Azad – Azphalt Inferno 2

So. „Azphalt Inferno 2“. Ob das jetzt ein Album ist, ein Streetalbum, ein Mixtape – egal. Eigentlich sind auch der Titel dieses Releases, die Anzahl der Tracks, die angepeilte Themenvielfalt und die Features total irrelevant, denn seit geraumer Zeit scheint Azads gesamtes Schaffen sich zu einer Art riesigem Beton…. Ding zu verdichten.
Alles ist grau, dunkel, hoffnungslos. Ab und an sieht man Licht am Himmel, muss sich daran festhalten und all seinen Brüdern im Knast davon erzählen. Dafür, dass die Frankfurter Nordweststadt der Teil der Erde mit der höchsten Niederschlagsrate sein muss, brennt der Asphalt aber ziemlich oft. Ich glaube wegen dem Hass, den der Bozz und seine Kumpanen auf die Welt im Allgemeinen und seit neuestem den Staat im Besonderen haben.
Ich habe da so ein Bild vor Augen. Düster gekleidete, wahnsinnig gewichtig blickende Männer schreiten abwechselnd wehklagend und mit ihrem Mund irgendwelche Explosionsgeräusche machend durch die Straßen der Mainmetropole. Es hat etwas unfassbar dramatisches, wirkt aber in seiner absoluten Überzeichnung einfach nur noch absurd.
Anwohner, an denen das Konglomerat aus Schmerz, Pein und Wut vorbeizieht, blicken noch nicht mal mehr auf. Die kennen das alle schon. Der ein oder andere seufzt vielleicht „Nicht die schon wieder“. Aber das war’s. Genau das ist für mich BOZZ Music 2010.
Auf „Azphalt Inferno 2“ bekommt man exakt dasselbe wie auf jedem anderen Azad Release seit…. Ich weiß es nicht mal mehr. Fünf Jahren? Irgendwie zwingt sich einem der Eindruck auf, der Rapper hätte sich in seinen eigenen Sprachbildern von früher verloren, in denen die Welt in manchen Momenten eben wahnsinnig dunkel und kalt war, man aber noch nicht das Gefühl hatte, dass die Jungs aus der Nordi von einem komplett anderen Planeten stammen. Wenn man aber über Jahre hinweg an einer Welt gebastelt hat, die ausschließlich aus Beton, Wut, Schmerz, Regen, Pein, Trauer, Asphalt und Feuer besteht, dann ist man in ebendieser vielleicht auch irgendwann gefangen und kommt da nicht mehr raus. Dann sieht man nicht, dass es auch Menschen gibt, die Spaß haben und dass eben ab und an doch noch die Sonne scheint.
Ebenfalls eine von A-Z-A-Ds Lieblingsdisziplinen ist der Battlerap, genau diese Tracks führen allerdings zu einer ziemlich schmerzhaften Erkenntnis: Der Frankfurter ist alt geworden. Glänzte er schon früher mehr mit brachialer Stimmgewalt denn mit harten Punchlines, wirken schon dreihundert Mal gebrachte Lines, in denen einem „bööööös“ gegeben wird und die Faust des Nordwestens „einem den Schädel spaltet„, mittlerweile nur noch müde und kraftlos. Das klingt nicht nach lyrisch von einem Pitbull zerfetzt werden, sondern eher nach dritten Zähnen.
Beim 14. Song der Platte, „Rollin’ Like A Bozz“, schrecke ich erstmals aus meiner Lethargie auf. Warum rappt Azad plötzlich auf Englisch? Man weiß es einfach nicht. Es ergibt keinen Sinn. Ein Kollege rät zweifelnd: „Vielleicht weil er es kann?
Eine andere Möglichkeit wäre aber auch, dass der Song wie eine 0815 Kopie eines schlechten Amisongs klingt, der als letztes Highlight von DJ Flashdance durch die Anlage gejagt wird, bevor die Bottroper Großraumdisse endlich schließt. Dann passt das eben, wenn man mal ein bisschen auf Englisch spittet. Klingt ja auch alles very smooth. Im Allgemeinen scheint der Künstler den Entschluss gefasst zu haben, dass eine musikalische Weiterentwicklung nur dahingehend geschehen darf, dass jeder zweite Song mit einer dermaßen abgeschmackten R’n’B Hook zugeschmalzt wird, dass es mich würgt. Manuellsen auf Autotune wird mich außerdem bis in meine schweißgebadetsten Albträume verfolgen.
Natürlich gibt es den ein oder anderen Track, der sich hören lässt. „Fuck Tha Police 2010“ wartet mit einem okayen Beat und einem Godsilla-Feature auf und an dieser Stelle muss ich mich einfach mal als absoluter Fan seiner Stimme outen. Schade, dass der Song im gesamten so total nichtssagend ist.
Den „Futurama Remix“ mit Savas und Mobb Deep Member Havoc könnte ich sogar als absolut gelungen bezeichnen, würde mich Moe Mitchell mit seiner enervierenden Art zu singen, nicht so unfassbar stören. Im Allgemeinen hätte man an der ein oder anderen Stelle sicher noch mehr rausholen können, aber dann hätte es Features gebraucht, die frischen Wind in das Ganze bringen.
Azad hat das mit Leuten wie Samy Deluxe und Savant des Rimes auf der Vorgängerplatte doch schon recht gut hingekriegt, warum muss ich mir als sehr interessierter Hörer und ehemals glühender Azad Fan dann jetzt Leute wie Adem reinfahren, von dem man ganz objektiv sagen kann, dass er einfach absolut erbärmlich schlecht rappt? Ich empfinde das als richtige Frechheit.
Die anderen Featurebeiträge setzen sich aus den üblichen Verdächtigen wie Jeyz, Chaker und 439 zusammen, sowie Manuellsen, Francisco, Manuellsen, Tone, Manuellsen, Juvel, Manuellsen, Snaga und nicht zuletzt auch Manuellsen zusammen.Auch auf Produzenten-Ebene mag niemand so recht überzeugen, obwohl mit unter anderem STI, Benny Blanco, und Gee Futuristic durchaus große Namen an den Reglern saßen. Auf dem Papier sieht das alles gut aus, wirklich funktionieren möchte aber kein einziger der Songs. Ich weiß nicht, woran es liegt. Ich kann nicht sagen, warum sich der Mann aus Frankfurt von einem meiner absoluten Lieblingskünstler zu jemandem gewandelt hat, dessen aktuelle Releases ich eigentlich nicht mal mehr flüchtig durchhören möchte.

Aber wenn Azad in „Blocktränen“, dem letzten Track von „Azphalt Inferno 2“ davon spricht, dass es im Block immer noch nichts Neues gibt, dann muss ich ihm beipflichten. Voll und ganz. Vielleicht ist es an der Zeit, umzuziehen.