Nun haut der Harlemite also sein fünftes Studioalbum „Capo“ raus, und bemerkenswert ist: Der richtig große Club-Stomper, das „We Fly High“ oder „Pop Champagne“ für 2011, der fehlt diesmal. „Capo“ klingt persönlicher, ja verletzlicher als die Vorgängeralben. Natürlich gibt es wieder die auf bitterböse gebürsteten Representer wie den Intro-Track oder „The Paper“ mit Chink Santana am Refrain; Songs wie diese bekommt man allerdings an anderer Stelle besser geboten, bereits innerhalb des Dipset-Camps. Was Jim Jones seinen Kollegen allerdings voraus hat, ist seine Fähigkeit, alleine durch den Einsatz seiner Stimme eine wahnsinnig melancholische Grundstimmung zu erschaffen.
Programmatisch hierfür: Die erste Single “Perfect Day”, wo Jimmy auf einer relaxten Akustikgitarren-Unterlage beinahe zum Singer/Songwriter mutiert, aber trotzdem erdig genug bleibt, um noch auf der richtigen Seite der Klischeegrenze zu verharren. Der New Yorker wirkt beinahe tiefenentspannt, wenn er bittersüße Zeilen droppt wie: “And I could tell you something we both know / We can hustle but the streets get cold / And I’ve been thinking how can I get away / It got me thinking ‚bout a perfect day.”
Auch Tracks wie “Deep Blue” oder “Itza” sind in dieser Reihe zu nennen. Es sind jedoch zwei andere Songs, die besonders hervorstechen. Zum einen “Take A Bow”, wo Jim Jones eindringlich die Widersprüche seines Lifestyles aufarbeitet, während ein wahnsinnig hungriger Prodigy den geläuterten Ex-Knasti gibt und ein Lloyd Banks in Topform den Schmerz der Straße in beinahe unerreicht prägnante Worte zusammenfasst: “Friends bodied as teens, life’s a bitch already / heart’s getting hollow, books made of obituaries.” Einfach nur harter, ungeschönter, emotionaler, sprich: geiler Rap aus dem Big Apple.
Auf “God Bless The Child” wiederum liefert Ex-Fugees-Frontmann Wyclef Jean einen unerhört starken Part ab – und ich bin wirklich der letzte, der gedacht hätte, dass er so einen Satz noch jemals schreiben dürfte. “In the Port-Au-Prince slums / out in Haiti / I used to hunt for my food like wolf hunt sheep”, heißt es da unter anderem. Das muss man erst mal verdauen.
Man muss ja immer vorsichtig sein, wenn man mit solchen Ausdrücken um sich wirft, aber: Auf “Capo” ist tatsächlich zu erkennen, dass sich Jim Jones weiterentwickelt hat. Nicht in einem technischen Sinne, klar; aber der gute Jimmy scheint mittlerweile genau zu wissen, wo seine Stärken und wo seine Schwächen liegen. Ein bisschen zu viel vernachlässigbares Füllermaterial ist auch auf diesem Album zu finden, aber ansonsten ist “Capo” eine überraschend tiefgründige, mitreißende Veranstaltung geworden. Bei den Vorgänger-LPs des Dipset-Rappers war immer spürbar, dass der New Yorker in seine Alben nicht wirklich mehr Mühe reinsteckt als in seine ohnehin bestenfalls halbgaren Mixtapes – doch das ist diesmal definitiv nicht der Fall. Hier hat sich jemand hingesetzt und Gedanken gemacht.
Das Beste: Für alle Fans des durchgeknallten Jimmys (mich zum Beispiel) hat der Harlemite dann auch noch die inoffizielle, völlig irre Twitter-Hymne “Everybody Jones” am Start, und auf der Limited Edition des Albums dürfen sich dann auch noch Cam’ron und Juelz Santana auf dem Banger “Salute” ein paar über-ignorante Punchlines zuschieben. Der Jimmy ist auf diesem Track zwar auch dabei, fällt aber nicht weiter auf. Aber ist nicht schlimm. Denn der hat zuvor schon ordentlich geliefert. File under: Positive Überraschung.