Tua und Vasee erzeugen eine durchgehend melancholische Stimmung, die sich über das gesamte Album erstreckt und den Hörer fast schon Trance-artig in die einzelnen Straßen der Stadt saugt. Dabei begegnet man über der ganzen CD hinweg keinem eingefahrenen Schema, sondern kann sich immer wieder an der Dynamik und Experimentierfreudigkeit der beiden Künstler erfreuen.
“Evigila“ kann nicht explizit einer Stilrichtung zugeordnet werden, sondern bildet eine geniale Mischung aus Elementen des Rap-, Pop- und Electro-Genres. Die Kombination aus Synthesizer-Sounds und echten Instrumenten betont die musikalische Raffinesse der beiden Reutlinger, die oftmals ausgefallene Geräuschaufnahmen als Grundlage für ihre Rhythmus-Strukturen verwenden. So wird beispielsweise das Aufblasen eines Ballons in “Roter Luftballon“ als Bass-Drum eingesetzt. Ungewöhnlich für ein Rap-Album ist mit Sicherheit der Song “Der Pianist“, in dem Tua ausschließlich eine Klaviermelodie wiedergibt. Ansonsten passiert nichts. Keine Drums, keine Samples, keine Loops. Gar nichts.
Während des gesamten Albums glänzt Tua durch die Vielfältigkeit seiner sprachlichen Ausdrucksformen, indem er das Tempo immer wieder variiert und seinen Flow auf jeden Beat abstimmt. In “2in1“ singt er sogar und zeigt damit, dass es in Deutschland auch Rapper gibt, die genau wissen, in welcher Form sie ihre Stimme einsetzen können.
“Aufgeben“ und “Alles funktioniert“ erinnern in ihrem Pop-Appeal stark an Ich + Ich und haben auf jeden Fall das Potenzial demnächst ganz groß im Radio gespielt zu werden. Hoch und runter bis zum Erbrechen.
Auch wenn alle anderen Menschen vielleicht Zweifel am künstlerischen Schaffen von Tua und Vasee hegen, haben sich die beiden doch entschlossen dieses Projekt zu realisieren und schaffen mit “Aufgeben“ eine Art Hymne auf die Freundschaft: “Wenn alle andren aufhören, fangen wir erst an / Wenn alle andren zweifeln, haben wir den Mut / Wenn alle andren loslassen, halten wir zusammen / Wenn alle andren aufgeben, geht´s bei uns erst los“.
Aus kreativer Sicht ist “Der Präsident“ das wohl außergewöhnlichste Stück auf diesem Album. Darin zerstückeln die beiden eine Rede des US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama in Einzelteile und bearbeiten diese so, dass der Eindruck entsteht, Obama selbst würde auf diesem Album singen. Die Vorstellung eines fiktiven Obama-Features spiegelt den außergewöhnlichen Einfallsreichtum der Musiker wider und muss spätestens an dieser Stelle mit einem dicken Lob gewürdigt werden.
Rap-Fans, die in der Regel klassische Sample-Beats bevorzugen, werden aufgrund des genreübergreifenden Stils wahrscheinlich nicht in Euphorie ausbrechen, wenn sie das Album zum ersten Mal anhören. Wer sich jedoch von individuellen Musikeindrücken inspirieren lassen will und sich offenherzig dafür begeistern kann, wenn sich Rapper, fernab eines monothematischen Standard-Repertoires, auf neues Terrain begeben, dem sei “Evigila“ zu empfehlen.
Der Mut zur Kreativität und die musikalische Umsetzung eines detaillierten Konzeptalbums machen aus “Evigila“ einen Meilenstein innerhalb der gegenwärtigen Rap-Produktionen und lassen das Herz eines jeden Musikliebhabers höher schlagen. Kurzum: Ein grandioses Album.