ (…) Ich liebe die Streets/ so wie EPMD/ Big L, Mobb Deep und D.I.T.C.“ Man schließt beim Hören die Augen und träumt von einer allgemeinen Verbrüderung der deutschen HipHop-, äh, Szene. Alle , Gangsta, Player und Backpacker, liegen sich in den Armen und summen selig. Schön. Einfach nur schön.

Dann öffnet man sie wieder, weil der rockige Beat von „Hassliebe“ (noch mal mit Kay One) einen unsanft aus den Träumen reißt. „In der untersten Schublade sitzt mein Niveau„, prahlt Bushido und das ist eben die Art von Selbstironie, die sich souveräne Künstler leisten können. Auch Kay beweist an anderer Stelle, dass er über sich lachen kann. Bushidos Zeile „Du hast Strass an den Ohren“ bezieht er in einem Telefonat erstmal – ganz Narzisst – auf sich, bevor ihm der Freund und Kollege väterlich versichert, jeden, nur nicht ihn damit gemeint zu haben. „Du hast doch Diamanten im Ohr, Bruder.“ Hehehe. Nebenbei ist das auch die gerechte Strafe für Kays Gastpart auf „Cash Money Brothers„, den man insgesamt getrost als Totalausfall bezeichnen kann.

Das war’s dann auch schon so im Großen und Ganzen, wobei es Bushido einem auch nicht gerade leicht macht. Es gibt nämlich sage und schreibe vier Versionen von „Jenseits von Gut und Böse„: Die normale, die Premium-Version, die Media-Markt-Version (?) und die, ta ta ta taaa, 3D-Version inklusive 3D-Booklet und Brille. Ein paar Verrückte werden sich sicherlich alle vier holen. Aber relativ egal, in welcher Version man nun im einzelnen „Jenseits von Gut und Böse“ hört, Bushido spielt hier seine Stärken wieder voll aus. Das sind vor allem die finanziellen Möglichkeiten, sich Top-Produzenten zu holen, die eindringlichen Texte, wenn es persönlich wird, die im Gegensatz zu den meisten anderen deutschen Rappern extrem glaubwürdige Arroganz und die Geschmackssicherheit, die zu gleich drei Gastparts von J-Luv und einem von Xavier Naidoo geführt hat. Aber auch seine Schwächen kommen natürlich zum Tragen, als da wären inhaltliche Redundanz, keine besonders überraschenden Reime, der meist sehr biedere Flow. Letztlich geht es auf einem Bushido-Album aber weder um das eine noch um das andere. Das hier läuft schlicht unter der Kategorie Spektakel. The Show must go on. Und langweilig wird’s mit Bushido eben eher selten.