Fler – Flersguterjunge

Flersguterjunge jetzt also. Im Zuge dieser gesamten, sich scheinbar ewig ziehende Geschichte über Labelweggang und – Schließung inklusive Überlaufen zum Klassenfeind und Seitenhieben in Richtung alter Weggefährten (und nebenbei noch Modelabel und Schauspieldebüt)  schien vor allem eines bei Fler vollkommen in Vergessenheit zu geraten: die Musik.
Vor und während dem großen Aggro-Knall produzierte er nämlich mal ganz nebenbei das bislang ausgereifteste und beste, weil emotionalste Material seiner gesamten Laufbahn. Denn, was viele scheinbar immer noch nicht wahrhaben wollen: blendet man all die Disses, Battle- und Gangsterraptexte für eine Sekunde aus, wird deutlich, wie gut dieser Rapper es eigentlich versteht, Gefühl in seinen Texten zu transportieren. Man erinnere sich nur mal an das grandiose „Leute Reden“ auf der Aggro Ansage 8.

Das in dieser Hinsicht ebenfalls gute letzte Album noch im Hinterkopf, hoffte man „Flersguterjunge“ bringt nun den nächsten Schritt: Weniger Phrasen, weniger Gangster, mehr Tiefergehendes aus dem eigenen Leben.
Doch Fler tritt mit seinem neusten Werk auf der Stelle. Zu vorhersehbar die Deutschlandsingle inklusive Krumbiegel-Feature zur WM, zu bemüht ein Großteil der Ghettotales mit Reason und Silla, zu inflationär der Gebrauch von Autotune. Auch Bushido, normalerweise als Gast deutlich stärker als auf Albumlänge kommt nicht über „Euch fehlen Tassen im Schrank, du Wichser, doch Scheiß drauf / ich wusste als Kind schon, dass ich mein Weg allein lauf“ hinaus.

Dabei gibt es auch hier wieder diese eingangs erwähnten intimen Momente, bei denen Fler zu wirklichen Höchstleistungen aufläuft, wie das großartige „Schwer Erziehbar 2010“, die Abrechnung mit der eigenen Mutter. „Ein Paar Geschenke, doch Liebe geben kannst du nicht / erzähl mir nichts von ‚Bitte Patrick, ich hab solche Angst um dich‘ / Weißt du noch damals – verdammt, du hast mich angezeigt / dein eignes Fleisch und Blut, war obdachlos die ganze Zeit“.

Auch „Russisch Roulette“, das Drama um die Exfreundin, die mit dem neuen rum macht, dem Fler auflauert und ihn umboxt, bis er schließlich vor ihr und den Bullen im Dreck liegt, glänzt durch die beklemmende Atmosphäre, die Beat und Text kreieren und erinnert im positivsten Sinne an Bushidos „Dreckstück“. Nur leider sind diese Momente eben viel zu selten. Man wünscht sich, dass der Künstler dieses Talent endlich mal so richtig ausbaut, aber es passiert einfach nicht. Immerhin findet sich mit „Neues Ich“ noch eine ganz gute Retrospektive über den eigenen Werdegang und mit „Alles Gefickt“ ein zwar vorhersehbarer, aber technisch und musikalisch stark nach vorne gehender Rundumschlag gegen Sido, Farid Bang etc. pp. Nichtsdestotrotz macht sich nach knapp 54 Minuten Ernüchterung breit.

Klar, rein musikalisch gibt es am Soundteppich von den alten Bekannten Beatzarre, Bushido und Djoarkaeff nichts auszusetzen. Mal bombastisch, mal rockig, mal technoid, mal zurückhaltend, aber immer passend. Das Gesamtbild aber bleibt getrübt.  Man wird das Gefühl nicht los, dass da mehr hätte gehen können. Weniger Popappeal und Phrasen, dafür mehr Stories, mehr Persönlichkeit und vor allem endlich weniger Gangster und puffpuff pengpeng.

Denn, dass er es anders kann, weiß er. Er will es nur noch nicht richtig zulassen. Hoffentlich beim nächsten Mal dann.