Es gab mal eine Zeit, da war der französische Rap eine Marke für sich und genau darauf auch stolz. Niemand schielte über den großen Teich, es war scheißegal, was der neue Snare-Trend aus New York war und wer heimlich äußerte, Soulja Boys Musik sei ja manchmal auch ganz okay, erntete schnurstracks den gesammelten Todesblick des 72. Bezirks und zerfiel sofort in seine Dipset-Grillz-Bestandteile.
Vielleicht war das auch zuviel und Musiker, die sich aus Prinzip von keiner anderen Stilrichtung beeinflussen lassen, sind ja oft fürchterlich anstrengend, dennoch hatte Franzrap einen gewissen Charme, einen eigenen Charakter. Mit dem Aufstieg von Booba verwässerte dies und nun scheint man all das nachholen zu wollen, was man all die Jahre zuvor nie hatte tun dürfen, inklusive Hate und Zwietracht. Denn einen angenehmen Nebeneffekt hatte die coole Anti-Haltung nämlich auch noch: Man zog an einem Strang.
Nun ja, diese Zeiten sind längst vorbei. Die Frenchmen hassen B2OBA mit all der Liebe, mit der man auch Soulja Boy hassen kann und das obwohl sie karampfhaft versuchen es ihm gleichzutun. Booba selbst hasst nicht nur den französischen Rap, nein, das Rapschwergewicht lässt kaum eine Gelegenheit aus gleich ganz Frankreich zu verfluchen, weshalb er sich seit nun fast drei Jahren in Miami niedergelassen hat. Auch eine Möglichkeit.
Welche Rolle spielt nun aber Soprano in dieser zur Zeit etwas orientierungslosen Rapwelt des Baguette-und-Weingenießer-Landes? Der, seit nunmehr 16 Jahren aktive, Rapper aus Marseille war seines Zeichens einer der ersten Künstler im Game, die sich musikalisch gern vom amerikanischen Biz inspirieren ließen, was einige großartige Hitsingles, aber auch peinliche Trashtracks zustande kommen ließ.
Dazu muss gesagt werden, dass Soprano, zu großen Teilen auch durch eben diese Amirap-Einflüße, den wohl klischeehaftesten Frenchrap überhaupt macht, in etwa vergleichbar mit Olson Rough für Deutschland, nur zusätzlich mit viel Gesang. Ich persönlich komm gut darauf klar und feiere es, zumal der Street Skillz-Gründer immer sehr viel Gefühl transportiert und sich selbstreflektiert und ehrlich zeigt. Dennoch eröffnen seine Tracks einem keine neuen Welten und so ist man ein wenig irritiert, wenn einem deutsche Freunde die Singleauskopplung "Hiro“ vorspielen, von der man weiß, dass sie niemals auch nur ansatzweise gespielt werden würde, wenn das Ding auf deutsch erschienen wäre. Einfach zu kitschig.
Dennoch ist das Album auf eben diese kitschige Art und Weise wirklich top, denn während sowohl in Deutschland als auch in Frankreich jeder Rapper bewusst auf Streicher/Pianogeklimper-Beats, schwere Drums und weibliche Gesangseinlagen verzichtet, ist es dem 31-Jährigen völlig egal, ob eventuell schon jemand vor ihm auf diese Zutaten gekommen ist. Überraschenderweise klingt das Ganze erstaunlich frisch und ungewohnt, mal wieder genau so etwas auf die Ohren zu bekommen wie "Châteaux De Sable“ mit Awa Imani.
Bei "Crazy“ ist man am Anfang vielleicht etwas unschlüssig, was dieser Beat und dieses Pseudo-Gutaufgelegte soll, spätestens bei der Hook aber reißt es einen mit und man versteht, weshalb der Text um eine perspektivlose Jugendliche, die sich in ihr Internetleben flüchtet dennoch so tanzbar gehalten wurde. "Blackberry ou iPhone, T’as un facebook ou un blog. Que je te dise que t’es bonne, T’inquiète je rajouterais lol.“
Sopranos Quotengriff ins Klo bleibt dann aber doch nicht aus, so dass man sich bei "Speed“ im Atzenpopstyle ein wenig fremd schämt und lieber mal schnell weiter skipt, denn die besonders behinderte Hook lässt einen vor Minenverzerrungen gut und gern um zwei Jahre altern.
Alles in allem ein kitschbuntes Album, durchaus besser als erwartet und trotz der oftmals eher ausgelutschten Metaphern ein ehrliches Stück Musik, das zu berühren weiß. Den richtig dreckigen Frenchrap-Style gibt es dann ja bestimmt wieder mit Boobas neuem Album im November. – Nicht.