Damian Marley und Nas – Distant Relatives

Freundinnen und Freunde. Diese Review kommt spät. Sehr spät und sie kommt nicht etwas deshalb so spät, weil ich die Platte nicht rechtzeitig gehört hätte, nein, diese Review kommt so spät, weil es mir so unglaublich schwer fällt, etwas gescheites über dieses Album zu schreiben.
Auf der einen Seite sind nämlich auf „Distant Relatives“ unglaublich gute und schöne Songs zu finden, auf der anderen Seite geht mir dieses Reggaelastige „uplifting“-Geschwätz unfassbar auf die Nerven.Songs in denen von “We stay strong, we ain’t go wrong, we gonna survive, rise up, when the armageddon start get dread, only the strong will continue usw. usf.” Sind mir schlicht und ergreifend zu unkonkret und schwafelig?
Manches davon hat durchaus Hymnencharakter und man kann seinen Oberkörper zu den Klängen hin und her wiegen und mitsummen und davon träumen, dass Babylon bald fallen shall, aber alles in allem halte ich das für pseudospirituellen Revolutionskitsch.
Das ist ganz schlimmer Pathos, der nichts bewirkt und keine konkrete Konsequenz fordert, ein bisschen so, wie Leute, die von sich behaupten: Ich bin jetzt Buddhist, weil das so eine schöne unverbindliche Religion ist, die von so schön weit weg herkommt und wo man sich zu nichts verpflichtet. Dasselbe Gefühl beschleicht mich, wenn Afroamerikaner und Jamaikaner von Afrika sprechen. Klingt gut – bedeutet nichts!

Ich habe keine Ahnung, ob Nas jetzt eine spirituelle Wandlung durchmacht, oder ob der Junior Gong, aka der Sohn von Bob Marley (Gott hab ihn selig), tatsächlich auf dem Pfad des poor righteous teachers wandelt. Eigentlich sollte das für eine Albumbesprechung auch gar keine Rolle spielen, aber zumindest bei Nas hat mich persönlich der Widerspruch in seinen Raps zwischen vollkommener Ignoranz und politischer Hellsichtigkeit, zwischen richtiger Dummheit und sozialem Gewissen, zwischen Rolexuhr und Hungersnot oder vergoldeten 22 Zoll Felgen und dem Struggle seiner Leute immer etwas… äh irritiert.

Vielleicht hat es mich auch nur deshalb irritiert, weil wir selbst alle zerrissen sind, zwischen sozialer Verantwortung und persönlicher Habsucht, zwischen der persönlichen Faulheit und Engagement, denn schließlich, das wissen wir auch schon lange, gibt es kein richtiges Leben im Falschen.
Genau das aber scheint die Kernaussage von Nas und Damian Marley zu sein, die schon im ersten Song ihre Mission den Anschein erwecken, dass sie sich im Besitz der Wahrheit befänden: „[Nas] Burn candles, say prayers, paint murals/ It is truth we big news, we hood heroes/ [Damian Marley]Break past the anchor, we come to conquer/ Man a badman, we no play Willy Wonka/ [Nas] And I got the guns/ [Damian Marley] I got the ganja.

Wer so ausgestattet ist mit den Blessings von Jah, Haile Selassie, dem heiligen Weed und dem Speer von Shaka Zulu, der kennt natürlich wenig Selbstzweifel und ist berechtigt die „Tribes at War“ wach zu rütteln, den Starken zuzurufen, dass „the strong will continue“, die Geknechteten ins „Land of Promise“ zu führen und schließlich auch Afrika mit „Africa must wake up“ zu erwecken.
Wobei man bei jedem Song gerne nachfragen würde continue“ mit was? „Land of Promise“ und dann? „Wake up“ wozu? Was soll Afrika dann machen, wenn es erwacht ist, abgesehen davon, dass es irgendwann mal hieß „Deutschland erwache“ und das kein gutes Ende genommen hat?

Und trotzdem habe ich immer das Gefühl bei solchen CDs etwas ganz Entscheidendes zu übersehen.
Wenn es zum Beispiel bei „Count your blessings“ heißt: „I’ve got love and assurance/ I’ve got new health insurance/ I’ve got strength and endurance/ so I count my blessings”, dann denke ich mir, dass das genau das Gegenteil von dem ist, worüber ich mich weiter oben beschwere. Das ist dann eben doch ganz konkret und fassbar, fast alltäglich, ohne pseudospirituelle Folklore und ganz ohne Rauchschwaden, die zu diesem zwei Fronten Denken führen „us and them“, Masters and Slaves“, „Babylon and Jah“.
Bei so einem Song habe ich das Gefühl, mich in der Musik wieder finden zu dürfen, ein Gefühl, dass ich auf manch anderem Song dann allerdings vermisse. Dann denke ich mir: Vielleicht peile ich es ja einfach nur deshalb nicht, weil ich ein weißer, deutscher Mitteleuropäer bin und zu Afrika halt dann eben doch ein eher exotisch-touristisches Verhältnis habe.

Ich muss gestehen, dass ich solche Gedanken nicht gerne denke und auf eine gewisse Weise schäme ich mich dafür und ärgere mich drüber… und dann denke ich an die Worte meiner Yoga Lehrerin: Alles, was Dich ärgert, möchte Dich etwas lehren.

Was das allerdings im Fall von Distant Relatives sein soll,  habe ich bislang noch nicht so richtig rausgefunden, aber immerhin habe ich schon einen Verdacht. Und vielleicht rauche ich jetzt noch mal einen Kopf und höre mir das Album in einem higher state of mind noch mal von vorne an.

Denn schließlich ist Distant Relatives tatsächlich eine gelungene Kollabo aus Reggae und Rap Flow und wenn mich das Album schon beim ersten Anhören an das Album von K’naan erinnert hat, dann kommt das nicht von ungefähr.

Der Coca Cola-Fußaballfesthymnen Sänger war nach Aussagen von Nas und Marley die gesamte Zeit über im Studio und diente als musikalische Inspirationsquelle und ist auch zwei mal als Feature Gast vertreten. Das mal so als Info.