Olli Banjo – Juice Exclusive EP

Also. Ich tu mir schwer mit Olli Banjo. Ja er ist ein erstklassiger MC. Ja, er ist ein hervorragender Techniker. Ja, seine Delivery und Atemtechnik sucht seinesgleichen in Deutschland und trotzdem will und will der Funke einfach nicht überspringen bei mir und ich frage mich ernsthaft woran das liegt. Bin ich krank? Bin ich kaputt? Habe ich etwas auf den Ohren?
Oder liegt es einfach nur daran, dass wir uns konsequent missverstehen, der Olli als Musiker und ich, der Musikhörer. Wir benutzen zwar dieseleben Worte, aber offensichtlich meint jeder etwas ganz, ganz anderes damit.
Da wäre zum Beispiel das Wörtchen Punk(-Attitüde), wie beim ersten Track „Weißer Hai“ oder auch bei „Ellenbogen“, wo es heißt: „Das sind 110 Kilogramm Kampfmasse/ Das ist Punk, das ist Randale, das ist Steinewerfen und niemals anpassen“. Wenn ich das Wort Punk höre, dann denke ich genau an diese Non-Konformität. Aber ich denke auch an dreckige 3 Akkord Gitarren, an do it yourself – create anrachy, an No Future, an alles Scheiße finden, an Antifaschismus und an Antinationalismus. Wenn ich dann bei Banjo nachgucke und noch nicht mal die dreckigen Gitarren wieder finde, dann verwirrt mich das.Wenn die Nicht-Anpassung aber in populistischen Zeilen wie: „Was haben wir zu tun mit 1944, abgesehen was der Opa aus dem Krieg berichtet/ wir sind nicht mit Teer bestrichen, sind nur der Physik verpflichtet [?????]/ Deutschland ist Komplex beladen aufgrund seiner Kriegsgeschichte.“, dann kriege ich das mit meiner Vorstellung von Punk einfach nicht überein. Da kann Olli im selben Stück „Deutschland Komm Mit“ noch lange von Tags auf U-Bahnsitzen und brennenden Straßen rappen oder singen, aber das passt einfach nicht zusammen bei mir. Das ist mir dann zu widersprüchlich, zu spießig und ich muss annehmen, dass Punk tatsächlich nur eine Attitüde ist.

Ähnlich geht es mir mit dem Wörtchen Battlerap, wie auch das vierte Stück auf der EP heißt. In meiner Vorstellung ist Battlerap Ohrfeigenrap, wo in jeder Zeile eine Punchline knallt und ein kleines Bildchen im Kopf explodiert. Da möchte ich Sprüche hören, dass man sich die ganze Zeit die Hand vor den Mund halten will, weil die Dinger echt weh tun.
Olli Banjo macht das anders. Er beweist auf dem Track „Battlerap“ dass er technisch brillant rappen kann. Ohne Frage. Auch der Rhythmuswechsel gegen Ende des Songs ist wirklich krass, aber all das mit Sprüchen, die mir weder Angst noch Schmerzen noch Lachanfälle bescheren.
So heißt es dort zum Beispiel: „Ob englische, türkische, deutsche, chinesische Rapper erwürg ich mit meinem natürlichen, stylischen Würgegriff – Du kommst nicht rein, du wirst schon an der Tür gedisst“ oder „du wohnst in ner krassen Gegend, aber kassierst Nackenschläge, vielleicht solltest Du mal ne Pappe nehmen und kacken gehen, dich entschlacken, lange Haare wachsen lassen, aufs Wacken gehen“. Das ist ja ganz ok. Aber Battlerap? Ehrlich. Das habe ich mir immer anders vorgestellt.

Vielleicht ist das Ganze auch unter Humor abzuspeichern und zwar einem Humor, den ich nicht verstehe. Auf der anderen Seite finde ich Olli Banjo, da wo er wirklich witzig ist, auch wirklich lustig.
Ein Track, wie das Die Ärzte Cover „Zu Spät“ trifft meine Vorstellung von Humor schon ganz gut. In diesem Track wirft Banjo der treulosen Hip Hop Gemeinde vor, dass diese sich in den letzten Jahren in Bücherschreibende und Kinofilm-Machende Multimilionärs-Rapper verliebt habe: „Du liebst mich nicht mehr, weil ich hab nur Riesenskillz/ und nicht wie er, einen eigenen Kinofilm“.
Das ist wirklich lustig und die etwas eingeschnappt klingenden Vorhaltungen wie „was ist passiert mit Deinem Musikgeschmack?“ kann man getrost überhören. Ich für meinen Teil wünsche mir mehr solcher „Scheißegal“-Experimente, dann fände ich es auch mehr Punk.

Wenn wir dann aber wiederum über Politik sprechen, dann reden der Rapper Olli Banjo und ich wieder vollkommen aneinander vorbei. Formulierungen wie „Die Sonne verschwindet matt hinter den Wolkenkratzern/Bankengebäude Kulturen werden durch Geld zerstört und/ Krankheiten erfunden. Population Weltverschwörung /alte Männer mit schwarzen Hemden und roten Augen /hinter verdunkelten Scheiben sitzen im großen Auto“ sind mir zu schwammig. Das ist mir zu diffus. Da wird viel Richtiges mit zu viel Falschem vermischt. Forderungen nach Bildungspolitik mit Verschwörungstheorien. Religiöse Erlösung, messerstechende coole G’s, Teufelsfratzen und das persönliche Schicksal eines abwesenden Vaters. Vielleicht ist mir das auch alles zu viel auf einmal. Vielleicht soll der Song genau das bewirken, was er bei mir bewirkt. Ein diffuses Gefühl der Unzufriedenheit und der Ohnmacht. Da ich beide Gefühle aber nicht mag, würde ich wegskippen bei so einem Lied, abgesehen davon, dass ich den Song nicht nur inhaltlich sondern auch musikalisch total wirr und überladen finde.

Wobei wir beim wohl grundlegendsten Missverständnis zwischen dem Musiker Olli Banjo und mit als Hörer angekommen wären. Was ist ein guter Song? Was ist ein Hit? Das ist zwar nicht unbedingt dasselbe aber die Grundzutaten sind dieselben. Interessantes Instrumental, das einen in den Song zieht. Texte mit Zeilen, bei denen es in meinem Kopf Klick, Klick, Klick macht. Lachen, weinen, schreien, heulen, jubeln, Gänsehaut, irgendwas. Rhythmuswechsel auch bekannt als Bridges und eine Hook, die im Ohr hängen bleibt und die bei Bedarf sogar noch um eine zweite Hook erweitert wird. Wenn die Bridge gut ist besteht so ein Hit dann aus idealerweise drei knalligen Refrains. Eigentlich ganz einfach und doch so schwer.
Auf Olli Banjos Juice EP habe ich genau einen Song mit einer kleben bleibenden Hook gehört und die war leider noch nicht einmal von ihm. Nur weil man ein paar Worte immer wieder wiederholt ist das noch kein knackiger Refrain. Das ist ja nicht schlimm. Das kann man machen wie man will, aber dann darf man sich nicht beschweren, wenn der große kommerzielle Erfolg ausbleibt. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass es genau darum auch  immer geht.

Das ist das Problem.